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Bei Anruf kein Taxi

Teil 5 der Reihe „Stadtratsgeflüster“. Wir beschäftigen uns mit der touristischen Entwicklung von Görlitz. Im Gespräch blicken die Stadträte Andreas Kolley und Mike Altmann sowohl zurück als auch nach vorn.

Blick nach vorn am Berzdorfer See

Teil 2 der Reihe „Stadtratsgeflüster“. Wir beschäftigen uns mit der Entwicklung am Berzdorfer See.

Berzi-Bilanz 2019-2024

Start der Reihe „Stadtratsgeflüster“. Wir beschäftigen uns mit Stadtentwicklung, Verkehr und Tourismus. Was haben wir in den letzten fünf Jahren erreicht, wo wollen wir noch hin?

Stadtratsblog #47: 26.10.2023

Subjektiv gefärbter Bericht aus dem Stadtrat vom 26.10.2023

Es beginnt still und nachdenklich. Schweigeminute für die Opfer der Hamas-Verbrechen in Israel. OB Octavian Ursu versichert, dass Görlitz an der Seite der jüdischen Gemeinschaft steht. Unser Kulturforum Neue Synagoge, die Ehrenbürgerschaft für Schlomo Graber und die zahlreichen Stolpersteine in der Stadt sind nur einige Beispiele für eine lebendige Kultur der Erinnerung, des Respekts und des Austausches.

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Weitere Informationen

Dann steigen wir mit Infos des OB in die Sitzung ein.

Herr Ursu berichtet von einem Besuch bei der Mitteldeutschen Medienstiftung in Berlin. Beim 25. Geburtstag habe er für Görlitz geworben. Die Stadt habe in der Branche einen guten Ruf. Auch die Film-Akademie wirke positiv. So schön das klingt: Bislang hat sich noch keine dauerhafte Finanzierung dieses Bildungsangebotes gefunden. Wenn es den Bedarf gibt, müsste sich das auch in finanziellem Engagement der Branche äußern.

 

Persönlich eingesetzt hat sich Herr Ursu für den Erhalt der Zeemann-Filialen. Auslöser waren Presseberichte, dass sich die Handelskette komplett aus Görlitz zurückzieht. Daraufhin, so die Erzählung, gab es ein Telefonat des OB mit Zeemann. Er hat das Potenzial der Stadt aufgezeigt, über die Wirtschafsförderer der EGZ zusätzliche Informationen bereitgestellt und somit die Zeemänner und Zeefrauen überzeugt. Zumindest die Filiale an der Ecke Wilhelmsplatz/Jakobstraße bleibt erhalten. Ich muss dann wohl auch mal dort einkaufen, wenn sogar der OB darum kämpft. Nichts mehr tun kann der OB für die Filiale im Neiße-Park. Sie wird geschlossen.

 

Bürgermeister Benedikt M. Hummel berichtet kurz über Ergebnisse der ersten Saison am Berzdorfer See mit Parkautomaten. 90.000 Euro Einnahmen, das ist etwa doppelt so viel wie prognostiziert. Obwohl die Automaten ziemlich verspätet an den Start gingen. Das von AfD und CDU jahrelang prophezeite Chaos ist ausgeblieben. Demnächst wird es eine tiefere Analyse geben.

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Die Bürgerfragestunde wird endlich mal wieder gut genutzt.

Sarah Bräunling und Mario Härtig wünschen sich eine städtische Lösung zum Melden von Gefahrenstellen für Radfahrer. Beide berichten von zu wenig Abstand, auch Unfälle habe es gegeben. Meldungen bei der Polizei seien zu zeitaufwendig. Das mag sein, aber wenn etwas passiert ist, sollte man schon die Polizei einschalten, rät der OB. Für Hinweise auf Gefahren ist der Mängelmelder zu empfehlen. Bürgermeister Hummel ergänzt, dass dieses Thema in die Fortschreibung des Verkehrskonzeptes einfließt. Erst vor ein paar Tagen habe es eine Befahrung kritischer Stellen für Radfahrer im Stadtgebiet gegeben.

Maik Fey,  möchte wissen, wann die umstrittenen Sondernutzungsgebühren für lokale Gastronomen während städtischer Feste geklärt werden. Die letzte Sitzung dazu fand im Mai statt. Vereinbart wurde damals, dass die gesamte Finanzierung des Altstadtfestes im Verwaltungsausschuss besprochen werden sollte. Am Ende ist es eine politische Entscheidung, ob ansässige Gastronomen entlastet werden bei den Festivitäten. Leider gibt es seitdem keine Bewegung. Das Thema wird trotz regelmäßiger Erinnerung nicht im Ausschuss auf die Tagesordnung gesetzt. Bürgermeister Hummel erklärt, dass er in Kürze zu einer neuen Runde mit Gastronomen und Kulturservice einladen möchte. Im Gespräch bleiben ist prima, aber man darf sich dabei nicht im Kreis drehen. Beide Seiten haben ihre Argumente ausgetauscht. Die Gesellschaft samt Aufsichtsrat hat sich aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine Entlastung der Görlitzer Gastronomen entschieden, wenn diese beim Altstadtfest ihre Außenfläche nutzen wollen. Insofern muss die politische Ebene entscheiden. Hierfür fehlen aber die Gesamtzusammenhänge. Ich weiß nicht, was das Altstadtfest für Einnahmen und Ausgaben hatte in den letzten Jahren.

Danach tritt eine junge Frau ans Mikro und beklagt den Kiesabbau in Hagenwerder sowie das intransparente Verfahren durch das Oberbergamt. Die Genehmigung zum Abbau sei ohne Beteiligung von Betroffenen erteilt worden. Unklar sind Folgen für Umwelt, Anwohner und Tourismus. Angeblich dürfe die Firma Heim nun auch tiefer abbauen. Und zwar bis unter die Grundwasserlinie. Die junge Frau erinnert an das schwere Unglück in Nachterstedt, als die Ortschaft absank. Ein weiteres Thema ist die Staubbelastung, die bis zum Hotel Insel der Sinne reiche. Die Ranch in Hagenwerder leide, Pferde würden an Husten erkranken. Die Stadtspitze zeigt sich bei dieser Frage hilflos. Seit Beginn der Debatte vor zwei Jahren verweist sie auf fehlende Einflussmöglichkeiten, da hier Bergrecht gelte. Ich denke, es ist höchste Zeit, sich intensiver damit zu befassen und herauszufinden, wie tief und wie weit die Abbauarbeiten tatsächlich reichen sollen. Es handelt sich um eine sensible Stelle. Nah an Wohnhäusern, Gärten, Gewerbebetrieben und unserem touristischen Zentrum Berzdorfer See. Es gibt auch eine Petition, die ihr unterstützen könnt: https://www.kiesabbau-goerlitz.de

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Es folgen die Fragen von Stadträten.

Trinkwasserprobleme
Mein Fraktionskollege Andreas Kolley erkundigt sich, ob die Verschmutzung des Görlitzer Trinkwassers mittlerweile aufgeklärt ist. Seit einigen Tagen gab es Warnungen, da das Wasser teilweise übelriechend aus der Leitung kam. Der OB wiederholt die Erkenntnisse des Vortages. Die Stadtwerke haben erklärt, dass keine Gefahr bestand und besteht, selbst wenn vom Trinken des Wassers zwischenzeitlich abgeraten wurde. Die Ursachenforschung hält an. Eine Herausforderung für die Kommunikation der Stadtwerke. Die, wie ich finde, nicht optimal gelöst ist. Bei solch elementaren Dingen wie der Trinkwasserversorgung braucht es mehr als routinemäßige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Saisonende für Berzdorfer See
Ich möchte wissen, wie die Stadtverwaltung zu Sondergenehmigungen außerhalb der Saison auf dem Berzdorfer See steht. Am 31. Oktober endet die Saison auf dem See. Wer trotzdem mit Boot aufs Wasser will, etwa für touristische Rundfahrten, muss das beantragen. Beteiligt an den Verfahren sind neben Görlitz auch LMBV und Landratsamt als zuständige Behörde. Der OB meint, dass die Stadt solche Sondernutzungen nicht forcieren möchte. Es wird im Einzelfall geprüft, aber das Rathaus stehe dem kritisch gegenüber. Ich denke, wenn die Naturschutzbehörde und die Wasserschutzbehörde nichts dagegen haben, sollte die Stadtverwaltung bei Einzelanträgen folgen. Dauerhafte Sonderfälle sollten von der Landesdirektion geregelt werden.

Gespräche im Klinikum
Lutz Jankus von der AfD fragt, ob es Bewegung gibt im Streit zwischen Klinikum und ausgegliedertem Medizinischen Labor. Wir erinnern uns: In der letzten Sitzung wurde OB Ursu um Unterstützung gebeten, damit das Labor wieder ins Klinikum eingegliedert wird. Es geht um Arbeitsbelastung, Schichtdienste, Bereitschaftszeiten, Personalmangel und auch schlechtere Bezahlung. OB Ursu erklärt, dass es mittlerweile ein Gesprächsangebot der Klinikchefin gibt. Mehr kann man noch nicht sagen.

Dunkler Puschmann-Weg
Motor-Stadtrat Danilo Kuscher bringt eine Frage ein, die wir von einer Görlitzerin kurz vor der Sitzung erhielten. (Das ist jederzeit möglich. Schreibt uns über die Social-Media-Kanäle oder per Mail an kontakt@fraktion-motor-gruene.de). Sie wünscht sich Beleuchtung für den Else-Puschmann-Weg. Der verbindet seit kurzem die Lüders-Straße und die Rauschwalder Straße. Eine schnelle Lösung gibt es leider nicht. Frau Poost vom Bauamt erläutert, dass die Beleuchtung erst mit dem nächsten Bauabschnitt kommt. Die erste Baustufe war vorgezogen worden, gemeinsam mit den Stadtwerken, die Medien verlegt haben.

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Der Neue aus der AfD
Wir vereidigen einen neuen Stadtrat. Nachdem Alexander Lehmann von der AfD vor die Tore der Stadt gezogen ist, muss ein Nachrücker her. Ralf Klaus Kaufmann heißt er, Ex-Diplomat. 137 Stimmen reichen ihm nun für den Einzug in den Rat. Bereits der vierte Nachrücker bei der AfD. In die Fraktion wird er aber nicht gehen. Laut SZ-Bericht ist Herrn Kaufmann die AfD zu links, weshalb er sie verlassen habe. Er nimmt neben Jens Jäschke Platz, den die AfD-Fraktion schon vor Jahren offiziell ausschloss. Ralf Klaus und Jens – die Lümmel von der letzten Bank.

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Elisabethplatz
Der Stadtrat vergibt den Auftrag für die Tiefbauarbeiten auf dem Elisabethplatz an Steinle Bau. Im November soll es endlich losgehen mit der Neugestaltung.

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Wirtschaftsplan Friedhof 2023
Wir haben Ende Oktober aber noch immer keinen genehmigten Haushalt. Die Reparatur der Einäscherungsanlage kann nicht aufgeschoben werden. Deshalb braucht es einen sogenannten Mittelvorgriff in Höhe von 150.000 Euro. Die Anlage ist verschlissener als ihr Alter eigentlich vorsieht. Ursachen sind in den Coronajahren zu finden. Deutlich mehr Tote, deutlich mehr Einäscherungen. Wir stimmen zu. Ebenso dem Wirtschaftsplan 2023.

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Betriebskonzept, Sanierungskosten und Förderanträge Stadthalle
Noch vor der Pause wird die Stadthalle als Tagesordnungspunkt aufgerufen. Wir sollen dem Betriebskonzept zustimmen, den OB beauftragen, Fördermittelanträge zu stellen und die Kostenobergrenze für die Sanierung auf rund 51 Millionen Euro erhöhen.

Bürgermeister Hummel führt ins Thema ein. Die Terminschiene wird vorgestellt. Fertigstellungstermin ist noch nicht fixiert. Es soll auf 2028/29 hinauslaufen. Nicht zu sehen oder zu hören bekommt die Öffentlichkeit die wichtigsten Zahlen aus dem Betriebskonzept. Keine Info, dass der Zuschussbedarf im ersten Jahr bei knapp einer Million Euro liegt. Keine Angabe zu den geplanten Veranstaltungen, zum Preismodell oder zu den Einnahmen. Sinnbildlich dafür ist eine illustrierende Powerpoint-Folie des Fach-Bürgermeisters. Zunächst erscheint das Wort „Risiko“. Sehr klein und kaum erwähnenswert. Man wisse nie vorher genau, was etwas schlussendlich kostet. So. Dann fliegt ein neues Wort ein. CHANCEN. Deutlich größer als die Risiken. Appelle an Zuversicht, Mut und Sekundärtugenden. Fakten, Abwägungen, Risikobewertungen und gesamtstädtische Perspektive fehlen.

Extra für euch ergänze ich deshalb den Vortrag von Benedikt Hummel und stelle einige wenige exemplarische Zahlen aus dem Betriebskonzept 2.0 vor. Macht euch selbst dazu Gedanken. Ich nehme das dritte Betriebsjahr, weil es dort aus städtischer Sicht die besten Annahmen gibt. Nicht dass mir noch jemand vorwirft, ich würde das Projekt schlechtreden mit Zahlen aus den Aufbaujahren.

  • Anzahl Veranstaltungstage: 192
  • Erwartete Einnahmen:  2,3 Millionen Euro
  • Personal: 20 Vollzeitstellen
  • Gesamtkosten: 2,9 Mio Euro
  • jährlicher Zuschussbedarf: 640.000 Euro

Klingt erstmal gar nicht so schlimm? Richtig. Aber ist das realistisch? Schauen wir uns die Einnahmeerwartungen an. 192 Veranstaltungen in einem Jahr sind stattlich. Muss man erstmal hinbekommen. So der Tenor aus der Veranstalterbranche. Je mehr ich die Zahlenreihen studiert habe, umso mehr Zweifel kamen.

Beispiel 1: 900.000 Euro Mieteinnahmen
Die Mieteinnahmen beruhen auf der hohen Auslastung und den gehobenen Preisen. Für den großen Saal werden 5.400 Euro aufgerufen, ohne Ränge 3.700 Euro. Der Kleine Saal kostet 1.200 Euro. Im modernen Anbau finden sich kleinere kombinierbare Säle zu Preisen zwischen 200 und 1.800 Euro. Wer die ganze Stadthalle exklusiv nutzen möchte, zahlt 9.000 Euro. Das soll etwa durch Kongresse gelingen. Gleich vier soll es davon geben mit 600 Teilnehmern.

Beispiel 2: 1 Million Euro aus Dienstleistungen
Wie kommt es, dass der Stadthallenbetreiber mehr durch Dienstleistungen als durch Vermietung einnimmt? Weil es sich um rein kalkulatorische Annahmen handelt. Zu fast jeder Veranstaltung errechnet sich der Kulturservice Zusatzeinnahmen für Lichttechniker, Tontechniker, Präsentationstechniker und Projektmanager. Stundensatz zwischen 60 und 120 Euro. Mal sehen, wie viele regionale Nutzer sich das leisten werden. Ein Abi-Ball erwirtschaftet laut Kalkulation 800 Euro Miete, 1.860 Euro für Licht. Ton und Projektion, 800 Euro für Projektmanagement. Trotz 80% Mietrabatt müssten die Abiturienten 4.100 Euro auftreiben, da die kalkulierten Preise netto sind. Da ist noch kein Buffett, kein Begrüßungsgetränk und kein DJ bezahlt. Wie realistisch ist das?

Beispiel 3: 180.000 Euro aus Catering-Provisionen
Die Einnahmeposition geht davon aus, dass der externe Caterer über 1,2 Millionen Euro Jahresumsatz macht. Davon sollen 15 Prozent in die Kasse des Betreibers fließen. Mit wem ich aus der Branche auch sprach: Es gibt erhebliche Zweifel an der Umsatzerwartung. Kenner meinen, dass es schwer werden könnte, überhaupt einen regionalen Anbieter zu finden, der das leisten kann.

Unsere Fraktion hatte beim ersten Entwurf vor knapp zwei Jahren noch bemängelt, dass uns die Einzelpositionen fehlen, wir die Kalkulation nicht nachvollziehen können. Das war nun viel besser möglich. Leider haben die Tabellen unsere Bedenken nicht genommen. Im Gegenteil. Und wir sind damit nicht allein. Ich hatte vor und nach einer Stadtratssitzung noch nie so viele Anrufe und Nachrichten von Leuten, die sich zur Stadthalle äußerten. Die uns den Rücken stärkten. Die aus völlig verschiedenen Peergroups stammen. Das ist keine homogene Bubble aus Stadthallenskeptikern. Es sind gestandene Persönlichkeiten, Unternehmer, Kulturmanagerinnen, Gastronomen – Leute, die rechnen und Risiken einschätzen können. Genau das fehlt dem Betriebskonzept: Es geht von der besten Annahme aus und lässt die Risiken außer Acht.

Deshalb reichen wir einen Änderungsantrag ein. Statt das Betriebskonzept zu bestätigen, wollen wir es nachbessern lassen. Der Bedarf an gesellschaftlichen und nichtkommerziellen Kulturveranstaltungen soll ebenso ermittelt werden wie die aktuelle Marktlage. Das fehlt bislang. Ebenso wie eine Stärken-Schwächen-Analyse für alle Sparten. Desweiteren wollen wir vom OB eine klare Aussage zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Wie bekommen wir die Bausumme gewuppt, wie finanziert sich der Betrieb dauerhaft? Und schließlich wollen wir, dass die Rechtsaufsicht den Prozess eng begleitet.

Unseren Antrag begründe ich in der Sitzung mit einem längeren Redebeitrag:

Es ist zu beachten, dass die Stadt Görlitz nicht verpflichtet ist, die Stadthalle als Veranstaltungsstätte und Tagungszentrum wieder zu errichten und bereitzustellen. Gesamtsanierung und Betrieb erfolgen aufgrund des öffentlichen Bedürfnisses und der Leistungsfähigkeit. Darauf weist u.a. das städtische Justiziariat hin.

Zum Bedarf
Zu prüfen ist durch uns, ob für die einzelnen Sparten eine öffentliche Notwendigkeit besteht, vor allem wenn sie Defizite erwirtschaften. Dann müssen wir prüfen, ob andere Einrichtungen diese Leistungen bereits ausreichend bereitstellen. Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, auf dem privaten Markt der Tagungen, Messen und Unterhaltungsveranstaltungen tätig zu sein. Ein Grund kann es sein, dass man durch Überschüsse in diesen Sparten Dinge ermöglicht, die der städtischen Gesellschaft derzeit fehlen. (Außer in der Sparte „Tagungen und Kongresse“ gibt es laut Betriebsplan jedoch überall Verluste.)  Da geht es immer wieder um eine „Halle für alle“, in der wir eine Renaissance der Geselligkeit erleben. Fakt ist, dass deutlich mehr kommerzielle Veranstaltungen geplant sind als solche für die Stadtgesellschaft (105:87).

Aber selbst bei diesen Veranstaltungen müssen wir doch schauen, ob sie zusätzlich sind oder von anderen Häusern abgezogen werden. Da bin ich bei Jugendweihen, Abifeiern, Vereinsveranstaltungen – die finden doch jetzt auch schon statt. Wandern sie ab? Und ist das gewollt?

Es fehlt eine aktuelle Marktanalyse zum Angebot. (Was gibt es schon?) Für Veranstaltungen über 400 Personen besteht in Görlitz kein großes Angebot. Für kleinere Formate, speziell bis 200 Gäste, ist es wichtig, dass wir unsere lokalen und regionalen Mitbewerber kennen. Leider findet sich dazu keine Analyse im Betriebskonzept. Keine Aussagen zum Senckenberg-Campus mit Audimax für 200 Leute, zu Schlesischem Museum, Kinosaal, Siemens Innovation Campus, Werk1,…)

Es fehlt auch eine Analyse des Bedarfes. Das können Interviews nicht ersetzen. Nur wer die wirtschaftlichen Parameter kennt, gibt fundierte Aussagen zur eigenen potenziellen Nutzung einer sanierten Stadthalle. Als Veranstalter einer Messe wäre es unwirtschaftlich. Für eine zweitägige Messe plus Aufbautag kalkuliert der Kulturservice Einnahmen aus Miete und Dienstleistungen von rund 40.000 Euro. In Löbau kostet das Paket deutlich weniger bei doppelt so viel Fläche und mehr Nutzungstagen für Auf- und Abbau.

Diese Dienstleistungen ziehen sich durch fast alle Veranstaltungen und wirken sich auf die Einnahmeerwartungen aus. Hier finden sich extreme Unterschiede zum ersten Betriebskonzept. Vor zwei Jahren wurden knapp 500.000 Euro Einnahmen für Dienstleistungen kalkuliert. Jetzt Verdopplung auf eine Million Euro. An den Zahlen haben wir erhebliche Zweifel.

Zur Leistungsfähigkeit
Baukosten werden mittlerweile auf 51 Millionen Euro taxiert. Das sind 8 Millionen Euro mehr als vor zwei Jahren. Ohne dass der Bau begonnen hat. Für die Sanierung fehlen laut Prognose die nötigen Eigenmittel und Risikokosten ab 2025, nicht förderfähige Kosten sind gar nicht kalkuliert. Ab 2025 hat die Stadtkasse keine Rücklagen mehr. Die Stadthalle wird somit zu Lasten anderer bereits geplanter Vorhaben gehen. Was fällt weg? Stadion Biesnitz, barrierefreie Haltestellen, Jahnsporthalle, Entwicklung Schlachthofgelände, Umbau des neuen Volkshochschul-Standortes, Erschließung von Deutsch-Ossig und Verbesserung der Infrastruktur Nordoststrand, Geräte für Spielplätze, Pflege für Grünanlagen?

Wie finanzieren wir eigentlich die Betriebskosten bei einem jährlichen strukturellen Defizit von bis zu 15 Mio Euro? Natürlich können wir erstmal einen Förder-Antrag einreichen – aber irgendwann muss jemand unterschreiben, dass wir uns den Betrieb leisten können. Wir werden in Kürze ein „Haushaltsstrukturkonzept“ erarbeiten müssen. (Das ist ein euphemistischer Begriff für Rotstift ansetzen.)

Zu den Kosten kommen noch gar nicht eingepreiste Positionen hinzu: Straßenbau, Parkhausbau, Gestaltungsarbeiten rund um die Stadthalle, Stadthallengarten, zusätzliche Kosten für die Begleitung der sich deutlich verspäteten Sanierung durch Kulturservice (jährlich ca. 200.000 Euro), zusätzliche Kosten für das Jahr vor der Eröffnung (Personal muss schon teilweise am Start sein für Projektentwicklung, Marketing und Akquise – es gibt aber noch keine Einnahmen).

In Anbetracht der erheblichen wirtschaftlichen Risiken und der rechtssicheren Ausgestaltung des Stadthallenprojektes auf Fördermittelbasis sollte die Rechtsaufsicht einbezogen werden. Wir bitten um Zustimmung für unseren Antrag. (Ende des Statements im Stadtrat.)

Bürgermeister Hummel sieht die vorgebachten Punkte als grundsätzliche Kritik und erwähnt mehrfach, dass er doch alle unsere Fragen beantwortet habe. An dieser Stelle ein kleines Verständnisstück. Wir arbeiten in der Fraktion nach dem Schema FVE. Fragen. Verstehen. Entscheiden. Die Beantwortung von Fragen ersetzt nicht unser Einordnen in den Gesamtzusammenhang und die Entscheidung.

Dann darf Prof. Joachim Schulze ans Mikrofon. Das grüne Mitglied der Fraktion Bürger für Görlitz geht zunächst auf meine Forderungen nach einer konkreten Bedarfsanalyse ein. Das erinnere ihn an früher. An Diskussionen ums Werk 1. Da gab es die gleiche Masche, dass die Kritiker immer neue Analysen zum Bedarf haben wollten, so Schulze.

Ich war glühender Anhänger des WERK1. Den Bedarf haben die Jugendlichen damals selbst artikuliert. Als sie die Stadtratssitzung im Jahr 2011 enterten. Es geht heute auch um mehr Geld. Faktor zehn könnte ungefähr hinkommen.

Joachim Schulze zitiert sich jetzt selbst. Pathetische Sätze aus einer eigenen Rede von 2011, die die SZ unter der Überschrift „Ohne Stadthalle hätte Görlitz den Welterbetitel nicht verdient“ komplett abdruckte. Origineller Einstieg. Vielleicht etwas Ich-bezogen. Aber das darf ein Professor, der sein Berufsleben lang vor wissbegierigen jungen Menschen performt hat.

Ich bleibe weiter frohgestimmt und lächle. Das mag der Professor offenbar nicht. Er kündigt mir quer durch den Saal an, dass ich schon bald nicht mehr lächle. Nun bin ich erst recht gespannt.

Herr Schulze verweist darauf, dass mögliche Mitbewerber aus einem großen Umkreis bis nach Polen und Tschechien befragt wurden. Dass es keine Angst vor Konkurrenz gibt. Im Gegenteil große Vorfreude und Kooperationsbereitschaft. Als Mann der Wissenschaft weiß Professor Schulze, dass bei solchen Erhebungen die Einordnung wichtig ist. Das fehlt in seinem engagierten Vortrag leider. Ich ergänze gern: In Polen und Tschechien wurden 14 Einrichtungen kontaktiert. Fünf antworteten. Drei Einrichtungen aus Liberec und Jelenia Gora können sich eine Zusammenarbeit vorstellen. In einer zweiten Befragung wurden deutsche Einrichtungen interviewt. Hier ging es um grenzüberschreitende Erfahrungen. Bis auf die Hillersche Villa Zittau und Fürst Pückler Bad Muskau finden sich keine regionalen Akteure. Beteiligung: 5 von 12 Angefragten. Interviews, ausschließlich zu grenzüberschreitenden Aspekten, sollen eine Marktanalyse ersetzen? Damit habe ich Schwierigkeiten.

Jede Menge Fantasie zeigt Prof. Schulze, als er die Folgen an die Wand malt, wenn wir das Stadthallenprojekt stoppen. Dann könnte Görlitz zur Sanierung gezwungen werden. Der Bau würde dann 70 bis 80 Millionen Euro kosten, die wir aus der eigenen Tasche zahlen müssten. Das ist Görlitzer Science-Fiction. Niemand kann eine Kommune dazu zwingen. Außerdem ist das Gebäude gesichert.

Anschließend werden durch den erfahrenen Stadtrat Schulze Sekundäreffekte aufgeführt. Also zusätzliche Einnahmen durch Besucher der Stadthalle in Hotels, Geschäften, Kneipen. Nur: Diese „Umwegrentabilität“ ist in den letzten zehn Jahren nicht untersucht worden. In der letzten Untersuchung von Drees & Sommer aus dem Jahr 2012 wurde sie mit 2,1 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Davon stammen 80 Prozent aus Kompensationseffekten. Auf deutsch: Die Stadthalle zieht Veranstaltungen aus anderen Locations ab. Wie groß ist dieser Effekt aus heutiger Sicht? Ohne fundierte Betrachtung lässt sich das nicht einschätzen.

Diskussionswürdig ist die Sicht von Prof. Schulze, dass wir Görlitz zum Gespött machen in Dresden und Berlin, wenn wir „kleingeistig“ an solche Projekte herangehen. Wird nicht andersrum ein Schuh draus? Ruinieren wir nicht viel mehr unseren Ruf, wenn wir ohne ausreichende Marktanalyse, ohne Risikobewertung, ohne finanzielle Sicherheit ein 60-Millionen-Euro-Förderprojekt an die Wand fahren?

 

Die Rede von Joachim Schulze löst große Begeisterung aus bei der Stadthallenmehrheit. Sie wird zum Benchmark. Kein Wortbeitrag von Verwaltung, AfD, CDU und BfG setzt sich anschließend mit betriebswirtschaftlichen Inhalten auseinander. Jana Lübeck von den Linken kritisiert, dass keine Antworten auf unsere berechtigten Fragen kommen. Außer: Das werden wir sehen, wenn es so weit ist. Das werden wir im Prozess klären. Das wird schon passen. Geld wird schon da sein. Wer kritisch nachfragt, ist nicht gegen die Stadthalle. Dass man sowas tatsächlich in einem Stadtrat betonen muss, ist schon bedenklich.

Die Herren Ursu und Hummel reagieren angefasst, werden emotional. Meine Kollegin Jana Krauß stellt klar, dass wir keine Emotionen brauchen, sondern Klarheit. Wie können wir das Projekt in der Praxis umsetzen? Wie finanzieren wir es mit Blick auf die gesamte Stadt? Die Liquidität ist ab 2025 nicht vorhanden.

Es folgen noch einige Argumente aus den Fraktionen von AfD, CDU und Bürger für Görlitz. Hier die schönsten Motivationssprüche für deine Kühlschranktür:

„Es mag Risiken geben. (…) Wir werden das stemmen und müssen das auch stemmen.“ Lutz Jankus, AfD

„Ich verstehe die Mutlosigkeit und Verzagtheit nicht. Die Stadthalle kann eine Erfolgsgeschichte werden, wenn wir es alle nur wollen.“ Dr. Hans-Christian Gottschalk, Bürger für Görlitz

„Wer will, findet Lösungen. Wer nicht will, findet Gründe.“ Michael Mochner, AfD

„Mut gehört dazu. Wir können zweifeln, ob wir in allen Punkten richtig liegen. Aber wir fragen auch nicht nach dem Wetterbericht in fünf Jahren.“ Dieter Gleisberg, CDU

„Das wird schon werden. Die Wahrscheinlichkeit ist bei weitem höher, dass es gut wird als die Wahrscheinlichkeit, dass es in die Hose geht.“ Torsten Koschinka, AfD-Fraktion

„Ich möchte Freude vermitteln und nicht nur immer diese Bedenkenträger haben.“ Gabi Kretschmer, CDU

Diese unbeliebten Träger sind wohl wir. Sieht auch OB Ursu so. Schlimmer noch. Er geht aus dem Sitzungsleitersattel und wirft uns Respektlosigkeit vor. Weil wir angeblich die Fachkompetenz aller Beteiligten in Frage stellen. Jana Krauß kontert: Erst durch intensive Beschäftigung mit den Konzepten entstehen Fragen und Zweifel. Das ist ein Ausdruck von Respekt vor der Leistung der Menschen, die daran gearbeitet haben.

Es kommt schließlich zur Abstimmung. Unser Änderungsantrag fällt erwartungsgemäß durch. Der Beschluss wird mit großer Mehrheit angenommen. Wie seit Jahren stimmen AfD, CDU und BfG dafür, Die Linke und Motor/Grüne sind dagegen.

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Danach ist Pause.
Hin und wieder werde ich gefragt, wie man nach einer emotionalen Debatte miteinander umgeht. Ich kann nur für mich sprechen: Direkt zum Beginn der Pause läuft mir der Stadthallenfördervereinspräsident Thomas Leder über den Weg. Handschlag, Plauderei über die guten alten Zeiten. Am Imbiss Schnack mit OB Ursu. Wir tauschen nochmal locker die Sichtweisen aus. Ich will damit sagen, dass ein vernünftiger Umgang miteinander wichtig ist, auch nach harten Auseinandersetzungen. Dazu sind vielleicht nicht alle Stadträte in der Lage. Aber die überwiegende Mehrheit.

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Bettensteuer
Direkt nach der Pause kommt das nächste dicke Brett. Wir sollen die Satzung für die Beherbergungssteuer beschließen, die im Volksmund Bettensteuer heißt. Das ist eine Steuer, die Übernachtungsgäste zahlen. Für die Stadt eingenommen wird sie von den Hotels, Pensionen, Privatunterkünften. Der Erlös fließt direkt in den Haushalt. Die Steuer ist nicht zweckgebunden für den Tourismus.

Gegen diese Bettensteuer rebellieren seit Jahren sowohl die IHK als auch der Tourismusverein. Aufgrund des Drucks, den in den letzten Tagen vor der Entscheidung vor allem durch den Tourismusverein entstand, wurde die ursprüngliche Vorlage verändert. Die Steuer soll nicht schon zum 1.1. sondern erst zum 1.4.2024 eingeführt werden. Für das erste Jahr liegt der Satz bei 3% vom Übernachtungspreis, ab 2025 sind es dann 5%. Die Abrechnung müssen die Betriebe nicht mehr in zwei Wochen erledigen, sie bekommen sechs Wochen Zeit.

Dieses Entgegenkommen ist lobenswert. Wir bringen weitere Änderungswünsche ein. Sehr am Herzen liegt uns, dass beruflich bedingte Übernachtungen von der Steuer befreit werden. Ebenso junge Leute, die wegen der Ausbildung bei uns schlafen. Was sind wir für eine Filmstadt, wenn wir beim Drehteam für jede Übernachtung zusätzlich die Hand aufhalten? Was für eine Botschaft senden wir in die Welt, wenn wir zwar um Kongressteilnehmer werben, diese aber direkt mit Aufschlägen verärgern. Die Mehrheit lehnt diesen Antrag jedoch ab. Begründung: Erhöhter Aufwand. Den sehe ich nicht wirklich, da diese Bettensteuer von den Beherbergungsbetrieben eingenommen und abgerechnet wird. Ob ich ein Formular ausfüllen lasse für Touristen und ein anderes für Geschäftsreisende ist ähnlich aufwändig.

Darum geht es am Ende nicht. Es stellt sich die grundlegende Frage, ob wir eine solche Steuer möchten. Nach einem Meinungsaustausch beantragt die AfD-Fraktion geheime Abstimmung. Überraschenderweise gibt es dafür eine Mehrheit. Unsere Fraktion enthält sich. Nach Auszählung der Stimmen kommen wir zum Ergebnis: Nur 12 Ja-Stimmen. 16 Stadträte sagen Nein. Drei enthalten sich. Damit ist die Satzung für die Beherbergungssteuer abgelehnt. Dies kann Folgen haben, da die Einnahmen aus der Steuer ab 2024 in den Haushalt eingeplant wurden.

Und doch ist das Ergebnis nicht überraschend. Die Ursachen reichen ins Jahr 2021 zurück. Nahezu parallel kamen damals Anträge von Bürger für Görlitz und unserer Fraktion. BfG will eine Bettensteuer, wir eine Gästetaxe. Vorteil Gästetaxe: Die Einnahmen müssen zwingend für touristische Dinge ausgegeben werden. Damit entsteht eine Vorteilsübersetzung bei Herbergsvätern und -müttern und deren Kunden. Man kann eine Geschichte erzählen, was aus der Steuer finanziert wird. Feste Toiletten am See zum Beispiel. Einig waren wir uns damals mit der EGZ und der Stadtverwaltung, die beiden Modelle in Ruhe zu vergleichen. Bürger für Görlitz hatten jedoch den Ehrgeiz, schnell entscheiden zu lassen. Es ging plitzplautz. Die Finanzverwaltung war erkennbar für die Bettensteuer. Nachvollziehbar. Da kann niemand reinreden, was mit dem Geld passiert. Trotz aller Warnungen und Bitten von Verbänden und Betrieben wurde abgestimmt. Mit einer Stimme Mehrheit ging der Grundsatzbeschluss für eine Bettensteuer damals durch.

Ich war der felsenfesten Auffassung, dass durch den anschließenden Unmut des Tourismusvereins ein Lernprozess einsetzt. Dass die Verwaltung rechtzeitig in die Satzungserarbeitung einsteigt und sich bei der Ausgestaltung mit den Profis aus den Beherbergungsbetrieben abstimmt. Die sollen schließlich die Steuer für uns einnehmen. Umso erstaunter war ich, als ich den Satzungsentwurf das erste Mal las. Der wurde aus bestehenden Satzungen der Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz übernommen. Ohne die Tourismuswirtschaft frühzeitig einzubeziehen. Kann man machen – muss man aber mit Konsequenzen rechnen. Diese lag für mich darin, der Vorlage nicht zuzustimmen. Diesen Umgang mit Leistungsträgern in der Stadt kann ich nicht unterstützen. Das würde langfristig mehr Schaden anrichten als die nun nötigen Umfinanzierungen. Nach wie vor ist unsere Fraktion der Auffassung: Wenn schon eine Abgabe dann als Gästetaxe, deren Einnahmen ausschließlich dem Tourismus zugutekommen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

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Gute Nachrichten aus Hagenwerder
SKAN wächst und gedeiht und kauft ein weiteres Grundstück. Der Stadtrat stimmt natürlich zu.

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Straßenreinigungssatzung
Die geht ebenfalls klar durch. Leider werden sich die Preise erhöhen. Weil unser Dienstleister deutlich mehr Kohle haben will. BfG und unsere Fraktion mahnen an, dass die Verwaltung zügig mit der Suche nach alternativen Möglichkeiten beginnt, damit wir in spätestens zwei Jahren nicht vor demselben Problem stehen. In dem Zuge sollte das Rathaus auch überlegen, wie wir die Verwaltungsgebühren senken. Stolze 170.000 Euro schlagen zu Buche.

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Sternwarte und DZA
Die CDU-Fraktion möchte den OB beauftragen, mit dem im Aufbau befindlichen Deutschen Zentrum für Astrophysik zu reden, um zu fragen, ob sie Geld für die Sternwarte aufbringen können. Über ein gemeinsames Projekt. Wir sind Fans von Sternwarte und DZA. Lehnen aber dennoch ab. Für uns ist dieser Antrag zu flach. DZA und OB reden regelmäßig miteinander. Es braucht nicht immer einen Stadtratsbeschluss, um Dinge zu bewegen. Die Vorlage wird dennoch von der großen Mehrheit des Rates angenommen.

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Kulturraumfinanzierung
Im letzten Tagesordnungspunkt beantragt die CDU Änderungen im Entscheidungsprozess zur Kulturraumförderung. Fördert der Kulturraum Projekte oder Institutionen, so wird ein Sitzgemeindeanteil fällig. Wenn diese Summe 75.000 Euro im Jahr übersteigt, soll künftig der Verwaltungsausschuss einbezogen werden, um die finanziellen Aspekte im Gesamtkontext zu bewerten. Das betrifft bislang nur die drei institutionell geförderten Häuser Tierpark, Musikschule und WERK 1 (Second Attempt e.V.).

In der Debatte gibt es mehr Fragen als Antworten. Unklare Formulierungen, unklare Folgen. Deshalb bittet Stephan Bley von den Bürgern für Görlitz um Vertagung der Angelegenheit. Einen Monat Zeit nehmen, die Vorlage schärfen, offene Fragen klären. Das unterstützen wir. Doch die CDU zieht gemeinsam mit der AfD durch. Der Antrag auf Vertagung wird abgelehnt. Am Ende stimmen 19 Stadträte für den unausgegorenen Antrag, darunter auch Karsten Günther-Töpert und Prof. Joachim Schulze von der BfG-Fraktion. Das ist deshalb überraschend, weil die CDU in der Antragsbegründung die neu hinzugekommene Kulturraumförderung für das WERK 1 explizit benennt und die AfD-Fraktion in der Debatte ihre Zustimmung klar signalisiert. Können Nachtigallen zu leise trapsen?

Die Linke will den Beschluss von der Rechtsaufsicht prüfen lassen. Eine sehr bewegte und emotionale Sitzung, die dem OB bisweilen aus den Händen gleitet, könnte das eine oder andere Nachspiel haben. Feierabendbier auf dem Untermarkt. Görlitz ist schön.

 

Text und Foto: Mike Altmann

 

Stadtratsblog #41: 25.5.2023

Einen Tag vor der Stadtratssitzung wurde im Verwaltungsausschuss (endlich) ein Überblick über den Doppelhaushalt 2023/24 gegeben. Nichtöffentlich, deshalb darf ich keine Inhalte verbreiten. Vielleicht so viel: Ich bin schon optimistischer zu einer Ratssitzung aufgebrochen.

Aber Bangemachen gilt nicht. Und vielleicht hat Oberbürgermeister Octavian Ursu Erfolg mit seinem Brief, den er an den Sächsischen Städte- und Gemeindetag schrieb. Darüber berichtet er in seinen obligatorischen Informationen für die Öffentlichkeit. Im Brief wirbt er um Unterstützung dafür, dass künftig die Kommunen die investive Schlüsselzuweisung des Freistaates auch für das Tilgen von Krediten einsetzen dürfen. Das würde Luft zum Atmen geben.

Nicht informiert wird die Öffentlichkeit zu den Problemen bei der Finanzierung der Stadthallensanierung und zur geplanten Flüchtlingsunterkunft am Flugplatz. Beides erfahren wir aus der Presse. Der OB ist laut Gemeindeordnung verpflichtet, seinen Stadtrat in öffentlicher Sitzung über alle wichtigen Themen zu informieren. Das ist kein Nadelarbeit oder ein anderes fakultatives Angebot.

Anschließend übernimmt Prof. Robert Knippschild das Mikrofon. Der Leiter des Interdisziplinären Zentrums für transformativen Stadtumbau (IZS) betreut das Projekt TRUST. Städte werden auf ihrem Weg zur Klimaneutralität unterstützt, Görlitz ist Pilotkommune. Ein Jahr läuft das Vorhaben bereits, zwei weitere stehen bevor. Prof. Knippschild gibt uns einen Zwischenstand.

Görlitz ist stark von den Folgen des demografischen und wirtschaftlichen Wandels betroffen. Gleichzeitig fehlen Ressourcen, Wissen und Erfahrung, um die Herausforderungen des Ziels der Klimaneutralität zu bewältigen. Deshalb bringt TRUST Akteure aus den Bereichen Verwaltung/Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. In „Transformationsarenen“ treffen sich Akteure aus unterschiedlichen Bereichen, teilen ihr Wissen, entwerfen Zukunftsvisionen und beschreiten Wege, die zur Umsetzung von Ideen führen. Zu den Projektpartnern gehören neben dem federführenden Leibnitz-Institut die Stadt Görlitz, die Stadtwerke Görlitz, die Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH, das Bündnis für Familie und der Second Attempt.

Unsere Fraktion ist vor allem durch Danilo Kuscher involviert ins TRUST-Projekt und geht regelmäßig zu den Veranstaltungen. Ebenso wie Matthias Schöneich (CDU) und Jana Lübeck (Die Linke). Die AfD nicht. Das zeigt sich an Fragen, die die Tiefe einer Pfütze unterschreiten. Ich mag da auch nicht näher drauf eingehen. Sobald nur das Wort „Klima“ ertönt, fühlt sich die blaubraune Seite getriggert und verliert sich in politischer Polemik und Wortklauberei. Nachfragen zu Chemtrails gibt es nicht. Immerhin.

Die Bürgerfragestunde wird zur Kurt-Bernert-Show. Außer dem emsigen Bürgerrat aus der westlichen Innenstadt will niemand etwas wissen. Kurt hat dafür gleich vier Fragen mitgebracht.

Was ist mit den alten Internetterminals, die recht unschön auf den Touristenmeilen stehen? Das kann die Verwaltung ad hoc nicht beantworten. Ich meine mich zu erinnern, dass wir die hässlichen Teile noch so lange ertragen müssen, bis die Fördermittelbindefrist (I love Deutsch) rum ist. Diese Angabe ist ohne Gewähr.

Sind aufgrund der klimatischen Veränderungen weitere Trinkwasserspender geplant, z.B. auf dem Lutherplatz und im Brautwiesenbogen? Der OB versichert, dass immer wieder neue „Brunnen“ aufgestellt werden. Demnächst in Königshufen. Alles eine Frage der Finanzen. Das Rathaus ist dazu in enger Abstimmung mit den Stadtwerken.

Wird Görlitz Steuern erheben auf Einwegverpackungen? Möglich macht dies ein recht frisches Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dieses will der OB zunächst prüfen lassen. Herr Ursu zeigt sich zurückhaltend und meint, er sei kein Freund von zusätzlichen Gebühren.

Wie erreichen wir eine bessere Diversifizierung bei unseren Bepflanzungen? Bei allem Lob für das fleißige Stadtgrün-Team hinterfragt Kurt Bernert, ob es der Weisheit letzter Schluss ist, Stiefmütterchen und ähnliche Gewächse zu pflanzen. Wie Narzissen, Geranien und andere beliebte Gartenblumen bieten sie kaum Pollen und kaum Bienennahrung. Man könnte auch Kunstblumen pflanzen, hätte denselben Effekt, meint Kurt launig. Dem widerspricht der OB. Er vertraut auf die Expertise der Fachleute im Grünflächenamt, will sich aber des Themas annehmen.

Es folgt die Fragestunde für Stadträte

Meine Kollegin Kristina Seifert (Bündnisgrüne) erkundigt sich nach der neuen Parkordnung am Berzdorfer See. So sind die beiden Behindertenparkplätze auf dem „Sammelparkplatz“ am Beginn der Strandpromenade verschwunden. Bürgermeister Benedikt Hummel löst auf: Diese befinden sich nun an der Strandpromenade. Das ist das Stichwort für einen Vorschlag. Auf Social Media Kanälen wurde bekannt, dass das Ordnungsamt Knöllchen verteilt. Zwar gibt es noch keine Parkautomaten. Aber man muss nun in Fahrtrichtung parken. Heißt: Wenden und dann am rechten Straßenrand parken. Ist klar, steht in der STVO, muss man sich dran halten. Kristina wirbt aber für Kulanz und Bürgerfreundlichkeit. Nachdem das Parken dort über ein Jahrzehnt „andersrum“ erlaubt war, könnte das Ordnungsamt vor der Bestrafung mit freundlichen Hinweisen Falschparker verwarnen. Eine nette Gelbe Karte. Bürgermeister Hummel reagiert darauf recht einsilbig. „Man kann immer über Übergangsfristen nachdenken. Aber jetzt es ist es halt so.“

Andreas Kolley (Motor) bleibt am See. Er möchte wissen, warum der Toilettencontainer in dieser Saison ganz am Anfang des Nordoststrands steht. Bürgermeister Hummel: Die Positionierung sei bewusst gewählt worden. Durch den ausgespülten Strand verlagere sich das Geschehen nach Norden. Außerdem habe die Strandbar den Auftrag eine eigene Toilette zu stellen. Somit gibt es drei verteilte Toilettenstandorte. Ich habe es mir selbst angeschaut und kann Andreas nur zustimmen: „Diese Stelle ist nicht die beste Wahl.“ Und noch eine Nachfrage: Was hat es mit den Baggerarbeiten am Nordoststrand auf sich? Wie erwartet geht es um Strandsicherung durch die LMBV. Die Wellen tragen den Strand Jahr für Jahr ab. Kollege Kolley regt an, sich am Senftenberger See ein Beispiel zu nehmen, wo mit einfachen Vorrichtungen das Problem gelöst wurde. Die Verwaltung wird es sich hoffentlich anschauen.

Yvonne Reich (BfG) bittet darum, dass es mehr Kontrollen am Kiosk Demianiplatz (auf Höhe Theater) gibt. Die Trinkbrüder und -schwestern nutzen nicht die Toilette, sondern erleichtern sich in den Büschen. Für Anwohner insgesamt keine angenehme Situation. Aber wir leben in einer Stadt und werden nicht alle „störenden“ Einflüsse unterbinden können.

Alexander Lehmann (AfD) kommt nicht mehr zum Schlafen. Grund ist ein mysteriöses Brummen zu nächtlicher Stunde am Obermarkt/Langenstraße. Woher die Geräusche kommen, ist offen. Mal sehen, ob die Spürnasen aus dem Ordnungsamt fündig werden.

Jana Lübeck (Die Linke) weist darauf hin, dass für Fußgänger am Schützenhaus eine Abgrenzung fehlt. Das sei besonders in der dunklen Jahreszeit für die Leute aus den Werkstätten gefährlich. Außerdem bemängelt sie ein tiefes Loch auf der Straße am Bahnhof Südausgang (an der Haltestelle). Für Radfahrer eine Gefahr. Die Verwaltung schaut es sich an.

Wolfgang Duschek (AfD) möchte wissen, was mit dem Kaufhaus wird und speziell mit den denkmalgeschützten Figuren, die das Dach zierten. (Nach einem Absturz eines Objektes, wurden sieben Sandsteinköpfe abgebaut und untersucht.) Der OB „geht davon aus“, dass die Figuren eingelagert wurden und wieder aufs Kaufhaus kommen, sobald es saniert wird. Für den Bau seien Unterlagen eingereicht worden, verschiedene Dinge müssten aber noch geklärt werden. Ein Zeitplan kann nicht benannt werden. Hierzu muss man wissen: Für den Neubau des Parkhauses im Bereich des heutigen City-Centers will Eigentümer Winfried Stöcker zwei klassizistische Gebäude am Postplatz abreißen. Die Landesdirektion genehmigte den Abriss. Aber nur wenn das Kaufhaus wiederbelebt wird. Der Abriss muss spätestens 2024 beginnen, sonst erlischt die Genehmigung. Die Zeit tickt für Prof. Stöcker.

Dr. Hans-Christian Gottschalk (BfG) fürchtet um die Zukunft der Ballettschule des Theaters. Er sieht eine „fehlende Wertschätzung durch die Intendanz“ und fürchtet, dass die Stelle der Leiterin, die zum Ende des Schuljahres das Haus verlässt, nicht nachbesetzt wird. Außerdem kritisiert er als „Vater eines Ballettmädchens“, dass es erstmals keine Aufführung für die Eltern gibt. Stattdessen wurden Videos gedreht, die im Kino gezeigt werden. Der OB versucht zu beruhigen. Er geht davon aus, dass die Stelle nachbesetzt wird. Für die Abschlussveranstaltung fehle tatsächlich ein geeigneter Ort. Das Kaufhaus steht wegen Dreharbeiten nicht zur Verfügung. Dr. Rolf Weidle (BfG) schlägt vor, dafür das Zittauer Theater zu nutzen.
Unter uns: Ich hätte nicht den OB im Stadtrat gefragt, ob das Theater die Ballettschule schließen möchte, sondern persönlich mit Daniel Morgenroth gesprochen. Wenn alle 39 Stadträtinnen und Stadträte demnächst privat motivierte Fragen stellen, wird die Sitzung zur Familientherapie.

Eine Frage habe ich auch und möchte wissen, ob der siebenmonatige Zeitplan für das Aufstellen einer Tischtennisplatte auf dem Lutherplatz verkürzt werden kann. Das Thema sorgte im letzten Stadtrat nach einer Frage von Kurz Bernert für Aufsehen. Ob es schneller gehen wird, bleibt weiterhin offen. Bürgermeister Hummel versichert, dass der Zeitplan zu straffen ist, wenn man einige Verwaltungsschritte parallel durchführt. Das wird nun in Angriff genommen. Außerdem interessiert mich die Rolle des Denkmalschutzes. Schließlich gibt es auf dem historischen Platz bereits einen Spielplatz mit Bobbycar-Bahn. Was sollte dort eine unscheinbare Tischtennisplatte noch für „Schaden“ anrichten? Das mag so sein, aber das zuständige Amt guckt generell bei einem denkmalgeschützten Platz drauf, selbst wenn dort Dinge genehmigt wurden, die mit dem Originalzustand nichts zu tun haben.

Einige ausgewählte Beschlüsse:

Finanzierung des „Kulturforum Görlitzer Synagoge“

Der Beschluss hat einen ernsten Grund. Die Städtische Kulturservicegesellschaft braucht höhere Zuschüsse. Das ist bereits vor einem Jahr dem Rathaus gemeldet worden. Grund ist vor allem der Betrieb des Kulturforums Synagoge. Personalkosten sind ebenso gestiegen wie Energie und Betrieb. Auf der anderen Seite sind zwar mehr Einnahmen gekommen als geplant, dafür sank die Förderung durch das Jobcenter für die Mitarbeiter an Einlass und Kasse. Erst jetzt bekommt der Stadtrat das Thema auf den Tisch. Der OB rechtfertigt dies mit der Prüfung anderer Möglichkeiten durch den Aufsichtsrat. Finde ich nicht schlüssig. Nun muss es sehr schnell gehen. Ein Muster, das häufig wiederkehrt, der Qualität der Entscheidungsfindung aber nicht dient. Innerhalb von zwei Wochen sollen wir deshalb nicht nur über den Zuschuss befinden, sondern parallel das Betriebs- und Nutzungskonzept verändern, das für zwei Jahre gelten soll. Damit wird festgeschrieben, dass der jährliche Zuschuss für die Betreibung um 90% steigt, von derzeit 84.000 Euro auf dann 159.000 Euro. Das wiederum hat Auswirkungen auf den Zuschuss für den gesamten Kulturservice. Er wird um 25% steigen auf knapp 634.000 Euro. Neben den Kosten für die Synagoge sind allgemeine Kostensteigerungen im Unternehmen die Ursache.

Da alle städtischen Unternehmen unter höheren Kosten leiden und die Finanzen schrumpfen, schlagen wir vor, nur die Freigabe des restlichen Jahresbudgets 2023 im Umfang von knapp 580.000 Euro zu beschließen. Damit wäre die Liquidität gesichert. Das Betriebskonzept der Synagoge und die Gesamtfinanzierung der Gesellschaft wollen wir uns im Rahmen der bevorstehenden Haushaltsverhandlungen vornehmen. Dort könnte auch überlegt werden, welche Synergieeffekte sich ergeben, wenn Aufgaben wie Einkauf, Marketing, Buchhaltung oder Personalwesen innerhalb der städtischen Gesellschaften zusammengelegt werden.

Diesem Vorschlag folgt bis auf Die Linke niemand im Stadtrat. Dabei wäre vor allem die AfD gut beraten gewesen. Sebastian Wippel jedenfalls beweist, dass er weder die Beschlussvorlage noch das Nutzungskonzept gelesen hat. Er kommt mit dem bombastischen Vorschlag um die Ecke, einfach weniger Öffnungstage anzubieten und möchte wissen, was sich dadurch einsparen ließe. Dumm für Ihn: Genau dieses Thema wird ausführlich in der Vorlage erörtert. Ergebnis: Selbst wenn das Kulturforum Synagoge nur an drei Tagen in der Woche öffnet, ist das Sparpotenzial sehr gering.

Die Linke fragt, ob es überhaupt zulässig ist, ohne Haushalt einen solchen Beschluss zu fassen. Ergebnis nach langer Debatte, in der die Finanzchefin Birgit Peschel-Martin es für mich an Klarheit in den Aussagen fehlen lässt: Es ist eine Pflichtaufgabe, da die Gesellschaft ohne den Mittelvorgriff (so heißt das, wenn Geld überwiesen wird, ohne dass ein Haushaltsplan beschlossen ist) in Insolvenzgefahr ist.

Wir ziehen unseren Änderungsantrag zurück und sind gespannt auf die Haushaltsdiskussion. Bei einer Enthaltung wird die Vorlage einstimmig beschlossen. Damit ist die Gefahr für den Kulturservice gebannt. Vielen Dank an die engagierte Geschäftsführerin Maria Schulz und ihr Team des Kulturforum Görlitzer Synagoge.  Das Haus bereichert die hiesige Kulturlandschaft und ist nicht mehr wegzudenken aus Görlitz.

Thesaurierung der Ausschüttung des Jahresgewinns 2022 der Stadtwerke Görlitz AG

Einfach erklärt: Die Stadtwerke müssen ihre Eigenkapitalquote erhöhen, sonst zicken die Banken rum. 20% der geplanten Ausschüttung an die Stadt kommt in Rücklage. Görlitz verliert aber nichts. Die Ausschüttung dürfte wie geplant bei gut 1,3 Millionen Euro in diesem Jahr liegen.

Planungsbeschluss zur Errichtung einer Seepromenade vor Deutsch Ossig, I. Bauabschnitt (Erschließungsstraße nach Deutsch Ossig im Abschnitt Strandpromenade)

Mit dem Tempo einer rutschbehinderten Schnecke geht es am Berzdorfer See voran. Wir beschließen den ersten Teil eines Plans, der bis zum Jahr 2028 die Strandpromenade attraktiver gestalten soll. In dieser Sitzung geht es um die Planung für den Bauabschnitt 1. Der umfasst den Fußweg vom Beginn des Nordoststrandes bis zum Mühlengraben vor Deutsch Ossig. Der vier Meter breite Weg soll künftig allen „Nichtmotorisierten“ zur Verfügung stehen. Warum dafür Pflaster mit Mikrofasen geplant sind, möchte mein Kollege Danilo Kuscher (Motor) wissen. Sie sind für Skater ungünstig (es ruckelt und verursacht unangenehme Geräusche, die die Strandbesucher nerven könnten). Für die weiteren Planungsschritte schlägt Danilo vor, dass die Auto nicht längs, sondern quer parken. Man bekäme mehr Fahrzeuge unter, die Sicherheit für Radfahrer steigt (offene Türen) und die Autos müssen nicht über Wendeschleife fahren. Damit wird Verkehr vermieden. Bürgermeister Hummel sichert zu, die Vorschläge mit aufzunehmen.

Die AfD trägt das Konzept nicht mit, u.a. weil sie weiter von einem Großparkplatz träumt, der aber aufgrund naturschutzrechtlicher Fragen von der Verwaltung als unrealistisch eingeschätzt wird.

Die große Mehrheit ist dafür. Wir beschließen die Freigabe von 70.000 Euro für die Planung. Ob und was umgesetzt werden kann, entscheidet sich ohnehin erst, wenn wir einen Förderbescheid in der Hand haben.

Gut, dass wir vorankommen bei dem Thema. Bedauerlich bleibt indes, dass wir keine smarte Lösung finden, um provisorisch Wasser- und Abwasserversorgung für Gastronomie am Nordoststrand herzurichten. Nach dem Zeitplan des Projektes ist nun frühestens 2025 mit fließend Wasser zu rechnen. Realistischer ist 2026. Und nein, ich zähle jetzt nicht auf, was die Chinesen in der Zeit alles bauen würden.

Sportstättenentwicklungsplanung fortschreiben

Das Thema klingt nicht sonderlich sexy, ist aber wichtig. Ohne aktuelle Planung keine Sportfördermittel. Etwa für die Sanierung von Turnhallen oder die Errichtung von Kunstrasenplätzen. Außerdem brauchen wir einen Überblick: Wie sieht es tatsächlich aus mit unseren Sportstätten, drinnen und draußen? Wo sind wir ausreichend versorgt? Wo fehlts? Nur so lassen sich Investitionen sorgfältig planen und umsetzen.

Die Görlitzer Sportstättenentwicklungsplanung wurde letztmals 2007 fortgeschrieben, mit einem Horizont bis 2020. Damit ist sie hoffnungslos veraltet. Im Sport-Ausschuss gab es eine überfraktionelle Übereinkunft, diesen Missstand zu beheben. Unsere Fraktion hatte sich bereit erklärt, den entsprechenden Antrag einzubringen. Dieser sieht letztlich vor, im Jahr 2024 eine aktualisierte Planung vorzulegen. In die Erarbeitung sollen Fachausschüsse, Kreissportbund und Nutzer der Sporthallen und -anlagen einbezogen werden.

Das Thema wurde in den Ausschüssen ohne große Diskussionen vorberaten. Erst in der Sitzung selbst versucht die Stadtspitze den Antrag abzuwenden. Es fehlt wohl an Ressourcen. Der OB möchte jede Zeitvorgabe aus dem Antrag haben. Dem widersprechen wir. In eineinhalb Jahren dürfte die Fortschreibung einer bereits bestehenden Sportstättenleitplanung möglich sein. Nach einer Auszeit der CDU folgt die Abstimmung. Einstimmig folgt der Stadtrat dem Vorschlag. Vielen Dank für die Geschlossenheit.

Neuwahl der beratenden Mitglieder Gesellschafterversammlung KommWohnen Görlitz GmbH

Nach dem Tod von Martina Fourier muss dieses Gremium neu besetzt werden. Für Frau Fourier soll Karsten Günther-Töpert (BfG) nachrücken. Den zweiten Sitz hat bislang Jens Jäschke, damals als AfD-Fraktionsmitglied gewählt. Da er nun Einzelstadtrat ist, gibt es keinen Grund, ihm eine solche Verantwortung zuzumuten. Sehen auch BfG und CDU so und nominieren als zweiten Kandidaten Matthias Schöneich. Der junge CDU-Mann fällt auf bei den Schwarzen. Kämpft er doch regelmäßig für Klimaschutz, Fahrradfreundlichkeit und gegen tumbe AfD-Parolen. Nur reicht es am Ende nicht. 21 Stimmen für die Liste CDU/BfG, 11 für die AfD. 23 Stimmen hätte es gebraucht für beide Sitze. Vier Stimmen waren ungültig. Wer hier wen über die Klinge hat springen lassen, bleibt offen. Es war eine geheime Wahl. KGT und JJ sind gewählt.

Antrag zur Aufstellung eines Verkehrszeichens an der Reichenbacher-Straße 53

Der OB soll prüfen, ob man einen Rechtsabbiegepfeil auf dem Lidl-Parkplatz in Rauschwalde anbringen kann, um das Einbiegen auf die Hauptverkehrsstraße zu beschleunigen. Schlägt die AfD vor. Insbesondere wenn der Bus hält, kommt es zu Staus auf dem Parkplatz, sagt Fraktionsführer Lutz Jankus. Es soll ein Beitrag zur Verkehrssicherheit sein, „weil es einige nicht so mit dem Linksabbiegen haben“. Bürgermeister Hummel nimmt Jankus Wind aus den Segeln: Der

Vollzug der Straßenverkehrsordnung ist keine Sache des Stadtrates, sondern der Straßenverkehrsbehörde. Es muss triftige Gründe geben, um ein solches Gebotsschild aufzustellen. Außerdem gab es diese Untersuchung bereits. Sie ergab keine erhöhte Verkehrsgefahr. Damit ist das Thema gegessen. Die AfD zieht nach einigen Wortgefechten ihren Antrag zurück.

Ich halte es übrigens nicht für falsch, einen Antrag zu besprechen, selbst wenn er später zurückgezogen wird. Es gibt Themen von öffentlichem Interesse. Dieses gehört für mich dazu. Denn immer wieder gibt es Verwirrung, wer zuständig ist für Dinge im Straßenverkehr. Generell gilt: Nicht der Stadtrat. Wenn ihr Hinweise und Ideen habt zu Geschwindigkeiten, Verkehrszeichen, Ampelschaltungen, Fußgängerüberwegen, Radwegen etc., könnt ihr diese direkt an die Straßenverkehrsbehörde richten. Die Fachleute prüfen das. Falls ihr zu schüchtern seid, könnt ihr euch gern an die Fraktion des Vertrauens wenden. Wir leiten die Anfragen aber auch nur weiter ans Amt (und erkundigen uns regelmäßig nach dem Stand).

Prüfung finanzieller Auswirkungen bei der Wiederherstellung der Funktionalität von städtischen Sanitäranlagen

Und noch ein AfD-Antrag. Die Fraktion wird munterer. Das Wahljahr naht. Hier geht es um öffentliche Toiletten. Die Blauen wollen, dass die Verwaltung die Kosten für die Sanierung von insgesamt sieben WC-Anlagen im Stadtgebiet prüft. Um später zu priorisieren, welche Anlagen man zuerst in Schuss bringt.

Mit diesem Antrag habe nicht nur ich Probleme. Zum einen torpediert er einen Beschluss vom Juli 2022, den die CDU eingebracht hatte. Dabei ging es um die Revitalisierung der Toilette „Scharfe Ecke“ und eine Untersuchung, welche Gaststätten, Geschäfte und öffentliche Einrichtungen ihre Toiletten der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen („Nette Toilette“). Zu diesem Beschluss liegen uns nach fast einem Jahr keinerlei Information vor. Das kritisiert meine Kollegin Dr. Jana Krauß (Bündnisgrüne) völlig zu Recht. Selbst wenn es noch keinen Abschluss gibt, könne über Zwischenstände berichtet werden. Sieht der OB ein und sichert zu, dass spätestens im übernächsten Technischen Ausschuss darüber berichtet wird. Ich hoffe sehr, das geschieht im öffentlichen Teil.

Zweites Problem schildert Bürgermeister Hummel: Die eigentliche Herausforderung ist der Betrieb. Erst wenn das geklärt ist, macht auch eine Sanierungsplanung Sinn. Bislang sind alle Versuche gescheitert, einen Betreiber zu finden. Auch darüber sollen wir demnächst ausführlich informiert werden.

Drittens: Die noch „brauchbaren“ Anlagen sind bereits im Blick der Verwaltung. Auf rund 100.000 Euro taxierten Sachverständige vor etwa drei Jahren die Kosten pro Anlage.  Einige Standorte sind seit Jahrzehnten geschlossen. Sie entsprechen in keiner Weise heutigen Ansprüchen an sanitäre Anlagen.

Auch bei diesem Antrag benötigt die CDU eine Auszeit. Sie entscheidet sich in Mehrheit für eine mutige Enthaltung. Damit wird die Abstimmung knapp. 12:14 gegen den Antrag der AfD. Eine richtige Entscheidung. Wir sollten jetzt die Verwaltung motivieren, den bereits beschlossenen Antrag zur „Netten Toilette“ konsequent zu bearbeiten. Erst wenn wir wissen, wie viele Toiletten der Öffentlichkeit in Geschäften, Lokalen und anderen Einrichtungen zur Verfügung stehen, macht es Sinn, weitere Schritte zu planen.

Autor: Mike Altmann, Foto: Klohaus am Strandrand (Fraktion)

Stadtratsblog #40: 27.4.2023

Von Oberbürgermeister Octavian Ursu bekommen wir zu Beginn der Sitzung einige Trostpflaster. Die Vorlage zur „Klimaneutralen Stadt 2030“ ist immer noch nicht fertig. Laut Stadtratsbeschluss sollte sie der OB bereits im März einbringen. Nun wird es erst im Juni. Was ist so schwer, fragt sich meine Fraktion. Ein Ziel, das bereits 2019 ausgerufen wurde, muss doch inhaltlich unterfüttert sein?

Auch zum Haushalt für die Jahre 2023/24 nichts Neues. Herr Ursu hofft, dass es bald gelingt, einen Zeitplan zu präsentieren. Das ist komplett unbefriedigend und behindert massiv unsere Arbeit im Stadtrat, wie sich später noch zeigen wird.

Trostpflaster drei ist deutlich kleiner und betrifft die Parkscheinautomaten am Berzdorfer See. Die Geräte werden nicht pünktlich zur Saisoneröffnung stehen. Es fehlen noch die Module für die Zahlung mit Karte und Handy. Wenn diese eingebaut sind, kommen die Parkscheinautomaten an die Strandpromenade. Spätestens Ende Mai ist alles fertig – so der Plan. Zur Ehrenrettung der Verwaltung sei erwähnt, dass nie versprochen wurde, dass die Automaten pünktlich zur Saisoneröffnung stehen werden.

Die Übergabe der Ehrenbürgerschaft an Shlomo Graber gestaltet sich kompliziert. Ursprünglich sollte der 96jährige nach Görlitz kommen. Aus gesundheitlichen Gründen sind solch lange Reisen für ihn unmöglich. Deshalb wird der OB einen Besuch in Wiesbaden nutzen und von dort aus nach Basel weiterfahren, um Shlomo Graber die Ehre zu erweisen.

Gereist ist unser OB zuletzt nach Berlin. Dort trommelte er bei Filmproduzenten für Görliwood. Außerdem warb Ursu um Fördermöglichkeiten für unsere Filmakademie.

Positive Meldung von Bürgermeister Benedikt Hummel: Für die defekte Skateranlage Weinhübel wurden die ersten beiden Beton-Elemente geliefert. Mitte Mai kann ein Teil der Anlage wieder in Betrieb genommen werden.

Nachdem die Fragestunde für Einwohner zuletzt wenig gefragt war, ist diesmal mehr los.  Kurt Bernert vom Bürgerrat Innenstadt-West kommt direkt mit einem Knaller. Er möchte wissen, warum es sieben Monate (!) dauern soll, bis eine beantragte Tischtennis-Platte auf dem Lutherplatz steht. Allein acht Wochen Zeit brauche der Denkmalschutz. Geht das alles nicht schneller, möchte Kurt Bernert wissen. OB Ursu und Bürgermeister Hummel wollen sich bemühen, zu beschleunigen. Dass es wirklich schneller geht, können sie nicht zusagen. Da kommt man aus dem Kopfschütteln nicht heraus.

Nächste Frage von Herrn Bernert, ob sich Görlitz am Projekt „Lebenswerte Stadt“ beteiligen wird. 700 Kommunen machen schon mit. Der OB bremst. Görlitz sei schon bei vielen Sachen dabei. Anschauen will er es sich dennoch.

Und noch etwas bewegt den Bürgerrat Bernert: Warum bekommt die Freie Evangelische Gemeinde Gelder aus dem Topf für die bürgerschaftliche Beteiligung in der Innenstadt-West? Das kann ad hoc niemand beantworten. Ich werde bei Bedarf nachhaken.

Madlen Röder, Bürgerrätin aus Klingewalde, geht einem Gerücht nach. Demzufolge plane die Stadt die Buslinie durch Klingewalde bis zu Porta zu verlängern. Der anwesende GVB-Chef André Wendler klärt auf: Es gab eine Testfahrt zu Porta, um zu prüfen, ob das funktioniert. Man hat sich dagegen entschieden. Klingewalde atmet auf, denn dort fehlt es an Platz, einem Fußweg und Beleuchtung.

Die Stadträte haben auch einige Fragen:

Matthias Schöneich (CDU) erkundigt sich nach dem Gesamtverkehrskonzept. Bürgermeister Hummel erläutert, dass eine Studie der TU Dresden beauftragt wurde. Da wird herausgefunden, welche Verkehrsmittel die Görlitzer nutzen. In einem zweiten Schritt soll ein Dienstleister das Konzept erstellen. In welchem Umfang entscheidet der Haushalt. Von dem wir keine einzige Zahl kennen.

Prof. Joachim Schulze (Fraktion BfG/Grüne) möchte wissen, ob sich die Verwaltung mit dem Thema „Kommunale Wärmeplanung“ beschäftigt. Bundesweit soll es 2024 verpflichtend werden. Das Rathaus hat es auf dem Schirm und prüft, ob man dieses Jahr noch aktiv wird. Bis Jahresende ist die kommunale Wärmeplanung noch freiwillig und wird gefördert. Für Görlitz ist das Thema aufgrund der riesigen Altbausubstanz eine extreme Herausforderung.

Ich erkundige mich, ob es für die Jahnsporthalle einen Zeitplan gibt. Das Dach ist undicht und muss repariert werden. Amtsleiter Torsten Tschage hat brandheiße Infos. Für die Dachreparatur gibt es Angebote in Höhe von 75.000 Euro. Das würde den gesamten Werterhalt für alle Görlitzer Sportstätten auffressen. Die Verwaltung prüft jetzt, wie sie damit umgeht. Für mich ist klar: Der Stadtrat soll zügig die Reparatur beauftragen. In der Halle wird auch Sportunterricht durchgeführt. Damit handelt es sich um eine Pflichtaufgabe, die umgehend umzusetzen ist.

Dass Geld vorhanden ist, erfahren wir direkt im Anschluss. Erinnert allerdings an eine Quiz-Sendung. Mirko Schultze (Die Linke) möchte wissen, wieviel Geld wir auf den Konten haben. Der OB erklärt, dass die Liquidität nicht das Problem sei. Wichtiger wäre die Fragestellung, wie weit wir damit kommen. Rückblick: 2021 bekam Görlitz eine sehr hohe Einmalzahlung Gewerbesteuern von Birkenstock. Rund 68 Millionen Euro. Das führt dazu, dass die Stadt in diesem Jahr kein Geld (die sogenannte Schlüsselzuweisung) vom Freistaat erhält. Wir gelten als reich. Müssen damit aber unsere gesamten Ausgaben aus unseren Rücklagen bestreiten. Und wie hoch sind die nun? Finanzchefin Birgit Peschel-Martin antwortet auf Nachfrage ebenfalls nicht konkret. Achtstellig sei der Betrag. Wir bekommen die Matheaufgabe, dass die Stadt die Zuweisungen aus dem Finanzausgleich in Höhe von etwa 40 Millionen Euro für 2023 selbst ausgleichen muss. Heißt das, wir haben 28 Millionen Euro über? Sicher nicht. Mit solchen rätselhaften Antworten werden Spekulationen angeheizt.

Noch keine Lösung gibt es für die Skater des Europamarathon e.V., die bislang im Gewerbegebiet Klingewalde trainierten. Dort soll demnächst das Projekt Bauen 4.0 der TU Dresden seinen Standort bekommen. Mit dem Verkauf des Geländes ist das Skaten nicht mehr möglich. Bislang gibt es keinen Ausweichstandort. Rathaus und Sportler suchen gemeinsam.

Das Thema Barrierefreiheit in der City spricht Stadtrat Mike Thomas (BfG) an. Selbst blind wünscht er sich, dass die Händler und Gastronomen auf der Berliner Straße ihre Tische,  Stühle und Werbematerialien nicht mitten auf den Fußweg stellen. Er schlägt einen Vor-Ort-Termin vor, auch um Stadtrat und Händler ins Gespräch zu bringen. Außerdem möchte Mike Thomas wissen, warum es z.B. in Weinhübel noch Ampeln ohne akustische Signale gibt. Das liegt daran, so die Verwaltung, dass die Ampeln im Zuge von Baumaßnahmen getauscht werden. Hier ist also Geduld gefragt.

Über die Frage von Yvonne Reich (BfG) freue ich mich sehr. Sie erkundigt sich nach einem Personalkonzept. Zuletzt fühlte sich unsere Fraktion recht einsam mit solchen Forderungen. Der OB verspricht einen Bericht in einer der nächsten Ausschusssitzungen. Bin gespannt.

Es folgt ein Bericht der städtischen Wirtschaftsförderer von der Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH. Geschäftsführerin Eva Wittig kann positive Dinge erzählen. Im ersten Quartal gab es 20 Investorenanfragen. Das ist eine ganze Menge. Damit verbunden wären 500 Arbeitsplätze. Es handelt sich jeweils um kleinere Einzelanfragen, die in Summe rund 20 Hektar Fläche ausmachen.  Großinvestoren sind nicht darunter. Görlitz hat auch gar keine großen Flächen zur Verfügung.

Wesentliche Aufgabe wird in den nächsten Jahren das Anwerben von Arbeitskräften. Görlitz ist in den letzten Jahren unerwartet zur Vorreiterin für mehr Internationalität geworden. Der Trend nimmt zu. Von Januar 2021 bis Mitte 2022 stieg die Zahl der ausländischen Beschäftigten um 23 Prozent. Insbesondere sind es polnische Arbeitskräfte. Unsere Nähe zum Nachbarland ist ein Standortvorteil.

Auch die Tourismusentwicklung ist Aufgabe des Teams der EGZ. Das Werben wirkt. Nach den Corona-Jahren kommen die Gäste wieder in Scharen. 2022 war das zweitbeste Jahr nach 2019. Jeder fünfte Gast in der Oberlausitz kam nach Görlitz. Besser werden können wir bei der Aufenthaltsdauer. Das braucht einen langen Atem.

 

Gibt es zu diesem Vortrag kaum Diskussionen, entwickelt sich der Gleichstellungsbericht der Beauftragten Katja Knauthe zum Auslöser für den Austausch von Weltanschauungen. Zunächst wird von AfD- und CDU-Vertretern kritisiert, dass der Bericht nicht in einer korrigierten Endfassung vorliegt. Mir ist es lieber, wenn der Stadtrat möglichst früh einbezogen wird und noch Hinweise geben kann, als einen fehlerfreien Bericht abzuheften.

Wo klemmt die Säge bei der Gleichstellung? Besonders bei der politischen Beteiligung. Nur 16 Prozent der Stadträte sind weiblich. Dass unsere Fraktion mit 40 Prozent den höchsten Frauenanteil hat, ist ausschließlich den Bündnisgrünen zu verdanken. CDU-Stadtrat Maik Gloge versucht zu relativieren. „Es entscheiden am Ende die Wählerinnen und Wähler“. Die CDU habe viele Frauen für die letzte Wahl aufgestellt, auch auf guten Positionen. Faktencheck: Von den im Stadtrat vertretenen Parteien und Organisationen hatte die CDU mit 25 Prozent den zweitschlechtesten Wert. Weniger Frauen konnte nur die AfD für eine Kandidatur bewegen. Als Freie Liste Motor Görlitz haben wir uns aber auch nicht mit Ruhm bekleckert (ein Drittel Frauenanteil auf der Liste). Aus eigenem Erleben kann ich bestätigen: Es ist deutlich schwieriger, Frauen für eine Kandidatur zu bewegen. Kommunalpolitik ist nicht sonderlich sexy und sehr zeitaufwändig. Es gibt wenig Applaus von außen und durchaus die Frage: Warum tue ich mir das eigentlich an? Ich habe keine Lösung, wie Kommunalpolitik und Frauen besser matchen könnten. Fakt ist, dass stundenlange Sitzungen, ohne Online-Alternative, plus geringe gestalterische Möglichkeiten viele kluge Köpfe von einer Kandidatur abhalten. Natürlich hat Kollege Gloge Recht: Am Ende entscheiden die Wähler über die Zusammensetzung des Rates. Wenn sie am liebsten die Leute ankreuzen, die sie schon immer gewählt haben, wird es schwierig mit der Erneuerung.

Wie sieht es mit der Gleichstellung bei den Beschäftigten in der Verwaltung aus? Auf den ersten Blick ein echter Frauenladen. Gesamtanteil 60 Prozent. In Kita (90%) und Kernverwaltung (70%) sind Frauen noch deutlicher in der Überzahl. Das kehrt sich in den technischen Bereichen komplett um. Manche nennen es „Geschlechterstereotype“. Andere „normal“. Spannender finde ich die Frage, warum trotz „Überschusses“ nur 33 Prozent der Amtsleiterstellen von Frauen besetzt sind. Ich hoffe, dass der OB auch an einer Antwort interessiert ist und den Bericht für eine moderne Ausrichtung der Verwaltung nutzt.

Erörtert wird die Frage: Warum hat Görlitz keine Frauenbeauftragte, obwohl das laut Sächsischem Frauenförderungsgesetz vorgeschrieben ist? Hauptamtsleiterin Kathrin Burkhardt klärt auf. Bis 2022 gab es eine Frauenbeauftragte. Nach ihrem Ausscheiden wurde nicht neu gewählt. Grund: Der Freistaat novelliert das Frauenförderungsgesetz. Das Ergebnis wolle man abwarten. Echt jetzt? Wenn eine Stadtverwaltung nicht mehr nach dem Buchstaben des Gesetzes handelt, wer dann? Zumal es für eine moderne Stadt eine Freude und keine Last sein sollte, eine Frauenbeauftragte zu haben. Sie wird aus der Mitte der weiblichen Angestellten gewählt. Es ist ein Ehrenamt, keine zusätzliche Stelle.

Neben der Gleichstellung gehört die Integration ausländischer Mitmenschen zu den Aufgaben von Frau Knauthe. Formal zuständig für diese Themen ist der Landkreis. Görlitz kommt aufgrund seiner Größe und des hohen Ausländeranteils aber eine besondere Funktion zu. Diese wurde in den letzten Jahren nicht gut ausgefüllt. Die Angebote sind nicht mit den Bedarfen mitgewachsen. Es fehlt an Zugängen zu integrativen Maßnahmen. Die Strukturen passen nicht zur Aufgabenfülle. Bisweilen hapert es auch an der Kommunikation.

Die Diskussion zum Bericht ist vorhersehbar. Teile der AfD nutzen die Gelegenheit, um ihrem Äffchen Zückli zu geben und gegen die Bundespolitik zu ätzen. Da geht es um das angeblich geplante willkürliche Ändern des Geschlechts und die Bevorzugung von Frauen. „Wenn das durchkommt, bin ich nächstes Jahr Präsidentin des Landgerichts“, kündigt Stadtrat Torsten Koschinka an, ein aus der AfD ausgetretener Richter. Brüller.

Der Bericht wird uns weiter beschäftigen. Er mündet in einen konkreten Handlungsplan, der uns die nötige Orientierung geben wird. Es reicht nicht aus, die „Charta der Gleichstellung“ zu unterzeichnen. Man muss sie leben. Idealerweise von der Spitze aus.

Nach der Versorgungs- und Erfrischungspause fassen wir Beschlüsse. Hier eine Auswahl der Themen:

Ehrung für die Verdienste um die Europastadt Görlitz/Zgorzelec
Die Europa-Medaille bekommt in diesem Jahr der KulturBrücken e.V. für das Projekt CYRKUS. Darüber freuen wir uns sehr. Ist doch der Verein ein echter Grenzgänger. Seit mehr als 15 Jahren werden deutsche und polnische Kinder und Familien in regelmäßigen Kontakt gebracht. Der Name CYRKUS ist dabei Programm: Er vereint den polnischen und deutschen Begriff für Zirkus. Die Auszeichnung wird am 30. Mai bei der gemeinsamen Stadtratssitzung mit Zgorzelec im Dom Kultury übergeben.

Weiterführung des Netzwerkprogramms „Engagierte Stadt“ unter Trägerschaft des Görlitz für Familie e. V.
Ausgerechnet dort, wo bürgerschaftliches Engagement unterstützt wird, wittert die AfD-Fraktion Rechtsbruch. Worum geht es? Der Görlitz für Familie e.V. koordiniert im Rahmen des Programm „Engagierte Stadt“ ein Netzwerk, das aus zwölf Partnern besteht, die eine vernetzende, beratende, koordinierende oder vermittelnde Funktion im bürgerschaftlichen Engagement wahrnehmen: Kreissportbund, Willkommensbündnis, Mehrgenerationenhaus, Meetingpoint Messiaen, Rabryka, Lokales Bündnis Görlitz für Familie, Stadt Görlitz, A-Team, Bürgerräte, Senioren-Kompetenz-Team, Netzwerk der jungen Görlitzer Vereine und Initiativen, Partnerschaft für Demokratie sowie der Arbeitskreis „Görlitz nachhaltig“.

Problem: Görlitz hat keinen Haushalt. Ohne Haushalt keine neuen Verpflichtungen, sagt die AfD. Das sieht die Verwaltung anders. Denn das Projekt wurde vom Stadtrat in die Finanzplanung für 2023/24 mit je 29.000 Euro jährlich aufgenommen. Es gibt ein zähes Hin und Her. Die AfD-Kollegen schlagen sich vor die Brust. Gäbe es ein Feuer, würden sie drumherum tanzen. Ihre folkloristische Einlage umfasst auch das Begehren, dass namentlich abgestimmt wird. Das lehnen alle anderen Fraktionen ab. Die Abstimmung zum eigentlichen Sachverhalt endet mit 25:10. Die Netzwerkarbeit kann fortgesetzt werden. Die AfD kündigt an, den Beschluss rechtlich prüfen zu lassen. Nur zu.

Kauf und Einrichtung von Schulcontainern ab dem Schuljahr 2023/2024
Das ist keine überraschende Beschlussvorlage. Bereits vor zwei Jahren, als sehr emotional um den Bau einer fünften Oberschule gerungen wurde, war klar, dass wir unabhängig davon weitere Schulcontainer benötigen. Leider glauben übergeordnete Strukturen, wie das Landesamt für Schule und Bildung (Lasub), dass Kommunen total plemplem sind und erheben eigene Zahlen. Nun stellt sich „überraschend“ heraus, dass Görlitz Recht hatte. Für das kommende Schuljahr reichen die Räume an den Oberschulen in Rauschwalde und Königshufen ebenso wenig wie an der Grundschule Jahnstraße.

Damit die vier benötigten Container noch rechtzeitig fertig werden, müssen wir im Schnellverfahren den Beschluss fassen. Das ist suboptimal. Wir haben die technischen Zusammenhänge nicht ausreichend vorberaten. So ist unklar, warum sich die Kosten für einen Schulcontainer im Vergleich zu 2018 verdoppelt haben sollen. Ob das wirklich stimmt, sehen wir nach der Ausschreibung. Gar nicht mitgedacht wurde die Energieversorgung. Mein Kollege Danilo Kuscher (Motor Görlitz) regt an, PV-Module zu installieren. Diese versorgen nicht nur die Container mit Energie, sondern können auch in die zugehörigen Schulen einspeisen. Durch die Selbstversorgung rechnet sich eine solche Anlage bereits nach vier bis fünf Jahren. Wir werden diesen Vorschlag noch genauer durchdenken und ggf. einen Antrag einreichen. Bei allem Verständnis für Personalknappheit im Rathaus: Wer klimaneutrale Stadt werden möchte, sollte diese Fragen immer auf dem Schirm haben und von Beginn an mitdenken.

In der Debatte sprechen sich alle Fraktionen und die Rathausspitze für die zügige Errichtung einer fünften Oberschule aus. Das ist ein deutlicher Fortschritt. Noch im März 2021 hatte der damalige Bürgermeister Michael Wieler (BfG) eine Vorlage eingebracht, mit der der Stadtrat den Beschluss zum Bau einer fünften Oberschule zurücknehmen sollte. Einen Monat später gab es eine denkwürdige Sitzung, bei der gegen die Stimmen der Fraktionen von Bürger für Görlitz und CDU (bis auf Gerd Weise) am Bau festgehalten wurde. Schön, dass mittlerweile alle Fraktionen die dringende Notwendigkeit einer zusätzlichen Schule akzeptieren. Meine Kollegin Jana Krauß (Bündnisgrüne) betont in einem Statement, dass die Oberschule aufgrund der Schülerzahlen schon seit 2015 gebraucht wird. Sie wäre jetzt ausgelastet. (Wir müssten also bereits über eine weitere Schule reden. Auch im gymnasialen Bereich wird es eng.)

Ebenfalls unstrittig in der Diskussion: Uns fehlen Lehrkräfte. Wir brauchen Kampagnen, die Lehrer anlocken, unsere Vorzüge zeigen. Auch hier eine kleine Erinnerung: Vor gut einem Jahr beantragte unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne, dass der Oberbürgermeister bei den zuständigen Behörden eine mittel- und langfristige Prognose zu unbesetzten Lehrerstellen einholt. Außerdem sollte der OB gemeinsam mit dem Landkreis Görlitz (Schulamt) sowie den Städten und Gemeinden, die Schulträger im Kreis Görlitz sind, eine interkommunale Arbeitsgruppe initiieren. Ziel sollte eine gemeinsame Strategie für die Bekämpfung des Lehrer-Mangels sein. Dem Antrag wurde damals nicht zugestimmt. CDU, BfG sowie die Mehrzahl der AfD-Stadträte waren dagegen. Wegen „fehlender Zuständigkeit des Stadtrates.“ Ich freue mich, dass sich ein Erkenntnisgewinn einstellt.

Interessant ist in der Diskussion eine Frage, die auch immer wieder durch die Stadt geistert. Jens Jäschke (AfD, fraktionslos) stellt sie: Warum gehen polnische Kinder in Görlitzer Schulen, die gar keinen Wohnsitz in Deutschland haben? Bürgermeister Hummel stellt klar, dass es sich um sehr wenige Kinder handelt, die in Polen wohnen und hier zur Schule gehen. Insbesondere das Gymnasium Anne Augustum wirbt mit dem deutsch-polnischen Profil, das durch einen Staatsvertrag gesichert ist.

Bleibt die Frage, was aus den mittlerweile neun Containern wird, wenn wir endlich eine neue Schule haben? Ideen gibt es einige. Sie könnten auf Sportplätzen als Umkleidekabinen oder Lagerräume dienen oder auch im Verkehrsgarten sinnvolle Dienste leisten.

Der Beschluss wird einstimmig gefasst. Je einen zusätzlichen Schulcontainer bekommen die Oberschule Rauschwalde und die Scultetus Oberschule. Zwei Container werden an der Jahnschule aufgestellt. Gesamtkostenschätzung: Knapp 600.000 Euro.

Änderung des Beschlusses zur Bildung einer Arbeitsgruppe Integration
Zum Abschluss des öffentlichen Teils geht es um die Arbeitsgruppe Integration. Diese wurde vom Stadtrat bereits 2019 beschlossen. Sie hat seitdem aber nicht wirklich gearbeitet. Zu groß ist der Kreis, zu unflexibel besetzt. Deshalb beantragt die Fraktion von Bürger für Görlitz/Grüne eine Änderung. Feste Mitglieder sollen sein: der Fachbürgermeister, die Gleichstellungsbeauftragte, die Leitung des Kommunalpräventiven Rates und die Vorsitzende des Ausschusses für Kultur, Bildung, Soziales und Migration. Weitere Fachleute werden themenbezogen eingeladen.

Die AfD mault rum, dass sie als größte und schönste Fraktion des Rates gar nicht vertreten ist. Im selben Atemzug sagen die Blauen, dass das alles Landkreisaufgabe ist und wir uns raushalten sollen. Ja was denn nun? Meine Fraktionskollegin Kristina Seifert (Bündnisgrüne) stellt zurecht fest, dass Görlitz aufgrund seiner Größe und des hohen Ausländeranteils eine besondere Verpflichtung und Verantwortung hat. Das schätzt auch der OB so ein. Formal gibt es zwar keine Zuständigkeit, aber es wichtig, dass Görlitz in den Netzwerken mitwirkt. Der Stadtrat zeigt sich hier einig. Alle Fraktionen stimmen zu. Bis auf die AfD.

Feierabend? Fast. Der OB bittet den Stadtrat zu einem unangekündigten, kurzen nichtöffentlichen Teil. Darüber hänge ich den Mantel des Schweigens. Er wird hoffentlich bald gelüftet. Denn das Thema gehört nicht hinter verschlossene Türen.

 

Autor: Mike Altmann

Stadtratsblog #39: 30.3.2023

In dieser Stadtratssitzung sollte eigentlich über das wichtige Thema „Klimaneutrale Stadt 2030“ beraten und abgestimmt werden. Trotz entsprechenden Beschlusses im Dezember hat es der Oberbürgermeister nicht geschafft. Das Thema wird nachgeholt. Ist ja noch Zeit bis 2030.

Zunächst berichten OB Ursu und Bürgermeister Hummel. Vieles stand bereits in der Zeitung. Deshalb nur eine knappe Zusammenfassung der Themen:

Flüchtlinge
Der Landkreis sucht nach weiteren Möglichkeiten, um Flüchtlinge unterzubringen. Auch mit der Stadt Görlitz ist der Kreis im Gespräch. Geprüft wird, ob das Gebäude am Flugplatz genutzt werden kann, wie bereits 2015/16. Es gehört Kommwohnen. Auf viele Nachfragen kann der OB (noch) nicht antworten. Weder ist etwas über die Anzahl noch über den späteren Verbleib der Flüchtlinge bekannt. Ärgerlich finde ich, dass der Stadtrat aus der Zeitung von den Planungen erfuhr.

Grenzüberschreitende Wärmeversorgung
Der OB hat sich mit dem polnischem Botschafter getroffen. Dieser informierte sich u.a. über das geplante Projekt der grenzüberschreitenden Wärmeversorgung in Görlitz und Zgorzelec und habe seine Unterstützung zugesagt.

Handelshochschule Leipzig ist da
Die renommierte Handelshochschule Leipzig hat ihr „Digital Space“ auf dem Siemens-Campus eröffnet. Das Büro soll innovative Gründer unterstützen. Für Görlitz ist die HHL ein weiterer Magnet, der kluge Köpfe anziehen wird.

Bauen 4.0
Das Projekt wird konkret. Ein erster Scheck über 9 Millionen Euro wurde übergeben, damit es losgehen kann. (Gesamtbudget: 15 Millionen Euro). Standort soll das Gewerbegebiet in Klingewalde sein. Dort entsteht eine Halle mit Laboren und Büros. Federführend ist die TU Dresden, die für die Projektumsetzung das „Construction Future Lab“ gegründet hat. Es entsteht ein interdisziplinäres arbeitendes Umfeld, in dem neue Lösungen für Bau- und Baumaschinentechnologien entwickelt und erprobt werden. Bis es soweit ist, müssen wir uns aber sicherlich noch zwei, drei Jahre gedulden.

Neue Straßenbahnen aus Görlitz
Ein Teil der neuen Straßenbahnen, die die Städte Leipzig, Zwickau und Görlitz geordert haben, wird an der Neiße gebaut. Zunächst betrifft das die Rohbauten für die ersten 25 Fahrzeuge, die künftig in Leipzig fahren sollen. Da der Umfang deutlich größer ist, hofft der OB auf Nachschlag. Und natürlich drücken wir alle die Daumen, dass die Görlitzer Waggonbauer auch Görlitzer Trams bauen.

Undichte Halle
Das undichte Dach der Jahnsporthalle kann – nachdem sich der Winter hoffentlich endgültig zurückgezogen hat – unter die Lupe genommen werden. Danach wird geflickt. Das wird aber nicht lange halten und die Halle ist ohnehin 25 Jahre alt. Zeit für eine Generalüberholung. Die Verwaltung hofft, dass sie Fördermittel für eine energetische Sanierung bekommt. Bereits nächste Woche sitzt das Rathaus mit Sportvereinen am Tisch, damit die Nutzer in die Planungen einbezogen werden. Ein wichtige Initiative, angeschoben vom Kollegen Karsten Günther-Töpert (Bürger für Görlitz) und zügig umgesetzt von den beteiligten Partnern.

Fördermittel für den Cyrkus
Das Projekt CYRKUS des KulturBrücken e.V. bekommt endlich ein festes Domizil. Im ehemaligen Werk 1 des Waggonbau entsteht es. Die benötigten Gelder für den Umbau in Höhe von 244.000 Euro wurden Kommwohnen und der Stadt Görlitz als Fördermittel übergeben. Das ist eine sehr gute Nachricht, da das CYRKUS-Projekt seit vielen Jahren deutsche und polnische Kinder und Jugendliche auf kreative Weise zusammenbringt. Die Fördermittel für die Sanierung der ehemaligen Küche und Kantine stammen aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR. Es wird unter anderem für den Erhalt von Gebäuden eingesetzt, die dem Gemeinwohl zur Verfügung stehen.

Fragestunde: Die Einwohner haben keine Fragen, deshalb geht das Mikro direkt weiter an die Stadträte.

Ich erkundige mich beim Oberbürgermeister, warum er den Stadtrat nicht in seine Überlegungen zur möglichen Ausrichtung des „Tages der Sachsen“ 2024 einbezogen hat. So erfuhren wir aus der Sächsischen Zeitung, dass der OB Gespräche mit dem Landtagspräsidenten geführt hatte. Herr Ursu relativiert. Es gab nur ein Treffen vor einigen Wochen in Görlitz dazu. Jetzt müsse berechnet werden, ob es finanzierbar ist und Görlitz einen Vorteil davon hat. Erst dann will er den Stadtrat einbeziehen. Ich bemerke, dass es besser wäre, bei einem solch emotionalen Thema zunächst den Stadtrat einzubeziehen. Denn „Tag der Sachsen“ 2024 würde bedeuten, dass es kein Altstadtfest gibt. Da sowohl Altstadtfest als auch „Tag der Sachsen“ defizitär laufen, bin ich ohnehin gespannt, welche „Synergieeffekte“ es geben soll. Minus mal Minus ist Plus?

Thorsten Ahrens (Die Linke) möchte wissen, wer die Einhaltung der Regeln auf dem Berzdorfer See kontrollieren wird. Octavian Ursu möchte oder will das nicht klar beantworten. „Wir müssen erstmal Erfahrungen sammeln.“ Das beantwortet die Frage nicht. Es wird nachgebohrt. Wer ist verantwortlich? Der OB zeigt sich locker in der Hüfte und weicht neuerlich geschickt aus. „Dazu gibt es Gespräche mit LMBV, Landkreis, beteiligten Kommunen, Naturschutzbehörden.“ Er will sich nicht zu einzelnen Zuständigkeiten äußern. Es sekundiert schließlich Sebastian Wippel (AfD): Die Wasserschutzpolizei ist verantwortlich. Doch der OB bleibt bei seinem Text: „Wasserschutzpolizei ist auch nur ein Partner.“ Auch hier empfehle ich Entspannung. Ist ja noch massig Zeit, bis die Badesaison beginnt.

Rechtsaußen Wippel stellt die nächste Frage. Ihm geht es um das angekündigte Flüchtlingsheim am Flugplatz, vom dem wir ebenfalls aus der Zeitung erfahren haben. Ob der OB dem Landkreis mitgeteilt hat, dass Görlitz schon den größten Ausländeranteil hat? Der Landkreis müsse das bei „Zuteilungen“ beachten, nach Wippels Ansicht sei „eine Grenze erreicht.“ OB Ursu erklärt richtigerweise, dass Görlitz als größte Stadt im Landkreis gefragt sei. Es gehe um maximal 90 Plätze. Aber, so der OB, Schulen und Betreuungseinrichtungen dürfen nicht überlastet werden. Diese Gefahr sehe er aber nicht durch die kleine Flüchtlingsunterkunft. Zumal unklar ist, ob und wie lange die Geflüchteten bleiben.

Mein Kollege Danilo Kuscher (Motor) fragt, ob die Stadtverwaltung einen Förderantrag zur Weiterentwicklung der Bürgerbeteiligung gestellt hat. Das war bis Anfang März möglich. Bis zu 80.000 Euro pro Jahr konnte man sich sichern. Laufzeit drei Jahre, um “Bürgerkommune” zu werden. Der Oberbürgermeister kennt die Förderrichtlinie nicht. Scheint ihn auch nicht sonderlich zu interessieren. „Wir machen ja schon sehr viel Bürgerbeteiligung.“ Er will es sich mal anschauen. Kann sich Herr Ursu sparen. Die Einreichungsfrist ist rum. Funfact: Wir hatten das Büro der Oberbürgermeisters bereits Anfang Februar auf dieses Förderprogramm hingewiesen. Ohne Reaktion. Durch den kleinen Nackenschlag lassen wir uns freilich nicht entmutigen und werden der Verwaltung weiterhin sachdienliche Hinweise geben. Wie sie damit umgeht, entscheiden die Fachleute.

Auftritt Daniel Morgenroth. Der Intendant des Gerhart-Hauptmann-Theaters berichtet über die Wasserschäden und das Finanzloch. Die Bühne ist mittlerweile trocken, aber nicht bespielbar. Es sind noch Gutachter der Versicherungen zugange. Der Schaden fürs Theater hält sich durch geeignete Ausweichorte in dieser Spielzeit in Grenzen. Morgenroth spricht von einem „triumphalen Weihnachtskonzert im Kaufhaus“. Erfolgreich lief auch die Premiere von „Viva La Mamma“. Weitere neue Orte sind im Sommer das ehemalige Stalag VIII in Zgorzelec sowie der ehemalige Görlitzer Güterbahnhof. Dieser soll feste Ausweichspielstätte werden. Denn mindestens drei Jahre wird das Stammhaus nicht für große Produktionen zur Verfügung stehen. Der Landkreis strebt eine große Lösung an. Das GHT soll technisch auf Vordermann gebracht werden. Mit weiteren Spielorten im Landkreis könnte es zu einem gemeinsamen Förderantrag um Bundesmittel kommen. Bis dahin dürfen wir uns auf kreative Ideen freuen. Schon das erste Stück im Güterbahnhof wird einmalig für Deutschland. „Malfi“ holt uns als Zuschauer auf die „Bühne“, macht uns zu Mitwirkenden, die ein Stück mit allen Sinnen erleben. Immersives Theater heißt der Fachbegriff. Müsst ihr euch nicht merken.

Wenig überraschend sind die größten Kassenschlager die Weihnachtskonzerte und -märchen, das Sommertheaterstück „Graf von Monte Christo“ und der Osthit „Straße der Besten“. Ticketeinnahmen machen zwischen 12 und 15 Prozent des Etats aus. Damit liegt das GHT im oberen deutschen Mittelfeld. Ob das Theater seine Einnahmen nicht erhöhen kann? Diese Frage bewegt seit vielen Jahren die AfD. Herr Wippel denkt laut nach. Ließe sich ein Gassenhauer wie „Der Graf von Monte Christo“ nicht auch in Görlitz aufführen, wenn das so viel Geld einspielt? Daniel Morgenroth erklärt, dass es nicht Auftrag des Theaters ist, nur die Renner anzubieten, sondern ein breites Angebot zu schaffen. Görlitz kann man auch nicht mit Jonsdorf vergleichen. Die dortige Waldbühne steht parat. Da muss nicht viel Infrastruktur aufgebaut und bewacht werden, wie etwa im Stadthallengarten. „Um kostendeckend zu spielen, müsste man drei Jahre am Stück ‚König der Löwen‘ aufführen“, so Morgenroth. Jens Jäschke (AfD) schlägt vor, dass die Theaterbelegschaft wieder in einen Haustarifvertrag wechselt. Denn die aktuelle Finanzlücke von 1,3 Millionen Euro rührt aus Tarifsteigerungen. Lieber weniger Lohn als Arbeitslosigkeit, so die einfache Wahrheit von Herrn Jäschke. Unser Intendant klärt auf: Die ortsübliche Gage liebt bei 2.715 Euro. Brutto. Wie weltfremd muss man sein – und wie kaltherzig, bei solchen Beträgen noch einen freiwilligen Verzicht vorzuschlagen. Haben die Theaterleute in Görlitz und Zittau übrigens 15 Jahre lang gemacht. Bis zu 25 Prozent weniger bekamen sie im Vergleich zu tariflich Bezahlten. Würde man das nun wiederholen, läge die GHT-Belegschaft ungefähr auf Höhe Mindestlohn.

Wie geht es weiter mit den Finanzen? Morgenroth macht klar, dass man in den vergangenen Jahrzehnten so viel gespart habe, dass die Personalstruktur „dürr“ sei. Es geht nichts mehr zu streichen, ohne in den künstlerischen Betrieb einzugreifen. Nun gibt es ein Defizit von acht Prozent im Etat. Ich möchte wissen, ob das GHT Bedarfshaushalte eingereicht hat und der Fehlbetrag nur aus den hohen Gagenerhöhungen resultiert. Antwort: Bereits vor zwei Jahren wurden entsprechende Bedarfe angemeldet. Die Gesellschafter haben in Corona-Zeiten ihre Zuschüsse aber eingefroren, weil es viel Kurzarbeitergeld im Unternehmen gab. Das GHT bewegt sich also auf dem Zuschuss-Niveau von vor zwei Jahren. Selbst wenn die Gagenerhöhung geringer ausgefallen wäre, hätte das Theater ein sehr großes Problem.

Ob der Standort Görlitz wegen der Finanzprobleme das Musiktheater aufgibt, möchte Gabi Kretschmer (CDU) wissen. Morgenroth streichelt Seelen: „Das Musiktheater ist der Kern des GHT und Alleinstellungsmerkmal von Görlitz. Das eigene Orchester muss erhalten werden.“

Unsere Präventionsbeauftragte Marie J. Schubert folgt mit Informationen zum Kommunalen Präventionsrat und einer Sicherheitsanalyse. Ich freue mich, dass der kommunale Präventionsrat nach ewiger Anlaufzeit nun ins Arbeiten kommt. Vorsorgen ist immer besser als heilen. Noch in diesem Jahr sollen die Arbeitsgruppen Beziehungsgewalt und Öffentlicher Raum an den Start gehen. Außerdem wird daran gearbeitet, dass die Stadt sauberer wird und Schmierereien schneller verschwinden.

Die Sicherheits-„Analyse“ wiederum ist schlecht gemacht. Im Auftragswerk des Sächsischen Innenministeriums finden sich bereits beim schnellen Überfliegen handwerkliche und schusselige Fehler. Von 1.000 Angeschriebenen beteiligten sich 325 Görlitzer. Durchgeführt wurde die Befragung mitten in der Corona- und Ferienzeit, im Juli/August 2021. Dass sich zumeist Rentner beteiligt haben, überrascht also wenig. Größte Kritik am Papier, das eine Firma aus Berlin erstellte: Bei den Auswertungen wurden diejenigen, die eine Frage nicht beantwortet haben, einfach rausgerechnet. Zu welch falschen Deutungen es kommt, wenn das so macht, sieht man am Beispiel der Sächsischen Zeitung, die zur Sicherheitsanalyse schrieb: „Über 87 Prozent der Befragten ist der Meinung, dass sich nach der Einführung der Videoüberwachung die Situation bei Aufklärung Diebstählen ‚verbessert‘ beziehungsweise ‚eher verbessert‘ hat.“

Das ist falsch. Von den 325 Befragten haben 53 Prozent die Frage gar nicht beantwortet (weil sie es mglw. nicht einschätzen können). So bleiben lediglich 38 Prozent der Befragten, die meinen, Videoüberwachung habe die Situation ‚verbessert‘ bzw. ‚eher verbessert‘.  Also eine Minderheit aller Teilnehmenden.

Unabhängig davon bleibt als klares Ergebnis, dass weit über 90 Prozent der Umfrageteilnehmer gern in Görlitz lebt. Das ist vergleichbar mit Plauen, wo diese Analyse ebenfalls durchgeführt wurde. Auch bei den wahrgenommenen Problemen ähneln sich Vogtland und Oberlausitz. Als größtes Ärgernis wird in beiden Städten Hundekacke gesehen.

Nach den vielen Informationen kommen wir zu den Beschlüssen. Zuerst geht es um die Parkgebühren an der Strandpromenade.

Ab der Sommersaison stehen am Nordoststrand kostenpflichtige Parkplätze bereit. Wir beschließen zwei Tarife: Kurzzeit bis zwei Stunden kostet zwei Euro. Danach greift der Tagestarif von 6 Euro. Damit sind die Preise zwischen Nordoststrand und Blauer Lagune miteinander abgestimmt.

Die AfD möchte den Kurztarif erweitern. Der Sprung von zwei auf sechs Euro sei zu groß. Dazu ist zu sagen: Wer um den See spazieren will, muss sich nicht an die Strandpromenade stellen. Am Nordstrand stehen 160 kostenfreie Parkplätze zur Verfügung. Und wer nur vier und nicht sechs Stunden badet, kann nach zwei Stunde nochmal ein Ticket über 2 Euro ziehen. Das ist so nicht vorgesehen, aber eine pragmatische Lösung.

Immer wieder kritisch nachgefragt: Zahlen „die Polen“ überhaupt ihre Knöllchen? Dazu erklärt uns Herr Kloß vom Ordnungsamt, dass diese Bußgeldverfahren „in hohem Maß durch Zahlung abgeschlossen wurden.“  Vermutlich, weil sie in Görlitz-Zgorzelec ihren Lebensmittelpunkt haben.

Wir lehnen zunächst den Änderungsantrag der AfD ab und beschließen dann mit 18 Ja- und elf Nein-Stimmen bei vier Enthaltungen die Parktarife für die Strandpromenade. Der OB sieht es richtig: „Wenn es Änderungsbedarf gibt, korrigieren wir 2024.“

Die Sanierung und Erweiterung der Kita Samenkorn im Jugendhaus Wartburg wird teurer als erwartet. Im Bauverlauf traten denkmalgeschützte Decken und Bruchsteinmauerwerk zutage. Außerdem wurde ermittelt, dass das Gebäude historisch als Logenhaus der Freimaurer genutzt wurde. Eine sehr aufwändige Dokumentation und Sicherung dieser seltenen Befunde folgte. Hinzu kamen die allgemeinen Preissteigerungen. 280.000 Euro beschaffte der Trägerverein Jugendhaus Wartburg. Die verbliebene Lücke von gut 90.000 Euro schließt die Stadt über einen Antrag bei der Städtebauförderung und übernimmt die nötigen 30.000 Euro Eigenmittel. Der Kostenplan ging von 1,5 Millionen Euro aus.

Auf den Weg bringen wir den schicken oberen Elisabethplatz. Wir fassen einstimmig den Finanzierungs- und Baubeschluss. Das Thema bewegt. Der kahle Platz rührt zu Tränen. Nochmals zur Erklärung: Die Bäume waren größtenteils krank. Die wenigen gesunden stehen zu lassen, wurde von Baumexperten verworfen. Fällen darf man nur bis Ende Februar. Da die Bauarbeiten erst im September starten, entsteht nun leider der Eindruck, die Stadt hat einfach die Bäume umgehauen und lässt den Rest so stehen. Nein.

Stattdessen bekommen wir, wie Radio Lausitz euphorisch berichtet, die schönste Allee der Stadt. In jedem Fall wird der Platz ein technisches Meisterwerk. Damit die neuen Bäume ausreichend Wasser bekommen, wird eine unterirdische Bewässerungsanlage errichtet. In zwei Zisternen wird Regenwasser gesammelt und über ein Verteilsystem direkt an die Wurzeln gebracht. Damit steigen die Baukosten. Wir müssen uns aber die nächsten 50 Jahre anschauen. Ohne diese Anlage würde allein die manuelle Bewässerung auf Grundlage der heutigen Preise (!) 500.000 Euro kosten. Diese Investition macht den Platz klimafest.

Weitere neue Dinge am Eli: Es entstehen E-Ladesäulen für Fahrzeuge von Menschen mit Behinderung. Zusätzlich zu den E-Ladepunkten kommen Leerrohre als Vorbereitung für Nachrüstungen in die Erde. Das hatte unser Spezialist Danilo Kuscher vorgeschlagen. Weitere Ideen aus anderen Fraktionen sind ebenfalls in die Planung gekommen. Dazu gehören barrierefreie Zugänge auch in der Platzmitte. Rund 1,5 Millionen Euro kostet die Platzgestaltung inklusive der Betriebskosten. Etwa ein Drittel zahlt die Stadt Görlitz. Mehr als eine Million Euro sind Fördermittel. Der Bau muss bis Ende 2024 fertig sein. Dann endet das Förderprogramm.

Interessant für die Biesnitzer: Der Netto auf der Promenadenstraße darf sich vergrößern. Einer Erweiterung von 800m2 auf 1.000m2 stimmt der Stadtrat zu. Der Backshop bekommt einen Anbau außerhalb des Marktes. Es fallen einige Parkplätze weg. Das verbleibende Angebot sollte aber reichen für die Kundschaft. Anregungen zu Fahrradstellplätzen und E-Ladesäulen wurden in den Bebauungsplan aufgenommen. Prima Zusammenarbeit.

 

Nach über einem Jahr Diskussion ist endlich die Dixie-Dörner-Ehrung durch. Zur Würdigung der im Januar 2022 verstorbenen Fußballlegende erhält die Verbindung zwischen Inselweg und der Straße Am Wasserwerk die Bezeichnung „Dixie-Dörner-Weg“. Außerdem wird am ehemaligen Wohnhaus der Familie Dörner in der Spremberger Straße 8a eine Erinnerungstafel angebracht.

Es gibt einen zweiten Punkt in der Vorlage von Bürgermeister Hummel: Zur Ehrung weiterer Görlitzer Persönlichkeiten aus dem Sport und aus anderen Bereichen wird ein digitales Format für die städtische Homepage entwickelt und bis Ende 2024 umgesetzt.

Ich gieße zwei Wermutstropfen in den Freudenbecher. Zunächst erinnere ich daran, dass sich 465 Menschen an einer Umfrage zur Dörner-Ehrung beteiligten. Initiiert vom Kommunalpolitischen Netzwerk Motor Görlitz e.V. sprachen sich mit Abstand die meisten Teilnehmer für eine Stadionbenennung aus. Darüber wurde leider gar nicht in Ausschüssen diskutiert.

Zweitens: Es gab im Sportausschuss die Empfehlung, zuerst die Dörner-Ehrung abzuschließen und sich danach weiteren Persönlichkeiten zuzuwenden. Es ist für den Sport z.B. noch gar nicht ausdiskutiert, welche Kriterien angewendet werden, wer sich darum kümmert, wie die Vereine einbezogen werden, etc. Und warum muss der Stadtrat beschließen, welche Inhalte auf der Webseite der Stadt Görlitz erscheinen? Das halte ich für übertrieben.

Ich habe aber den Beitrag von Pfarrer Ulli Wollstadt in der SZ gründlich gelesen. „Rechthaberei kann viele belasten“ – deshalb stellt unsere Fraktion keinen Änderungsantrag. Ich freue mich darauf, dass der Name Dixie Dörner in Ehren und vor allem sportlich lebendig gehalten wird. Am 18. Juni soll der Dixie-Dörner-Weg feierlich benannt werden. Begleitet wird das von einem Traditionsturnier, das ehemalige Dynamo-Stars und DDR-Nationalspieler an die Neiße holt. Danke an Carsten Liebig und den NFV Gelb Weiß Görlitz für die Idee und die Umsetzung, Danke an die Stadtwerke und die Stadtverwaltung für die Unterstützung. Im Winter folgt hoffentlich ein Turnier für Nachwuchsmannschaften um den Dörner-Cup.

Bei zwei Enthaltungen wird der Beschluss einstimmig gefasst.

 

Es folgen zwei Nachbesetzungen in Beiräten. Neues Mitglied im Seniorenbeirat wird Jens Roth. Bekannt als ehemaliger Oberarzt und Gründungsmitglied des Neuen Forums in Görlitz. Im Kleingartenbeirat arbeitet künftig Motorist Stefan Hoffmann mit. Er kommt vom Fach, ist Kleingärtner, Vorstandsmitglied der Sparte „Am Helenenbad“ und ein feiner Kerl.

 

Den letzten Akt darf die CDU-Fraktion geben. Sie hat eine prima Vorlage eingebracht, die mehr Fahrradständer in Görlitz zum Ziel hat. Der Antrag trägt die Handschrift von Matthias Schöneich, der Radlegende der CDU-Fraktion. Eingebracht wird er aber von Fraktionschef Dieter Gleisberg. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, bis Ende des Jahres geeignete Standorte für solide, fest verbaute Fahrradständer im öffentlichen Raum festzulegen. Die Auswahl der Standorte soll sich an zahlreichen Kriterien orientieren. So soll es keine „Felgenbrecher“ mehr geben. Die Standorte sollen leicht erreichbar und ausreichend beleuchtet sein. Und wichtig: „Die Standorte sollen sich an den pragmatischen Erfordernissen des Radfahrers orientieren.“ Da wäre es schlau, wenn von Beginn an die radfahrenden Menschen einbezogen werden, oder? Einen entsprechenden Ergänzungsantrag stellt meine Kollegin Kristina Seifert (Bündnisgrüne). Wenn wir geahnt hätten, was das für eine riesige Debatte auslöst…

Dass die AfD Bürgerbeteiligung als hinderlich empfindet (Wippel: Wir haben doch schon die Bürgerräte.“) ist nicht neu. Dass es für Dieter Gleisberg Majestätsbeleidigung gleicht, einen Antrag der CDU noch verbessern zu wollen – geschenkt. Dass es aber dem einstigen Vorkämpfer für Bürgerbeteiligung in Görlitz, Prof. Joachim Schulze (bündnisgrüner Stadtrat in der BfG-Fraktion) reicht, die Leute erst einzubeziehen, wenn die Standortauswahl fertig ist, stimmt mich traurig. Niemand arbeitet gern doppelt. Was passiert also mit Vorschlägen von Pedaleuren in Bürgerversammlungen, wenn die Standortauswahl bereits erarbeitet wurde?

Prof. Schulze spricht in solchen Momenten gern von der „Fachverwaltung“, die man erstmal arbeiten lassen solle. Ich behaupte, dass Radfahrer die besten Experten für die Standortauswahl von Fahrradständern sind. Unser Änderungsantrag wird mit großer Mehrheit abgelehnt, nur Die Linke stimmt mit uns. Egal. Wichtig ist, was hinten rauskommt. Wir stimmen der CDU-Vorlage zu und werden hoffentlich einen Weg finden, um das Schwarmwissen der radelnden Görlitzer der Fachverwaltung zur Verfügung zu stellen.

Autor: Mike Altmann

Stadtratsblog #38: 2.3.2023

Kurze Tagesordnung. Große Vorfreude auf einen frühen Feierabend. Warum es am Ende doch fast vier Stunden dauert, erfahrt ihr in der Zusammenfassung der gestrigen Stadtratssitzung.

Los geht’s traditionell mit Informationen des Oberbürgermeisters Octavian Ursu. Er hat sich mit dem Cottbuser OB getroffen und eine Zusammenarbeit beim Strukturwandel vereinbart. Schön und selbstverständlich.

Weniger schön könnte es am kommenden Mittwoch für die Görlitzer Eltern werden. Verdi hat Streiks angedroht. Betroffen sollen auch Kitas sein. Welche das sind, ist aktuell noch nicht bekannt. Es empfiehlt sich, die Informationen der Stadtverwaltung im Auge zu behalten. Warum Streik? Es geht um Lohnerhöhungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Vom 9. bis 11. März treffen sich 400 Bildungsexperten und Wissenschaftler aus ganz Deutschland in Görlitz. „Gemeinsam Bildungslandschaften gestalten“ heißt der Kongress, der vom ehemaligen Hochschulrektor Prof. Albrecht mitinitiiert wurde. Da Görlitz keinen Ort hat, an dem 400 Teilnehmer tagen können, verteilt sich der Kongress auf Hochschule, Synagoge, Wüstensaal und Sporthalle Jägerkaserne.

Voran geht es wohl mit dem Gedenken an Dixie Dörner. Ende März soll die Vorlage in den Stadtrat. Vorgeschlagen wird ein Dixie-Dörner-Weg zum Stadion der Freundschaft. Die Ehrung könnte Mitte Juni erfolgen. Da ist ein Turnier mit Traditionsmannschaften im „Stadion der Freundschaft“ vorgesehen. Organisiert vom NFV Gelb-Weiß Görlitz und den Stadtwerken.

 

In der Fragestunde für Einwohner meldet sich Peter Hoffmann zu Wort. Er stellt sich vor als Bürgerrat von Königshufen. Thematisiert aber die Landeskrone. (Wurde sie in einen anderen Stadtteil verlegt?) Herr Hoffmann nutzt die Bürgerfragestunde, um für den Antrag der AfD zu werben, der später auf der Tagesordnung steht und fragt, ob die Stadt das Burghotel selbst übernehmen und dafür einen Geschäftsführer einsetzen könnte. Der OB verweist zurecht darauf, dass diese Fragen im Rahmen des AfD-Antrages beraten werden und eine Übernahme aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist.

Leider häuft es sich, dass die Fragestunde der Einwohner für Statements genutzt wird. Dass Peter Hoffmanns Herz laut und schnell für die Landeskrone schlägt, ist nachvollziehbar. Viele Jahre lang organisierte er auf dem Görlitzer Hausberg Varieté-Abende, zu denen er bekannte und weniger bekannte DDR-Schlagersterne einlud.

Es folgt die Fragestunde für Stadträte.

Meine Fraktionskollegin Kristina Seifert (Bündnisgrüne) möchte wissen, wie lange die Treppe zur Freizeitanlage Brautwiesenpark noch gesperrt ist. Christian Freudrich vom Grünflächenamt erklärt, dass die Sperrung wegen Frostgefahr nötig ist. Eine manuelle Reinigung ist nicht im städtischen Budget (traurig eigentlich, betrifft auch nicht nur dieses Gelände). Sobald es die Witterung zulässt, wird die Treppe wieder geöffnet.

Gabi Kretschmer von der CDU erkundigt sich, ob die vielen Baumfällungen im Februar rechtens seien. Christian Freudrich versichert, dass der Baumexperte im Rathaus, Steffen Leder, leidenschaftlich um jeden Baum kämpft. Bevor gefällt wird, gibt es einen Antrag und eine Begutachtung. Auch bei Sträuchern und Gehölzen werde behutsam vorgegangen. Wegen Personalmangels kann die Stadtverwaltung aber nicht regelmäßig „stutzen“. Teilweise wachsen die Sträucher 20 Jahre. Logisch, dass an diesen Stellen ein stärkerer Rückschnitt nötig ist. Auch wenn das Naturfreunden Sorgen bereitet: Die Görlitzer Grünflächenexperten gehen sensibel vor und schneiden nur partiell zurück. Schon um die Rückzugsräume für Vögel zu schonen. Yvonne Reich (Bürger für Görlitz) empfiehlt die städtische Internetseite. Dort sind alle Baumfällungen mit Begründung aufgeführt:  https://www.goerlitz.de/Baumfaellungen.html

Ich erkundige mich nach der Beleuchtung am Elisabethplatz und möchte wissen, ob künftig der Platz oder die parkenden Autos angestrahlt werden. Bauamtsleiter Torsten Tschage: Im Zuge des Umbaus wird die Straßenbeleuchtung erneuert. Es wird keine Laternen auf dem Inneren des Platzes geben. Er versichert aber, dass das „Streulicht“ für die Beleuchtung ausreicht. Außerdem gebe ich eine Anregung aus der Bürgerschaft weiter: Gewünscht wird, dass eine Infotafel ausführlich über die Baumaßnahme und den Zeitplan informiert und es auch eine Kontaktmöglichkeit für Fragen und Anregungen gibt. Der OB sagt zu, dass mit Beginn des Umbaus regelmäßig informiert wird. Er plant auch Vor-Ort-Termine in der warmen Jahreszeit.

Jens Jäschke (vereinzelter AfD-Stadtrat) will wissen, ob durch die Umbaumaßnahmen der Vertrag mit der Marktgilde (Betreiber des Wochenmarktes) verändert wird. Natürlich ist das so. Das Rathaus wird wegen der geänderten Rahmenbedingungen die Preise senken und hofft, dass die Preisnachlässe an die Händler weitergegeben werden. 2025 steht dann eine neue Vergabe der Markt-Betreibung an.

Nach der kurzen Frage-Antwort-Runde berichten uns zwei städtische Kultureinrichtungen. Ines Thoermer, Chefin der Stadtbibliothek, nimmt uns mit auf die Reise in die Welt der Bücher und Medien. Wir erfahren, dass die Einrichtung auf der Jochmannstraße viel mehr ist als eine Verleihstelle. Im letzten Jahr wurden knapp 200 Veranstaltungen durchgeführt. Zumeist für Kinder. Von der Krippe bis zur Grundschule gibt es spannende Angebote. Angenehmer Nebeneffekt: Nach solchen Veranstaltungen kommen die Kids oft wieder. Mit ihren Eltern. So wird das Lesen in Familien gefördert. Um solche Projekte durchführen zu können, akquiriert die Bibliothek zusätzliche Fördermittel.

Stark im Kommen sind elektronische Medien, die mittlerweile acht Prozent des Angebots umfassen. Auch der Online-Verleih zieht spürbar an. 377.000 Zugriffe auf die Online-Angebote gab es im letzten Jahr. Für die Schulen in der Oberlausitz ist die Görlitzer Stadtbibliothek eine wichtige Partnerin. Ist sie doch die einzige Einrichtung, die komplette Klassensätze verleiht.

Jasper von Richthofen entführt uns anschließend in die Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur (Gösam), die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften. (OLB) sowie das Kulturhistorische Museum. Allein diese Aufzählung zeigt, welch große Schätze wir in Görlitz haben. Zwölf Vollzeitstellen stehen zur Verfügung. Acht im Bereich der Sammlungen, vier bei der OLB. In Brandenburg hätten wir den Status eines Landesmuseum, so von Richthofen.

Über 30.000 Museums-Besucher werden pro Jahr gezählt. Bei der OLB gibt es 600 analoge und 2500 digitale Leser. Ihnen stehen 150.000 Titel zur Verfügung. Ein riesiger Wissensfundus.

Mit Gösam hat Görlitz eine Einrichtung, die viel mehr macht als „Sammeln und Ausstellen“. Sie ist in zahlreiche Projekte involviert: Welterbebewerbung, Jakob-Böhme-Jahr, Forschungsbegleitung an Hochschulen, Kulturerbeausstellung Dreifaltigkeitskirche. Außerdem sind die Görlitzer Sammlungen internationaler Leihgeber (bis in die USA), Serviceeinrichtung für Bürger (Fragen zu Stadtgeschichte, Kunst und Kultur) sowie wichtiger Bildungsort für Schulen.

Stolz sein kann das Museum auf die spannenden Sonderausstellungen. Ich persönlich freue mich immer wieder, wenn es „Mitmach-Angebote“ gibt. So schön Dali war. Lebendig in Erinnerung bleiben Dinge wie „Sportschau Görlitz“ und „Erfahrung DDR“. Weil sie die Stadtgesellschaft eingebunden haben. In diese Fußspuren könnte 2025 die Sonderausstellung „Nationalsozialismus in Görlitz“ treten. Bis dahin gibt es weitere spannende Ausstellungen. Am 11. März öffnet „Über Druck“. Zu sehen sind zeitgenössische Kunstdrucke aus drei Jahrzehnten. Es folgt im August „Prost Mahlzeit“. Dabei geht es um die Geschichte von Essen und Trinken in Görlitz. Beantwortet werden spannende Fragen: Wo kam im Mittelalter das Vitamin C her? Und woher stammt eigentlich die Tomate? Ich tippe auf Holland. Lasse mich aber gern im Gewächshaus Kaisertrutz eines Besseren belehren.

Wie bei der Bibliothek sind Sonderausstellungen und Projekte nur mit zusätzlichen Fördermitteln möglich. Die Städtischen Sammlungen müssen seit fast zehn Jahren mit dem gleichen Budget leben, obwohl die Preise kräftig steigen. Die Gebäude werden auf Verschleiß gefahren. Das ist ein klarer Appell Jasper von Richthofens in unsere Richtung. Wenn wir nicht in den Werterhalt investieren, drohen schwere Schäden. Das betrifft sowohl die Bausubstanz als auch die technischen Anlagen. Sanierungsbedarf gibt es auch auf dem Reichenbacher Turm und dem Nikolaiturm.

Angenehm: Jasper von Richthofen jammert nicht nur, er präsentiert auch kreative Lösungen. So sei es möglich, auf dem Flachdach des Kaisertrutzes Solarpanelen zu installieren. Damit wäre eine Energieversorgung des Kaisertrutzes aber auch des benachbarten Theaters möglich.

Es ist 18 Uhr. Wir haben bereits Pause gehabt, uns mit Bowu und Kaffee gestärkt. Nur noch zwei Beschlussvorlagen trennen uns vom Feierabend. Es soll fast zwei Stunden dauern.

Eine halbe Stunde nimmt sich Stadtplaner Hartmut Wilke für die Einführung ins Thema „EFRE-Förderung 2021-2027“. EFRE ist ein europäischer Fördertopf und steht für „Europäischer Fonds für regionale Entwicklung“. Görlitz hat damit sehr gute Erfahrungen gesammelt. In den letzten zwanzig Jahren entstanden mit Hilfe von EFRE u.a.: Bibliotheks-Anbau Jochmannstraße, Neugestaltung Lutherplatz, Curie-Gymnasium (Umbau Sporthalle zur Festhalle/Mensa), Uferpark, Neugestaltung Postplatz, Brautwiesenbogen mit Waldorfschule und Brautwiesenpark. Eine beachtliche Bilanz. Insbesondere der Brautwiesenbogen ist auf europäischer Ebene beispielhaft, wie mit Hilfe von Fördermitteln ein Stadtgebiet aufgewertet wird und private Investitionen stimuliert.

Insofern ist es folgerichtig, dass Görlitz auch die neue Förderphase nutzt. Da sie verspätet begann, wird sie bis 2029 laufen. Görlitz möchte in den sieben Jahren die Innenstadt West und Teile der Südstadt aufwerten. Es geht um die Anpassung ans veränderte Klima, die Vermeidung von CO2-Ausstoß und die wirtschaftliche und soziale Belebung.

Wir bekommen ein Gesamtkonzept vorgelegt, mit dem sich Görlitz um die Fördermittel bewirbt. Darin aufgeführt sind konkrete Projektideen. Diese werden, wenn Görlitz den Zuschlag erhält, noch einzeln durch den Stadtrat beschlossen. Änderungen sind möglich. Hier die einige Vorhaben:

  • energetische Sanierung Berufsfeuerwehr
  • Erneuerung Wilhelmsplatz mit Regenwassernutzung zur Bewässerung
  • Errichtung eines Südstadtgartens auf der Brache Nähmaschinenwerk Jauernicker Straße
  • Skaterpark an der Weißen Mauer
  • Errichtung eines Sportfeldes im großen Becken des Helenenbades
  • Sanierung der Sporthalle Cottbuser Straße für den Breitensport
  • Jüdischer Friedhof als Verweil- und Gedenkort
  • Aufwertung Leipziger Platz
  • Klimawege (neue Fuß- und Radwege)

Diese Projekte entstanden in zahlreichen Runden mit Bürgerräten, in Ausschüssen und beinhalten online gesammelte Bürgerwünsche und Ideen. Der Umfang beträgt 10,5 Millionen Euro. 2,6 Millionen Euro Eigenmittel muss die Stadt einplanen, verteilt auf die Jahre bis 2029. Ob alles genehmigt wird? Das war in den letzten Runden eigentlich nie der Fall, da die Nachfrage größer als die verfügbaren Gelder waren. Allerdings soll sich das sächsische Förderverfahren geändert haben, so dass die Experten im Rathaus einen 100%-Erfolg nicht ausschließen. Der Eigenanteil kann noch sinken, wenn flankierende Förderung in Anspruch genommen wird (z.B. Städtebauförderung)

Es folgt eine Diskussion, die in Teilen das Thema verfehlt. Obwohl in zahlreichen Ausschusssitzungen und auch im Stadtrat erklärt wurde, dass es NICHT um die Einzelvorhaben geht, diskutieren vor allem AfD-Stadträte munter über Einzelvorhaben. Und jammern über die Antragslyrik. Warum Fahrradwege „Klimawege“ heißen. Sebastian Wippel kündigt Stimmenthaltung seiner AfD-Fraktion an. Weil Görlitz nicht das Klima retten kann (das ist ja immer ein Grund, um die Hände in den Schoß zu legen) und weil keine alternativen Projektideen vorgestellt wurden (es gab keine).

Die Fraktionen von BfG und CDU loben das Gesamtkonzept. Prof. Joachim Schulze, bündnisgrünes Fraktionsmitglied der BfG, findet die Analysen (insbesondere der Sozialstruktur) wertvoll und hofft, dass auch diese Förderrunde private Investitionen durch „Zukunftsoptimismus“ nach sich zieht. Matthias Schöneich (CDU) sieht Wirtschaft, Ökologie und Soziales im Einklang und freut sich (persönlich, wie er hinzufügt) dass in immer mehr Vorlagen die Themen Nachhaltigkeit und Klima eine Rolle spielen.

Auch unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne stellt sich hinter den Antrag. EFRE-Förderung hat viel Gutes in Görlitz bewirkt. Daran wollen wir anknüpfen. Dass wir nicht alle Einzelprojekte als notwendig erachten, spielt an dieser Stelle noch keine Rolle. Das wird zum gegebenen Zeitpunkt diskutiert. In einem kurzen Statement kippe ich etwas Wasser in den Wein: Wir sollten bei der Behandlung der einzelnen Vorhaben die Folgekosten von Anfang an mitdenken. Nicht nur die Görlitzer Sammlungen klagen über marode Gebäude. Der Stau bei Werterhaltungsmaßnahmen ist riesig. Ob Kitas, Schulen, Spielplätze, Sporthallen, Freizeitsportanlagen, Grünflächen, Verwaltungsgebäude: Es hat sich ein Berg aufgetürmt. Wir müssen anfangen, das abzuarbeiten. Auch wenn Reparaturen nicht so sexy sind wie Neubauten.

Es meldet sich Die Linke zu Wort. Jana Lübeck erklärt, dass sich ihre Fraktion enthält. Grund: Wir haben keinen Haushalt. Finanzchefin Birgit Peschel-Martin baut eine Brücke: Wir beschließen nur ein Konzept, mit dem sich Görlitz um Förderung bewirbt. Über die Projektliste und die damit verbundenen Kosten entscheiden wir erst mit dem Haushalt. Die Linke geht nicht über die Brücke und bleibt wie die AfD bei ihrer Enthaltung. Alle anderen Fraktionen stimmen zu.

Zum Ende der Sitzung debattieren wir über den AfD-Antrag „Konzept zur optimalen Vermarktung der Landeskrone“. Die Blauen fordern ein Gesamtkonzept, das der OB innerhalb von vier Monaten vorlegen soll. Zitat: „Dabei sind Möglichkeiten auf die größtmögliche Einflussnahme dieses Görlitzer Wahrzeichens aufzuzeigen. Insbesondere sind zu prüfen: Erwerb durch die Stadt und Konzessionsvergabe/Verpachtung für die Nutzung des Hotels, der Gaststätte und des Aussichtsturms. Lösungsmöglichkeiten für die verkehrstechnische Erreichbarkeit des betreffenden Bereichs sind unter Einbeziehung der Unteren Naturschutzbehörde zu erarbeiten und sollen ebenfalls Bestandteil des Konzeptes sein.“

Fangen wir hinten an: Der OB hat uns bereits im Dezember 2022 folgendes erläutert: Es gab einen Vor-Ort-Termin mit den Landkreisbehörden. Dabei ging es um die Zufahrt für Gäste und Besucher, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Bei Gesprächen mit der Naturschutzbehörde waren die Bäume Thema. Sie schränken die Aussicht ein. Stadt und Kreis wollen bei den nächsten Terminen die 30 Jahre alten Regeln überprüfen und gegebenenfalls anpassen, damit eine Betreibung des Burghotels wirtschaftlich möglich ist.

Octavian Ursu wiederholt mit der Geduld eines tibetanischen Gebetsmönchs diese Ausführungen. Mittlerweile gibt es eine Arbeitsgruppe, die sich diesen Fragen widmet. Ziel sind optimale Bedingungen für die Betreibung. Ein Konzept ist zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, meint auch CDU-Stadtrat Matthias Urban. Er empfiehlt der AfD, den Antrag zurückzuziehen.

Ich packe die AfD nicht in Watte. Unsere Fraktion hält diesen Antrag für unsinnig. Die AfD, die anderen Teilen des Stadtrates regelmäßig sozialistische Umtriebe vorwirft, möchte also ein städtisches Konzept für ein Grundstück, dass der Stadt nicht gehört. Sie will zudem einen Erwerb prüfen lassen. Da muss man sich schon die Frage stellen: Und dann? Saniert das reiche Görlitz das Burghotel und den Aussichtsturm aus der Portokasse? So traurig die Situation und so schön die Erinnerungen: Möglicherweise müssen wir uns von Konzepten verabschieden, die in der Vergangenheit funktionierten. Wir haben sehr viele gastronomische Einrichtungen mit großer Tradition, die es nicht mehr gibt. Die Zeit dreht sich. Das können wir bedauern oder mit „Zukunftsoptimismus“ nutzen.

Nach einigem Hin und Her und einer Auszeit zieht die AfD ihren Antrag zurück. Viel Lärm um nichts. Die Landeskrone ist längst im Fokus. Das haben wir übrigens nicht der AfD zu verdanken, sondern Ingo Kramer von der Sächsischen Zeitung, der das Thema mit mehreren Beiträgen ins Bewusstsein der Stadtpolitik holte.

Nach knapp vier Stunden ist Schluss. Es wartet ein Belohnungsgetränk in der Bierblume. Oder zwei.

 

Autor: Mike Altmann

Stadtratsblog #35: 24.11.2022

Eine weitere Sitzung in der Sporthalle an der Jägerkaserne. Hoffentlich eine der letzten. Das ist eine Sportstätte. Wir haben einen Sitzungssaal im Rathaus und keine Corona-Einschränkungen mehr. Wie in der Fragestunde von Kollegin Yvonne Reich (BfG) angemahnt, sollten wir wegen unserer Sitzungen keine Sportstätte blockieren – mal abgesehen vom zusätzlichen Aufwand, den das Auf- und Abbauen einmal im Monat erfordert.

Zur Sitzung: Wie immer bekommen wir zu Beginn Informationen von Oberbürgermeister Octavian Ursu.

Lange still war es um das Vorhaben Bauen 4.0“, das die TU Dresden im Gewerbegebiet Klingewalde umsetzen will. Mittlerweile ist eine gGmbH als Gesellschaft gegründet worden. Sie bekommt ihren Sitz in Görlitz. Gesellschafter ist die TU Dresden. Wie es inhaltlich weitergeht, bleibt zunächst offen.

Aufgegriffen wird das Thema Landeskrone. Zuletzt hatten mehrere SZ-Beiträge den Hausberg ins kollektive Bewusstsein zurückgeholt. Der OB will sich dafür einsetzen, dass die Bedingungen für künftige Betreiber (Hotel und Gastronomie) besser werden. Gemeint sind Möglichkeiten, die Landeskrone mit dem Auto zu erreichen (zumindest mit einem Shuttle) und die Sicht vom Gipfel zu verbessern. Das würde zulasten von Bäumen gehen. Ob und wie das funktionieren kann, soll ein Besichtigungstermin mit dem Landkreis Anfang Dezember zeigen.

Die Sorge um das Gerhart-Hauptmann-Theater ist auch im Stadtrat spürbar. Nach dem dramatischen Wasserschaden möchte sich der OB dafür einsetzen, dass das Haus schnell wieder geöffnet werden kann. Zumindest Vorbühne und Foyer sollen bespielt werden. Mittelfristig brauchen wir eine Millioneninvestition – darauf verweist OB Ursu. Denn die technischen Anlagen hinter dem sanierten Saal sind uralt und teilweise eine Zumutung. Dafür braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung mit den anderen Gesellschaftern des Theaters (Landkreis und Zittau) und eine stattliche Förderquote. Es gibt Stimmen, die ähnliche hohe Kosten taxieren wie für die Stadthalle.

Die Stabsstelle kommunale Prävention wird zum 1.12. besetzt von Maria Schubert. Die Kommunikationspsychologin soll für die Stadt Görlitz ein Netzwerk aufbauen und pflegen, das präventiv wirkt und dabei hilft, den gesellschaftlichen Frieden zu wahren. Viel Erfolg, liebe Maria.

 

In der Fragestunde für Einwohner erkundigen sich junge Skater, wann „ihr“ Skaterplatz in Weinhübel erneuert wird. Das Areal am Hirschwinkel ist wegen Unfallgefahr gesperrt, die Halle im Kühlhaus kostet Eintritt. Amtsleiter Torsten Tschage erläutert, dass mit Fördermitteln zwei Teile der alten Anlage erneuert werden. Ob und wann es weitergeht, entscheidet der Haushalt 2023/24. Mir gefällt der Mumm der jungen Leute. Wir sollten dringend den Faden wieder aufnehmen für eine zeitgemäße Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in unserer Stadt.

Einige Themen aus der Fragestunde für Stadträte:

Meine Kollegin Kristina Seifert (Bündnisgrüne) bringt eine Anfrage aus der Bürgerschaft ein. Es gibt wohl Verwirrung beim Bus nach Zittau. Die Haltestellen versprechen, dass die Linie 21 kommt. Diese wurde aber vor einer Weile zur Linie 12. Wer das nicht weiß, steht sehr lange – und auch noch umsonst – an den Haltestellen mit der „21“. Das Thema ist zwischen Verkehrsanbieter und Landkreis offenbar nicht zu lösen. Kristina bittet die Verwaltung um „Amtshilfe“.

Ebenfalls Thema in Görlitz: Das Radfahren auf Gehwegen nimmt spürbar in der Innenstadt zu. Ein Hotspot ist die Jakobstraße (dort möglicherweise wegen der unsäglichen Radspur auf schmaler Straße?). Kristina möchte wissen, ob es auch außerhalb der Radsaison Kontrollen geben wird. Das Ordnungsamt bittet um Infos zu Ort und Zeit, wo das gehäuft auftritt. Die Kontrollen müssen mit der Polizei koordiniert werden.

Clemens Kuche (CDU) erkundigt sich, ob es in der Wohngeldstelle weiterhin einen Bearbeitungsstau gibt. Der zuständige Bürgermeister Benedikt Hummel erläutert: Personal wurde aufgestockt. Es gibt derzeit 700 zu bearbeitende Anträge. Positiv: Der Berg mit Anträgen wächst nicht mehr an.

Meine Kollegin Jana Krauß (Bündnisgrüne) möchte sich einen Artikel der SZ erklären lassen. In diesem ging es um die deutlich gestiegenen Kosten für die geplante Sanierung der Stadthalle. Zitat: „Mittlerweile belaufen sich die Sanierungskosten für die Halle inklusive eines Anbaus an der Neißeseite auf knapp 51 Millionen Euro. Doch legt die Stadt darauf Wert, dass 11,2 Millionen in Nachhaltigkeit und Klimaschutz investiert werden.“ Welche Maßnahmen das denn seien, möchte Jana wissen. Wir hören von Bürgermeister Hummel Fördermittellyrik. Dass die Stadthalle nachhaltiger bei der Wiedereröffnung ist als zum Zeitpunkt der Schließung – ja Leute, was denn sonst? Und dass man sich an die DIN-Vorgaben für nachhaltiges Bauen hält – ja Mensch, alles andere wäre auch bedenklich. Wir sind beruhigt – haben also nichts verpasst in Sachen Stadthalle.

Andreas Zimmermann (CDU) ist als Ortschaftsratsvorsitzender von Hagenwerder/Tauchritz eine gute Wahl. Denn auch im Stadtrat liegt ihm der Ortsteil sehr am Herzen. Er kämpft z.B. seit vielen Monaten darum, dass die Buslinie Görlitz-Zittau durch die Ortslage Hagenwerder fährt, damit die Schüler nicht über die B99 müssen. Seine Hartnäckigkeit zeigt Erfolg. Ab Mitte 2023 soll der Bus (Linie 12) durch Hagenwerder fahren. Gut gemacht.

Lutz Jankus von der AfD-Fraktion erkundigt sich, was nach dem Besuch der Fraktionen im Speisesaal des Gymnasiums Anne Augustum folgt. Dorthin hatte uns die Schülersprecherin eingeladen, um uns über die Bedingungen zu informieren (hallig, laut, wenig einladend, für Caterer ungenügende technische Bedingungen). Bürgermeister Hummel: Die Fachleute sind bereits dran am Thema, wir diskutieren die Optionen demnächst im Technischen Ausschuss. Am Ende entscheiden die Finanzen (und wohl auch der Denkmalschutz), was machbar ist.

 

Es folgen Vergaben:

Bereinigung von Haltestellen des ÖPNV und öffentlichen Plätzen im Stadtgebiet Görlitz: Dieser Auftrag geht an die Sapos gGmbH. Danke für viele Jahre gute Arbeit für ein sauberes Görlitz.

Wärmeliefervertrag für Freiwillige Feuerwehr Innenstadt und Kindertagesstätte „Wirbelwind“ (Cottbuser Str. 13 und 14): Der Zuschlag wird auf das Angebot der Stadtwerke Görlitz AG, zu einem Bruttoangebotspreis i.H.v. rund 944.000 € erteilt. Die AfD votiert dagegen. Der Rest ist dafür.

Anschließend geht es um die Verkehrssicherheit am Berzdorfer See. Zum 1. Dezember wird die Strandpromenade als öffentliche Straße gewidmet. Damit ist es vorbei mit Kassenhäuschen oder Schranke. Um die parkenden Autos muss sich nun die Stadt kümmern. Es sollen 17 Parkscheinautomaten angeschafft werden. Das Ordnungsamt verstärkt die Präsenz und bekommt zwei neue Fahrzeuge. Unterstützung soll es auch weiterhin von einem privaten Sicherheitsdienst geben, der sich um die allgemeine Ordnung kümmert.

Knifflig ist die Frage, wie wir Chaos vermeiden, wenn es zu einem Ansturm kommt und alle Parkplätze belegt sind. In solchen Fällen soll künftig durch Ordnungsamt oder Polizei die Zufahrt von der B99 gesperrt werden. Die nötigen Materialien lagern wir in einem Container vor Ort. Eine schnelle Lösung für eine funktionierende digitale Anzeige der verfügbaren Parkplätze ist nicht in Sicht. Das Thema ist allerdings bei Bürgermeister Benedikt Hummel in guten Händen. Er scheint deutlich mehr für den Berzdorfer See zu brennen als sein Vorgänger. Dessen Vermächtnis sind die fünf Wieler-Huckeln (offiziell „Verkehrskissen“), die für die Verkehrsberuhigung erhalten bleiben.

Mehr Sicherheit für Fußgänger gibt es demnächst zwischen Brücke (an der Einfahrt von der B99) bis zum Beginn der Strandpromenade. Da fehlt bislang ein Fußweg. Zuletzt hatte insbesondere die Fraktion der Bürger für Görlitz dafür geworben. Sie musste aber warten bis ihr Vereinsvorsitzender Michael Wieler als Bürgermeister von Benedikt Hummel abgelöst wurde – er will es nun umsetzen. Gut so. Weiter so.

Wir haben noch eine andere Gefahrenstelle, vor allem für Kinder: Vom Radweg über die B99 zum See. Häufig angesprochen, einmal mehr in der Sitzung von Andreas Kolley (Motor). Auch hier gibt es keine Abmoderation, wie wir sie in den letzten Jahren von Herrn Wieler oft hörten. Sein Nachfolger will prüfen, was machbar ist.

Der Durchbruch für mehr Sicherheit an der Strandpromenade kommt erst, wenn wir Autos und „Unmotorisierte“ trennen. Wie das geht, zeigte uns bereits vor über zwei Jahren das Landratsamt: Die jetzige Fahrstraße verbreitern, den Parkstreifen in der Mitte erhalten. Damit haben wir die Trennung. Nun könnte man meinen, dass eine solche Idee direkt durchgeplant wird im Rathaus. Weil uns der See wichtig ist. Weil es keine sinnvolle Alternative gibt (Richtung Bahndamm haben wir es mit Biotopen und fremdem Eigentum zu tun, deshalb ist ein Großparkplatz in den nächsten zwanzig Jahren illusorisch, auch wenn einige AfD-Leute immer wieder den kalten Muckefuck aufwärmen.) Aber denkste! Kollege Kolley möchte wissen, warum es denn bis 2026 mit einer solchen Lösung dauern soll: Weil es noch keine Planung gibt, um einen Förderantrag einzureichen. Die Begründung, dass für eine solche Planung bislang kein Geld eingeplant war, verpufft. Es gibt zig andere Beispiele, wo sich die Verwaltung Geld außerhalb des Etats besorgt hat. Ich glaube nicht, dass sich der Stadtrat hier quergestellt hätte.

Wir stimmen nach langer Diskussion für den Erwerb von Parkscheinautomaten. Damit sie noch bis zur neuen Saison aufgebaut werden. Sonst droht erst recht ein Chaos. Diesen Zusammenhang versteht die AfD nicht – sie votiert als einzige Fraktion gegen den Antrag.

Die 17 Parkscheinautomaten kosten ca. 180.000 Euro. Das Ordnungsamt geht von einer hohen Lebenserwartung aus. Die alten Geräten in der Innenstadt haben 20 Jahre auf dem Buckel. Unsere neuen Automaten am See werden nicht wie technische Denkmale aussehen. Dann ist endlich auch Kartenzahlung möglich. Und was das befürchtete Chaos angeht: Am wichtigsten bleibt die gegenseitige Rücksichtnahme. Sowas lässt sich nicht im Stadtrat beschließen.

In der Debatte erfahren wir auf Nachfrage von Andreas Kolley, dass OB Ursu mit seiner See GmbH offenbar nicht vorankommt. Im September 2020 (!) wurde auf Wunsch des OB beschlossen, die Gründung einer Gesellschaft zu planen, die die Geschäfte am Berzdorfer See bündelt. Anfang 2021 sollte die Planung vorgestellt werden. Bis dato haben wir nichts gehört. Ursu selbst zeigt sich zerknirscht: „Wir haben verschiedene Varianten geprüft, die alle nicht überzeugt haben. Das Dezernat des neuen Bürgermeisters ist intensiv eingebunden in weitere Überlegungen. Wir werden hoffentlich bald berichten können.“

Ausschreibung der Straßenbeleuchtung

Demnächst müssen wir die öffentliche Straßenbeleuchtung neu ausschreiben. Das machen derzeit die Stadtwerke. Für 2025 bis 2040 gibt es einen neuen Vertrag. Dafür muss eine komplizierte Ausschreibung durchgeführt werden. Das geht nur mit externer Unterstützung. Wir geben deshalb 200.000 Euro frei für die Jahre 2023 und 2024, mit denen das Verfahren technisch und juristisch begleitet wird. Bei einem Umfang von bis zu 15 Millionen Euro ist das eine überschaubare und gut angelegte Summe.

Außenplätze von Gastronomen ohne Zusatzgebühr

Um Gastronomen und Imbissbetreibern in der anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Situation durch die Energie-Krise zu entlasten, soll wie bereits in den letzten beiden Jahren auch 2023 auf die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für das Aufstellen von Tischen und Stühlen im Freien verzichtet werden. Das macht 5.000 Euro aus. Ein Klacks für den Haushalt und somit auch eine symbolische Maßnahme. Denn für 2022 wurden bereits rund 30.000 Euro mehr Sondernutzungsgebühren eingenommen, als fürs gesamte Jahr geplant waren (120.000 Euro).

Davon ausgenommen sind die Feste. Über die Höhe der Sondernutzungsgebühren beim Altstadtfest gibt es derzeit einen Disput zwischen Altstadt-Gastronomen und dem Städtischen Kulturservice als Veranstalter. Ich schlage vor, den Wirtschaftsausschuss mit einzubeziehen bei den „Verhandlungen“. Der OB hofft, dass sich beiden Seiten auch ohne Stadtrat einigen. Falls das nicht der Fall ist, könne man darüber nachdenken.

Ein wichtiger Hinweis kommt von Mike Thomas (SPD). Der blinde Stadtrat bittet um Überprüfung, wie Möbel auf Gehwegen aufgestellt werden. Oft sind sie extreme Hindernisse für Menschen mit Beeinträchtigungen aber auch für Väter und Mütter mit Kinderwagen.

Planungsbeschluss zur Erneuerung des Elisabethplatzes

Unser Elisabethplatz sieht traurig aus. Nun bekommt zunächst der obere Teil, der Markt, eine Verjüngungskur. Wir beschließen mit großer Mehrheit, dass die Planungen bis zum Baubeschluss fortgeführt werden. Wenn alles reibungslos verläuft, könnte das Areal im Juli 2025 fertig sein. Geplant sind eine neue Decke, zwei neugepflanzte Baumreihen und eine Neuordnung der Parkplätze. Letzteres sorgt für Diskussionen. Es gibt Stimmen von Jana Lübeck (Die Linke) aber auch von Jana Krauß aus unserer Fraktion, die hinterfragen, warum es dort überhaupt Karossen geben soll. Ich sehe zunächst den Fortschritt: Die Parkplätze auf der Straßenseite (im Norden des Platzes Richtung Altstadt) entfallen. Damit haben Geschäfte und Gastronomen mehr Möglichkeiten. Die Autos parken am Außenrand des Platzes. Da lediglich zwei E-Ladesäulen vorgesehen sind, wirbt Motorist Danilo Kuscher für das Verlegen von Leerrohren. So ist es möglich, alle Parkplätze später nachzurüsten. (Das hämische Lachen oder Stöhnen bei solchen Themen wird im Stadtrat übrigens leiser als noch vor zwei Jahren. Überraschung am Rande der Debatte: Der OB erklärt, dass der Traum von der hypermodernen Tiefgarage unterm Wilhelmsplatz in ihm noch lebt.)

Jana Krauß von unserer Fraktion regt ein Nachdenken über die Baumarten an. Geplant sind Linden (außen) und Rosskastanien (innen). Letztere gelten aber als besonders anfällig für Krankheiten und Schädlingsbefall. Ein Landschaftsgärtner mit fast 40 Jahren Berufserfahrung hatte uns kurz vor der Sitzung darauf aufmerksam gemacht, dass bereits 2018 die Bayrische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft vor dem Aufstellen von Rosskastanien an städtischen Stressorten warnte. Als Ersatz eignen sich z.B. Vogelkirsche oder Esskastanie gut. Stadtplaner Hartmut Wilke sagt zu, dass über die Bäume noch beraten werden kann und er sich mit den Fachleuten dazu abstimmt. Wir Stadträte sind sehr dankbar für solche fachlichen Hinweise. Denn natürlich wissen wir nicht alles. Ihr erreicht uns prima über kontakt@fraktion-motor-goerlitz.de. Über diese Adresse könnte ihr uns auch auf Probleme aufmerksam machen.

Während der Bauarbeiten wechseln die Markthändler an die Unterseite des Eli. Die Imbissanbieter gehen auf den Marienplatz. Dazu wurden im Vorfeld Gespräche mit den Beteiligten geführt. Der „Pausenhof“ für die Oberschule Innenstadt im unteren Teil des Elisabethplatzes bleibt für die jungen Leute erhalten.

Kita-Elternbeiträge ab 2023

Bereits vor der Sitzung ist klar: Bis auf die CDU sind alle Fraktionen gegen eine Gebührenerhöhung. Dennoch lässt die Verwaltung nichts unversucht, uns ihren Kompromissvorschlag schmackhaft zu machen. Der sieht vor, dass der Elternanteil für die gestiegenen Betriebskosten auf maximal 10 Euro gedeckelt wird. Eine noble Geste, die insbesondere die Eltern von Krippenkindern entlasten würde (hier wäre der Beitrag entsprechend der prozentualen Beteiligung um 21,40 Euro gestiegen). Für Kindergarten (14 Euro) und Hort (8 Euro) hätte die Deckelung dagegen wenig bis gar keine Effekte. Unser sehr engagierter Amtsleiter Alexander Eichler wirbt mit weiteren Argumenten für die 10-Euro-Erhöhung: Es gibt eine Kindergelderhöhung von 30 Euro, die das kompensiere. Görlitz liege bei den Beiträgen im sächsischen Mittelfeld und sei günstiger als Dresden. Außerdem wäre die kleine Erhöhung angebracht, da die Betriebskosten für das laufende Jahr extrem gestiegen sind (das ist die Bezugsgröße für die Ermittlung der Elternbeiträge 2024). Auf Basis der aktuellen prozentualen Beteiligung käme es 2024 zu einem spürbaren Preissprung.

Dieses Dilemma ist bekannt und muss gelöst werden. Kleiner Exkurs: Normalerweise sollen die Elternbeiträge jährlich an die Betriebskosten angepasst werden. Damit es nicht jedes Jahr eine politische Diskussion gibt. Dafür hatte der Stadtrat 2021 eine prozentuale Beteiligung der Eltern beschlossen. Diese liegen für die Krippe bei 18 Prozent, für Kindergarten bei 29 Prozent und für den Hort bei 30 Prozent. Die aktuellen Krisenherde und Rekordinflation waren zum damaligen Zeitpunkt nicht vorhersehbar. Deshalb sollten wir uns im Stadtrat darüber verständigen, ob wir mit unseren Prozentsätzen, die bei Kindergarten und Hort am sächsischen Maximum liegen, noch als familienfreundliche Stadt durchgehen.

Darum geht es aber in dieser Sitzung nicht. Sondern um die Frage, ob die Gebühren 2023 um maximal 10 Euro pro Platz und Monat steigen sollen.

Als nächstes As zieht OB Ursu seine Finanzchefin Birgit Peschel-Martin aus dem Ärmel. Sie präsentiert uns Zahlen und Varianten, wie teuer eine solche Entscheidung wird. Ich kann das gar nicht bewerten in der Sitzung. Denn entgegen der geübten Praxis, wurden diese finanziellen Fragen von der Verwaltung in den beratenden Ausschüssen nicht präsentiert. Was auffällt im Vortrag: Kinderbetreuung wird als Kostentreiber deklariert. Wir erleben Schwarzmalerei, ohne jeglichen Kontext zu einem noch gar nicht vorliegenden Etat 2023.

In der Diskussion bleiben wir bei unserer bereits vor zwei Monaten öffentlich vertretenen Position: Kita-Gebühren 2023 nicht erhöhen. Wir halten es aufgrund der allgemeinen Kostensteigerungen für ein wichtiges Signal einer familienfreundlichen Stadt, die Gebühren einzufrieren. Zumal die finanziellen Möglichkeiten es hergeben. Fürs letzte Jahr musste Görlitz eine Million Euro weniger an die freien Kita-Träger bezahlen als geplant. Die Landeszuschüsse werden steigen. Und die satten Zuwächse von rund 1.000 Einwohnern im Vergleich zum Vorjahr sollten sich ebenfalls positiv in der Kasse bemerkbar machen.

Meine Kollegin Kristina Seifert (Bündnisgrüne) wirbt eindringlich für eine Entlastung der Eltern: „Unser Landkreis liegt auf dem vorletzten Platz bei den Einkommen in Sachsen. Die Elternbeiträge können somit nicht mit einkommensstarken Kreisen und Kommunen verglichen werden. Alles wird teurer. Wenn die Stadtverwaltung argumentiert, dass es 30 Euro mehr Kindergeld gibt, kann ich als sechsfache Mutter nur sagen: Das geht schon drauf für höhere Preise beim Essen in den Einrichtungen, den Mietnebenkosten und beim Einkauf.“ Jana Krauß ergänzt: „Als Kommune haben wir nicht viele Möglichkeiten, Familien in der jetzigen Krisen-Lage zu unterstützen. Das Nichterhöhen der Beiträge ist so ein Schritt.“

Weitere Fraktionen schließen sich an. Die Bürger für Görlitz bringen einen Änderungsvorschlag ein, der das Einfrieren der aktuellen Gebühren für 2023 fordert. Das ist wacker, obgleich es sich strenggenommen um politische Redundanz handelt. Denn uns liegt ja ein Vorschlag der Verwaltung vor. Den brauchen wir nur ablehnen. Dann bleibt es bei den aktuellen Gebühren. Aber das darf natürlich jede Fraktion für sich entscheiden, welche Energie in welche Dinge gesteckt werden.

Die CDU argumentiert mit Matthias Schöneich für den Vorschlag der Verwaltung. Das nötigt mir großen Respekt ab. Natürlich ist es viel angenehmer, gegen eine Kostenerhöhung zu sein. Nur empfinde ich es als merkwürdig, wenn man einige Minuten vorher ohne Zögern den Gastronomen die Gebühren für die Außenplätze erlässt. Und bei Kindern mit Generationengerechtigkeitsfragen kommt. (Natürlich sind die Beträge überhaupt nicht vergleichbar. Das ändert nichts an der Symbolkraft.) Richtig ärgerlich wird es, als Matthias Urban (CDU) falsche Fakten verbreitet. Angeblich wären die Gebühren in den Umlandgemeinden viel höher. Weshalb Urban befürchtet, dass die Nachbarkinder „unsere“ Kitas bevölkern. Was für ein schöner Zufall, dass ich vor der Sitzung nachgeschaut habe. Faktencheck:

Krippenplatz (gerundet, 9 Stunden):
Görlitz 232 € I Markersdorf 240 € I Reichenbach 229 €

Kindergartenplatz (gerundet, 9 Stunden):
Görlitz 156 € I Markersdorf 128 € I Reichenbach 126 €

Hortplatz (gerundet, 6 Stunden):
Görlitz 87 € I Markersdorf 72 € I Reichenbach 71 €

Ich halte es für bedenklich, wenn in Stadtratssitzungen die Fakten verdreht werden. Vor allem, wenn es sich um langjährige Stadträte wie Matthias Urban handelt. Hat er gar nicht nötig.

Allen ist klar: Die Gebühren werden nicht erhöht. Wir könnten nun einfach den Verwaltungsvorschlag ablehnen und uns über den Erfolg für die Eltern freuen. Stattdessen diskutieren wir darüber, ob nun der Änderungsantrag der Bürger für Görlitz gestellt werden soll oder nicht. Nach einigem Hin und Her und einer Pause zur Klärung dieser Frage (!) steht fest: Der BfG-Antrag wird gestellt. Der Weg ist uns gleich. Das Ziel zählt. Danke an die Bürger für Görlitz, die nach meinen Beobachtungen sehr mit sich gerungen haben und sich am Ende richtig entschieden haben. Ohne BfG wäre es knapp geworden.

Abstimmung: 21 sind für den geänderten Antrag (also Einfrieren der aktuellen Gebühren im Jahr 2023), 10 stimmen dagegen (CDU-Fraktion und OB) und es gibt eine Enthaltung. An dieser Entscheidung haben die Elternvertretungen einen gehörigen Anteil. Sie wurden im Vorfeld einbezogen. Ihre Rückmeldungen waren zum Großteil eindeutig: Keine Gebührenerhöhungen in der aktuellen Situation. Danke für die engagierten Mums and Dads in Görlitz. Aber auch an die Verwaltung für die transparente Beteiligung der Eltern.

Das war der erste Schritt. Spätestens mit den Haushaltsverhandlungen sollten wir an der künftigen Ausgestaltung der Kita-Beiträge arbeiten.

Es folgen einige Gremienwahlen. Unsere Fraktion ist nicht mehr im Zweckverband Gewerbegebiet „Am Hotherberg“ vertreten. Gewählt werden für die CDU Matthias Urban und für die AfD der „Fraktionslose“ Jens Jäschke. Allen Beteiligten wünsche ich vergnügliche Zweckverbandsversammlungen in Markersdorf.

Den Abschluss macht ein AfD-Antrag. Die Blauen möchten den OB mit einer Notfallplanung für den Fall von Black Outs beauftragen. Nachdem wochenlang ein ganz dünnes Papierchen als „Antrag“ durch die Ausschüsse wehte, reichte die AfD kurz vor der Sitzung eine völlig andere, umfangreiche Version ein. Schlechter Arbeitsstil von Rechtsaußen. Dennoch hat sich die Verwaltung vorbereitet. Amtsleiter Uwe Restetzki berichtet ausführlich über die aktuellen Maßnahmen zur Energieversorgung auf den verschiedenen Ebenen. Den Bericht kann ich an dieser Stelle nicht annähernd wiedergeben. Es kommt für mich klar zum Ausdruck: Keine Panik, wir haben gute Fachleute, die durch Corona auch krisenerfahren sind. Am Ende gibt sich AfD-Fraktionschef Lutz Jankus zufrieden mit dem Bericht und zieht den Antrag zurück.

Wir beenden die Sitzung nach fast fünf Stunden. Nun aber schnell. Mit etwas Glück sehe ich das schönste Tor der Fußball-WM von Brasiliens Richarlison.

Autor: Mike Altmann

Stadtratsblog #33: 15.9.2022

Gleich zu Beginn der Sitzung verkündet Oberbürgermeister Octavian Ursu, dass er den einzigen spannenden Punkt von der Tagesordnung nimmt: Die Kita-Beiträge für Eltern. Begründung: Es gibt noch Diskussionsbedarf. Daran hat unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne ihren Anteil. Was ist passiert? Im Mai 2021 hatte der Stadtrat beschlossen, in welcher prozentualen Höhe sich Eltern an den Kita-Kosten beteiligen. Das sind 18% bei der Krippe, 29% beim Kindergarten und 30% für den Hort – um die wichtigsten drei Eckdaten zu nennen. Damals gab es den sinnvollen Beschluss, dass wir uns künftig an diesen Prozenten orientieren, jährlich die Betriebskosten des Vorjahres heranziehen und daraus den Beitragssatz fürs nächste Jahr beschließen. Das würde bedeuten, dass die Gebühren um rund 10 Prozent steigen. Macht bei einem Krippenplatz aufs Jahr gerechnet rund 250 Euro zusätzlich. Für die Kita würden 180 Euro Mehrkosten anfallen.

Seit dem Beschluss hat sich die Lage für Familien verschärft. Die Teuerungsraten sind exorbitant. Können wir in dieser Situation „business as usual“ machen? Wir denken nicht. Deshalb hatten wir bereits vor der Sitzung einen Änderungsantrag zur Vorlage eingereicht: Die Gebühren sollen 2023 nicht erhöht werden. Um die gestiegenen Betriebskosten aufzufangen, soll die Stadt einspringen. Das Geld dafür ist vorhanden. Rund eine Million Euro weniger als geplant mussten 2021 für die freien Kita-Träger ausgegeben werden. Dieses Geld wollen wir für eine Entlastung der Familien einsetzen. Und was passiert danach? Sorgen wir mit so einem Beschluss nicht dafür, dass 2024 die Gebühren umso heftiger steigen? Wenn die Prozentsätze für die Eltern so bleiben, ja. Aber auch das wollen wir verändern. Denn die derzeitigen Energiekosten sind noch gar nicht in den Beitragssätzen angekommen. Wenn wir die Prozente nicht nach unten anpassen, wird der Kitabesuch ab 2024 zum Luxus. Über diese Frage muss sich der Stadtrat im Zuge der Haushaltsgespräche verständigen. Unabhängig davon gilt es jetzt auf die Preisbremse zu drücken und die vorgesehenen Erhöhungen zu verhindern. Wir sind gespannt, ob die Verwaltung ihre Vorlage entsprechend ändert.

Doch nun zu den Dingen, die im Stadtrat besprochen und beschlossen wurden. Der OB versorgt uns mit einigen Informationen. Zunächst geht es um Maßnahmen zur Energieeinsparung. Das Motto lautet für die Verwaltung, Augenmaß wahren und nicht in Aktionismus ausbrechen. Das finde ich sehr vernünftig. So werden die Heizungen auf den Fluren in Verwaltungsgebäuden nicht komplett abgedreht, da es Besucherverkehr gibt und niemand im Wartebereich frieren soll. Die Heizungen im Rathaus werden dennoch gedrosselt, um in den Büros die vorgegebenen 19 Grad nicht zu überschreiten. Wer das kontrollieren soll, ist eine ganz andere Frage. Weitere Maßnahmen: Die Arbeitszeiten sollen möglichst in die hellen Stunden verlagert werden, um Strom für Beleuchtung zu sparen. Zwischen Weihnachten und Neujahr will die Verwaltung große Teile ins „Dienstfrei“ schicken. Für die Bürgerschaft ändert sich wenig: Die Straßenbeleuchtung wird – wie bisher schon – auf LED umgerüstet. Die Leuchtreklame an Haltestellen bleibt an, aus Sicherheitsgründen, wie der OB begründet. Nachvollziehbar. Ebenso wie die Entscheidung, das Neißebad ohne Einschränkungen zu betreiben. Eine Schließung kommt nicht in Frage, da wir durch die Coronamaßnahmen bei den Kindern erhebliche Ausfälle hatten und eine Generation von Nichtschwimmern heranzuwachsen droht. Ein Absenken der Temperaturen im Neißebad kommt auch nicht. Damit würden wir riskieren, dass vor allem Kinder erkranken.

Infos gibt es auch zum Schulbau: Wir wollen eine neue Oberschule auf dem ehemaligen Schlachthofgelände bauen. Dafür brauchen wir rund 10 Millionen Euro Fördermittel. Das wäre ein Viertel des Budgets, das die Landesregierung für den gesamten Freistaat zur Verfügung hat. Schon deshalb ist das Projekt neue Oberschule kompliziert. Nun bezweifelte das Kultusministerium auch noch, dass Görlitz überhaupt eine neue Schule benötigt. Die Prognosen der Schülerzahlen wären rückläufig. OB Ursu konnte das Ministerium aber vom Bedarf überzeugen, wofür ihm Anerkennung gebührt. Seine Argumente: Die Schülerzahlen in Görlitz haben sich schon immer dynamischer entwickelt, als prognostiziert. Das liegt u.a. an den anhaltenden Zuzügen von polnischen Familien. Außerdem hoffe die Stadt (berechtigt) auf große Ansiedlungen von Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Auch das würde Familien anziehen. Görlitz bleibt also im Spiel um Fördergeld. Auch für die Sanierung des Förderschulzentrum in Königshufen läuft ein Antrag.

Nach dem OB informiert uns die Finanzchefin Birgit Peschel-Martin, wie es um unseren laufenden Haushalt bestellt ist. Überraschung: Besser als geplant. Das prognostizierte Minus wird deutlich kleiner. Statt zuletzt prognostizierten 9 Millionen Euro macht die Stadt „nur“ 4 Millionen Euro Verlust. Das hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Es gab deutlich mehr Geld vom Freistaat als geplant (1,6 Millionen Euro mehr Schlüsselzuweisungen wegen der sehr geringen Steuerkraft von Görlitz). Die Steuereinnahmen fallen ebenfalls höher aus. Und wie bereits zu Beginn erwähnt: Die Stadt muss rund eine Million Euro weniger für die Träger der freien Kitas ausgeben. Dickster Brocken sind die Personalausgaben. Zwei Millionen Euro weniger fallen an wegen unbesetzter Stellen und langfristigen Ausfällen. Ich frage nach, ob es denn Gegenmaßnahmen gibt, um die Arbeitsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Ich verweise auf Niesky, wo es Notfallpläne für die Verwaltung gibt. Bei gravierenden Personalausfällen wird nach Prioritäten gehandelt. Für kritische Infrastruktur bzw. kritische Dienstleistungen gibt es konkrete Vertretungsregelungen. Wie sieht das in Görlitz aus? Haben wir alles, beruhigt mich der OB. Gut so, denke ich mir. Lassen wir uns im nächsten Verwaltungsausschuss mal vorstellen. Genau wie die Altersstrukturanalyse, nach der sich meine Kollegin Kristina Seifert erkundigt. Natürlich gibt es eine solche Analyse, versichert Hauptamtsleiterin Kathrin Burkhardt. Ein wenig verwunderlich ist es, warum die Verwaltung trotzdem so überrascht ist, wenn ältere Kollegen früher in Rente oder in Altersteilzeit gehen. Wir werden uns das genau erklären lassen. Damit wir für den Haushalt 2023/24 das Personalbudget besser planen können als zuletzt. Klar bleibt: Personal wird überall gesucht. Eine Stadtverwaltung ist limitiert in Sachen Attraktivität. Das Rathaus steht im Wettbewerb mit dem Kreis, dem Land und Bundesbehörden, die besser zahlen. Aber auch aus der Wirtschaft nimmt der Druck zu. Einfacher wird es nicht, gutes Personal zu finden und zu binden. Umso wichtiger ist eine Strategie, zu der als Basis ein aktuelles Personalkonzept gehört.

Zurück zum Haushalt: Görlitz profitiert auch von den geänderten Zinspolitik. Geld anlegen lohnt wieder. Das können wir dank der einmaligen Steuersonderzahlung der Firma Birkenstock in Höhe von rund 68 Millionen Euro. Noch vor einigen Monaten zahlte die Stadt hohe „Verwahrentgelte“. (Nochmal zur Erläuterung: Weil Görlitz nun so viel auf dem Konto hat, gibt es demnächst keinen Finanzausgleich vom Freistaat. Außerdem zahlen wir deutlich mehr Kreisumlage und unterstützen arme Kommunen. Damit sind die Birkenstock-Millionen ratzfatz aufgebraucht.)

Insgesamt ist es ein positiver Blick in die Finanzen von Birgit Peschel-Martin. Ob und welche zusätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten das bringt, werden wir in den kommenden Wochen sehen.

Es folgt die Fragestunde für Stadträte:

Ich lobe den Kulturservice für die professionelle Organisation des Altstadtfestes unter erschwerten Bedingungen (die Jungs und Mädels hatten eine extrem kurze Vorbereitungszeit wegen der Coronageschichten). In Richtung Verwaltung frage ich, ob man künftig verhindern kann, dass weite Teile des Festgebietes und der Nikolaivorstadt vom Verkehr nahezu abgeschnitten sind. Durch die Sperrung Grüner Graben/Hugo-Keller-Straße musste man über Königshufen fahren. Diese Situation war lange vor dem Altstadtfest bekannt. Warum nicht vorausschauend eine Lösung gesucht wurde, leuchtet mir nicht ein. Die Einbahnstraße in der Lunitz zu drehen, wäre keine Raketenwissenschaft gewesen. Es wurde auch kurz vor dem Altstadtfest vorgeschlagen. Dem Straßenverkehrsamt war das aber zu heikel: So kurzfristig würden sich die Verkehrsteilnehmer nicht an die neue Straßenführung anpassen. (Echt jetzt?) Ich bitte den neuen Bürgermeister Benedikt Hummel für künftige Feste lösungsorientiert im Sinne der Bewohner aber auch der betroffenen Unternehmen (Pflegediensten, Post) zu agieren. Er erklärt, dass immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss, sagt aber eine Prüfung zu. Vielen Dank.

Mein Kollege Andreas Kolley erkundigt sich nach dem Stand der Ausschreibung für Gastro-Anbieter am Nordoststrand des Berzdorfer Sees. Hier gibt es gute Nachrichten: Alles ist in Arbeit, demnächst wird die Ausschreibung veröffentlicht und wir haben Ende Oktober Klarheit, welcher Anbieter den Zuschlag erhält. In den letzten Jahren sorgte das Team der Strandbar für eine gute Entwicklung des Areals.

Weitere Fragen kommen u.a. von Peter Stahn (AfD). Er möchte regelmäßig über Preissteigerungen bei Baumaßnahmen informiert werden. Zum Beispiel bei der Stadthalle, da vermisst er Neuigkeiten, wo doch derzeit alles teurer wird. Der OB sagt zu, dass regelmäßig informiert wird. Außerdem bekäme der Stadtrat automatisch Informationen, wenn Bauprojekte teurer ausfallen als beschlossen.

Fragen zum Thema Nachhaltigkeit gibt es von Jana Lübeck (Die Linke) und Gabi Kretschmer (CDU). Was ist mit dem Nachhaltigkeitsmanager, den die Stadt einstellen will? Und welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um die Nachhaltigkeitsziele der UN-Charta zu erreichen? OB Ursu erläutert, dass ein Förderantrag gestellt wurde. Das Prizedere sei aber so kompliziert gewesen, dass man – wie auch andere Städte – wieder Abstand vom Programm genommen habe. Somit sieht es derzeit schlecht aus in Sachen Nachhaltigkeitsmanager. Der OB hofft nun darauf, dass die Stadt diese Themen im Rahmen eines gemeinsamen Projektes mit dem Leibnitz-Institut umsetzen kann. Daran ist auch Kommwohnen beteiligt und es läuft über drei Jahre.

 

Danach fassen wir Beschlüsse:

Wahl Friedensrichterin

Mona Preuß, Leiterin des Melanchthonhorts mit 200 Kindern wird Nachfolgerin von Thomas Andreß als Friedensrichterin. Sie bekommt 31 Stimmen, Herr Andreß 10.  Fun fact: Dass es überhaupt zur Wahl kam, lag daran, dass Thomas Andreß seinen Rücktritt erklärte. Nachdem die ehrenamtliche Funktion ausgeschrieben wurde, bewarb er sich dennoch. Für den Stadtrat war möglicherweise zu sprunghaft. Mir hat die Vorstellung von Frau Preuß zudem gefallen. Herr Andreß hatte es nicht zur Sitzung geschafft.

Vereinbarung gemeinsamer ÖPNV mit Zgorzelec

Ab 1.1.2023 fährt die Stadtbuslinie A bis nach Zgorzelec. Sie ersetzt die bisherige Linie P, die Anfang September eingestellt wurde. Für den P-Bus zahlte bis dato der ZVON. Nachdem die beiden Städte durch die Bahn gut verbunden sind, sah der Nahverkehrsverbund dafür keine Notwendigkeit mehr. Görlitz und Zgorzelec haben sich darauf verständigt, gemeinsam eine Buslinie zu finanzieren. Sie fährt über die Stadtbrücke in das Zentrum von Zgorzelec und fährt dort vier Haltestellen an. Für diese grenzüberschreitende Lnie wird es ein Europastadtticket geben. Das kostet auf deutscher Seite 1,80 Euro. Man kann damit auch in den polnischen Stadtverkehr umsteigen. Gleiches gilt für polnische Kunden in Görlitz. Unsere Fraktion lobt die zügige bilaterale Lösung und freut sich, dass die Busverbindung ab 2023 wieder fährt. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen aus der Bevölkerung. Warum fährt der Bus nur ins Zentrum von Zgorzelec, nicht aber bis zu den Einkaufsmärkten. Erklärung: Zgorzelec organisiert seinen Nahverkehr um. Es wird künftig Linien bis zu den Märkten geben. Logischerweise will Zgorzelec Parallelverkehr vermeiden. Es wird einen zentralen Umstiegshalt geben, ähnlich wie am Demi auf deutscher Seite. Von dort kommt man in kurzer Zeit weiter. Ausgeschlossen vom Europastadt-Ticket sind die Bewohner von Hagenwerder und Tauchritz. Weil die Ortsteile außerhalb des Stadtverkehrstarifs liegen, kommt man mit dem 1,80-Fahrschein nicht hin. Das ist ein ärgerliches Tarifproblem, um das wir uns kümmern sollten. Der Verkehrsplaner Jens Kunstmann wirbt dafür, dass wir nun erstmal starten. Nachbesserungen seien dann immer noch möglich. Auch was die Fahrpläne angeht. CDU-Ratskollege Matthias Schöneich hatte vorgeschlagen, bis 20 Uhr zu fahren. Derzeit ist die letzte Fahrt auf 19 Uhr angesetzt.

Der Stadtrat stimmt den beiden Vorlagen für den Europastadtbus einstimmig zu.

Weitere Beschlüsse in Kurzform:

Die Verwaltung bekommt einheitliche und aktuelle Software (Microsoft Enterprise Lizenzen).

Wir schließen mit der Gemeinde Markersdorf eine Zweckvereinbarung ab und übernehmen für sie das Standesamt. Dafür bekommt Görlitz einen finanziellen Ausgleich.

Der Plan für den Bau von sechs Eigenheimen auf dem Windmühlenweg wird bestätigt. Direkt neben G22 baut die Diakonie St. Martin. Das Verfahren läuft schon einige Jahre. Es hatte sich auch deshalb verzögert, weil Ausgleichsflächen gefunden werden mussten.

Nach einigen Gremienwahlen verabschieden wir zum Ende der Sitzung Gerd Weise. Der ehemalige CDU-Stadtverbandsvorsitzende scheidet aus, weil er im Städtischen Kulturservice zum Prokuristen ernannt wurde. Das wäre ein Interessenkonflikt, den die Sächsische Gemeindeordnung als sogenannten „Hinderungsgrund“ ansieht. Ich ziehe meinen Hut für mehr als zehn Jahre ehrenamtliche Arbeit im Stadtrat. Auch wenn wir uns bei einigen Lebensfragen nicht einig sind, gab es immer ein gutes zwischenmenschliches Miteinander. Alles Gute, lieber Gerd. Als Nachrücker kommt in der nächstenj Sitzung ein Lehrer in den Stadtrat. Clemens Kuche wird uns hoffentlich mit seinem Wissen und seinem jugendlichen Elan verstärken.

 

Autor: Mike Altmann, Foto: Paul Glaser