Stadtratsblog #54: 30.5.2024

Der letzte Bericht aus dem Stadtrat von Mike Altmann in dieser Legislatur. Es wird eine der kürzesten Sitzungen, die aber durchaus Überraschungen bietet. Unter anderem wird bekanntgegeben, dass die Millionen für die Stadthallensanierung bewilligt sind. Außerdem fassen wir den wunderbaren Baubeschluss für die neue Oberschule.

Stadtratsblog #53: 25.4.2024

Der Stadtrat fasst einen guten Grundsatzbeschluss für den Schulbesuch in der Europastadt. Es braucht rechtliche Grundlagen für den Schulbesuch von Kindern aus Görlitz in Zgorzelecer Schulen. Dem OB wird für seine begonnenen Gespräche der Rücken gestärkt.

Stadtratsblog #52: 21.3.2024

Hochschulstadt Görlitz wird bald auf den Ortseingangsschildern stehen. Der Stadtrat beschließt mit großer Mehrheit diese Zusatzbezeichnung – parallel mit Zittau, dem zweiten Hochschulstandort. Außerdem: AfD-Antrag gegen Rabryka-Betreiber scheitert krachend.

Stadtratsblog #51: 29.2.2024

Dass die Stadtratssitzung, also der letzte Donnerstag im Monat, auf einen Schalttag fällt, ist äußerst selten. Internetmaschinen haben ausgerechnet, dass das erst 2052 wieder der Fall ist. Dann bin ich – bestenfalls – 78 Jahre alt und mit Sicherheit kein Stadtrat mehr.

Stadtratsblog #50: 25.1.2024

Was hat es mit dem „Wohnen auf Probe“ auf sich? Werden wir bald eine neue Schwimmhalle bauen? Und warum legt die Stadt kein Sparkonzept vor, obwohl sie dazu von der Rechtsaufsicht verpflichtet wurde? Nur drei von vielen weiteren spannenden Fragen aus dem letzten Görlitzer Stadtrat, den der Autor diesmal via Livestream verfolgen musste.

Stadtratsblog #49: 21.12.2023

In der Fragestunde für Bürger geht es hoch her. Architekt und Stadtführer Frank Vater thematisiert die Häuser Salomonstraße 13/14. Sie werden Teil des neuen Landratsamtes. Nachdem die Fassaden sichtbar sind, geht eine Aufschrei durch die Sozialen Netzwerke. Fotos vor den Bauarbeiten zeigen stuckverzierte Fassaden. Jetzt sind sie glatt wie ein Babypo. Vater möchte wissen, wer dafür verantwortlich ist. Wir auch.

Stadtratsblog #48: 30.11.2023

Potenzial erneuerbarer Energien in Görlitz ermitteln, so heißt unser Antrag in dieser Sitzung. Der Inhalt ist recht simpel: Wir wollen eine Analyse, welches Potenzial wir über Photovoltaikanlagen auf Dächern von Gebäuden im städtischen Besitz sowie auf Flächen wie z.B. Parkplätzen haben. Die Mehrheit lehnt den Antrag ab, auch die Verwaltungsspitze winkt ab. Das ganze Drama im Rückblick.

Wir brauchen einen Plan

Am 30. November tagt der Görlitzer Stadtrat. Auf der Tagesordnung ist eine Beschlussvorlage unserer Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne, mit der wir das Potenzial erneuerbarer Energie untersuchen lassen wollen. Warum das wichtig ist und welche weiteren spannenden Themen auf der Agenda stehen, haben Mike Altmann und Danilo Kuscher in einem Podcast besprochen.

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Stadtratsblog #47: 26.10.2023

Subjektiv gefärbter Bericht aus dem Stadtrat vom 26.10.2023

Es beginnt still und nachdenklich. Schweigeminute für die Opfer der Hamas-Verbrechen in Israel. OB Octavian Ursu versichert, dass Görlitz an der Seite der jüdischen Gemeinschaft steht. Unser Kulturforum Neue Synagoge, die Ehrenbürgerschaft für Schlomo Graber und die zahlreichen Stolpersteine in der Stadt sind nur einige Beispiele für eine lebendige Kultur der Erinnerung, des Respekts und des Austausches.

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Dann steigen wir mit Infos des OB in die Sitzung ein.

Herr Ursu berichtet von einem Besuch bei der Mitteldeutschen Medienstiftung in Berlin. Beim 25. Geburtstag habe er für Görlitz geworben. Die Stadt habe in der Branche einen guten Ruf. Auch die Film-Akademie wirke positiv. So schön das klingt: Bislang hat sich noch keine dauerhafte Finanzierung dieses Bildungsangebotes gefunden. Wenn es den Bedarf gibt, müsste sich das auch in finanziellem Engagement der Branche äußern.

 

Persönlich eingesetzt hat sich Herr Ursu für den Erhalt der Zeemann-Filialen. Auslöser waren Presseberichte, dass sich die Handelskette komplett aus Görlitz zurückzieht. Daraufhin, so die Erzählung, gab es ein Telefonat des OB mit Zeemann. Er hat das Potenzial der Stadt aufgezeigt, über die Wirtschafsförderer der EGZ zusätzliche Informationen bereitgestellt und somit die Zeemänner und Zeefrauen überzeugt. Zumindest die Filiale an der Ecke Wilhelmsplatz/Jakobstraße bleibt erhalten. Ich muss dann wohl auch mal dort einkaufen, wenn sogar der OB darum kämpft. Nichts mehr tun kann der OB für die Filiale im Neiße-Park. Sie wird geschlossen.

 

Bürgermeister Benedikt M. Hummel berichtet kurz über Ergebnisse der ersten Saison am Berzdorfer See mit Parkautomaten. 90.000 Euro Einnahmen, das ist etwa doppelt so viel wie prognostiziert. Obwohl die Automaten ziemlich verspätet an den Start gingen. Das von AfD und CDU jahrelang prophezeite Chaos ist ausgeblieben. Demnächst wird es eine tiefere Analyse geben.

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Die Bürgerfragestunde wird endlich mal wieder gut genutzt.

Sarah Bräunling und Mario Härtig wünschen sich eine städtische Lösung zum Melden von Gefahrenstellen für Radfahrer. Beide berichten von zu wenig Abstand, auch Unfälle habe es gegeben. Meldungen bei der Polizei seien zu zeitaufwendig. Das mag sein, aber wenn etwas passiert ist, sollte man schon die Polizei einschalten, rät der OB. Für Hinweise auf Gefahren ist der Mängelmelder zu empfehlen. Bürgermeister Hummel ergänzt, dass dieses Thema in die Fortschreibung des Verkehrskonzeptes einfließt. Erst vor ein paar Tagen habe es eine Befahrung kritischer Stellen für Radfahrer im Stadtgebiet gegeben.

Maik Fey,  möchte wissen, wann die umstrittenen Sondernutzungsgebühren für lokale Gastronomen während städtischer Feste geklärt werden. Die letzte Sitzung dazu fand im Mai statt. Vereinbart wurde damals, dass die gesamte Finanzierung des Altstadtfestes im Verwaltungsausschuss besprochen werden sollte. Am Ende ist es eine politische Entscheidung, ob ansässige Gastronomen entlastet werden bei den Festivitäten. Leider gibt es seitdem keine Bewegung. Das Thema wird trotz regelmäßiger Erinnerung nicht im Ausschuss auf die Tagesordnung gesetzt. Bürgermeister Hummel erklärt, dass er in Kürze zu einer neuen Runde mit Gastronomen und Kulturservice einladen möchte. Im Gespräch bleiben ist prima, aber man darf sich dabei nicht im Kreis drehen. Beide Seiten haben ihre Argumente ausgetauscht. Die Gesellschaft samt Aufsichtsrat hat sich aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine Entlastung der Görlitzer Gastronomen entschieden, wenn diese beim Altstadtfest ihre Außenfläche nutzen wollen. Insofern muss die politische Ebene entscheiden. Hierfür fehlen aber die Gesamtzusammenhänge. Ich weiß nicht, was das Altstadtfest für Einnahmen und Ausgaben hatte in den letzten Jahren.

Danach tritt eine junge Frau ans Mikro und beklagt den Kiesabbau in Hagenwerder sowie das intransparente Verfahren durch das Oberbergamt. Die Genehmigung zum Abbau sei ohne Beteiligung von Betroffenen erteilt worden. Unklar sind Folgen für Umwelt, Anwohner und Tourismus. Angeblich dürfe die Firma Heim nun auch tiefer abbauen. Und zwar bis unter die Grundwasserlinie. Die junge Frau erinnert an das schwere Unglück in Nachterstedt, als die Ortschaft absank. Ein weiteres Thema ist die Staubbelastung, die bis zum Hotel Insel der Sinne reiche. Die Ranch in Hagenwerder leide, Pferde würden an Husten erkranken. Die Stadtspitze zeigt sich bei dieser Frage hilflos. Seit Beginn der Debatte vor zwei Jahren verweist sie auf fehlende Einflussmöglichkeiten, da hier Bergrecht gelte. Ich denke, es ist höchste Zeit, sich intensiver damit zu befassen und herauszufinden, wie tief und wie weit die Abbauarbeiten tatsächlich reichen sollen. Es handelt sich um eine sensible Stelle. Nah an Wohnhäusern, Gärten, Gewerbebetrieben und unserem touristischen Zentrum Berzdorfer See. Es gibt auch eine Petition, die ihr unterstützen könnt: https://www.kiesabbau-goerlitz.de

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Es folgen die Fragen von Stadträten.

Trinkwasserprobleme
Mein Fraktionskollege Andreas Kolley erkundigt sich, ob die Verschmutzung des Görlitzer Trinkwassers mittlerweile aufgeklärt ist. Seit einigen Tagen gab es Warnungen, da das Wasser teilweise übelriechend aus der Leitung kam. Der OB wiederholt die Erkenntnisse des Vortages. Die Stadtwerke haben erklärt, dass keine Gefahr bestand und besteht, selbst wenn vom Trinken des Wassers zwischenzeitlich abgeraten wurde. Die Ursachenforschung hält an. Eine Herausforderung für die Kommunikation der Stadtwerke. Die, wie ich finde, nicht optimal gelöst ist. Bei solch elementaren Dingen wie der Trinkwasserversorgung braucht es mehr als routinemäßige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Saisonende für Berzdorfer See
Ich möchte wissen, wie die Stadtverwaltung zu Sondergenehmigungen außerhalb der Saison auf dem Berzdorfer See steht. Am 31. Oktober endet die Saison auf dem See. Wer trotzdem mit Boot aufs Wasser will, etwa für touristische Rundfahrten, muss das beantragen. Beteiligt an den Verfahren sind neben Görlitz auch LMBV und Landratsamt als zuständige Behörde. Der OB meint, dass die Stadt solche Sondernutzungen nicht forcieren möchte. Es wird im Einzelfall geprüft, aber das Rathaus stehe dem kritisch gegenüber. Ich denke, wenn die Naturschutzbehörde und die Wasserschutzbehörde nichts dagegen haben, sollte die Stadtverwaltung bei Einzelanträgen folgen. Dauerhafte Sonderfälle sollten von der Landesdirektion geregelt werden.

Gespräche im Klinikum
Lutz Jankus von der AfD fragt, ob es Bewegung gibt im Streit zwischen Klinikum und ausgegliedertem Medizinischen Labor. Wir erinnern uns: In der letzten Sitzung wurde OB Ursu um Unterstützung gebeten, damit das Labor wieder ins Klinikum eingegliedert wird. Es geht um Arbeitsbelastung, Schichtdienste, Bereitschaftszeiten, Personalmangel und auch schlechtere Bezahlung. OB Ursu erklärt, dass es mittlerweile ein Gesprächsangebot der Klinikchefin gibt. Mehr kann man noch nicht sagen.

Dunkler Puschmann-Weg
Motor-Stadtrat Danilo Kuscher bringt eine Frage ein, die wir von einer Görlitzerin kurz vor der Sitzung erhielten. (Das ist jederzeit möglich. Schreibt uns über die Social-Media-Kanäle oder per Mail an kontakt@fraktion-motor-gruene.de). Sie wünscht sich Beleuchtung für den Else-Puschmann-Weg. Der verbindet seit kurzem die Lüders-Straße und die Rauschwalder Straße. Eine schnelle Lösung gibt es leider nicht. Frau Poost vom Bauamt erläutert, dass die Beleuchtung erst mit dem nächsten Bauabschnitt kommt. Die erste Baustufe war vorgezogen worden, gemeinsam mit den Stadtwerken, die Medien verlegt haben.

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Der Neue aus der AfD
Wir vereidigen einen neuen Stadtrat. Nachdem Alexander Lehmann von der AfD vor die Tore der Stadt gezogen ist, muss ein Nachrücker her. Ralf Klaus Kaufmann heißt er, Ex-Diplomat. 137 Stimmen reichen ihm nun für den Einzug in den Rat. Bereits der vierte Nachrücker bei der AfD. In die Fraktion wird er aber nicht gehen. Laut SZ-Bericht ist Herrn Kaufmann die AfD zu links, weshalb er sie verlassen habe. Er nimmt neben Jens Jäschke Platz, den die AfD-Fraktion schon vor Jahren offiziell ausschloss. Ralf Klaus und Jens – die Lümmel von der letzten Bank.

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Elisabethplatz
Der Stadtrat vergibt den Auftrag für die Tiefbauarbeiten auf dem Elisabethplatz an Steinle Bau. Im November soll es endlich losgehen mit der Neugestaltung.

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Wirtschaftsplan Friedhof 2023
Wir haben Ende Oktober aber noch immer keinen genehmigten Haushalt. Die Reparatur der Einäscherungsanlage kann nicht aufgeschoben werden. Deshalb braucht es einen sogenannten Mittelvorgriff in Höhe von 150.000 Euro. Die Anlage ist verschlissener als ihr Alter eigentlich vorsieht. Ursachen sind in den Coronajahren zu finden. Deutlich mehr Tote, deutlich mehr Einäscherungen. Wir stimmen zu. Ebenso dem Wirtschaftsplan 2023.

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Betriebskonzept, Sanierungskosten und Förderanträge Stadthalle
Noch vor der Pause wird die Stadthalle als Tagesordnungspunkt aufgerufen. Wir sollen dem Betriebskonzept zustimmen, den OB beauftragen, Fördermittelanträge zu stellen und die Kostenobergrenze für die Sanierung auf rund 51 Millionen Euro erhöhen.

Bürgermeister Hummel führt ins Thema ein. Die Terminschiene wird vorgestellt. Fertigstellungstermin ist noch nicht fixiert. Es soll auf 2028/29 hinauslaufen. Nicht zu sehen oder zu hören bekommt die Öffentlichkeit die wichtigsten Zahlen aus dem Betriebskonzept. Keine Info, dass der Zuschussbedarf im ersten Jahr bei knapp einer Million Euro liegt. Keine Angabe zu den geplanten Veranstaltungen, zum Preismodell oder zu den Einnahmen. Sinnbildlich dafür ist eine illustrierende Powerpoint-Folie des Fach-Bürgermeisters. Zunächst erscheint das Wort „Risiko“. Sehr klein und kaum erwähnenswert. Man wisse nie vorher genau, was etwas schlussendlich kostet. So. Dann fliegt ein neues Wort ein. CHANCEN. Deutlich größer als die Risiken. Appelle an Zuversicht, Mut und Sekundärtugenden. Fakten, Abwägungen, Risikobewertungen und gesamtstädtische Perspektive fehlen.

Extra für euch ergänze ich deshalb den Vortrag von Benedikt Hummel und stelle einige wenige exemplarische Zahlen aus dem Betriebskonzept 2.0 vor. Macht euch selbst dazu Gedanken. Ich nehme das dritte Betriebsjahr, weil es dort aus städtischer Sicht die besten Annahmen gibt. Nicht dass mir noch jemand vorwirft, ich würde das Projekt schlechtreden mit Zahlen aus den Aufbaujahren.

  • Anzahl Veranstaltungstage: 192
  • Erwartete Einnahmen:  2,3 Millionen Euro
  • Personal: 20 Vollzeitstellen
  • Gesamtkosten: 2,9 Mio Euro
  • jährlicher Zuschussbedarf: 640.000 Euro

Klingt erstmal gar nicht so schlimm? Richtig. Aber ist das realistisch? Schauen wir uns die Einnahmeerwartungen an. 192 Veranstaltungen in einem Jahr sind stattlich. Muss man erstmal hinbekommen. So der Tenor aus der Veranstalterbranche. Je mehr ich die Zahlenreihen studiert habe, umso mehr Zweifel kamen.

Beispiel 1: 900.000 Euro Mieteinnahmen
Die Mieteinnahmen beruhen auf der hohen Auslastung und den gehobenen Preisen. Für den großen Saal werden 5.400 Euro aufgerufen, ohne Ränge 3.700 Euro. Der Kleine Saal kostet 1.200 Euro. Im modernen Anbau finden sich kleinere kombinierbare Säle zu Preisen zwischen 200 und 1.800 Euro. Wer die ganze Stadthalle exklusiv nutzen möchte, zahlt 9.000 Euro. Das soll etwa durch Kongresse gelingen. Gleich vier soll es davon geben mit 600 Teilnehmern.

Beispiel 2: 1 Million Euro aus Dienstleistungen
Wie kommt es, dass der Stadthallenbetreiber mehr durch Dienstleistungen als durch Vermietung einnimmt? Weil es sich um rein kalkulatorische Annahmen handelt. Zu fast jeder Veranstaltung errechnet sich der Kulturservice Zusatzeinnahmen für Lichttechniker, Tontechniker, Präsentationstechniker und Projektmanager. Stundensatz zwischen 60 und 120 Euro. Mal sehen, wie viele regionale Nutzer sich das leisten werden. Ein Abi-Ball erwirtschaftet laut Kalkulation 800 Euro Miete, 1.860 Euro für Licht. Ton und Projektion, 800 Euro für Projektmanagement. Trotz 80% Mietrabatt müssten die Abiturienten 4.100 Euro auftreiben, da die kalkulierten Preise netto sind. Da ist noch kein Buffett, kein Begrüßungsgetränk und kein DJ bezahlt. Wie realistisch ist das?

Beispiel 3: 180.000 Euro aus Catering-Provisionen
Die Einnahmeposition geht davon aus, dass der externe Caterer über 1,2 Millionen Euro Jahresumsatz macht. Davon sollen 15 Prozent in die Kasse des Betreibers fließen. Mit wem ich aus der Branche auch sprach: Es gibt erhebliche Zweifel an der Umsatzerwartung. Kenner meinen, dass es schwer werden könnte, überhaupt einen regionalen Anbieter zu finden, der das leisten kann.

Unsere Fraktion hatte beim ersten Entwurf vor knapp zwei Jahren noch bemängelt, dass uns die Einzelpositionen fehlen, wir die Kalkulation nicht nachvollziehen können. Das war nun viel besser möglich. Leider haben die Tabellen unsere Bedenken nicht genommen. Im Gegenteil. Und wir sind damit nicht allein. Ich hatte vor und nach einer Stadtratssitzung noch nie so viele Anrufe und Nachrichten von Leuten, die sich zur Stadthalle äußerten. Die uns den Rücken stärkten. Die aus völlig verschiedenen Peergroups stammen. Das ist keine homogene Bubble aus Stadthallenskeptikern. Es sind gestandene Persönlichkeiten, Unternehmer, Kulturmanagerinnen, Gastronomen – Leute, die rechnen und Risiken einschätzen können. Genau das fehlt dem Betriebskonzept: Es geht von der besten Annahme aus und lässt die Risiken außer Acht.

Deshalb reichen wir einen Änderungsantrag ein. Statt das Betriebskonzept zu bestätigen, wollen wir es nachbessern lassen. Der Bedarf an gesellschaftlichen und nichtkommerziellen Kulturveranstaltungen soll ebenso ermittelt werden wie die aktuelle Marktlage. Das fehlt bislang. Ebenso wie eine Stärken-Schwächen-Analyse für alle Sparten. Desweiteren wollen wir vom OB eine klare Aussage zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Wie bekommen wir die Bausumme gewuppt, wie finanziert sich der Betrieb dauerhaft? Und schließlich wollen wir, dass die Rechtsaufsicht den Prozess eng begleitet.

Unseren Antrag begründe ich in der Sitzung mit einem längeren Redebeitrag:

Es ist zu beachten, dass die Stadt Görlitz nicht verpflichtet ist, die Stadthalle als Veranstaltungsstätte und Tagungszentrum wieder zu errichten und bereitzustellen. Gesamtsanierung und Betrieb erfolgen aufgrund des öffentlichen Bedürfnisses und der Leistungsfähigkeit. Darauf weist u.a. das städtische Justiziariat hin.

Zum Bedarf
Zu prüfen ist durch uns, ob für die einzelnen Sparten eine öffentliche Notwendigkeit besteht, vor allem wenn sie Defizite erwirtschaften. Dann müssen wir prüfen, ob andere Einrichtungen diese Leistungen bereits ausreichend bereitstellen. Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, auf dem privaten Markt der Tagungen, Messen und Unterhaltungsveranstaltungen tätig zu sein. Ein Grund kann es sein, dass man durch Überschüsse in diesen Sparten Dinge ermöglicht, die der städtischen Gesellschaft derzeit fehlen. (Außer in der Sparte „Tagungen und Kongresse“ gibt es laut Betriebsplan jedoch überall Verluste.)  Da geht es immer wieder um eine „Halle für alle“, in der wir eine Renaissance der Geselligkeit erleben. Fakt ist, dass deutlich mehr kommerzielle Veranstaltungen geplant sind als solche für die Stadtgesellschaft (105:87).

Aber selbst bei diesen Veranstaltungen müssen wir doch schauen, ob sie zusätzlich sind oder von anderen Häusern abgezogen werden. Da bin ich bei Jugendweihen, Abifeiern, Vereinsveranstaltungen – die finden doch jetzt auch schon statt. Wandern sie ab? Und ist das gewollt?

Es fehlt eine aktuelle Marktanalyse zum Angebot. (Was gibt es schon?) Für Veranstaltungen über 400 Personen besteht in Görlitz kein großes Angebot. Für kleinere Formate, speziell bis 200 Gäste, ist es wichtig, dass wir unsere lokalen und regionalen Mitbewerber kennen. Leider findet sich dazu keine Analyse im Betriebskonzept. Keine Aussagen zum Senckenberg-Campus mit Audimax für 200 Leute, zu Schlesischem Museum, Kinosaal, Siemens Innovation Campus, Werk1,…)

Es fehlt auch eine Analyse des Bedarfes. Das können Interviews nicht ersetzen. Nur wer die wirtschaftlichen Parameter kennt, gibt fundierte Aussagen zur eigenen potenziellen Nutzung einer sanierten Stadthalle. Als Veranstalter einer Messe wäre es unwirtschaftlich. Für eine zweitägige Messe plus Aufbautag kalkuliert der Kulturservice Einnahmen aus Miete und Dienstleistungen von rund 40.000 Euro. In Löbau kostet das Paket deutlich weniger bei doppelt so viel Fläche und mehr Nutzungstagen für Auf- und Abbau.

Diese Dienstleistungen ziehen sich durch fast alle Veranstaltungen und wirken sich auf die Einnahmeerwartungen aus. Hier finden sich extreme Unterschiede zum ersten Betriebskonzept. Vor zwei Jahren wurden knapp 500.000 Euro Einnahmen für Dienstleistungen kalkuliert. Jetzt Verdopplung auf eine Million Euro. An den Zahlen haben wir erhebliche Zweifel.

Zur Leistungsfähigkeit
Baukosten werden mittlerweile auf 51 Millionen Euro taxiert. Das sind 8 Millionen Euro mehr als vor zwei Jahren. Ohne dass der Bau begonnen hat. Für die Sanierung fehlen laut Prognose die nötigen Eigenmittel und Risikokosten ab 2025, nicht förderfähige Kosten sind gar nicht kalkuliert. Ab 2025 hat die Stadtkasse keine Rücklagen mehr. Die Stadthalle wird somit zu Lasten anderer bereits geplanter Vorhaben gehen. Was fällt weg? Stadion Biesnitz, barrierefreie Haltestellen, Jahnsporthalle, Entwicklung Schlachthofgelände, Umbau des neuen Volkshochschul-Standortes, Erschließung von Deutsch-Ossig und Verbesserung der Infrastruktur Nordoststrand, Geräte für Spielplätze, Pflege für Grünanlagen?

Wie finanzieren wir eigentlich die Betriebskosten bei einem jährlichen strukturellen Defizit von bis zu 15 Mio Euro? Natürlich können wir erstmal einen Förder-Antrag einreichen – aber irgendwann muss jemand unterschreiben, dass wir uns den Betrieb leisten können. Wir werden in Kürze ein „Haushaltsstrukturkonzept“ erarbeiten müssen. (Das ist ein euphemistischer Begriff für Rotstift ansetzen.)

Zu den Kosten kommen noch gar nicht eingepreiste Positionen hinzu: Straßenbau, Parkhausbau, Gestaltungsarbeiten rund um die Stadthalle, Stadthallengarten, zusätzliche Kosten für die Begleitung der sich deutlich verspäteten Sanierung durch Kulturservice (jährlich ca. 200.000 Euro), zusätzliche Kosten für das Jahr vor der Eröffnung (Personal muss schon teilweise am Start sein für Projektentwicklung, Marketing und Akquise – es gibt aber noch keine Einnahmen).

In Anbetracht der erheblichen wirtschaftlichen Risiken und der rechtssicheren Ausgestaltung des Stadthallenprojektes auf Fördermittelbasis sollte die Rechtsaufsicht einbezogen werden. Wir bitten um Zustimmung für unseren Antrag. (Ende des Statements im Stadtrat.)

Bürgermeister Hummel sieht die vorgebachten Punkte als grundsätzliche Kritik und erwähnt mehrfach, dass er doch alle unsere Fragen beantwortet habe. An dieser Stelle ein kleines Verständnisstück. Wir arbeiten in der Fraktion nach dem Schema FVE. Fragen. Verstehen. Entscheiden. Die Beantwortung von Fragen ersetzt nicht unser Einordnen in den Gesamtzusammenhang und die Entscheidung.

Dann darf Prof. Joachim Schulze ans Mikrofon. Das grüne Mitglied der Fraktion Bürger für Görlitz geht zunächst auf meine Forderungen nach einer konkreten Bedarfsanalyse ein. Das erinnere ihn an früher. An Diskussionen ums Werk 1. Da gab es die gleiche Masche, dass die Kritiker immer neue Analysen zum Bedarf haben wollten, so Schulze.

Ich war glühender Anhänger des WERK1. Den Bedarf haben die Jugendlichen damals selbst artikuliert. Als sie die Stadtratssitzung im Jahr 2011 enterten. Es geht heute auch um mehr Geld. Faktor zehn könnte ungefähr hinkommen.

Joachim Schulze zitiert sich jetzt selbst. Pathetische Sätze aus einer eigenen Rede von 2011, die die SZ unter der Überschrift „Ohne Stadthalle hätte Görlitz den Welterbetitel nicht verdient“ komplett abdruckte. Origineller Einstieg. Vielleicht etwas Ich-bezogen. Aber das darf ein Professor, der sein Berufsleben lang vor wissbegierigen jungen Menschen performt hat.

Ich bleibe weiter frohgestimmt und lächle. Das mag der Professor offenbar nicht. Er kündigt mir quer durch den Saal an, dass ich schon bald nicht mehr lächle. Nun bin ich erst recht gespannt.

Herr Schulze verweist darauf, dass mögliche Mitbewerber aus einem großen Umkreis bis nach Polen und Tschechien befragt wurden. Dass es keine Angst vor Konkurrenz gibt. Im Gegenteil große Vorfreude und Kooperationsbereitschaft. Als Mann der Wissenschaft weiß Professor Schulze, dass bei solchen Erhebungen die Einordnung wichtig ist. Das fehlt in seinem engagierten Vortrag leider. Ich ergänze gern: In Polen und Tschechien wurden 14 Einrichtungen kontaktiert. Fünf antworteten. Drei Einrichtungen aus Liberec und Jelenia Gora können sich eine Zusammenarbeit vorstellen. In einer zweiten Befragung wurden deutsche Einrichtungen interviewt. Hier ging es um grenzüberschreitende Erfahrungen. Bis auf die Hillersche Villa Zittau und Fürst Pückler Bad Muskau finden sich keine regionalen Akteure. Beteiligung: 5 von 12 Angefragten. Interviews, ausschließlich zu grenzüberschreitenden Aspekten, sollen eine Marktanalyse ersetzen? Damit habe ich Schwierigkeiten.

Jede Menge Fantasie zeigt Prof. Schulze, als er die Folgen an die Wand malt, wenn wir das Stadthallenprojekt stoppen. Dann könnte Görlitz zur Sanierung gezwungen werden. Der Bau würde dann 70 bis 80 Millionen Euro kosten, die wir aus der eigenen Tasche zahlen müssten. Das ist Görlitzer Science-Fiction. Niemand kann eine Kommune dazu zwingen. Außerdem ist das Gebäude gesichert.

Anschließend werden durch den erfahrenen Stadtrat Schulze Sekundäreffekte aufgeführt. Also zusätzliche Einnahmen durch Besucher der Stadthalle in Hotels, Geschäften, Kneipen. Nur: Diese „Umwegrentabilität“ ist in den letzten zehn Jahren nicht untersucht worden. In der letzten Untersuchung von Drees & Sommer aus dem Jahr 2012 wurde sie mit 2,1 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Davon stammen 80 Prozent aus Kompensationseffekten. Auf deutsch: Die Stadthalle zieht Veranstaltungen aus anderen Locations ab. Wie groß ist dieser Effekt aus heutiger Sicht? Ohne fundierte Betrachtung lässt sich das nicht einschätzen.

Diskussionswürdig ist die Sicht von Prof. Schulze, dass wir Görlitz zum Gespött machen in Dresden und Berlin, wenn wir „kleingeistig“ an solche Projekte herangehen. Wird nicht andersrum ein Schuh draus? Ruinieren wir nicht viel mehr unseren Ruf, wenn wir ohne ausreichende Marktanalyse, ohne Risikobewertung, ohne finanzielle Sicherheit ein 60-Millionen-Euro-Förderprojekt an die Wand fahren?

 

Die Rede von Joachim Schulze löst große Begeisterung aus bei der Stadthallenmehrheit. Sie wird zum Benchmark. Kein Wortbeitrag von Verwaltung, AfD, CDU und BfG setzt sich anschließend mit betriebswirtschaftlichen Inhalten auseinander. Jana Lübeck von den Linken kritisiert, dass keine Antworten auf unsere berechtigten Fragen kommen. Außer: Das werden wir sehen, wenn es so weit ist. Das werden wir im Prozess klären. Das wird schon passen. Geld wird schon da sein. Wer kritisch nachfragt, ist nicht gegen die Stadthalle. Dass man sowas tatsächlich in einem Stadtrat betonen muss, ist schon bedenklich.

Die Herren Ursu und Hummel reagieren angefasst, werden emotional. Meine Kollegin Jana Krauß stellt klar, dass wir keine Emotionen brauchen, sondern Klarheit. Wie können wir das Projekt in der Praxis umsetzen? Wie finanzieren wir es mit Blick auf die gesamte Stadt? Die Liquidität ist ab 2025 nicht vorhanden.

Es folgen noch einige Argumente aus den Fraktionen von AfD, CDU und Bürger für Görlitz. Hier die schönsten Motivationssprüche für deine Kühlschranktür:

„Es mag Risiken geben. (…) Wir werden das stemmen und müssen das auch stemmen.“ Lutz Jankus, AfD

„Ich verstehe die Mutlosigkeit und Verzagtheit nicht. Die Stadthalle kann eine Erfolgsgeschichte werden, wenn wir es alle nur wollen.“ Dr. Hans-Christian Gottschalk, Bürger für Görlitz

„Wer will, findet Lösungen. Wer nicht will, findet Gründe.“ Michael Mochner, AfD

„Mut gehört dazu. Wir können zweifeln, ob wir in allen Punkten richtig liegen. Aber wir fragen auch nicht nach dem Wetterbericht in fünf Jahren.“ Dieter Gleisberg, CDU

„Das wird schon werden. Die Wahrscheinlichkeit ist bei weitem höher, dass es gut wird als die Wahrscheinlichkeit, dass es in die Hose geht.“ Torsten Koschinka, AfD-Fraktion

„Ich möchte Freude vermitteln und nicht nur immer diese Bedenkenträger haben.“ Gabi Kretschmer, CDU

Diese unbeliebten Träger sind wohl wir. Sieht auch OB Ursu so. Schlimmer noch. Er geht aus dem Sitzungsleitersattel und wirft uns Respektlosigkeit vor. Weil wir angeblich die Fachkompetenz aller Beteiligten in Frage stellen. Jana Krauß kontert: Erst durch intensive Beschäftigung mit den Konzepten entstehen Fragen und Zweifel. Das ist ein Ausdruck von Respekt vor der Leistung der Menschen, die daran gearbeitet haben.

Es kommt schließlich zur Abstimmung. Unser Änderungsantrag fällt erwartungsgemäß durch. Der Beschluss wird mit großer Mehrheit angenommen. Wie seit Jahren stimmen AfD, CDU und BfG dafür, Die Linke und Motor/Grüne sind dagegen.

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Danach ist Pause.
Hin und wieder werde ich gefragt, wie man nach einer emotionalen Debatte miteinander umgeht. Ich kann nur für mich sprechen: Direkt zum Beginn der Pause läuft mir der Stadthallenfördervereinspräsident Thomas Leder über den Weg. Handschlag, Plauderei über die guten alten Zeiten. Am Imbiss Schnack mit OB Ursu. Wir tauschen nochmal locker die Sichtweisen aus. Ich will damit sagen, dass ein vernünftiger Umgang miteinander wichtig ist, auch nach harten Auseinandersetzungen. Dazu sind vielleicht nicht alle Stadträte in der Lage. Aber die überwiegende Mehrheit.

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Bettensteuer
Direkt nach der Pause kommt das nächste dicke Brett. Wir sollen die Satzung für die Beherbergungssteuer beschließen, die im Volksmund Bettensteuer heißt. Das ist eine Steuer, die Übernachtungsgäste zahlen. Für die Stadt eingenommen wird sie von den Hotels, Pensionen, Privatunterkünften. Der Erlös fließt direkt in den Haushalt. Die Steuer ist nicht zweckgebunden für den Tourismus.

Gegen diese Bettensteuer rebellieren seit Jahren sowohl die IHK als auch der Tourismusverein. Aufgrund des Drucks, den in den letzten Tagen vor der Entscheidung vor allem durch den Tourismusverein entstand, wurde die ursprüngliche Vorlage verändert. Die Steuer soll nicht schon zum 1.1. sondern erst zum 1.4.2024 eingeführt werden. Für das erste Jahr liegt der Satz bei 3% vom Übernachtungspreis, ab 2025 sind es dann 5%. Die Abrechnung müssen die Betriebe nicht mehr in zwei Wochen erledigen, sie bekommen sechs Wochen Zeit.

Dieses Entgegenkommen ist lobenswert. Wir bringen weitere Änderungswünsche ein. Sehr am Herzen liegt uns, dass beruflich bedingte Übernachtungen von der Steuer befreit werden. Ebenso junge Leute, die wegen der Ausbildung bei uns schlafen. Was sind wir für eine Filmstadt, wenn wir beim Drehteam für jede Übernachtung zusätzlich die Hand aufhalten? Was für eine Botschaft senden wir in die Welt, wenn wir zwar um Kongressteilnehmer werben, diese aber direkt mit Aufschlägen verärgern. Die Mehrheit lehnt diesen Antrag jedoch ab. Begründung: Erhöhter Aufwand. Den sehe ich nicht wirklich, da diese Bettensteuer von den Beherbergungsbetrieben eingenommen und abgerechnet wird. Ob ich ein Formular ausfüllen lasse für Touristen und ein anderes für Geschäftsreisende ist ähnlich aufwändig.

Darum geht es am Ende nicht. Es stellt sich die grundlegende Frage, ob wir eine solche Steuer möchten. Nach einem Meinungsaustausch beantragt die AfD-Fraktion geheime Abstimmung. Überraschenderweise gibt es dafür eine Mehrheit. Unsere Fraktion enthält sich. Nach Auszählung der Stimmen kommen wir zum Ergebnis: Nur 12 Ja-Stimmen. 16 Stadträte sagen Nein. Drei enthalten sich. Damit ist die Satzung für die Beherbergungssteuer abgelehnt. Dies kann Folgen haben, da die Einnahmen aus der Steuer ab 2024 in den Haushalt eingeplant wurden.

Und doch ist das Ergebnis nicht überraschend. Die Ursachen reichen ins Jahr 2021 zurück. Nahezu parallel kamen damals Anträge von Bürger für Görlitz und unserer Fraktion. BfG will eine Bettensteuer, wir eine Gästetaxe. Vorteil Gästetaxe: Die Einnahmen müssen zwingend für touristische Dinge ausgegeben werden. Damit entsteht eine Vorteilsübersetzung bei Herbergsvätern und -müttern und deren Kunden. Man kann eine Geschichte erzählen, was aus der Steuer finanziert wird. Feste Toiletten am See zum Beispiel. Einig waren wir uns damals mit der EGZ und der Stadtverwaltung, die beiden Modelle in Ruhe zu vergleichen. Bürger für Görlitz hatten jedoch den Ehrgeiz, schnell entscheiden zu lassen. Es ging plitzplautz. Die Finanzverwaltung war erkennbar für die Bettensteuer. Nachvollziehbar. Da kann niemand reinreden, was mit dem Geld passiert. Trotz aller Warnungen und Bitten von Verbänden und Betrieben wurde abgestimmt. Mit einer Stimme Mehrheit ging der Grundsatzbeschluss für eine Bettensteuer damals durch.

Ich war der felsenfesten Auffassung, dass durch den anschließenden Unmut des Tourismusvereins ein Lernprozess einsetzt. Dass die Verwaltung rechtzeitig in die Satzungserarbeitung einsteigt und sich bei der Ausgestaltung mit den Profis aus den Beherbergungsbetrieben abstimmt. Die sollen schließlich die Steuer für uns einnehmen. Umso erstaunter war ich, als ich den Satzungsentwurf das erste Mal las. Der wurde aus bestehenden Satzungen der Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz übernommen. Ohne die Tourismuswirtschaft frühzeitig einzubeziehen. Kann man machen – muss man aber mit Konsequenzen rechnen. Diese lag für mich darin, der Vorlage nicht zuzustimmen. Diesen Umgang mit Leistungsträgern in der Stadt kann ich nicht unterstützen. Das würde langfristig mehr Schaden anrichten als die nun nötigen Umfinanzierungen. Nach wie vor ist unsere Fraktion der Auffassung: Wenn schon eine Abgabe dann als Gästetaxe, deren Einnahmen ausschließlich dem Tourismus zugutekommen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

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Gute Nachrichten aus Hagenwerder
SKAN wächst und gedeiht und kauft ein weiteres Grundstück. Der Stadtrat stimmt natürlich zu.

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Straßenreinigungssatzung
Die geht ebenfalls klar durch. Leider werden sich die Preise erhöhen. Weil unser Dienstleister deutlich mehr Kohle haben will. BfG und unsere Fraktion mahnen an, dass die Verwaltung zügig mit der Suche nach alternativen Möglichkeiten beginnt, damit wir in spätestens zwei Jahren nicht vor demselben Problem stehen. In dem Zuge sollte das Rathaus auch überlegen, wie wir die Verwaltungsgebühren senken. Stolze 170.000 Euro schlagen zu Buche.

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Sternwarte und DZA
Die CDU-Fraktion möchte den OB beauftragen, mit dem im Aufbau befindlichen Deutschen Zentrum für Astrophysik zu reden, um zu fragen, ob sie Geld für die Sternwarte aufbringen können. Über ein gemeinsames Projekt. Wir sind Fans von Sternwarte und DZA. Lehnen aber dennoch ab. Für uns ist dieser Antrag zu flach. DZA und OB reden regelmäßig miteinander. Es braucht nicht immer einen Stadtratsbeschluss, um Dinge zu bewegen. Die Vorlage wird dennoch von der großen Mehrheit des Rates angenommen.

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Kulturraumfinanzierung
Im letzten Tagesordnungspunkt beantragt die CDU Änderungen im Entscheidungsprozess zur Kulturraumförderung. Fördert der Kulturraum Projekte oder Institutionen, so wird ein Sitzgemeindeanteil fällig. Wenn diese Summe 75.000 Euro im Jahr übersteigt, soll künftig der Verwaltungsausschuss einbezogen werden, um die finanziellen Aspekte im Gesamtkontext zu bewerten. Das betrifft bislang nur die drei institutionell geförderten Häuser Tierpark, Musikschule und WERK 1 (Second Attempt e.V.).

In der Debatte gibt es mehr Fragen als Antworten. Unklare Formulierungen, unklare Folgen. Deshalb bittet Stephan Bley von den Bürgern für Görlitz um Vertagung der Angelegenheit. Einen Monat Zeit nehmen, die Vorlage schärfen, offene Fragen klären. Das unterstützen wir. Doch die CDU zieht gemeinsam mit der AfD durch. Der Antrag auf Vertagung wird abgelehnt. Am Ende stimmen 19 Stadträte für den unausgegorenen Antrag, darunter auch Karsten Günther-Töpert und Prof. Joachim Schulze von der BfG-Fraktion. Das ist deshalb überraschend, weil die CDU in der Antragsbegründung die neu hinzugekommene Kulturraumförderung für das WERK 1 explizit benennt und die AfD-Fraktion in der Debatte ihre Zustimmung klar signalisiert. Können Nachtigallen zu leise trapsen?

Die Linke will den Beschluss von der Rechtsaufsicht prüfen lassen. Eine sehr bewegte und emotionale Sitzung, die dem OB bisweilen aus den Händen gleitet, könnte das eine oder andere Nachspiel haben. Feierabendbier auf dem Untermarkt. Görlitz ist schön.

 

Text und Foto: Mike Altmann

 

Stadtratsblog #46: 28.9.2023

Subjektiv gefärbter Bericht aus dem Stadtrat 28.9.2023

Die Sitzung beginnt mit einer Information von Oberbürgermeister Octavian Ursu zur Stadthalle. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte am Vormittag grünes Licht für eine Aufstockung der Förderung gegeben. Zu den bereits seit 2018 gebunkerten 18 Millionen Euro könnten weitere 4,8 Millionen Euro hinzukommen. Da der Freistaat die Förderung des Bundes in gleicher Höhe beisteuert, stünden 45,6 Millionen Euro zur Verfügung.

Konsequenter Konjunktiv deshalb, weil die Stadt diese avisierten Gelder noch beantragen muss. Das werden wir sehr ernst nehmen und kritisch begleiten. Für uns eine Selbstverständlichkeit bei einer Gesamtinvestition von mindestens 50,7 Millionen Euro und einem folgenden Betrieb, der über mindestens 20 Jahre wirtschaftlich zu sichern ist.

Wir sehen viele offene Fragen in der Finanzierung der Eigenanteile. Zwar wurden rund fünf Millionen Euro in die Finanzplanung aufgenommen für mögliche Kostensteigerungen. Ob diese zehn Prozent ausreichen, ist aber angesichts einer Denkmalsanierung, einem Anbau im Hochwasserschutzgebiet sowie der allgemeinen Preisentwicklung eher fraglich. Straße, Parkplätze, Stadthallengarten kommen ohnehin noch obendrauf.

Zum Geld kommen ungeklärte rechtliche Fragen, die ein schlüssiges und nachvollziehbares Betriebskonzept beantworten sollte. Wir verstehen darunter ein ganzheitliches Konzept zur Bewirtschaftung und zum rechtssicheren Betrieb, einschließlich aller Finanz- und Rechtsfragen für den Zeitraum der Bindefrist der Fördermittel.

Wir sind verpflichtet, ganz genau hinzuschauen und abzuwägen. Zur Erinnerung: Ab 2025 gibt es keinerlei Rücklagen mehr. Jeder Euro Mehrkosten muss aber aus diesen Rücklagen finanziert werden. Das geht nur, wenn bereits geplante Vorhaben zurückstecken. Da rede ich nicht über Neubauten. Sondern über Werterhalt. Rund 8 Millionen Euro Investitionsstau hatten wir zuletzt gemeldet bekommen von den Fachämtern. Das wird sich künftig summieren. Reparaturen in Kitas, auf Spielplätzen und in Sportstätten, dringende Modernisierungen von Feuerwehr, Rathaus und Schwimmhalle konkurrieren um die weniger werdenden Investitionsmittel mit der Stadthalle. Wie wir diese Abwägung treffen, darüber sollten wir dringend im Stadtrat beraten. Bis Ende des Jahres soll bereits der Förderantrag gestellt werden.

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Weitere Info des OB: Die Deutsche Telekom bekennt sich zum Standort Görlitz. Hurra, möchte man rufen. Ein Staatskonzern kommt nach jahrelangem Zaudern mit seiner Infrastruktur in die Diaspora. Von Bonn aus betrachtet. Dann heißen wir Magenta herzlich willkommen. In den nächsten drei Jahren soll Glasfaser verlegt werden. Den Auftakt machen Königshufen und die Südstadt. Wegen der Buddelei wird es immer wieder zu kleineren und größeren Behinderungen kommen. Dafür gibt’s stabiles Internet. Wichtig für Görlitz als Standort für Forschungseinrichtungen und technologiefreudige Unternehmen.

Post hat der OB von Schülerinnen und Schülern des Curie-Gymnasiums bekommen. Sie wollen die Grünfläche des Wilhelmsplatzes für ihre Pausen nutzen. Herr Ursu lässt das prüfen. Eventuell müssen wir dafür die Grünflächensatzung ändern. Wir sind schon ein kompliziertes Land. Denn außerhalb der Schulzeit können die Jungs und Mädels auf den Rasen, ohne dass die Satzung etwas dagegen hätte. Aber es gibt sicherlich eine erhellende Erklärung, warum das nötig sein soll.

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Bürgermeister Hummel berichtet abschließend von einer Begehung der Berliner Straße. Stadtrat Mike Thomas von den Bürgern für Görlitz hatte mehrfach moniert, dass es für Sehbehinderte ein gefährlicher Slalomlauf sei, durch wild aufgestellte Werbetafeln und Außenmobiliar zu kommen. Bei einem Termin mit Stadtrat Thomas und dem Landratsamt waren allerdings 90 Prozent der Bestuhlung und Aufsteller regelkonform platziert. Wo das nicht der Fall war, wurden die Verantwortlichen sofort angesprochen. Die Verwaltung prüft, ob man eine einheitliche Seite festlegen kann, auf der Aufsteller und Co. stehen dürfen. Bedingung: Es braucht drei Meter Abstand zu den Gleisen.

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Regelmäßig bekommen wir Informationen aus städtischen Betrieben oder besonderen Abteilungen. Diesmal berichtet Siegfried Hoche aus dem Ratsarchiv. Schon seit fast 750 Jahren DER Wissensspeicher der Stadt. Es ist sehr zu empfehlen, sich bei einer der Führungen aus erster Hand informieren zu lassen. Die Zukunftsaufgaben des Archivs liegen zum einen in der Digitalisierung, für die es entsprechende technische Ausstattung bedarf. Zum anderen ist der Bauzustand kritisch. Wie das gesamte ehrwürdige Rathaus braucht das Archiv mehr als einen frischen Anstrich. Beschäftigen müssen wir uns auch mit der Frage von geeigneten Räumlichkeiten für Magazinflächen. Die vorhandenen sind statisch nicht ausreichend ausgelegt, so dass die Hälfte der Fläche nicht nutzbar ist. Fehler aus der Zeit um 2000.

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Fragestunde für Einwohner

Die Betriebsratsvorsitzende der MedLab Klinikum GmbH bittet um Unterstützung. Worum geht’s? Die Kolleginnen und Kollegen des MedLab befinden sich im Warnstreik. Sie wollen nach Tarif bezahlt werden, wie die Mitarbeiter des Klinikums.

Das Labor war bereits vor vielen Jahren ausgegliedert worden. Die 25 Beschäftigten sind von der Lohnentwicklung im Krankenhaus abgekoppelt. Hinzu kommen unattraktive Dienste an Wochenenden und nachts. Damit findet das Unternehmen kaum noch Mitarbeiter. Das kann bittere Konsequenzen haben. Die Hälfte der Belegschaft ist über 60, ein Drittel gesundheitlich nicht in der Lage, Nachtdienste zu bestreiten. Damit wird die Personaldecke dünn. Ohne Labor mit Bereitschaftsdienst ist die gesamte regionale Gesundheitsversorgung gefährdet. Die MedLab Klinikum GmbH versorgt auch das Carolus, das Emmaus und das DRK in den Bereitschaftszeiten. Aus Weißwasser kam bereits eine weitere Anfrage.

Dem Betriebsrat stellt sich nun die Frage, warum 1.400 Klinikumsmitarbeiter nach Tarif bezahlt werden, 25 wichtige Stellen im Labor aber davon ausgenommen sind. Ihr Vorschlag: Wieder eingliedern in den Klinikumsbetrieb. Es gibt bereits ein Labor im Klinikum, das zur Pathologie gehört. Dort verdienen die Kolleginnen und Kollegen 350 Euro mehr als ein Gebäude weiter. Ohne, dass sie Zusatzdienste machen müssen.

Der OB erklärt, dass er die Geschäftsführerin des Klinikums bereits gebeten habe, ergebnisoffene Gespräche zu führen. Wir bleiben ebenfalls am Thema dran. Der Hilferuf war eindeutig.

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Es folgt die Fragestunde für Stadträte.

In der letzten Sitzung hatte der fraktionslose Stadtrat Jens Jäschke von der AfD Probleme mit der Redezeit. Zunächst mit der eigenen, dann mit der für die Linken. Das hielt auch nach der Sitzung an. Via Facebook erläuterte er der staunenden Öffentlichkeit eine spektakuläre Interpretation einer Redezeitordnung für Fraktionen. Zitat: „Es war eine Einzelrede der linken Stadträtin und somit hätte sie bei einer Fraktionsredezeit von 8 Minuten exakt 2.40 Minuten Redezeit gehabt und nicht 3.14 Minuten, wie sie bekommen hat. Weil Mathematik auch nicht für alle gleich leicht ist, hier die Erklärung dazu. Acht Minuten Fraktionsredezeit durch drei Stadträte, ergibt 2.40 Minuten.“

Um die kreativen Rechenleistungen einzuordnen, bittet meine Kollegin Jana Krauß das Justiziariat, die entsprechende Passage der Geschäftsordnung zu erläutern. Diese ist seit 2019 allen Stadträten bekannt und regelt eindeutig, wer wie lange das Wort hat. Je Tagesordnungspunkt stehen Fraktionen bis zu acht Mitgliedern mindestens acht Minuten zu. Für jedes weitere Mitglied gibt es eine Minute obendrauf. Einzelstadträte wie Herr Jäschke haben zwei Minuten zur Verfügung. Eine Teilung der Redezeit durch die Mitglieder ist nicht vorgesehen.

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Ich möchte der Rathausspitze gern einen positiv aufgeladenen Ball zuspielen und frage nach dem aktuellen Stand der sagenumwobenen Tischtennisplatte auf dem Lutherplatz. Leider kennt Bürgermeister Hummel den aktuellen Stand nicht. Aufmerksamen Internetnutzern war bereits vor Tagen aufgefallen, dass der Bürgerrat parallel zur Stadtratssitzung die feierliche Eröffnung durchführt. Damit konnte die Platte deutlich früher aufgestellt werden, als befürchtet. Ursprünglich war von bis zu sieben Monaten die Rede. Jetzt haben wir es in fünf geschafft. Immer noch viel zu lange – aber wir sollten uns auch an den kleinen Dingen erfreuen. Erklärungen für den langen Zeitraum gibt es. Neben nötigen Abstimmungen, u.a. mit dem Denkmalschutz, gab es zunächst Lieferengpässe und danach Personalmangel. Nun ist alles fertig und die westliche Innenstadt hat einen weiteren kleinen Anziehungspunkt. Chinesisch auf dem Luthi. Ganz neue Perspektiven.

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Eine Frage habe ich aus Hagenwerder mitgebracht. Es geht um den Kiesabbau. Zuletzt war bekannt geworden, dass die Genehmigung am bestehenden Ort um zwei Jahre verlängert wird. Marianne Thiel von der Ranch am See berichtet in Social Media Foren, dass ein neuer Hauptbetriebsplan vom Oberbergamt genehmigt worden sei. Der Abbau soll sich demnach weiter Richtung Norden erstrecken. Der Stadtverwaltung ist dazu nichts bekannt, sie geht dem Thema aber nach.

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Jana Lübeck von den Linken erkundigt sich nach dem Stand des Projekts „BauLustOffensive“, dass bereits Ende 2021 genehmigt wurde. Auf Initiative der CDU-Fraktion soll es darum gehen, leerstehenden Gründerzeithäusern neues Leben einzuhauchen. Dafür soll bei Familien geworben werden, Wohneigentum zu bilden. Entsprechende Beratungen sind ebenfalls vorgesehen. Nur kommt das Projekt nicht aus der Hüfte. 2022 war der Fördermittelgeber noch nicht so weit. Jetzt hat Görlitz noch keinen genehmigten Haushalt und darf somit die Fördermittel nicht abrufen. Mal sehen, wie das ausgeht. Und ob das Projekt eine spürbare Wirkungen entfalten kann.

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Es folgt eine Petitionsangelegenheit. Dabei geht es um eine Unterschriften-Aktion zur Herstellung eines Durchgangsverkehrs von der Käthe-Kollwitz-Straße zur Görlitzer Straße.

Wir befinden uns also am westlichen Zipfel von Görlitz. Rauschwalde, Richtung Ortsausgang. Worum geht’s? Es wurden 200 Unterschriften unter folgendem Text gesammelt:

„Wir Anwohner plädieren für eine verkehrstechnische Anbindung westlich der Helmut-von-Gerlach-Straße an die Görlitzer Straße in Görlitz-Rauschwalde. (…) In mehreren Gesprächen mit Bürgern in Görlitz-Rauschwalde wurde deutlich, dass der Wunsch nach einer westlichen Anbindung der Helmut-von-Gerlach-Straße an die Görlitzer Straße mit Durchgangsverkehr bereits über einen langen Zeitraum besteht. Aus diesem Grunde führen wir Anlieger des Wohnquartiers (…)  eine Unterschriftensammlung durch, um für unser Anliegen Öffentlichkeit und Unterstützung erreichen zu können.“

Wir sind sehr für Bürgerbeteiligung. Allerdings nur, wenn es sich um nachvollziehbare Wünsche von Betroffenen geht. Daran haben wir bei dieser Unterschriftensammlung unsere Zweifel. Von mehreren Anliegern der Helmut-von-Gerlach-Straße gab es Hinweise, dass sie weder über die Unterschriftensammlung Kenntnis hatten noch dass sie deren Ziel unterstützen. Handelt es sich also um ein Einzelinteresse, das mithilfe von Unterschriften aus dem gesamten Stadtgebiet Druck durchgesetzt werden soll?

Wir bringen unsere Bedenken zum Ausdruck, enthalten uns letztlich. Die große Mehrheit stimmt zu. Ein Umsetzungsbeschluss ist es ohnehin nicht. Der OB wird lediglich beauftragt, Anregungen aus der Petition zu berücksichtigen und Umsetzungsmöglichkeiten zu prüfen.

Gegenüber dem Initiator der Unterschriftensammlung hätten wir deutlicher werden müssen: Das Projekt hat angesichts der knappen Gelder keine realistische Chance auf Umsetzung in absehbarer Zeit. Der Oberbürgermeister sagt zu, dass es demnächst einen Plan geben wird, mit dem Straßenbauprojekte priorisiert werden.

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Drei Dienstleistungen vergeben wir.

Rahmenzeitvertrag für Straßen- und Kanalunterhaltungsarbeiten für vier Jahre im Stadtgebiet Görlitz

Die SKS Straßendienst- und Kommunalservice GmbH bekommt den Zuschlag. Pro Vertragsjahr beträgt die Rahmensumme durchschnittlich 550.000 EUR brutto. Damit sind wir ca. 17 Prozent über den geschätzten Kosten gelandet. Zu den Unterhaltsarbeiten gehören neben Straßen und Kanälen auch Ampeln und Fahrbahnmarkierungen.

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Vergabe der Leistungen der Straßenreinigung und Straßenablaufreinigung für die Jahre 2024-2025 mit Option der Verlängerung für das Jahr 2026

Hier bekommt die Veolia Umweltservice Ost GmbH den Zuschlag. Gesamtpreis 1.6 Millionen Euro. Die Kostenschätzung lag eine halbe Million darunter. Aufgrund der immer teurer werdenden Angebote in diesem Sektor, wurde die Leistung nur noch für zwei Jahre ausgeschrieben. Bis zum Ende der Vertragslaufzeit müssen wir nun Alternativen prüfen. Bürgermeister Hummel gibt zu verstehen, dass man sich auch mit einer Rekommunalisierung beschäftigen wird und dazu Gespräche mit benachbarten Gemeinden aufgenommen werden. Das ist der richtige Weg. Selbst wenn er in eine Sackgasse führen sollte, müssen wir nun alle Möglichkeiten prüfen, wie wir aus dem Teuerungsstrudel herauskommen.

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Als drittes vergeben wir die Dienstleistungskonzessionen der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung

Die Stadtwerke Görlitz bleiben unser Wasserunternehmen. Die Laufzeit geht bis 2044. Ich trinke also sauberes SWG-Wasser bis zum 70. Lebensjahr. Das ist mal eine beruhigende Nachricht. Spannend wird freilich die Preisgestaltung.

Mit dem Beschluss geht eine sechsjährige Hängepartie mit zahlreichen juristischen Auseinandersetzungen mit dem Landkreis als Dienstaufsichtsbehörde zu Ende.

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Einige rein formale Beschlüsse überspringe ich jetzt, da sonst die Einschlafgefahr ansteigt. Ganz interessant sind zwei Grundstücksverkäufe: KommWohnen bekommt das Grundstück im ehemaligen Werk1 des Waggonbau, wo sich PKW- und Busparkplatz befinden. Das Wohnungsunternehmen bewirtschaftet die Parkplätze schon lange. Das Grundstück kann KommWohnen aber erst mit Ende einer Bindefrist kaufen. Solche eine Bindefrist besteht, wenn man Fördermittel in Anspruch nimmt.

OB Octavian Ursu ist in bester Laune. Er motiviert die Stadträte: „Wir verkaufen noch ein Grundstück, dann machen wir Pause.“

Jetzt geht es um eine Firmenerweiterung. Die Pla.to GmbH kauft eine Fläche hinzu. Sie braucht eine zweite Halle. Das Unternehmen von Heinz Schnettler liefert weltweit Reinigungsanlagen für wirtschaftliches Altkunststoffrecycling. Investitionsvolumen rund 1,7 Millionen Euro. Gutes Gelingen.

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 Nach der Pause beschließen wir die Ausschreibung, mit der wir einen Betreiber der öffentlichen Straßenbeleuchtung suchen.

Wir kritisieren, dass das Görlitzer Beleuchtungssystem nicht für eine integrierte Ladesäuleninfrastruktur genutzt wird. Danilo Kuscher kennt sich aus als Elektriker. Mit gutem Willen ließen sich die bestehenden Vorrichtungen einfach umrüsten, meint er. Der Kabelquerschnitt sei erfreulich groß. Ein hinzugezogener Spezialist erläuterte uns in der Fraktion, „dass wohl jemand extrem schlechte Werte ermitteln wollte.“ Klar, die Interessen zwischen Energieproduzenten und Kommune können schon mal auseinandergehen.

Da die Ausschreibung für Ladepunkte noch extra erfolgen soll, stimmen wir zu. Danilo regt an, dass wir uns schnell auf den Weg begeben und verschiedene Möglichkeiten prüfen, auch in Richtung Genossenschaft. Wir wollen das Feld nicht Konzernen überlassen, die bislang Öl und Diesel verkaufen.

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Dann kommt es zum Höhepunkt aus unserer Sicht: Beschluss zur Klimaneutralität der Stadt Görlitz

Einen solchen Beschluss hatten wir bereits Ende 2022 initiiert. Der OB sollte ihn eigentlich im März vorlegen. Nun hat es etwas länger gedauert. Das ist nicht wirklich nachvollziehbar, da es sich um einen Grundsatzbeschluss handelt, dem jegliche konkreten Maßnahmen fehlen.

Der Beschlusstext kommt entsprechend dünn daher:

  1. Der Stadtrat bestätigt die Zielsetzung, die Klimaneutralität der Stadt Görlitz anzustreben und bestenfalls bis zum Jahr 2030 zu erreichen.
  2. Alle Maßnahmen auf diesem Weg müssen wirtschaftlich sinnvoll, technologisch realisierbar und bürgerschaftlich mehrheitsfähig sein. Der Stadtrat appelliert an alle Akteure der Stadtgesellschaft, durch breites Engagement auf das Ziel der Klimaneutralität hinzuarbeiten.
  3. Um das Ziel Klimaneutralität zu erreichen, wird die Stadt Görlitz nötige Ressourcen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene einfordern

Mein Kollege Andreas Kolley erkundigt sich zunächst, was unter „bürgerschaftlich mehrheitsfähig“ zu verstehen ist. Soll es zu jeder einzelnen Maßnahme einen Bürgerentscheid geben? Nein, betont der OB. Gemeint ist, dass man im Rahmen der Bürgerbeteiligung gezielt Veranstaltungen in den Stadt- und Ortsteilen durchführt. Natürlich bleibt der Stadtrat das Entscheidergremium.

Vorhersehbar läuft die Diskussion von rechts. AfD-Fraktionsführer Lutz Jankus hat Temperaturschwankungen und fragt uns: „Wissen wir, dass es wirklich wärmer wird? Oder wird es kälter?“ Dass Menschen ihre Finger im Spiel haben, glaubt er nicht. Für ihn ist Klima Wetter. Und Wetter wird von der Sonne gemacht. Und Magnetismus spielt noch eine Rolle. Das wars dann aber. Wie gut, dass Herr Jankus nicht vor Schulklassen steht.

Erhellendes kommt auch nachfolgend nicht von ihm. Er behauptet, dass für den Klimaschutz Bäume sterben und verweist auf die hundert Seiten starke Vorlage. Dazu muss man freilich sagen, dass jeder Stadtrat beim Rathaus papierlose Unterlagen erhält, wenn gewünscht. Nutzt unsere Fraktion seit ihrer Gründung im Juni 2020. Es ist nicht der Klimaschutz der Bäume tötet. Es ist der Unwille zur Veränderung.

Aus dem Reigen der faktenfernen Jammerei über angebliche Umerziehung und Verfolgung Andersdenkender (ja, es wurde von „Ungläubigen“ und „Konterrevolutionären“ fabuliert) möchte ich nur einen Beitrag herausgreifen. Er zeigt exemplarisch, wie in öffentlichen Stadtratssitzungen Behauptungen von der AfD aufgestellt werden, die maximal von der Wahrheit entfernt sind. Jens Jäschke möchte begründen, warum Klimaschutzbemühungen in Görlitz oder Deutschland gar nichts fürs Weltklima tun. Zitat: „Selbst wenn wir es in Deutschland schaffen würden, klimaneutral zu werden –  drei Jahrzehnte unserer Klimaneutralität haut China in 24 Stunden raus.“

Hierfür brauchen wir einen Faktencheck. Nach statistischen Zahlen für 2021 betrug der Jahresausstoß Chinas 12,5 Milliarden Tonnen CO2. Deutschland verbuchte 0,66 Milliarden Tonnen. Macht in Deutschland in 30 Jahren rund 20 Milliarden Tonnen CO2. Wir könnten uns leicht im Kopf ausrechnen, dass diese mögliche Einsparung keineswegs an einem durchschnittlichen chinesischen Tag erreicht werden kann. Denn dann müsste China 750-mal so viel CO2 ausstoßen, wie heute.

Ich weiß auch nicht, warum China jeweils der Maßstab ist. Strebt man nach deren Luftqualität? Und wenn man schon den asiatischen Riesen heranzieht, müsste man nicht im selben Atemzug aufzählen, wie rasant das Land in grüne Technologien investiert? Auch wenn es mit Abstand der größte Luftverschmutzer ist, hat sich der zentralistische Staat auf die Fahnen geschrieben, eine weltweite Führungsrolle bei umweltfreundlichen Technologien und nachhaltigen Lösungen einzunehmen.

Der Experte für Energiefragen in der Fraktion, Danilo Kuscher (Motor Görlitz), kritisiert die faktenferne Diskussion der AfD. „Natürlich werden wir in Görlitz nicht das Weltklima verändern. Die CO2-Bepreisung wird über internationale Abkommen geregelt. Das hat Einfluss auf die künftigen Energiekosten, die wir über höhere Gebühren auf die Bürger umlegen müssen, wenn wir nicht reagieren. Es liegt im ureigenen Interesse der Stadt, die Zukunftstrends nicht zu verschlafen.“

Meine Co-Fraktionsvorsitzende Dr. Jana Krauß (Bündnis 90/Die Grünen) betont, dass es wichtig ist, den OB bei seinem vor vier Jahren ausgerufenen Ziel zu unterstützen. „Wir brauchen keine Angst vor der Zukunft haben. Wandel treibt Innovationen an. Görlitz wird daran partizipieren.“

Am Ende stimmen alle Fraktionen bis auf die AfD dem Antrag zu. Das ist ein wichtiges Signal. Der Grundsatzbeschluss hat aus unserer Sicht Einfluss auf alle künftigen Investitionsvorhaben in Görlitz. Sie sind hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Klimaziele der Stadt zu überprüfen. Damit sollte es künftig auch möglich sein, städtische Aufträge nicht nur an den billigsten Anbieter zu vergeben, sondern Aspekte der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes einfließen zu lassen.

Wir erwarten nun eine Konkretisierung. Benötigt wird eine Maßnahmenliste. Dazu gehören nicht nur Projekte und Investitionen, sondern auch die Erarbeitung einer smarten Struktur im Rathaus, die diese anspruchsvollen Prozesse steuert. Da wir den schon hohen Personalbestand nicht einfach aufstocken können, sind die nötigen Ressourcen im Rahmen eines Personalentwicklungskonzeptes zu erörtern. Der Einstieg in diese Arbeit sollte noch 2023 erfolgen.

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Zum Abschluss gibt es noch einen überflüssigen AfD-Antrag. Die Blauen wollen eine Bestandsinventur der Städtischen Sammlungen. Ermittelt werden soll der Wert der einzelnen Stücke, die in Museen und Magazinen lagern. In Vorberatungen in Ausschüssen haben wir von den Fachleuten der Sammlungen gehört, dass diese Aufgabe unnötig und auch mit dem vorhandenen Personal nicht leistbar ist. Kai Wenzel erläutert in der Sitzung nochmals, dass eine Bewertung im Zuge der Eröffnungsbilanz durchgeführt wurde. Hinzukommendes Gut wird regelmäßig erfasst, der „Schatz“ wächst und neue Zahlen werden aktuell gehalten. Hinsichtlich eines möglichen Versicherungsschadens durch eine Katastrophe meint Wenzel, dass ein Totalverlust unwahrscheinlich sei. Die Kulturgüter befinden sich verteilt in vielen Gebäuden. Im Zuge der Sanierung gab es zudem umfangreiche Sicherungsmaßnahmen.

Mirko Schultze von den Linken erwähnt zurecht, dass der Wert von Kulturgütern der Sammlungen theoretischer Natur ist. Sie gelten als unverkäuflich. Kommen sie abhanden oder werden zerstört, gibt es keinen Ersatz. Insofern könnte man ihren Wert auch auf den symbolischen Euro stellen, sagen Leute aus der Szene.

Karsten Günther-Töpert (Bürger für Görlitz) fragt die AfD, warum sie trotz der ausführlichen Stellungnahmen in den Ausschüssen beim Antrag bleibt. OB Ursu bedauert, dass die AfD kein Vertrauen in die städtischen Fachleute hat. Dem schließe ich mich an. Der Antrag ist zudem handwerklich schlecht. Es fehlen die Kosten, die eine solche Inventarisierung verursacht. Wäre es der AfD ernst damit, hätte sie vor einem Monat bei den Haushaltsverhandlungen beantragt, eine entsprechende Summe einzuplanen. Da kam nichts. Insofern ist zu vermuten, dass dieser Antrag in die Reihe der Panikmache gehört. Die Gesellschaft soll glauben, dass alles erodiert, nichts mehr sicher ist. Selbst die Görlitzer Schätze nicht.

Der gesamte Stadtrat bis auf die AfD lehnt ab.

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Zum Abschluss noch eine Personalie: Die AfD verliert einen weiteren Stadtrat. Alexander Lehmann scheidet aus, da er vor die Tore der Stadt zieht. Seinen Nachrücker bekommen wir im Oktober präsentiert. Das wird aber nur eine Randnotiz werden – im Oktober steht die Stadthalle im Zentrum.

 

Text: Mike Altmann

Foto: Paul Glaser