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Schon wieder Stadtrat? Nu. Tak. Gestern gab es die gemeinsame Stadtratssitzung von Görlitz und Zgorzelec. Letztes Jahr waren wir Görlitzer Gastgeber in der Stadthalle. Diesmal sind die polnischen Kollegen an der Reihe. Es geht ins Dom Kultury. Vorab Treff an der Stadtbrücke. Ein liebgewonnenes Ritual. Die ursprüngliche Idee: Man begegnet sich mitten auf der Brücke. Diesmal ist die Beteiligung von Stadträten etwas dünn. Es ist gar keine große Gruppe erkennbar. Warum dafür die Straße gesperrt wird, erschließt sich nicht. Es gibt Gehwege. Aber gut, ist halt Tradition.

Die gemeinsame Stadtratssitzung soll ein Höhepunkt sein in der Europastadt, die vor kurzem 25. Geburtstag feierte. Der Key Note Speaker, wie wir Oberlausitzer gern sagen, erinnert an 1998. Visionär gewesen sei die Proklamation einer Europastadt damals, sagt Dr. Maciej Zathey. Er ist Direktor des Instituts für Territoriale Entwicklung aus Breslau, Beiratsmitglied für Raumentwicklung beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und forscht u.a. zum deutsch-polnisch-tschechischen Verflechtungsraum. Ein Dreiländerraum, nicht nur ein „Eck“, wie er betont. In seinem Vortrag beleuchtet Dr. Zathey Zukunftsaufgaben für die Weiterentwicklung von Görlitz-Zgorzelec. Der Wissenschaftler schlägt dabei den großen Bogen. Wo später der Vertreter der Stadtverwaltung Görlitz sehr kleinteilig über Fördervorhaben referiert, spannt Pan Zathey den Bogen weit in die Zukunft. Zielstellung müsse eine gemeinsame Planung sein. Etwa bei der Flächennutzung. Anfänge, wie bei der gemeinsamen Wärmeversorgung seien gemacht. Weitere müssten folgen. Eine Herkulesaufgabe. Schließlich sind die rechtlichen Voraussetzungen in beiden Ländern nicht vergleichbar. Dennoch ein lohnendes Ziel. Görlitz-Zgorzelec ist ein städtischer Organismus.

Dr. Maciej Zathey nimmt uns in die Pflicht. Ermahnt uns, nicht vor Herausforderungen zu kapitulieren. Sagt, dass wir natürlich weitere Brücken brauchen. In einer geteilten Stadt, wo Menschen sich begegnen, es Austausch gibt, wir zusammenwachsen wollen. Konkret spricht er die Wiedererrichtung einer Brücke für Fußgänger und Radfahrer unterhalb des Eisenbahn-Viaduktes an. Dieser Standort ist immer wieder im Gespräch, wenn es um Brücken geht. Sowohl auf deutscher als auch auf polnischer Seite. In der kommenden Sitzung des Stadtrates haben wir Gelegenheit darüber zu diskutieren. Auf Antrag unserer Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne steht eine Debatte über zusätzliche Brücken an. Wir wollen das acht Jahre andauernde Schweigen beenden, das seit dem 2015 erzwungenen Planungsende für eine Brücke am Lindenweg herrscht. Es geht zunächst um die Frage, ob es grundsätzlich eine politische Mehrheit für neue Brücken gibt. Die Umsetzung eines solchen Vorhabens ist langwierig und sollte auf einem gesellschaftlichen Konsens basieren. Wir freuen uns über inhaltliche Vorlage des Experten Dr. Maciej Zathey. Es wäre klug, ihn nochmals einzuladen und seine Thesen ausführlicher zu diskutieren. Dazu gehört auch der von ihm vorgetragene Vorschlag, eine viersprachige Europa-Universität in Görlitz-Zgorzelec anzusiedeln.

Wie schon erwähnt, wird die Flughöhe im folgenden Beitrag des Görlitzer Stadtplanungschefs Hartmut Wilke gesenkt. Hängt mit dem Thema zusammen. Wilke erläutert das gemeinsame Interreg-Projekt, „Brückenpark Teil 2“. Beidseits der Neiße soll mittels EU-Geldern der grüne Gürtel schicker werden. Zgorzelec konzentriert sich aufs Areal ums Dom Kultury. In Görlitz geht es zum Beispiel um das Weinberggelände. Die Federführung hat die Zgorzelecer Seite. Das bringt einige Vorteile mit sich. Deutschland zieht für Fördermittelempfänger die Daumenschrauben fester zu, als das die europäischen Regularien eigentlich verlangen. Anders in Polen. Dort zählt wohl das Ergebnis. Bei uns die korrekte Abrechnungsliste bis zum einzelnen Bleistift.

Zurück zur Sitzung. Die sich spürbar zieht. Vielleicht ist es nach 25 Jahren an der Zeit, gemeinsam mit den Zgorzelecern zu überlegen: Ist das Format noch zeitgemäß? Eine Abfolge aus namentlicher Begrüßung von Ehrengästen, Grußworten, auflockernden Musikstücken (das brauchen wir in jedem Fall auch weiterhin), Vorträgen und Auszeichnungen. Dauert mehr als zwei Stunden. In dieser Zeit gibt es keine echte „Debatte“. Die Stadträte sind anwesend, aber es ginge auch komplett ohne sie. Vielleicht sollte die Ratssitzung in die Feierlichkeiten zur Europastadt integriert werden. Open Air. So dass möglichst viele Menschen unkompliziert dabei sein können. Nach der Sitzung können Stadträte sich unters Volk mischen und feiern, statt im eigenen Saft am Buffet zu schmoren.

Und so sind es am Ende der Veranstaltung die Jungs und Mädels vom CYRKUS, die uns den Reformstau des Formats „Gemeinsame Stadtratssitzung“ demonstrieren. Sie trappeln vor dem Sitzungssaal mit den Füßen, sind aufgekratzt, lachen. Ihr Verein KulturBrücken e.V. bekommt heute die Europa-Medaille. Für herausragende Verdienste um die Europastadt. Seit zwei Stunden warten sie, wollen uns zeigen, was sie können. Herzerfrischend, wie CYRKUS-„Direktor“ Valentin Hacke und seine jungen Artisten fast die Veranstaltung sprengen und das Plenum nach dem Erhalt der Medaille nach draußen winken. Das Protokoll hat etwas dagegen. Erst muss die Sitzung ordnungsgemäß zu Ende gebracht werden. Da sind wir uns schon sehr ähnlich, in GörlitzZgorzelec. Dann endlich: Aufstehen, nach draußen strömen, in die beeindruckende Kuppelhalle des Dom Kultury. Wo uns die jungen Künstler des CYRKUS ihr Können zeigen.

Ich bin sehr froh, dass der Vorschlag, den KulturBrücken e.V. in diesem Jahr auszuzeichnen, vom gesamten Stadtrat mitgetragen wurde. Der Verein ist Pionier bei der dauerhaften Etablierung von deutsch-polnischen Angeboten in Görlitz und Zgorzelec. Seit mehr als 15 Jahren werden durch die Vereinsarbeit deutsche und polnische Kinder und Familien in regelmäßigen Kontakt gebracht. Die zentrale Rolle spielt dabei das Medium Zirkus. Seit März 2022 betreibt der Verein neben dem Büro in der Görlitzer Altstadt auch eine Anlaufstelle in der Warszawska-Straße 1 in Zgorzelec. Die Stadt Zgorzelec half den Raum zu finden. Damit können sich nun auch die Zgorzelecer über alle CYRKUS-Projekte für Kinder und Jugendliche informieren. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass durch die Präsenz in Polen bestehende Berührungsängste wegfallen. Eine gute Chance, noch mehr polnische Kinder und Jugendliche für die zirkuspädagogischen Angebote in der Europastadt zu gewinnen.

Herzlichen Glückwunsch auch den Preisträgern der polnischen Seite. Ausgezeichnet wird die Grundschule Nr. 2 „Jarosław Iwaszkiewicz“ Zgorzelec mit den Integrationsklassen und Partnerin der Freien Evangelischen Grundschule „Dietrich Heise“ in Görlitz.

Vielen Dank für die Organisation und die Gastfreundschaft an unsere polnischen Kollegen. Es ist schön, Europastadtrat sein zu dürfen.

Anlässlich der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Europastadt Görlitz-Zgorzelec schlägt die Stadtratsfraktion von Motor Görlitz/Bündnisgrüne eine neue Brückenoffensive vor. „Eine Europastadt am Fluss braucht mehr Brücken für Fußgänger und Radfahrer, kurze Wege für das Rüber und Nüber und lässt sich nicht von Angstkampagnen einschüchtern“, sagte Fraktionsvorsitzender Mike Altmann. Ein entsprechender Antrag soll in diesen Tagen im Rathaus eingereicht werden. Neben einem Grundsatzbeschluss für den Bau weiterer Brücken soll der Oberbürgermeister beauftragt werden, gemeinsam mit Zgorzelec eine Prioritätenliste möglicher Standorte zu erarbeiten.

Görlitz-Zgorzelec feiert 2023 das 25. Jahr Europastadt. In diesem Zeitraum sind die Beziehungen zwischen den Menschen in beiden Städten spürbar enger geworden. Ablesbar ist das auch an mittlerweile 5.000 polnischen Einwohnern in Görlitz. Das Bedürfnis nach kurzen Wegen zwischen den Nachbarn wird wachsen.

Im Mai 2022 beschlossen die Stadträte von Zgorzelec und Görlitz in einer gemeinsamen Sitzung, die Planungen für eine Autobrücke im Norden der Städte voranzutreiben. Diese soll den Verkehr in beiden Städten entlasten. Sie ist aber keine Lösung, um Radfahrern und Fußgängern Wege in die Nachbarstadt zu verkürzen.

Die letzten ernsthaften Bemühungen um eine zusätzliche Brücke für Fußgänger und Radfahrer gab es 2014/2015 am Lindenweg. Nachdem die Fördermittelquote von 90% auf 66% gekürzt wurde, nahm der Stadtrat Abstand vom Projekt. Nicht unwichtig zu erwähnen ist, dass es eine erfolgreiche Unterschriftensammlung gab, die sich gegen die Planung richtete.

„Die Leute fühlten sich damals überrumpelt“, erinnert sich Mike Altmann. Daraus solle gelernt werden. „Wir wünschen uns, dass sich die Görlitzer und Zgorzelecer von Beginn an beteiligen können. Wo machen Brücken Sinn? Der reine Verweis auf frühere Standorte ist nicht ausreichend. Seit 1945 ist Görlitz geteilt. Zwei Städte haben sich entwickelt. Die Wegebeziehungen sollten dies berücksichtigen. Wenn wir uns zum 35. Geburtstag der Europastadt eine neue Flussquerung schenken wollen, müssen wir jetzt mit den Planungen starten.“

Von Oberbürgermeister Octavian Ursu bekommen wir zu Beginn der Sitzung einige Trostpflaster. Die Vorlage zur „Klimaneutralen Stadt 2030“ ist immer noch nicht fertig. Laut Stadtratsbeschluss sollte sie der OB bereits im März einbringen. Nun wird es erst im Juni. Was ist so schwer, fragt sich meine Fraktion. Ein Ziel, das bereits 2019 ausgerufen wurde, muss doch inhaltlich unterfüttert sein?

Auch zum Haushalt für die Jahre 2023/24 nichts Neues. Herr Ursu hofft, dass es bald gelingt, einen Zeitplan zu präsentieren. Das ist komplett unbefriedigend und behindert massiv unsere Arbeit im Stadtrat, wie sich später noch zeigen wird.

Trostpflaster drei ist deutlich kleiner und betrifft die Parkscheinautomaten am Berzdorfer See. Die Geräte werden nicht pünktlich zur Saisoneröffnung stehen. Es fehlen noch die Module für die Zahlung mit Karte und Handy. Wenn diese eingebaut sind, kommen die Parkscheinautomaten an die Strandpromenade. Spätestens Ende Mai ist alles fertig – so der Plan. Zur Ehrenrettung der Verwaltung sei erwähnt, dass nie versprochen wurde, dass die Automaten pünktlich zur Saisoneröffnung stehen werden.

Die Übergabe der Ehrenbürgerschaft an Shlomo Graber gestaltet sich kompliziert. Ursprünglich sollte der 96jährige nach Görlitz kommen. Aus gesundheitlichen Gründen sind solch lange Reisen für ihn unmöglich. Deshalb wird der OB einen Besuch in Wiesbaden nutzen und von dort aus nach Basel weiterfahren, um Shlomo Graber die Ehre zu erweisen.

Gereist ist unser OB zuletzt nach Berlin. Dort trommelte er bei Filmproduzenten für Görliwood. Außerdem warb Ursu um Fördermöglichkeiten für unsere Filmakademie.

Positive Meldung von Bürgermeister Benedikt Hummel: Für die defekte Skateranlage Weinhübel wurden die ersten beiden Beton-Elemente geliefert. Mitte Mai kann ein Teil der Anlage wieder in Betrieb genommen werden.

Nachdem die Fragestunde für Einwohner zuletzt wenig gefragt war, ist diesmal mehr los.  Kurt Bernert vom Bürgerrat Innenstadt-West kommt direkt mit einem Knaller. Er möchte wissen, warum es sieben Monate (!) dauern soll, bis eine beantragte Tischtennis-Platte auf dem Lutherplatz steht. Allein acht Wochen Zeit brauche der Denkmalschutz. Geht das alles nicht schneller, möchte Kurt Bernert wissen. OB Ursu und Bürgermeister Hummel wollen sich bemühen, zu beschleunigen. Dass es wirklich schneller geht, können sie nicht zusagen. Da kommt man aus dem Kopfschütteln nicht heraus.

Nächste Frage von Herrn Bernert, ob sich Görlitz am Projekt „Lebenswerte Stadt“ beteiligen wird. 700 Kommunen machen schon mit. Der OB bremst. Görlitz sei schon bei vielen Sachen dabei. Anschauen will er es sich dennoch.

Und noch etwas bewegt den Bürgerrat Bernert: Warum bekommt die Freie Evangelische Gemeinde Gelder aus dem Topf für die bürgerschaftliche Beteiligung in der Innenstadt-West? Das kann ad hoc niemand beantworten. Ich werde bei Bedarf nachhaken.

Madlen Röder, Bürgerrätin aus Klingewalde, geht einem Gerücht nach. Demzufolge plane die Stadt die Buslinie durch Klingewalde bis zu Porta zu verlängern. Der anwesende GVB-Chef André Wendler klärt auf: Es gab eine Testfahrt zu Porta, um zu prüfen, ob das funktioniert. Man hat sich dagegen entschieden. Klingewalde atmet auf, denn dort fehlt es an Platz, einem Fußweg und Beleuchtung.

Die Stadträte haben auch einige Fragen:

Matthias Schöneich (CDU) erkundigt sich nach dem Gesamtverkehrskonzept. Bürgermeister Hummel erläutert, dass eine Studie der TU Dresden beauftragt wurde. Da wird herausgefunden, welche Verkehrsmittel die Görlitzer nutzen. In einem zweiten Schritt soll ein Dienstleister das Konzept erstellen. In welchem Umfang entscheidet der Haushalt. Von dem wir keine einzige Zahl kennen.

Prof. Joachim Schulze (Fraktion BfG/Grüne) möchte wissen, ob sich die Verwaltung mit dem Thema „Kommunale Wärmeplanung“ beschäftigt. Bundesweit soll es 2024 verpflichtend werden. Das Rathaus hat es auf dem Schirm und prüft, ob man dieses Jahr noch aktiv wird. Bis Jahresende ist die kommunale Wärmeplanung noch freiwillig und wird gefördert. Für Görlitz ist das Thema aufgrund der riesigen Altbausubstanz eine extreme Herausforderung.

Ich erkundige mich, ob es für die Jahnsporthalle einen Zeitplan gibt. Das Dach ist undicht und muss repariert werden. Amtsleiter Torsten Tschage hat brandheiße Infos. Für die Dachreparatur gibt es Angebote in Höhe von 75.000 Euro. Das würde den gesamten Werterhalt für alle Görlitzer Sportstätten auffressen. Die Verwaltung prüft jetzt, wie sie damit umgeht. Für mich ist klar: Der Stadtrat soll zügig die Reparatur beauftragen. In der Halle wird auch Sportunterricht durchgeführt. Damit handelt es sich um eine Pflichtaufgabe, die umgehend umzusetzen ist.

Dass Geld vorhanden ist, erfahren wir direkt im Anschluss. Erinnert allerdings an eine Quiz-Sendung. Mirko Schultze (Die Linke) möchte wissen, wieviel Geld wir auf den Konten haben. Der OB erklärt, dass die Liquidität nicht das Problem sei. Wichtiger wäre die Fragestellung, wie weit wir damit kommen. Rückblick: 2021 bekam Görlitz eine sehr hohe Einmalzahlung Gewerbesteuern von Birkenstock. Rund 68 Millionen Euro. Das führt dazu, dass die Stadt in diesem Jahr kein Geld (die sogenannte Schlüsselzuweisung) vom Freistaat erhält. Wir gelten als reich. Müssen damit aber unsere gesamten Ausgaben aus unseren Rücklagen bestreiten. Und wie hoch sind die nun? Finanzchefin Birgit Peschel-Martin antwortet auf Nachfrage ebenfalls nicht konkret. Achtstellig sei der Betrag. Wir bekommen die Matheaufgabe, dass die Stadt die Zuweisungen aus dem Finanzausgleich in Höhe von etwa 40 Millionen Euro für 2023 selbst ausgleichen muss. Heißt das, wir haben 28 Millionen Euro über? Sicher nicht. Mit solchen rätselhaften Antworten werden Spekulationen angeheizt.

Noch keine Lösung gibt es für die Skater des Europamarathon e.V., die bislang im Gewerbegebiet Klingewalde trainierten. Dort soll demnächst das Projekt Bauen 4.0 der TU Dresden seinen Standort bekommen. Mit dem Verkauf des Geländes ist das Skaten nicht mehr möglich. Bislang gibt es keinen Ausweichstandort. Rathaus und Sportler suchen gemeinsam.

Das Thema Barrierefreiheit in der City spricht Stadtrat Mike Thomas (BfG) an. Selbst blind wünscht er sich, dass die Händler und Gastronomen auf der Berliner Straße ihre Tische,  Stühle und Werbematerialien nicht mitten auf den Fußweg stellen. Er schlägt einen Vor-Ort-Termin vor, auch um Stadtrat und Händler ins Gespräch zu bringen. Außerdem möchte Mike Thomas wissen, warum es z.B. in Weinhübel noch Ampeln ohne akustische Signale gibt. Das liegt daran, so die Verwaltung, dass die Ampeln im Zuge von Baumaßnahmen getauscht werden. Hier ist also Geduld gefragt.

Über die Frage von Yvonne Reich (BfG) freue ich mich sehr. Sie erkundigt sich nach einem Personalkonzept. Zuletzt fühlte sich unsere Fraktion recht einsam mit solchen Forderungen. Der OB verspricht einen Bericht in einer der nächsten Ausschusssitzungen. Bin gespannt.

Es folgt ein Bericht der städtischen Wirtschaftsförderer von der Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH. Geschäftsführerin Eva Wittig kann positive Dinge erzählen. Im ersten Quartal gab es 20 Investorenanfragen. Das ist eine ganze Menge. Damit verbunden wären 500 Arbeitsplätze. Es handelt sich jeweils um kleinere Einzelanfragen, die in Summe rund 20 Hektar Fläche ausmachen.  Großinvestoren sind nicht darunter. Görlitz hat auch gar keine großen Flächen zur Verfügung.

Wesentliche Aufgabe wird in den nächsten Jahren das Anwerben von Arbeitskräften. Görlitz ist in den letzten Jahren unerwartet zur Vorreiterin für mehr Internationalität geworden. Der Trend nimmt zu. Von Januar 2021 bis Mitte 2022 stieg die Zahl der ausländischen Beschäftigten um 23 Prozent. Insbesondere sind es polnische Arbeitskräfte. Unsere Nähe zum Nachbarland ist ein Standortvorteil.

Auch die Tourismusentwicklung ist Aufgabe des Teams der EGZ. Das Werben wirkt. Nach den Corona-Jahren kommen die Gäste wieder in Scharen. 2022 war das zweitbeste Jahr nach 2019. Jeder fünfte Gast in der Oberlausitz kam nach Görlitz. Besser werden können wir bei der Aufenthaltsdauer. Das braucht einen langen Atem.

 

Gibt es zu diesem Vortrag kaum Diskussionen, entwickelt sich der Gleichstellungsbericht der Beauftragten Katja Knauthe zum Auslöser für den Austausch von Weltanschauungen. Zunächst wird von AfD- und CDU-Vertretern kritisiert, dass der Bericht nicht in einer korrigierten Endfassung vorliegt. Mir ist es lieber, wenn der Stadtrat möglichst früh einbezogen wird und noch Hinweise geben kann, als einen fehlerfreien Bericht abzuheften.

Wo klemmt die Säge bei der Gleichstellung? Besonders bei der politischen Beteiligung. Nur 16 Prozent der Stadträte sind weiblich. Dass unsere Fraktion mit 40 Prozent den höchsten Frauenanteil hat, ist ausschließlich den Bündnisgrünen zu verdanken. CDU-Stadtrat Maik Gloge versucht zu relativieren. „Es entscheiden am Ende die Wählerinnen und Wähler“. Die CDU habe viele Frauen für die letzte Wahl aufgestellt, auch auf guten Positionen. Faktencheck: Von den im Stadtrat vertretenen Parteien und Organisationen hatte die CDU mit 25 Prozent den zweitschlechtesten Wert. Weniger Frauen konnte nur die AfD für eine Kandidatur bewegen. Als Freie Liste Motor Görlitz haben wir uns aber auch nicht mit Ruhm bekleckert (ein Drittel Frauenanteil auf der Liste). Aus eigenem Erleben kann ich bestätigen: Es ist deutlich schwieriger, Frauen für eine Kandidatur zu bewegen. Kommunalpolitik ist nicht sonderlich sexy und sehr zeitaufwändig. Es gibt wenig Applaus von außen und durchaus die Frage: Warum tue ich mir das eigentlich an? Ich habe keine Lösung, wie Kommunalpolitik und Frauen besser matchen könnten. Fakt ist, dass stundenlange Sitzungen, ohne Online-Alternative, plus geringe gestalterische Möglichkeiten viele kluge Köpfe von einer Kandidatur abhalten. Natürlich hat Kollege Gloge Recht: Am Ende entscheiden die Wähler über die Zusammensetzung des Rates. Wenn sie am liebsten die Leute ankreuzen, die sie schon immer gewählt haben, wird es schwierig mit der Erneuerung.

Wie sieht es mit der Gleichstellung bei den Beschäftigten in der Verwaltung aus? Auf den ersten Blick ein echter Frauenladen. Gesamtanteil 60 Prozent. In Kita (90%) und Kernverwaltung (70%) sind Frauen noch deutlicher in der Überzahl. Das kehrt sich in den technischen Bereichen komplett um. Manche nennen es „Geschlechterstereotype“. Andere „normal“. Spannender finde ich die Frage, warum trotz „Überschusses“ nur 33 Prozent der Amtsleiterstellen von Frauen besetzt sind. Ich hoffe, dass der OB auch an einer Antwort interessiert ist und den Bericht für eine moderne Ausrichtung der Verwaltung nutzt.

Erörtert wird die Frage: Warum hat Görlitz keine Frauenbeauftragte, obwohl das laut Sächsischem Frauenförderungsgesetz vorgeschrieben ist? Hauptamtsleiterin Kathrin Burkhardt klärt auf. Bis 2022 gab es eine Frauenbeauftragte. Nach ihrem Ausscheiden wurde nicht neu gewählt. Grund: Der Freistaat novelliert das Frauenförderungsgesetz. Das Ergebnis wolle man abwarten. Echt jetzt? Wenn eine Stadtverwaltung nicht mehr nach dem Buchstaben des Gesetzes handelt, wer dann? Zumal es für eine moderne Stadt eine Freude und keine Last sein sollte, eine Frauenbeauftragte zu haben. Sie wird aus der Mitte der weiblichen Angestellten gewählt. Es ist ein Ehrenamt, keine zusätzliche Stelle.

Neben der Gleichstellung gehört die Integration ausländischer Mitmenschen zu den Aufgaben von Frau Knauthe. Formal zuständig für diese Themen ist der Landkreis. Görlitz kommt aufgrund seiner Größe und des hohen Ausländeranteils aber eine besondere Funktion zu. Diese wurde in den letzten Jahren nicht gut ausgefüllt. Die Angebote sind nicht mit den Bedarfen mitgewachsen. Es fehlt an Zugängen zu integrativen Maßnahmen. Die Strukturen passen nicht zur Aufgabenfülle. Bisweilen hapert es auch an der Kommunikation.

Die Diskussion zum Bericht ist vorhersehbar. Teile der AfD nutzen die Gelegenheit, um ihrem Äffchen Zückli zu geben und gegen die Bundespolitik zu ätzen. Da geht es um das angeblich geplante willkürliche Ändern des Geschlechts und die Bevorzugung von Frauen. „Wenn das durchkommt, bin ich nächstes Jahr Präsidentin des Landgerichts“, kündigt Stadtrat Torsten Koschinka an, ein aus der AfD ausgetretener Richter. Brüller.

Der Bericht wird uns weiter beschäftigen. Er mündet in einen konkreten Handlungsplan, der uns die nötige Orientierung geben wird. Es reicht nicht aus, die „Charta der Gleichstellung“ zu unterzeichnen. Man muss sie leben. Idealerweise von der Spitze aus.

Nach der Versorgungs- und Erfrischungspause fassen wir Beschlüsse. Hier eine Auswahl der Themen:

Ehrung für die Verdienste um die Europastadt Görlitz/Zgorzelec
Die Europa-Medaille bekommt in diesem Jahr der KulturBrücken e.V. für das Projekt CYRKUS. Darüber freuen wir uns sehr. Ist doch der Verein ein echter Grenzgänger. Seit mehr als 15 Jahren werden deutsche und polnische Kinder und Familien in regelmäßigen Kontakt gebracht. Der Name CYRKUS ist dabei Programm: Er vereint den polnischen und deutschen Begriff für Zirkus. Die Auszeichnung wird am 30. Mai bei der gemeinsamen Stadtratssitzung mit Zgorzelec im Dom Kultury übergeben.

Weiterführung des Netzwerkprogramms „Engagierte Stadt“ unter Trägerschaft des Görlitz für Familie e. V.
Ausgerechnet dort, wo bürgerschaftliches Engagement unterstützt wird, wittert die AfD-Fraktion Rechtsbruch. Worum geht es? Der Görlitz für Familie e.V. koordiniert im Rahmen des Programm „Engagierte Stadt“ ein Netzwerk, das aus zwölf Partnern besteht, die eine vernetzende, beratende, koordinierende oder vermittelnde Funktion im bürgerschaftlichen Engagement wahrnehmen: Kreissportbund, Willkommensbündnis, Mehrgenerationenhaus, Meetingpoint Messiaen, Rabryka, Lokales Bündnis Görlitz für Familie, Stadt Görlitz, A-Team, Bürgerräte, Senioren-Kompetenz-Team, Netzwerk der jungen Görlitzer Vereine und Initiativen, Partnerschaft für Demokratie sowie der Arbeitskreis „Görlitz nachhaltig“.

Problem: Görlitz hat keinen Haushalt. Ohne Haushalt keine neuen Verpflichtungen, sagt die AfD. Das sieht die Verwaltung anders. Denn das Projekt wurde vom Stadtrat in die Finanzplanung für 2023/24 mit je 29.000 Euro jährlich aufgenommen. Es gibt ein zähes Hin und Her. Die AfD-Kollegen schlagen sich vor die Brust. Gäbe es ein Feuer, würden sie drumherum tanzen. Ihre folkloristische Einlage umfasst auch das Begehren, dass namentlich abgestimmt wird. Das lehnen alle anderen Fraktionen ab. Die Abstimmung zum eigentlichen Sachverhalt endet mit 25:10. Die Netzwerkarbeit kann fortgesetzt werden. Die AfD kündigt an, den Beschluss rechtlich prüfen zu lassen. Nur zu.

Kauf und Einrichtung von Schulcontainern ab dem Schuljahr 2023/2024
Das ist keine überraschende Beschlussvorlage. Bereits vor zwei Jahren, als sehr emotional um den Bau einer fünften Oberschule gerungen wurde, war klar, dass wir unabhängig davon weitere Schulcontainer benötigen. Leider glauben übergeordnete Strukturen, wie das Landesamt für Schule und Bildung (Lasub), dass Kommunen total plemplem sind und erheben eigene Zahlen. Nun stellt sich „überraschend“ heraus, dass Görlitz Recht hatte. Für das kommende Schuljahr reichen die Räume an den Oberschulen in Rauschwalde und Königshufen ebenso wenig wie an der Grundschule Jahnstraße.

Damit die vier benötigten Container noch rechtzeitig fertig werden, müssen wir im Schnellverfahren den Beschluss fassen. Das ist suboptimal. Wir haben die technischen Zusammenhänge nicht ausreichend vorberaten. So ist unklar, warum sich die Kosten für einen Schulcontainer im Vergleich zu 2018 verdoppelt haben sollen. Ob das wirklich stimmt, sehen wir nach der Ausschreibung. Gar nicht mitgedacht wurde die Energieversorgung. Mein Kollege Danilo Kuscher (Motor Görlitz) regt an, PV-Module zu installieren. Diese versorgen nicht nur die Container mit Energie, sondern können auch in die zugehörigen Schulen einspeisen. Durch die Selbstversorgung rechnet sich eine solche Anlage bereits nach vier bis fünf Jahren. Wir werden diesen Vorschlag noch genauer durchdenken und ggf. einen Antrag einreichen. Bei allem Verständnis für Personalknappheit im Rathaus: Wer klimaneutrale Stadt werden möchte, sollte diese Fragen immer auf dem Schirm haben und von Beginn an mitdenken.

In der Debatte sprechen sich alle Fraktionen und die Rathausspitze für die zügige Errichtung einer fünften Oberschule aus. Das ist ein deutlicher Fortschritt. Noch im März 2021 hatte der damalige Bürgermeister Michael Wieler (BfG) eine Vorlage eingebracht, mit der der Stadtrat den Beschluss zum Bau einer fünften Oberschule zurücknehmen sollte. Einen Monat später gab es eine denkwürdige Sitzung, bei der gegen die Stimmen der Fraktionen von Bürger für Görlitz und CDU (bis auf Gerd Weise) am Bau festgehalten wurde. Schön, dass mittlerweile alle Fraktionen die dringende Notwendigkeit einer zusätzlichen Schule akzeptieren. Meine Kollegin Jana Krauß (Bündnisgrüne) betont in einem Statement, dass die Oberschule aufgrund der Schülerzahlen schon seit 2015 gebraucht wird. Sie wäre jetzt ausgelastet. (Wir müssten also bereits über eine weitere Schule reden. Auch im gymnasialen Bereich wird es eng.)

Ebenfalls unstrittig in der Diskussion: Uns fehlen Lehrkräfte. Wir brauchen Kampagnen, die Lehrer anlocken, unsere Vorzüge zeigen. Auch hier eine kleine Erinnerung: Vor gut einem Jahr beantragte unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne, dass der Oberbürgermeister bei den zuständigen Behörden eine mittel- und langfristige Prognose zu unbesetzten Lehrerstellen einholt. Außerdem sollte der OB gemeinsam mit dem Landkreis Görlitz (Schulamt) sowie den Städten und Gemeinden, die Schulträger im Kreis Görlitz sind, eine interkommunale Arbeitsgruppe initiieren. Ziel sollte eine gemeinsame Strategie für die Bekämpfung des Lehrer-Mangels sein. Dem Antrag wurde damals nicht zugestimmt. CDU, BfG sowie die Mehrzahl der AfD-Stadträte waren dagegen. Wegen „fehlender Zuständigkeit des Stadtrates.“ Ich freue mich, dass sich ein Erkenntnisgewinn einstellt.

Interessant ist in der Diskussion eine Frage, die auch immer wieder durch die Stadt geistert. Jens Jäschke (AfD, fraktionslos) stellt sie: Warum gehen polnische Kinder in Görlitzer Schulen, die gar keinen Wohnsitz in Deutschland haben? Bürgermeister Hummel stellt klar, dass es sich um sehr wenige Kinder handelt, die in Polen wohnen und hier zur Schule gehen. Insbesondere das Gymnasium Anne Augustum wirbt mit dem deutsch-polnischen Profil, das durch einen Staatsvertrag gesichert ist.

Bleibt die Frage, was aus den mittlerweile neun Containern wird, wenn wir endlich eine neue Schule haben? Ideen gibt es einige. Sie könnten auf Sportplätzen als Umkleidekabinen oder Lagerräume dienen oder auch im Verkehrsgarten sinnvolle Dienste leisten.

Der Beschluss wird einstimmig gefasst. Je einen zusätzlichen Schulcontainer bekommen die Oberschule Rauschwalde und die Scultetus Oberschule. Zwei Container werden an der Jahnschule aufgestellt. Gesamtkostenschätzung: Knapp 600.000 Euro.

Änderung des Beschlusses zur Bildung einer Arbeitsgruppe Integration
Zum Abschluss des öffentlichen Teils geht es um die Arbeitsgruppe Integration. Diese wurde vom Stadtrat bereits 2019 beschlossen. Sie hat seitdem aber nicht wirklich gearbeitet. Zu groß ist der Kreis, zu unflexibel besetzt. Deshalb beantragt die Fraktion von Bürger für Görlitz/Grüne eine Änderung. Feste Mitglieder sollen sein: der Fachbürgermeister, die Gleichstellungsbeauftragte, die Leitung des Kommunalpräventiven Rates und die Vorsitzende des Ausschusses für Kultur, Bildung, Soziales und Migration. Weitere Fachleute werden themenbezogen eingeladen.

Die AfD mault rum, dass sie als größte und schönste Fraktion des Rates gar nicht vertreten ist. Im selben Atemzug sagen die Blauen, dass das alles Landkreisaufgabe ist und wir uns raushalten sollen. Ja was denn nun? Meine Fraktionskollegin Kristina Seifert (Bündnisgrüne) stellt zurecht fest, dass Görlitz aufgrund seiner Größe und des hohen Ausländeranteils eine besondere Verpflichtung und Verantwortung hat. Das schätzt auch der OB so ein. Formal gibt es zwar keine Zuständigkeit, aber es wichtig, dass Görlitz in den Netzwerken mitwirkt. Der Stadtrat zeigt sich hier einig. Alle Fraktionen stimmen zu. Bis auf die AfD.

Feierabend? Fast. Der OB bittet den Stadtrat zu einem unangekündigten, kurzen nichtöffentlichen Teil. Darüber hänge ich den Mantel des Schweigens. Er wird hoffentlich bald gelüftet. Denn das Thema gehört nicht hinter verschlossene Türen.

 

Autor: Mike Altmann