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Blick nach vorn am Berzdorfer See

Teil 2 der Reihe „Stadtratsgeflüster“. Wir beschäftigen uns mit der Entwicklung am Berzdorfer See.

Berzi-Bilanz 2019-2024

Start der Reihe „Stadtratsgeflüster“. Wir beschäftigen uns mit Stadtentwicklung, Verkehr und Tourismus. Was haben wir in den letzten fünf Jahren erreicht, wo wollen wir noch hin?

Stadtratsblog#20: 27.5.2021

Eine kurze Tagesordnung verspricht einen frühen Feierabend. Am Ende ein Trugschluss. Doch beginnen wir von vorn.

Zunächst nimmt OB Ursu eine Vorlage zum Helenenbad von der Tagesordnung. Wir sollten 30.000 Euro für die Subventionierung der Kinder-Badelandschaft beschließen. Da es noch keinen Haushalt gibt, wäre das ein Vorgriff auf den Etat 21/22. Das ist für eine solche freiwillige Aufgabe eigentlich nicht möglich. Deshalb wurde der Punkt vermutlich runtergenommen. Offiziell heißt es in der Sitzung: Der Betreiberverein AUR kann vorfinanzieren und hofft auf eine positive Entscheidung bei den Haushaltsverhandlungen.

Dann gibt es Blumen und einen Theatergutschein. Meine Kollegin Kristina Seifert wird vom OB zum Geburtstag gratuliert. Happy Birthday, liebe Tina. Auf der Nebenbank frotzelt Torsten Ahrens (Die Linke), dass sie den Gutschein schnell einlösen soll – solange es das GHT noch gibt.

 

Informationen des OB

Octavian Ursu informiert uns über einen Besuch mit MP Kretschmer beim Helmholtz-Institut in Rossendorf. Thema war der Bundeswettbewerb um zwei Großforschungsinstitute, die in den Kohlerevieren angesiedelt werden sollen. Görlitz ist als Standort interessant, einige Bewerber waren bei Herrn Ursu zum Gespräch. Der OB hofft, dass eine Forschungseinrichtung oder ein Teil davon an die Neiße kommt.

Dauerbrenner in der Lokalzeitung: Roberto Petrucci, die Spettmanns und Görlitzer Schrottimmobilien. Mehrere Gebäude wurden zuletzt von den Spettmanns im Namen des ominösen Römers ersteigert. Darunter die Bahnhofstraße 54. Als am 19. Mai der Verteilungstermin anstand, fehlte der Nachweis für die Überweisung der Kaufsumme. Es folgten wilde Spekulationen, wonach im Falle eines Betrugs die Stadt Görlitz auf den Kosten für Sicherungsmaßnahmen sitzenbleibt. Im Stadtrat klingt es eher nach Happy End: Der Betrag sei am 18. Mai an die Landesjustizkasse überwiesen worden. Die Summe soll nun an die Gläubiger gezahlt werden. Damit wären die Forderungen der Stadt Görlitz komplett ausgeglichen. Selbst wenn nicht gezahlt worden wäre: Die Stadt hätte dennoch Zugriff auf das Objekt behalten, erläutert uns ein Mitarbeiter. Paragraf 130 des Zwangsversteigerungsgesetzes regelt, in welcher Reihenfolge nach einem Zuschlag Eintragungen in einem Grundbuch erfolgen.

 

Fragestunde für Bürger

Die Bürgerfragestunde verliert an Anziehungskraft. Ende April gab es gar keine Frage. Jetzt ist es eine. Zwei Anwohner der Jahnstraße möchten wissen, ob man das Radfahren entgegen der Einbahnstraße an der Ecke Jahnstraße/Hohe Straße prüfen kann. Es sei sehr gefährlich für alle Seiten. Sie zweifeln generell an, dass solche Regeln gut für die Sicherheit seien. Bürgermeister Michael Wieler sagt, dass das keine Görlitzer Erfindung ist. Bundesweit wird Radverkehr gefördert, auch indem Radler einen Vorrang bekommen und Einbahnstraßen in beiden Richtungen nutzen können. Diese Lösungen wurden bislang positiv durch eine Verkehrskommission bewertet. Er sagt zu, den konkreten Hinweisen nachzugehen.

 

Fragestunde für Stadträte

Für die geplanten Baugrundstücke an der Ladenstraße in Weinhübel wird es komplizierter als gedacht. Wir erfahren, dass die Landestalsperrenverwaltung (LTV) Einwände erhoben hat. Es wird erwartet, dass künftig deutlich mehr Wassermengen bei Hochwasser auftreten. Am konkreten Standort wären es 80 Zentimeter bei einem sogenannten HQ100-Ereignis. (Das ist ein ziemlich hohes Hochwasser.) Es werden nun Maßnahmen diskutiert, um dennoch die Pläne umsetzen zu können. Kommwohnen als Eigentümerin hält daran fest, dass dort gebaut werden soll. Bis Jahresende veröffentlicht die LTV die neuen Modelle. Bis dahin wird es wohl keine Baugenehmigungen geben.

Der traurige Zustand der Stadtmauer an der Altstadtbrücke wird sich erstmal nicht verändern. Es gibt keine Fördermittel und im Haushalt klafft bereits ein riesiges Loch.

Zum Schlachthofgelände gibt es keine Neuigkeiten. Das Verkehrswertgutachten ist noch nicht fertig. Erst auf dessen Grundlage gibt es konkrete Verhandlungen zwischen dem Besitzer und dem bislang anonymen Kaufinteressenten. Für das Nostromo besteht derzeit keine akute Gefahr, so Bürgermeister Wieler.

Die Bürgerbeteiligung zum Verkehrskonzept wird wohl kleiner ausfallen als erhofft. Da es bislang keine Fördermittel für ein ausgewachsenes Format gibt, soll es „normale“ Beteiligungsveranstaltungen geben. Darüber „will man sich in der zweiten Jahreshälfte Gedanken machen.“

Ein Verkauf der Waage auf dem Untermarkt steht nicht zur Debatte. Bürgermeister Wieler erteilt einer solche Anfrage eine Absage – selbst wenn die Haushaltslage angespannt ist. Die Historie des Hauses sei zu wichtig. Das Rathaus möchte für das Gebäude eine Perspektive entwickeln, die langfristig trägt.

Wir haben auch ein paar Fragen. Jana Krauß möchte, dass der OB in öffentlicher Sitzung erklärt, warum die beschlossenen drei Millionen Euro für den Neubau der Oberschule nicht im aktuellen Haushaltsentwurf stehen. Der Beschluss vom April lautete: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, drei Millionen Euro für die Umsetzung ‚Bau einer neuen Oberschule‘ in das Haushaltsjahr 2023/24 einzustellen.“ Warum die Millionen nicht im Etat stehen, begründet der OB so: „Jetzt behandeln wir den Doppelhaushalt 21/22. Um es im Haushalt 21/22 sichtbar zu machen, hätte man einen Antrag stellen müssen auf Einstellung der Gelder in die mittelfristige Planung. Sie können das in der Haushaltsverhandlung nochmals tun. Sie kennen aber meine Position. Es würde uns nicht viel weiterbringen. Die Zahlen im Haushalt sehen auch nicht gut aus. Das würde die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts nicht verbessern, wenn wir das ZUSÄTZLICH aufnehmen. Überlegen Sie deshalb gut, ob Sie das machen wollen.” Eine verräterische Aussage. Sie macht klar, dass der OB einen mehrheitlich gefassten Beschluss mit einem billigen Auslegungstrick kassiert hat. Was unsere Fraktion davon hält, steht in einer Stellungnahme (https://fraktion-motor-gruene.de/wo-sind-die-oberschul-millionen/)

Andreas Kolley erkundigt sich neuerlich, wann wir endlich die Strandpromenade widmen wollen, um den Anrainern in Deutsch Ossig Baurecht zu ermöglichen. Zuvor sollte es einen Testbetrieb mit Parkscheinautomaten geben. Corona verhinderte das. Bürgermeister Wieler verweist darauf, dass im Technischen Ausschuss eine Variante vorgestellt wurde, wie die Strandpromenade künftig gestaltet werden soll. (Hier stehen wir mal wieder vor einem Dilemma. Da solche Informationen in letzter Zeit in nichtöffentlichen Sitzungen gegeben werden, darf ich nichts darüber erzählen. Transparenz?) Die Verwaltung möchte sich nun im Komplex mit den Fragen Parken und Widmung beschäftigen. Im übernächsten Technischen Ausschuss sollen wir informiert werden. Ich hoffe öffentlich.

Ich bringe eine Frage von Bürgern ein, die sich nach dem Fortgang der Arbeiten auf dem Senckenberg-Campus (Bahnhofstraße/Jakobstraße) erkundigt haben. Es sei lange nichts vorangegangen, heißt es. Die Verwaltung kann dazu keine Informationen geben, da es sich um eine sächsische Baustelle handelt. Eine Antwort wird nachgereicht.

Große Begeisterung gab es in der vergangenen Woche für das Kunstwerk an der Schenckendorff-Sporthalle. Es zeigt die Görlitzer Fußballstars Dixie Dörner und Michael Ballack bei der Arbeit. Da es Fragen gibt, ob man nicht weitere Görlitzer Sportler verewigen kann, gibt es Erläuterungen vom Rathaus. Beim Dörner-Ballack-Bild handelt es sich um temporäres, gestiftetes Kunstwerk. Anlass ist die Aufnahme der beiden Fußballer in die Hall of Fame. Das Wandbild hat inklusive Anbringung 10.000 Euro gekostet (da gestiftet keine Belastung für die Stadtkasse). Es wird in dieser Qualität etwa ein Jahr halten. CDU-Mann Matthias Urban, von dem heute nochmals die Rede sein wird, regt eine Arbeitsgruppe an, die verdiente Sportler auswählt. (Im Fraktions-Chat meldet Kollege Andreas Kolley Ansprüche auf ein eigenes Bild an. Er sei ein passabler Billard-Spieler, schreibt er. Er braucht nur einen passenden Ort. Danilo Kuscher schlägt direkt den Dicken Turm vor. Brüller.)

Wir kommen zu den Beschlüssen:

Spende für Davidstern

Wir nehmen dankbar eine Spende in Höhe von 70.000 Euro an. Sie ist offiziell „anonym“. Herzlichen Dank an alle, die ehrlichen Herzens Geld gespendet haben.

Görlitz tritt Gleichstellungscharta bei

Um es vorwegzunehmen: Dieses Abstimmungsergebnis ist ob der Zusammensetzung des Görlitzer Rates eine Sensation. Mit 18:17 Stimmen entscheidet sich der Stadtrat für den Beitritt von Görlitz zur „Europäischen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene“. Es ist ein Sieg der guten Argumente. Die Gleichstellungsbeauftragte Katja Knauthe kämpft wie eine Löwin und fragt die Skeptiker in den Reihen von CDU und AfD: „Welche Nachteile gehen davon aus?“ Auch der OB und die frisch gekürte Familienbeauftragte Ines Mory unterstützen das Vorhaben. Worum es geht, erklärt Geburtstagsfrau Kristina Seifert in einem Statement: „1.700 Kommunen in 35 Ländern sind der Charta seit 2006 beigetreten. Warum sollten wir das nicht tun? Weil wir nicht sicherstellen wollen, dass es gleichen Lohn bei gleicher Arbeit gibt? Weil wir keinen Handlungsrahmen für die Schaffung von mehr Gleichheit auf kommunaler Ebene benötigen? Weil es bei uns keine geschlechtsbezogenen Entgeltunterschiede gibt und wir in Politik und Wirtschaft ausreichend durch Frauen repräsentiert sind? Oder vielleicht existiert hier kein starres, in Familie, Medien, Arbeitswelt und Bildung herrschendes Stereotypdenken, welches die Ungleichheiten verstärkt?  Das sind nur wenige Beispiele für Bereiche, in denen wir Handlungsbedarf sehen. Als Kommune stehen wir den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten und können daher unmittelbar Maßnahmen ergreifen, die zu einer Verbesserung der Gleichstellung von Frauen und Männern führen. Wir würden von der Charta profitieren, die Aktions-Pläne ermöglichen uns eine Verbesserung des Ist-Zustandes sowie eine Beteiligung an einem Evaluationsprozess, um unsere Fortschritte zu beurteilen.“

Erwartungsgemäß gibt es sehr viel Gegenwind von rechts. Der Fraktionsvorsitzende der AfD fühlt sich an seinen Polit-Unterricht bei der NVA erinnert und möchte den Görlitzern Angst einjagen. „Diese Charta ist gefährlich.“ Aha. Sehr ausführlich begründet danach CDU-Stadtrat Urban seine Ablehnung. Es sei einfach zu viel zu tun, als dass wir uns jetzt mit einem Aktionsplan für Gleichstellung beschäftigen können. Zu wenig Personal. Zu wenig Geld. Sanierung und Bau von Schulen und Feuerwehr, die Anschaffung neuer Straßenbahnen, die Kosten für den ÖPNV insgesamt, das Ziel einer klimaneutralen Kommune bis 2030 – all das wird aufgeführt, um den Beschluss zu verhindern. Dass der Israel-Palästina-Konflikt und die unklare Situation der Deutschen Fußballnationalmannschaft vor der EM nicht ebenfalls angesprochen wurden, enttäuscht mich etwas. Am Ende ist es Urbans CDU-Fraktion, die die Abstimmung entscheidet. Einzelne Mitglieder haben eine eigene Meinung zum Thema. Und so kommt es zum sehr überraschenden Beitritt von Görlitz zur Charta. 18 x Ja, 17 x Nein, 2 Enthaltungen.

Neue Beiträge für Kita & Co.

Solche Beschlüsse fasst niemand gern. Die Elternbeiträge für Krippe, Kita und Hort müssen erhöht werden. Finanziert wird die Kinderbetreuung grundsätzlich durch den Freistaat Sachsen, die Stadt Görlitz und die Eltern. Zur prozentualen Beteiligung der Eltern gibt es eine rechtliche Vorgabe des Freistaates:

– Krippe (inkl. Kindertagespflege): mind. 15 bis 23 Prozent

– Kindergarten: mind. 15 bis 30 Prozent

– Kinder im letzten Kindergartenjahr und Hortkinder: max. 30 Prozent

Weil der alte Stadtrat 2019 (aus wahltaktischen Gründen?) keine Anpassung der Beiträge beschloss und die Kosten in den letzten Jahren explodiert sind, ist Görlitz bei den Krippen bereits unter die Mindestbeteiligung gerutscht (2019 lag der Elternanteil nur noch bei 14.9 Prozent). Hinzu kommt die Haushaltslage. Dementsprechend lautet das vorgegebene Ziel der Verwaltung: Eine Million Euro zusätzliche Einnahmen sollen erzielt werden. Dafür werden die Elternbeiträge neu festgesetzt. Grundlage ist die bereits 2017 beschlossene prozentuale Beteiligung an den Betriebskosten (20% Krippe/27% Kita/27% Hort). Dieser Ansatz wurde am Tag vor der Stadtratssitzung von einer Mehrheit im Verwaltungsausschuss auf 19/30/30 verändert (Beobachter vermuten, dass es eine Mehrheit aus CDU und AfD war – aber auch hier handelte es sich um eine nichtöffentliche Sitzung). Die Fraktion „Bürger für Görlitz“ bringt einen Alternativvorschlag ein: 17/28/30. Das deckt sich stark mit der Intention unserer Fraktion, die Beiträge für Krippenplätze nicht ganz so stark zu erhöhen. Jana Krauß erklärt in ihrem Beitrag: „Eine Erhöhung bei den Krippenplätzen trifft besonders diejenigen, die dabei sind, eine Familie zu gründen. Das sind die jungen Eltern, die wir gern hierbehalten wollen. Sie haben ohnehin durch Corona einen schweren Stand. Es ist klug, dass im Beschluss Prozente angegeben werden. Damit haben wir die Möglichkeit, jedes Jahr auf Grundlage einer Betriebskosten-Abrechnung nötige Anpassungen vorzunehmen. Damit gibt es keine so großen Sprünge mehr.“ Gleichzeitig holen wir das Thema aus der politisch aufgeheizten Haushalts-Diskussion heraus. Die ist auch diesmal zu verfolgen. Der Stadtrat verhakt sich. Linke wollen gar keine Kita-Beiträge, AfD eiert rum. Die CDU möchte den Beschluss des Verwaltungsausschusses umsetzen und das Maximum herausholen. Am Ende gibt es weder für den Vorschlag aus dem VA (20/30/30) noch für den der BfG (17/28/30) eine Mehrheit. OB Ursu ruft eine Pause aus und wirbt um einen Kompromiss. Dieser sieht so aus: Krippe 18%, Kita 29%, Hort 30%. Ein bisschen wie auf dem Basar, nicht wirklich eine Sternstunde aufgeräumter Stadtratsarbeit – aber eben ein Abbild gelebter Willensbildung in einer öffentlichen Sitzung. Eine große Mehrheit stimmt dem Kompromissvorschlag zu. Nächster Schritt: Die Satzung der Elternbeiträge wird im Juli mit den neuen Beiträgen beschlossen. Danach tritt sie zum 1.1.2022 in Kraft. Was heißt das in Zahlen? Wie viel kostet die monatliche Betreuung und wie hoch ist der Anstieg?

Krippe (9h): 231,85 €, Erhöhung um 40,46 €

Kiga (9h): 155,64 €, Erhöhung um 36,39 €

Hort (6h): 86,94 €, Erhöhung um 17,18 €

Die Absenkungssätze für Alleinerziehende und Geschwister bleiben bestehen. Wichtig zu wissen: Für Eltern mit wenig Geld springt das Sozialamt ein und übernimmt die Gebühr bzw. Teile davon. Dennoch ist es ein harter Beschluss, da er die Kosten auf einen Schlag enorm anhebt. Insofern macht es Sinn, regelmäßig die Gebühren an die Betriebskosten anzupassen.

Umrüstung Parkscheinautomaten auf GPRS

Dieser Beschlussantrag steht sinnbildlich für den Umgang des Rathauses mit Zukunftsthemen, aber auch mit seinem Stadtrat. Wir sollen 68.000 Euro vorzeitig freigeben, um unsere Parkscheinautomaten mit einem neuen GPRS-Modul auszustatten. Zur Begründung heißt es: Ein Großteil der derzeit 75 im Einsatz befindlichen Parkscheinautomaten wurde im Jahr 2002 beschafft. Die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung liegen bei etwa 700.000 € pro Jahr. Alle Parkscheinautomaten sind über Mobilfunknetz mit einem Steuerrechner vernetzt. Hierfür wird

das Datenübertragungsverfahren Circuit Switched Data (CSD) genutzt, welches zum Jahresende 2020 von den Mobilfunkprovidern aufgekündigt wurde. Damit kann der Parkscheinautomat nicht mehr mit dem Zentralrechner kommunizieren. Ist er voll oder defekt, merkt es niemand. Deshalb hat man zuletzt bereits Mitarbeiter der Stadtverwaltung für Kontrollfahrten eingesetzt. Abhilfe schaffen sollen Ersatzteile, mit denen die Automaten auf das Datenübertragungsverfahren General Packet Radio Service (GPRS) umgerüstet werden. Auch ein ganz alter Standard, der aber ausreicht und noch einige Jahre seinen Dienst tun soll, laut Netzbetreibern.

Über 900 Euro pro Ersatzmodul?  Unser Technik-Spezialist Danilo Kuscher fragt nach, ob man das nicht günstiger lösen kann. Im Internet finden sich Platinen zum Einbau für knapp 15 Euro. Geht nicht, sagt die Verwaltung. Es handelt sich um spezielle Ersatzteile für Parkscheinautomaten. Anderes könne man nicht verbauen. Kann es eine Kooperation mit den Stadtwerken geben? Die SWG betreiben ein eigenes Netz (LoRaWAN), das sich eignet, um Maschinen auszulesen und mit dem man auch Sensoren für eine Parkraumsteuerung einführen könnte. Wieder eine negative Auskunft von der Verwaltung: LoRaWAN decke nicht alle Gebiete ab, in denen Parkscheinautomaten stehen. Dann wird Druck aufgebaut. Es seien nur noch sehr wenige Ersatzteile verfügbar, erklärt uns die Verwaltung. Es geht um wenige Tage und Wochen, sonst gehen wir leer aus. (Ich hoffe, dass der zuständige Verwaltungsmitarbeiter nicht auf diesen Trick hereinfällt, wenn er seinen nächsten Urlaub bucht.) Alles nicht so richtig überzeugend. Zumal der Technische Ausschuss, als zuständiges Gremium für TECHNISCHE Lösungen gar nicht beteiligt wurde. Und obwohl die Thematik seit Mitte letzten Jahres im Rathaus bekannt war, gab es dazu keine Infos in den Ausschüssen. Nun, kurz dem angeblichen Ausverkauf aller Ersatzteile, wird mal wieder Druck gemacht. Kein feiner Umgang mit dem Stadtrat, aber leider fast schon Alltag. Danilo Kuscher stellt den Antrag, den Beschluss in die Ausschüsse zurückzuverweisen. Das hat keine Chance. Die große Mehrheit des Stadtrates möchte die 68.000 Euro in die alten Automaten sofort investieren. Geld, das für die bevorstehende Neuanschaffung von Parkgeräten fehlen wird.

Geld für Ortschaften und Stadtteile

Keine großen Diskussionen gibt es beim folgenden Beschluss. Aus dem Pauschalengesetz 2021 (was es nicht alles gibt) verteilen wir 70.000 Euro. 30.400 Euro werden für die Errichtung des Bürgerhauses Schlauroth verwendet. Dort sind die Baukosten gestiegen und der Eigenanteil an der Förderung erhöht sich entsprechend. Insgesamt 26.400 Euro teilen sich die Ortschaften Hagenwerder, Kunnerwitz und Ludwigsdorf auf (entsprechned Einwohnerzahl). Die städtischen Beteiligungsräume bekommen insgesamt 13.200 Euro. Das kommt obendrauf zu den Pro-Kopf-Zuweisungen, die die Bürgerräte verantworten.

Finanzielle Sicherheit für GVB

Das Beste zum Schluss: Die Görlitzer Verkehrsbetriebe werden auf finanziell sichere Füße gestellt. Es erfolgte eine Neuberechnung der „Sollkostenprognose“. Das ist vereinfacht gesagt eine Kalkulation bis 2028, die angibt, wieviel Geld die GVB benötigt, um den Nahverkehr in Görlitz zu betreiben. Davon gehen die Einnahmen der GVB ab. Das Delta schließt die Stadt. Für 2021 sind 3,1 Millionen Euro im Haushalt darzustellen. Noch bei der Gründung der Gesellschaft ging die Stadt davon aus, dass man mit rund 1,8 Millionen Euro pro Jahr auskommt. Hat ja beim Vorgänger VGG auch gereicht. Nur: Die VGG gehörte zum Veolia-Konzern. Viele Tätigkeiten, die die VGG im Rahmen dieser Struktur auslagern konnte, muss die GVB mit eigenem Personal selbst leisten. Hinzu kam ein Kaputtsparen der Infrastruktur. Es war dem Stadtrat offensichtlich nicht wichtig, in Gleisanlagen, Fahrzeuge, Haltestellen und Automaten zu investieren. Die Folgen sind überall sichtbar. Wer mehr als zehn Jahre einen Investitionsstau verursacht, darf sich über die hohen Folgekosten nicht beschweren.

Wir sehen unseren Nahverkehr auf einem guten Weg. Die Beschaffung neuer Niederflur-Stadtbahnwagen ist angeschoben, der Auftritt des Unternehmens positiv, ab August gibt es wieder die geliebte 4-Fahrten-Karte und mit etwas Glück wird ein großer Förderantrag für nötige Investitionen genehmigt, der den ÖPNV in Görlitz spürbar verbessern wird. Unser Dank geht an den kürzlich ausgeschiedenen Geschäftsführer Andreas Trillmich und das gesamte Team, die (nicht nur wegen Corona) unter sehr schwierigen Bedingungen einen erstklassigen Job gemacht haben. Bei fünf Enthaltungen der AfD wird der Beschluss einstimmig angenommen.

So endet diese Stadtratssitzung sehr positiv. Mit dem frühen Feierabend wird es freilich nichts. Die gelebte Demokratie fordert zeitlichen Tribut. Nach knapp fünf Stunden treten um 21 Uhr die Stadträte ihren Heimweg an.

 

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#16: 25.2.2021

Die Tagesordnung der Stadtratssitzung liest sich unspektakulär. Kein Kaufhaus, keine Oberschule, kein Nostromo. Die Knallerthemen fehlen. Und doch wird es eine bemerkenswerte Veranstaltung, die uns sehr viele Stellen aufzeigt, in denen es in Görlitz schon recht stark müffelt. Wo die Säge klemmt. Wir „Herausforderungen“ haben.

Haushalt hinter verschlossenen Türen

Die Aufregung beginnt für unsere Fünfer-Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne bereits weit vorher. Auslöser ist eine Sitzung des Verwaltungsausschusses am 17. Februar. Im nichtöffentlichen Teil informiert OB Ursu über die Eckdaten des Haushaltes 2021/22 und erste Einsparvorschläge der Verwaltung. Wir fragen uns, warum eine solch wichtige Information nicht öffentlich im Stadtrat vorgetragen wird, wie es die Sächsische Gemeindeordnung vorsieht? Eine entsprechende Bitte von uns lehnt der Oberbürgermeister ab. Daraufhin wollen wir im Stadtrat einen Antrag stellen, der uns von der Verschwiegenheit entbindet. Geht aus formalen Gründen nicht, erklärt uns das freundliche Rechtsamt fünf Minuten vor der Sitzung. Es fehlt ein passender Tagesordnungspunkt. Außerdem sei es völlig unüblich, so früh die Öffentlichkeit zu informieren. Zunächst würden Verwaltung und Stadtratsfraktionen hinter verschlossenen Türen gemeinsam Eckpunkte erarbeiten, erklärt uns der OB später in der Fragestunde. Nach unserer Auffassung untergräbt dieses Vorgehen die Beteiligung der Öffentlichkeit. Der Oberbürgermeister hat einen Haushaltsentwurf vorzulegen, inkl. Finanzplan bis 2025 und Investitionsplan. Das wird öffentlich ausgelegt, die Bürgerschaft gibt Anmerkungen und macht Vorschläge. Und erst dann beginnen die eigentlichen Haushaltsverhandlungen. Wenn das vorher schon alles weitestgehend „ausgehandelt“ ist, hat die Bürgerschaft wenig Chancen, das Konsenspaket nochmal zu öffnen. Wir werden auch weiterhin versuchen, das vom Gesetzgeber gewollte Öffentlichkeitsprinzip durchzusetzen.

 

Nun zur eigentlichen Sitzung: Eine nicht ganz unwichtige Vorlage muss bereits zum zweiten Mal runtergenommen werden. Der Vergabebeschluss für den Bau der Blockhausbrücke. Es gibt Schwierigkeiten mit dem Vergabeverfahren. Dadurch drohen weitere Zeitverzögerungen.

Weiteres Leuchtturmprojekt?

Es folgen Informationen zum sogenannten „Experimentierhaus“. Dieses hatte vor einem Jahr die CDU angeregt. Der OB sollte prüfen, ob man nach dem Vorbild von IQ-LANDIA Liberec und Technorama Winterthur einen ähnlichen Anziehungspunkt zum Lernen, Forschen und Staunen in Görlitz hinbekommen kann. Die konzeptionelle Arbeit wurde von der Hochschule Zittau/Görlitz übernommen. Vielen Dank für die große Kooperationsbereitschaft, denn auch schon bei Herrn Ursus Projekt „Filmakademie“ leistet im Wesentlichen die Hochschule die inhaltliche Arbeit.  Vorgestellt wird eine erste Konzeption von der Prorektorin Forschung Prof. Sophia Keil, die ein schönes Eingangsstatement gibt: „Unsere Zukunft liegt in den Händen der Kinder und die Zukunft der Kinder liegt in unseren Händen.“ (Das merken wir uns für später.) Einbetten soll sich das Experimentierhaus in einen Oberlausitzer Zukunftslernort mit zentralen und dezentralen Werkstätten für 13- bis 20-Jährige. Ins Gesamtkonzept fließt jetzt das „Experimentierhaus“ ein. 2023 könnte man in die Umsetzungs- und Bauplanung einsteigen. Der Hochschule schwebt ein futuristischer Neubau am Hochschulcampus an der Neiße vor, der Signalfunktion hat. Inhaltlich sollen die MINT-Fächer ein Schwerpunkt sein, es aber auch Angebote entlang der Hochschul-Studienfächer und der Filmakademie geben. Der Knackpunkt wird die Finanzierung. Wenn eine fundierte Planung mit Inhalten, Marktanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung sowie Erschließung von Finanzierungsquellen vorliegt, kann man sich intensiv damit auseinandersetzen. Ich verstehe jeden, der mit einem weiteren Leuchtturmprojekt fremdelt, während wir in Görlitz den Neubau einer dringend benötigten Oberschule nicht hinbekommen. Aber bleiben wir einfach optimistisch.

Nostromo vor der Rettung

Dass hin und wieder Wunder geschehen, eröffnet uns Bürgermeister Michael Wieler bei seinem Bericht zur Situation auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofes. Dort gab es ja die traurige Nachricht, dass dem Nostromo gekündigt wurde. Nachdem das Thema in den sozialen Medien durch den Schall & Rauch e.V. als Nostromo-Betreiber bekannt gemacht wurde, hat sich nun ein „Gönner“ gemeldet. Es liegt eine schriftliche Bereitschaftserklärung vor, das Gelände zu kaufen, der Stadt ein Vorkaufsrecht einzuräumen und dem Nostromo einen Nutzungsvertrag anzubieten. Das ist eine wunderbare Nachricht, die hoffentlich zu einem Happy End in dieser Angelegenheit führt. Das Nostromo-Team und seine vielen Unterstützer haben unter Beweis gestellt, dass es hilft, die Öffentlichkeit einzubeziehen.

Ebenfalls positiv: Herr Wieler hat nunmehr auch mit potenziellen Partnern über seine Idee gesprochen, auf dem Schlachthofgelände ein „Zivilschutzzentrum“ zu entwickeln (nachdem diese aus der Zeitung davon erfuhren). Landkreis und DRK haben demnach ihr Interesse erklärt. Auch hier steht und fällt aber alles mit der Finanzierung.

Gift für Tourismus

Die Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH ist in Görlitz für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Stadtmarketing zuständig. Die Geschäftsführerin Andrea Behr berichtet uns über die aktuelle Lage. Die Gästezahlen sind durch Corona 2020 um 40% eingebrochen. 2021 wird es nicht viel anders aussehen. Dadurch ist Görlitz auf den Stand von 2012 zurückgeworfen worden (Sachsen gar 2010). Das schlägt ins Kontor. Die EGZ hat errechnet, dass jeder Übernachtungsgast rund 130 Euro in der Stadt lässt. Tagesgäste im Schnitt 24 Euro. Fasst man alles zusammen, bescherten Touristen den Görlitzer Gewerbetreibenden 102 Millionen Euro Umsatz im Rekordjahr 2019.

Gewerbeflächen fast ausgebucht

Wirtschaftlich macht uns Andrea Behr Mut. Es gibt anhaltend viele Nachfragen von ansässigen Firmen, die sich erweitern wollen und von Unternehmen, die auf Standortsuche sind. 45 Ansiedlungsgespräche laufen derzeit. Wir brauchen Geduld, denn es vergehen nicht selten drei bis vier Jahre von der Anfrage bis zum Produktionsstart, wie z.B. bei Yellow Tec, wo es im vierten Quartal losgehen soll. Auch mit dem Zoll ist man seit vier Jahren im Gespräch. Jetzt schlägt die Bundesbehörde zu und siedelt sich im fast schon dem Tode geweihten Gewerbegebiet Nord-Ost in Klingewalde an. Stichwort Gewerbegebiete: Görlitz gehen die Flächen aus, fast alle Zipfel sind verkauft, auch in Schlauroth wird es bald voll sein. Heißt für uns: Neue Gewerbegebiete entwickeln gemeinsam mit anderen Kommunen, denn der Stadt Görlitz fehlen einfach Flächen. In jedem Fall braucht es dafür Geld im Haushalt, denn ohne Eigenmittel lässt nichts ausrichten.

Unstrukturierter Strukturwandel

Das Geld fehlt auch noch für einen „Nachhaltigkeitsmanager“. Eine Position, die das Ziel „Klimaneutrale Stadt“ koordiniert. Ein Förderantrag wurde jüngst abgelehnt, nun ist die EGZ auf der Suche nach weiteren Finanzquellen. Eine der heißesten Quellen ist der gut gefüllte Fördertopf für den „Strukturwandel“. In anderen Kommunen der Region gibt es bereits Koordinatoren, die nur dafür zuständig sind. In Görlitz hat die EGZ die größte Expertise und gute Kontakte, aber es fehlt bislang jede Struktur in der Stadtverwaltung. Wir erfahren, dass seit wenigen Tagen ein Koordinierungskreis für den Strukturwandel eingerichtet wurde. Das ist fast schon fahrlässiger Umgang mit Fördergeldern. Spätestens mit Veröffentlichung der begleitenden Förderprogramme zum Kohleausstieg hätte dieses Thema Chefsache sein müssen. Nun hoffen wir, dass nach dem sehr späten Start mit Volldampf gearbeitet wird. Der OB ist offenbar noch nicht warmgeworden mit dem Thema. „Wir ordnen die Anträge, die da sind“, ist seine Antwort auf meine Frage nach einer strategischen Koordination.

Unklarheit zur See GmbH

Ebenso unbefriedigend ist die Antwort von Herrn Ursu auf die Frage meines Kollegen Andreas Kolley. Nachdem Frau Behr das Thema Entwicklung des Berzdorfer Sees nur streift, möchte er vom OB wissen, ob er denn wie beschlossen im März seine angekündigte See GmbH vorstellt.  Antwort: „Wir arbeiten daran. Wenn alles klappt, bekommt es der Stadtrat im März vorgestellt. Wenn nicht, dann später.“ Es geht hier um einen gefassten Beschluss mit klarer Terminsetzung 1. Quartal. Der OB scheint das nicht sonderlich ernst zu nehmen.

Stress auf dem Wochenmarkt

In der Bürgerfragestunde brennt auch der Baum. Ein Imbissanbieter vom Wochenmarkt beklagt sich über die neuen Betreiber (Deutsche Marktgilde). Die Standmiete wurde von 35 Euro auf 60 Euro erhöht (die Stadt hat darauf keinen Einfluss). Bei schlechterem Service als unter Francois Fritz. So muss das Wasser jetzt von zuhause in Eimern mitgebracht werden. Der Gang zur Toilette ist auch eine kleine Weltreise und führt bis ins City Center. Echauffiert wird sich darüber im Stadtrat ausgerechnet von der AfD, die überhaupt erst Unruhe in die Wochenmarkt-Betreibung gebracht hat. Hoffentlich geht nach 20 Jahren Frieden nicht wieder der Dauerzoff auf dem Markt los.

Bürgermeister findet Containerlernen okay

Dann geht es um die Frage der Familienfreundlichkeit. Ein junger Vater schätzt ein, dass der unter Siegfried Deinege eingeschlagene Weg der familienfreundlichen Stadt verlassen wird. Aus seiner Sicht ist die geplante zeitliche Verschiebung des geplanten Neubaus einer Oberschule auf dem Schlachthofgelände (Richtung Rauschwalder Straße) nun die „Krönung“. Bereits jetzt seien die Schulen überlastet, müssen Kinder in Containern lernen. Er fragt nach den Prioritäten: „Wir kommen unseren Pflichtaufgaben nicht nach und bauen stattdessen eine Stadthalle?“ Erwartungsgemäß beschwichtigt OB Ursu. Man wolle weiterhin die Oberschule, der Bau werde nur etwas nach hinten geschoben. Wie viele Jahre sind eigentlich „etwas“? Bürgermeister Michael Wieler wiederum geht auf das Thema Container ein, die er als gar nicht so schlimm empfindet. „Die Container haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch. Ich will das nicht schönreden, aber man kann hier guten Gewissens von einem soliden Raumangebot sprechen.“

Ich frage an anderer Stelle bei Herrn Wieler nach, wie er denn zu einem solchen Sinneswandel kommt. Noch vor einigen Monaten wurden Container für die Zeit der Sanierung der Grundschule in Königshufen von Herrn Wieler und dem Schul- und Sportamt abgelehnt. Aus der Elternvertretung wurde mir das Zitat übermittelt: „Im Winter sehr kalt, im Sommer sehr heiß, der Boden ewig dreckig. Das ist unzumutbar für Schüler und Lehrer.“ Herr Wieler kann sich nicht erinnern, dass er jemals eine solche Äußerung gemacht habe. Dafür habe ich Verständnis, sein Wortanteil in jeder Sitzung ist sehr hoch. Da haben wir was gemeinsam – auch ich erinnere mich deshalb nicht an jedes Wort.

Im März will die Verwaltung jedenfalls beantragen, den Neubau der Oberschule offiziell zu verschieben. Thorsten Ahrens (Linke) regt eine digitale Bürgerversammlung dazu an, mit Lehrern, Eltern und Schülern der Görlitzer Oberschulen. Yvonne Reich (BfG) schlägt einen Vor-Ort-Termin vor, um sich die Bedingungen in Unterrichts-Containern anzuschauen.

Stöcker-Kaufhaus acht Jahre planlos

Zurück zur Bürgerfragestunde. Da ging es einmal mehr um die Planungen fürs Kaufhaus. Architekt Frank Vater vermisst einen konkreten Bebauungsplan, auf dessen Grundlage man auch mal Argumente austauschen kann. Wir erfahren, dass es keinen solchen B-Plan gibt, da Investor Stöcker bis heute keine konkreten Inhalte zugearbeitet hat, die in einen solchen Plan einfließen könnten. Ist es also das Görlitzer Rathaus, das das Kaufhaus-Projekt ausbremst? Herr Stöcker ist seit 2013 im Besitz des Kaufhauses und hat seitdem keine relevante Planung vorgelegt. Dass er dennoch schon einen Abrissantrag für die Häuser Postplatz 5/6 stellt, ist rechtlich möglich, gibt aber zu denken.

14 Ladesäulen und kein Konzept

Danilo Kuscher (Motor) erkundigt sich in der Fragestunde für Stadträte, wie es mit dem Mobilitäts- und Verkehrskonzept weitergeht, das uns seit vielen Monaten versprochen wird und ob sich Görlitz bemüht, mehr als die derzeit geplanten 14 Ladesäulen für E-Autos hinzubekommen. OB Ursu kündigt für April eine Bürgerversammlung an, in der Elemente aus dem Verkehrskonzept beredet werden können. Das Thema E-Mobilität bekommen wir demnächst im Technischen Ausschuss vorgestellt, aber Bürgermeister Wieler lässt schon durchblicken, dass er die Stadt hier nicht in einer verantwortlichen Rolle sieht. Das liege in unternehmerischer Verantwortung. Mag sein, aber wenn ich mit verschränkten Armen hinterm Schreibtisch sitze, wird sich das Thema nicht allein durch die Wirtschaft lösen. Wo sind die Strategien, die abgestimmten Pläne, die spürbare Lust auf Zukunft?

Kein Wasser für die Strandbar

Motor-Kollege Kolley meldet sich ein weiteres Mal zum Berzdorfer See. Nachdem mit erheblichem Verzug die Gewerbetreibenden in Deutsch Ossig ans Wasser angeschlossen sind, würden wir auch gern am Nordost-Strand einen Anschluss herstellen (z.B. für die Strandbar). Das ist aber nicht möglich, weil die Rohre nur bis zur Toilette am Rande des Nord-Ost-Strandes führen. Richtung Stadt gibt es keine Wasser- und Abwasserleitung. Na, sowas aber auch… Blöd nur, dass es ab Juli neue Richtlinien für Gastronomen gibt, die den Verkauf von Speisen und Getränken in Einweggeschirr untersagen. Ich hätte es prima gefunden, wenn Herr Ursu oder Wieler zumindest erklärt hätten, dass sie sich des Themas annehmen und nach Lösungen suchen.

Trauriger Umgang mit Engagierten

Diese dezente Unlust an Kommunikation und Hilfsbereitschaft bekommt auch Gabi Kretschmer (CDU) zu spüren. Sie ist rührige Unterstützerin des Projektes „Deutsch-Polnische Kinder-Stadt“. In diesem Sommer fällt der Termin mit den Festivitäten „950 Jahre Görlitz“ zusammen. Damit fürchtet Gabi Kretschmer, dass die Ausrichtung im Stadthallengarten nicht möglich ist. Entsprechende Briefe ans Rathaus blieben allesamt unbeantwortet. „Die liegen bei mir“, sagt Bürgermeister Wieler und begründet, dass er noch nicht soweit mit den Planungen sei, um sagen zu können, was geht und was nicht. Das kann passieren. Aber hatte der Bürgermeister keine Zeit für ein Telefonat, eine kurze E-Mail, ein Randgespräch während einer Sitzung, um einer Stadträtin und engagierten Görlitzern zumindest diese Zwischeninfo zu übermitteln? Wie traurig.

Zum Ende der Fragestunde ist es bereits 19 Uhr. Nach einer kurzen Pause geht’s mit den Beschlüssen los, von denen ich einige vorstelle.

Badebetrieb am Berzi gesichert

Wir beschließen die vorzeitige Freigabe von 200.000 Euro für die Badesaison 2021 am Berzdorfer See. Davon werden u.a. Ordnung und Sicherheit bezahlt aber auch die Badeaufsicht. Leider wird mit der Begründung „Corona“ weiterhin die Entwicklung gehemmt. Die Widmung der Straße nach Deutsch Ossig ist nicht in Sicht und damit auch kein Baurecht für Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende. Positive Info: Wahrscheinlich bekommen wir noch im März Informationen zur alternativen Verbindungsstraße nach Deutsch Ossig, die unterhalb der Bahnstrecke verlaufen soll. Dadurch könnten wir den Verkehr von der Promenade entfernen – die Strandstraße stünde somit den Kindern und Familien, den Sportlern und Spaziergängern zur Verfügung. Wir sind gespannt. Bis dahin müssen sich wohl alle mit der Situation der letzten Jahre arrangieren.

Stadtwerke retten Feuerwehr

Mixed Emotions gibt es beim Thema „Neubau eines Feuerwehrhauses Innenstadt“. Wir freuen uns natürlich, dass nun endlich die Kameradinnen und Kameraden der Ortswehren Stadtmitte und Klingewalde/Königshufen ein modernes Domizil bekommen. Es entsteht auf der Cottbuser Straße zwischen Hammer-Markt und der alten Oberschule und reicht bis an die Weiße Mauer. Damit endet ein zwölfjähriger Kampf positiv. Nicht so lustig sind die Kosten und wie sie zustande kamen. In Kurzfassung: Im Brandschutzbedarfsplan 2016 wurde eine Variante mit sechs Stellplätzen (danach richtet sich die Größe) auf 2,4 Mio Euro beziffert. Beim Grundsatzbeschluss zum Bau im Jahr Mai 2019 wurde das Vorhaben bereits mit 2,9 Mio taxiert. Im Haushalt wurden aber lediglich 2,3 Mio eingeplant. Der Neubau kostet nun 4,9 Mio Euro. Einige Kostensteigerungen liegen am größeren Raumbedarf (wegen der erfreulicherweise gestiegenen Anzahl an freiwilligen Feuerwehrleuten) und einer Waschhalle, die neu hinzukam. Es bleibt aber beim unschönen Gefühl, dass von Beginn an in Kauf genommen wurde, dass das geplante Geld nicht reichen wird.

Weil nun rund zwei Millionen Euro im Stadtsäckel fehlen, springen die Stadtwerke Görlitz ein. Sie kaufen Aktienpakete vom 24,9%-Gesellschafter Görlitz zurück, wodurch die Stadt zwei Millionen für die Feuerwehr bekommt. Der zweite Gesellschafter Veolia hält 74,9% der Aktien. Um das Verhältnis zu wahren, muss die SWG auch von Veolia Aktien zurückkaufen – hier im Wert von sechs Millionen Euro. Insgesamt wird durch diese Nothilfe den Stadtwerken also acht Millionen Euro Liquidität entzogen. Aktuell noch nicht dramatisch, erklärt SWG-Vorstand Matthias Block. Aber es ist dennoch schmerzhaft.  Der Aktienrückkauf beeinträchtigt das Geschäft der SWG möglicherweise bei künftigen Kreditaufnahmen. Die Eigenkapitalquote sinkt von 42,6% auf 38,6%. Alarmierend wird es bei unter 35%. Dann würde das operative Geschäft leiden, auch die Gewinnausschüttung wird dann geringer ausfallen. Ob das Modell mit dem Aktienrückkauf rechnerisch überhaupt aufgeht, muss ein Wirtschaftsgutachten ermitteln. Denn maximal zehn Prozent des Gesamtwertes der Aktiengesellschaft können zurückgekauft werden. Der Wert soll nun genau bestimmt werden, erst dann gibt es Sicherheit. Die Stadtverwaltung sieht aber keine Gefahr und verzichtet auf die Anregung von meiner Fraktionskollegin Dr. Jana Krauß, den Beschluss unter einen Finanzierungsvorbehalt zu stellen. Danilo Kuscher und ich kritisieren die unseriöse Haushaltsplanung der Vorjahre, wofür wir Unverständnis ernten. Bürgermeister Wieler erklärt, das sei die Haushaltslogik. Wenn zu knapp geplant werde, liegt das an den Ratsfraktionen, die ihre Projekte unterbringen wollen. (Genau dieses Vorgehen möchte die Verwaltung weiterhin praktizieren – oder warum werden die neuen Haushalts-Eckdaten hinter verschlossenen Türen verhandelt?)

Freuen wir uns aber nun mit den Feuerwehrleuten und wünschen dem Bau gutes Gelingen. So sehen es am Ende alle Stadträte, die geschlossen zustimmen. Ebenso einstimmig wird die Errichtung eines Davidsterns in seiner ursprünglichen Größe auf der Synagoge beschlossen. Die nötigen 70.000 Euro soll der Oberbürgermeister über Förderer oder Sponsoren beschaffen.

Zwischenlösung für Stadtrundfahrten

Ein heiß diskutiertes Thema in der letzten Saison: Wohin mit den Stadtrundfahrten? Nachdem sich die Anbieter am Obermarkt im Wildwuchs vermehrten, musste eingegriffen werden. Leider bevorzugte OB Ursu zunächst einen Alleingang und machte das Kuddelmuddel noch schlimmer. Vorgesehen waren zusätzliche Abfahrtstellen am Untermarkt und Klosterplatz. Auf der abschüssigen Fleischerstraße sollten die Pferdekutschen stehen. Motor Görlitz/Bündnisgrüne forderte daraufhin die Untersuchung von Alternativen. So kam das Thema überhaupt erst in den Stadtrat. Weil die Verwaltung bei ihrer Vorlage blieb und sich die anderen Fraktionen (noch) nicht für unseren „großen Wurf“ erwärmen konnten, alle Anbieter zentral am ehemaligen Busbahnhof Demianiplatz abfahren zu lassen, musste ein Kompromiss her. Diesen fanden wir gemeinsam mit CDU und BfG. Für eine Saison gibt es nun folgende Abfahrtstellen am Obermarkt: Dreifaltigkeitskirche, vor dem Napoleonhaus (wo bislang die Kutschen standen) und vor der Staatsanwaltschaft. Außerdem kommen E-Mobile auf die benachbarte Fleischerstraße und Kutschen an den Kaisertrutz. Diskussionen gab es auch zu den Gebühren. Die Verwaltung wollte die gewerbliche Nutzung der öffentlichen Flächen quasi verschenken. 100 Euro im Monat sollte es maximal kosten. Wir orientierten uns an den Kosten, die andere Gewerbetreibende für die Sondernutzung zahlen müssen und schlugen zunächst einen Euro pro Tag je Quadratmeter Fläche vor. Wegen der schwierigen Lage derzeit gibt es diese Saison einen Einstiegspreis von 70 Cent je Quadratmeter. Kutschen zahlen 14 Cent. Damit kostet der Platz vor der Dreifaltigkeitskirche im Monat gut 1.400 Euro. Klingt viel? Erinnern wir uns an den Händler vom Wochenmarkt. Er zahlt für 25 Markttage 1.500 Euro. Auch jeder Gastronom blecht für Stühle und Tische im öffentlichen Raum. Bislang wurden übrigens gar keine Gebühren erhoben.

Für unsere Fraktion betont Jana Krauß, dass es sich nur um eine Zwischenlösung handelt. Es muss im Sommer wieder auf die Tagesordnung. Es wäre prima, wenn es dann zu einer gemeinsamen Klausur von Verwaltung und Fraktionen zu dem Thema kommt. Eine große Mehrheit befürwortet schließlich den Vorschlag von CDU, BfG und Motor/Grüne, der damit für diese Saison gilt.

Henne oder Ei?

Am Ende des öffentlichen Teils beschäftigen wir uns mit dem AfD-Antrag „Smartphone App für den Innenstadthandel“. Der OB soll beauftragt werden, mit Händlern und Händlervereinen eine AG „Smartphone App für den Innenstadthandel“ zu gründen. Mit dem Ziel, eine solche App konzeptionell zu entwickeln. Unsere Fraktion erkennt die Bemühungen an, den lokalen Einzelhandel zu unterstützen. Allerdings lehnen wir den Antrag ab. Die dezidierte Beauftragung, eine Smartphone App zu entwickeln, würde eine browserbasierte Anwendung ausschließen, die heutzutage deutlich verbreiteter ist. Neben dieser inhaltlichen Unstimmigkeit ist der Antrag abzulehnen, weil es nicht Aufgabe des Oberbürgermeisters ist, einen Arbeitskreis mit Gewerbetreibenden zu bilden, um ein Produkt zu entwickeln, für das es am Markt bereits Anbieter gibt. Auch auf regionaler Ebene findet der Görlitzer Einzelhandel leistungsstarke Partner, die eine Online-Plattform entwickeln und programmieren können. Die eigentlich zu behandelnde Thematik ist ein Digitalisierungskonzept, auf dessen Grundlage ein zeitgemäßer städtischer Internetauftritt entsteht. Unter diesem großen Dach sollen sich Anwendungen wie ein Onlinehandelshaus, Ticketverkäufe, Hotelbuchungen, Gaststättenreservierungen u. ä. finden. Hierfür sind entsprechende gedankliche Vorarbeiten nötig. Einen Antrag dazu hat unsere Fraktion bereits im September 2020 gestellt und auf Wunsch des OB vertagt, um zunächst eine Information zum bisherigen Arbeitsstand in Sachen Digitalisierung von der Verwaltung zu bekommen. Dies ist am 23. Februar erfolgt. Aus den Informationen haben wir entnommen, dass Görlitz in der Tat eine Strategie für digitale Anwendungen benötigt. Entsprechend werden wir unseren Antrag im März wieder einbringen.

Mit diesem Blick nach vorn, bedanke ich mich für die grenzenlose Geduld und ausdauernde Aufmerksamkeit, liebe Leserin, lieber Leser. Bleibt gesund und fröhlich.

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#8: 28.5.2020

Es ist ein angenehmes Gefühl auf dem Weg zur Sporthalle an der Jägerkaserne. Es riecht nach Neuanfang. Die tags zuvor bekannt gegebene Trennung der Bündnisfraktion ist eine Befreiung für beide Seiten. Jetzt können die Bürger für Görlitz und unser Team Motor Görlitz/Bündnisgrüne in ihrem eigenen Tempo arbeiten. Inhaltlich gibt es viele Gemeinsamkeiten, die werden gepflegt. Und so manche Ehepartner wurden ja erst nach einer Scheidung zu besten Freunden. Die Mai-Sitzung läuft aber noch als Bündnisfraktion, weil wir uns offiziell erst zum Monatsende trennen.

Die Sitzung beginnt mit einer Überraschung. Thomas Leder (CDU) beendet nach 30 Jahren im Stadtrat seine kommunalpolitische Arbeit. Die Mai-Sitzung ist seine letzte. Die CDU-Fraktion ist offensichtlich nicht eingeweiht, nur der OB hatte die Information vorab bekommen. Damit bleibt sich Thomas Leder treu, denn er war nie ein Teamplayer, wie CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg launig kommentiert. Überraschung also gelungen. Der Sitzungssaal erhebt sich und applaudiert für 30 Jahre Durchhalten. Ich ziehe meinen Hut – bei allen inhaltlichen Unterschieden, so lange muss man dieses Ehrenamt erstmal ausfüllen. Der Nachfolger wird ein Neuling. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Matthias Schöneich. Einer der vielen guten und frischen Kandidaten, die die CDU aufgestellt hatte – von denen es aber niemand in den Rat schaffte.

Nach dem Einstieg in die Tagesordnung berichtet der OB über die aktuelle Corona-Lage. Es ist glücklicherweise ruhig, in Görlitz gibt es seit über zwei Wochen keine Infektionsfälle. Unschön ist dagegen die Situation auf den Straßen ob der Grenzstaus. Hier hat Octavian Ursu gute Nachrichten: Nach mehrfachen Bemühungen geht Warschau auf die deutsche Seite zu und schafft Entlastung. Der Grenzübergang Hagenwerder wird von Freitag bis Samstag 22 Uhr zusätzlich geöffnet. Das freut auch meine Mitstreiter von Motor/Grünen, mit denen ich nach dem Himmelfahrts-Verkehrschaos an OB Ursu geschrieben hatte, um eine Wiederholung dieser Zustände zu verhindern.

Freude auch darüber, dass der OB (endlich) über die Corona-bedingten Auswirkungen auf den Haushalt berichten lässt. Die Kämmerin Birgit Peschel-Martin prognostiziert aktuell Ausfälle von 5,2 Millionen Euro bei der Gewerbesteuer, 2 Millionen Verlust bei der Einkommenssteuer aber auch 300.000 Euro mehr an Umsatzsteuer. Macht unterm Strich ein Minus von 7 Millionen Euro. Die Stadt geht davon aus, dass man aus dem Hilfsprogramm des Freistaates Sachsen etwa 4 Millionen Euro bekommt. Zusätzlich wird eine Rücklage von rund 1,5 Millionen Euro aufgelöst. Und der Bund plant ebenfalls ein Programm für Kommunen. Mit etwas Glück könnten somit die Steuerausfälle für 2020 ausgeglichen werden. Das wäre wünschenswert, damit wir Spielraum haben für Zukunftsinvestitionen. Allerdings sind das nur aktuelle Prognosen, sie betreffen lediglich 2020 und es sind nur Aussagen zu Steuerausfällen. Welche weiteren Baustellen uns Corona noch einbringt, zum Beispiel durch Verluste bei den Beteiligungen, den städtischen Unternehmen und Einrichtungen – dazu will sich der OB erst in einer nächsten Sitzung äußern.

Vom Berzdorfer See gibt es zunächst gute Nachrichten: Die Rettungsschwimmer-Kampagne in Polen war erfolgreich. Mit Anzeigen und Radiospots hat Görlitz geworben. Bürgermeister Wieler berichtet, dass es zwölf heiße Kandidaten gibt. Es wird eine Kooperation mit der polnischen Wasserwacht angestrebt, mit der man ein Modellprojekt in dieser Saison durchführen möchte. Unterstützt vom DRK, das den Einsatz operativ plant und führt. Ab 15. Juni soll die Badesaison eröffnet werden. Zunächst mit Corona-Regeln, also auch Mindestabständen. Diese Vielfalt an Regelungsbedarf hat die Stadtverwaltung veranlasst, bei der Bewirtschaftung eine Rolle rückwärts zu machen. Ursprünglich sollte 2020 ein Park-Konzept mit Parkautomaten ausprobiert werden. Nun kündigt Dr. Wieler an, dass man wie in den Vorjahren einen Sicherheitsdienst einsetzt, der an der Einfahrt kassiert und am Strand für Ordnung sorgt. 2021 soll dann erst das neue Konzept erprobt werden. Meine besorgte Frage, ob damit die Widmung der Strandpromande auch 2021 nicht erfolgt, was zur Folge hätte, dass es keine bauliche Entwicklung gibt und auch die Reste Deutsch Ossigs weiter verfallen, kommentiert der Bürgermeister knapp: Das sei Sache des Stadtrates. (Ich hoffe sehr, dass CDU und AfD die Entwicklung nicht ein weiteres Jahr blockieren. Für Baurecht braucht es eine gewidmete, also öffentliche Straße als Zuwegung. Die ursprünglich beschlossene Widmung wurde mit Mehrheit von CDU und AfD im April wieder kassiert.)

In der Fragestunde für Stadträte geht es quer durch den städtischen Gemüsegarten. Wir erfahren:

Für die 950-Jahr-Feier im nächsten Jahr gibt es 94 Projektvorschläge aus der Bürgerschaft. „Wir sind Görlitz“ ist das Motto unter dem sich die Görlitzerinnen und Görlitzer bei der Gestaltung des Stadtjubiläums einbringen können. Dass trotz Corona knapp 100 Vorschläge für den Projektwettbewerb beim Aktionskreis für Görlitz e.V. eingingen, ist ein tolles Ergebnis der engagierten Vereinsarbeit.

Auf dem neuen Oberschul-Campus soll zusätzlich „Produktives Lernen“ integriert werden. Ich applaudiere innerlich – genau richtig, um junge Leute in der Berufsorientierung zu stärken und frühzeitig praktische Erfahrungen zu ermöglichen. Dafür müsste allerdings die Planung leicht verändert werden, wofür es wiederum die Zustimmung des Kultusministeriums braucht. Die Fertigstellung dürfte sich entsprechend verzögern. Aber es gibt ja einen guten Grund.

Nicht sehr ergiebig sind die Antworten auf Fragen aus unserer Gruppe Motor/Bündnisgrüne. Jana Krauß erkundigt sich zum Wochenmarkt. Aus der Presse war zu entnehmen, dass die Pacht aufgrund der Corona-Krise nicht mehr zu leisten wäre. Ob Verwaltung und Pächter dazu im Austausch seien, wurde nicht konkret beantwortet. Der OB versicherte lediglich, „dass der Markt nicht in Gefahr“ sei.

Danilo Kuscher erkundigte sich nach konkreten Projekten, die mit Hilfe von Strukturfördermitteln umgesetzt werden könnten. Der OB verweist auf die ausstehenden Bundesgesetze, die noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Erst dann sei der Rahmen klar, was überhaupt gefördert werde, meint Herr Ursu. (Hoffentlich hat er nur gepokert und es liegt längst etwas in der Schublade, sonst wird die Zeit knapp.)

Eine zweite Frage vom Motoristen Kuscher drehte sich um die beabsichtigte Ansiedlung eines Wettbüros im ehemaligen Lolos in der Theaterpassage. Die SZ hatte berichtet, dass die Stadt Görlitz eine Genehmigung erteilen wollte, das zuständige Land aber abgelehnt hat, weil es keinen Mindestabstand von 250 Meter zur nächsten Schule gibt. Warum die Stadt denn überhaupt eine Genehmigung für ein Wettbüro in dieser innenstädtischen Lage gegeben habe, war nun die spannende Frage. Bürgermeister Wieler gibt sich unwissend, will auch den Bericht nicht gelesen haben. (Ist eine tägliche Presseschau nicht wichtig für einen Bürgermeister?)

Nach Anfragen von Bewohnern der Nikolaivorstadt möchte ich wissen, ob man Anwohnerparken in diesem Viertel einrichten könne. Nein, sagt die Verwaltung. Es gebe ohnehin zu wenig Parkplätze und die dürfe man nicht ausschließlich Anwohnern zur Verfügung stellen. Ob das vermehrte Parken in der Nikolaivorstadt möglicherweise damit zu tun habe, dass die Autofahrer die Gebühren für den neuen Parkplatz an der Sporthalle Jägerkaserne sparen wollen, bejaht Herr Wieler. (Wieviel Sinn macht ein gebührenpflichtiger Parkplatz, wenn man ringsum gratis stehen kann?) Eine ausführliche schriftliche Antwort kommt noch. Ich habe Witterung aufgenommen und bleibe dran.

In der Beschlussfassung geht es dann zunächst um die Hauptsatzung. Das ist quasi die kommunale Verfassung. Es gibt viele Änderungsanträge von LINKE und AfD. Der Großteil wird abgelehnt. Bedenkliche Ausnahme: Es gibt ab sofort keine Integrationsbeauftragte mehr. Brauchen wir nicht, sagt die AfD. Bis auf zwei Enthaltungen stimmt die komplette CDU-Fraktion dieser Geisteshaltung zu. Ist schon „neue Normalität“ im Görlitzer Stadtrat. Am Ende geht die Hauptsatzung mit großer Mehrheit durch.

Danach beschließt der Stadtrat, dass in die Ausstattung der Feuerwehr kräftig investiert wird. Von Atemschutztechnik über Fahrzeuge und ein Rettungsboot bis zu einer neuen Küche für die Feuerwache. Die nötigen 900.000 Euro waren ursprünglich für den Neubau der Feuerwehr Innenstadt geplant. Der verzögert sich. Deshalb wurde umgeschichtet. Für 2022 wird dann das Geld für das Feuerwehrhaus wieder im Haushalt geplant. Bedeutet: Ein Batzen Kohle für Investitionen ist verplant.

Bereits zum Neujahrsempfang hatte OB Ursu das Projekt „Filmakademie“ als eines von sieben Zukunftsprojekten vorgestellt. Nun sollen wir in einem Grundsatzbeschluss grünes Licht für die Idee geben. Es geht darum, dass sich in Görlitz eine Akademie ansiedelt, die eine filmspezifische Weiterbildung für handwerkliche, aber auch kaufmännische Berufe anbietet. Das erhöht die Chancen, Dienstleister für Bühnenbau, Ausstattung, Requisite, Kostüm, Filmcatering und Lichttechnik anzusiedeln. Der OB geht auf drei Vorschläge unserer Fünfer-Gruppe ein: Der ursprüngliche Arbeitstitel „Sächsische Fimakademie“ verliert das eingrenzende „sächsisch“. Das zugrundeliegende Konzept wird noch weiterentwickelt. Und das Projekt soll in die Entwicklungsstrategie „Lausitz 2050“ mit einfließen, um die Chancen auf Strukturfördergelder (siehe oben) zu verbessern. Die Konsensfindung mit dem OB war an dieser Stelle sehr angenehm.

Hoch her geht es zum Abschluss bei der Frage, ob der neugestaltete Teil „An der Frauenkirche“ zukünftig „Platz der friedlichen Revolution“ heißen soll. Nach einer intensiven Debatte zieht der OB die Vorlage zurück, um eine Kampfabstimmung zu vermeiden. Das wäre tatsächlich ein schlechtes Signal. Persönlich empfinde ich politisch motivierte Benennungen seit Fahnenapppellzeiten als schwierig. Ich wünsche mir auch zeitgemäße Erinnerungskultur, die über ein Straßenschild hinausgeht. Insofern habe ich große Sympathie für den Vorschlag von Stefan Bley, einem sehr liebgewonnenen Kollegen aus der Bündnisfraktion. Er wünscht sich ein Kunstwerk an dieser Stelle, dass die Wendezeit in den öffentlichen Raum holt. Und schlägt vor, dass die Bürger gefragt werden, ob sie denn überhaupt einen neuen Namen an dieser Stelle wünschen. Wir haben nun mindestens einen Monat Zeit, um über diese Ideen nachzudenken.

Euch allen eine schöne Pfingstzeit.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog#7: 30.4.2020

Zweite Stadtratssitzung im Corona-Modus. Wieder in der Sporthalle an der Jägerkaserne. Diesmal aber in voller Besetzung. Plus max. 25 Bürger. Plus Verwaltung. Wir gehen Richtung Normalität. Mit Masken und Stadtpolizisten am Eingang.

Informationen des Oberbürgermeisters. Er berichtet über die enge Zusammenarbeit mit seinem Zgorzelecer Amtskollegen Rafal Gronicz, über gemeinsame Auftritte im polnischen TV. Gut gemacht, Herr Ursu. Diese Aktionen haben mitgeholfen, dass viele polnische Pendler endlich wieder Familie und Arbeit haben dürfen. Es folgen weitere Infos zu Corona. Museen, Bibliotheken und Tierpark öffnen ab Montag. Die Verwaltung will ab Mittwoch wieder Bürger reinlassen. Der Markt soll bald auf den angestammten Platz zurückkehren. Hoffnung für die Segler am Berzdorfer See und die Vereine am Flugplatz: Mit entsprechenden Hygienekonzepten könnten sie bald wieder loslegen. Baden am Berzdorfer See dürfen wir aber noch nicht. Die Stadtverwaltung müsste die Abstandsregeln am Strand überwachen. Wer soll das leisten?

Möglicherweise dauert es ohnehin noch länger, bis im Norden des Sees wieder geplanscht wird. Aufgrund einiger Urteile ist die Rechtslage kompliziert. Es sieht so aus, als braucht man generell an öffentlichen Badestellen Rettungsschwimmer. Sonst kann jeder Badeunfall juristische Folgen für das Rathaus haben. Der OB bedauert, dass es immer weniger Eigenverantwortung gibt. Damit hat er prinzipiell Recht. Dass es an den Görlitzer Strandabschnitten keine Rettungsschwimmer gibt, hat damit nichts zu tun. Wer Familien mit kleinen Kindern an ein nicht ungefährliches Gewässer einlädt, einen Spielplatz in unmittelbare Nähe zum Wasser baut, für den sollte der Schutz der Badegäste dazugehören. Die Stadtverwaltung möchte nun kurz vor der Saison hauptamtliche Rettungskräfte anwerben und einstellen. Wo das Geld dafür herkommt, wird nicht gesagt. Auch nicht, als mein Fraktionskollege Danilo Kuscher sich erkundigt, wer die 250.000 Euro Corona-Verlust des Tierparks ausgleicht. Der OB erklärt lediglich, dass alle Gehälter und laufenden Kosten nicht gefährdet seien und es keine Engpässe gebe. Offen ist auch, woher die rund 1,2 Millionen Euro für die Landheimschule kommen sollen, nach der sich ein Bürger erkundigt. Sie soll als Ausweichschule ertüchtigt werden, wenn es zu nötigen Modernisierungen an Bildungseinrichtungen kommt. Dafür gibt es aber keine Förderung.

Die Corona-Krise scheint am Görlitzer Rathaus komplett vorbeizugehen. Der Oberbürgermeister verliert von selbst kein Wort über die aktuell erkennbaren und potenziellen Auswirkungen. Während in Zittau und vielen anderen Städten bereits Haushaltssperren ausgerufen wurden und in den meisten Kommunen die Bürgermeister selbstverständlich ihre Räte über voraussichtliche Steuerausfälle informieren, schweigt der Görlitzer OB. Erst auf Frage von Mirko Schultze (Die Linke) muss er ran. Zu Einnahmeverlusten sagt er sinngemäß: Es handelt sich um einen laufenden Prozess. Er ist der Überzeugung, dass der Wunsch in der Bevölkerung besteht, dass weiter investiert wird und er geht von einem Schutzschirm für die Kommunen aus. Die Zahlen werden ständig bewertet, aber er hat sie gerade nicht zur Hand. Wie viele Betriebe die Gewerbesteuerzahlung bereits ausgesetzt haben, will er den Stadträten zunächst nicht verraten. Angeblich Steuergeheimnis. Nach kurzer Rücksprache mit Bürgermeister Wieler rückt er dann die Zahl raus: 17 Betriebe haben bislang die Steueraussetzung beantragt. Klingt nach wenig. Wenn es aber die großen Unternehmen sind, die im Wesentlichen für unsere Gewerbesteuereinnahmen sorgen, dann ist es sehr viel.

Ich frage etwas später nach, ob denn die Kämmerin Birgit Peschel-Martin dem OB eventuell helfen könne mit den Zahlen zu den finanziellen Folgen der Krise. Auch von ihr keine Zahlen. Aber deutliche Worte: Wir können derzeit alle Kosten begleichen, die im normalen Betrieb anfallen. Aber es wird zu erheblichen Einnahmeausfällen kommen, durch ein Minus bei Gewerbesteuer, Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Mit entsprechenden Auswirkungen auf den Ergebnishaushalt. (Das ist der Teil des Haushalts, mit dem wir in der Stadt gestalten können.) Sie sagt außerdem, dass fast täglich weitere Betriebe Antrag auf Gewerbesteueraussetzung stellen. Wir gehen also gewarnt in die Beschlussfassungen. Hier greife ich mir die drei knackigsten Themen raus – der Text ist ja schon wieder viel zu lang.

Grünflächensatzung: Viele Wochen lang diskutiert. In unendlich mühsamer Arbeit von OB und Ämtern mit den Bürgern in Diskussionsrunden besprochen. Danach kam das Papier zweimal in den Technischen Ausschuss. Dennoch wird in der Stadtratssitzung nochmal ein Fass aufgemacht. AfD und Helmut Goltz (CDU) überbieten sich bei ihren Verbotsforderungen für den Wilhelmsplatz. Herr Goltz spricht sich für ein komplettes Verbot jeglichen Ballspielens aus. Dass man damit insbesondere junge Familien trifft, die die CDU so sehr im Blick hat – egal. Die AfD will „Ballsportarten mit Mannschaftscharakter“ verbieten. Was das denn alles umfasse und wer das denn bewerten soll? Keine Idee. OB Ursu schlägt als Kompromiss vor, dass es verboten wird, Fußball als Mannschaftssport zu spielen. Klingt auch komisch, ist aber klarer formuliert. Ein Hin und Her in der Debatte. Und niemand hört auf den Fachmann. Herr Freudrich vom Grünflächenamt erklärt mehrfach: Der Wilhelmsplatz ist bereits seit langem eine Liegewiese, auf der Hunde verboten sind. Ballspiel indes habe bislang zu keinen Schäden an den Rabatten geführt. Egal: Irgendein Verbot wird beschlossen, es ist eine AfD-Formulierung, die ich mir nicht merken konnte. Die CDU stimmt mit und gegen ihren Oberbürgermeister. Wird zur gelebten Praxis. Ursu lächelt tapfer. Faktenfern geht es weiter: Auf Antrag von CDU-Stadtrat Thomas Leder wird das Areal am Meridian in die Liste der besonders „gärtnerisch hochwertigen Grünanlagen“ aufgenommen, die besonderen Schutz genießen. Dass es dort keinerlei hochwertige Gewächse gibt, wie Fachmann Christian Freudrich freundlich erklärt, ist Herrn Leder egal. Ihm geht es um die Aufwertung des Areals an der Stadthalle, wo sich der Meridian befindet. Die Stadträte von CDU und AfD haben Spaß an solch abstrusen Begründungen und beschließen den Unfug. Mal schauen, ob das Bestand hat. Die Deklarierung einer Wiese mit Bäumen und Büschen am Meridian als hochwertige Anlage, die entsprechende Einschränkungen für die Nutzung durch die Bürger mit sich bringt, hat keine objektive Grundlage. Thomas Leder ist in meinen Augen zudem als Vorsitzender des Stadthallenfördervereins befangen, wenn er über die Grünflächensatzung das Stadthallenareal aufwerten möchte.

Weiter geht‘s mit einer Vorlage zur Stadthalle. Eine Beauftragung der städtischen Kulturservicegesellschaft (GKSG) zur Begleitung der Stadthallensanierung. Daraus ergeben sich für mich und vier weitere Fraktionskolleg*innen wichtige Fragen, die wir beantwortet haben wollen. Völlig unabhängig von der grundsätzlichen Betrachtung, ob man in der jetzigen Situation, ohne Kenntnis der künftigen finanziellen Möglichkeiten, dieses Großprojekt weiter vorantreiben sollte. Leider beginnt die Debatte ekelhaft. AfD-Stadtrat Koschinka, im Hauptberuf Richter am Landgericht, nimmt unsere zwei Tage zuvor veröffentlichte „Erklärung zur Stadthalle“ zum Anlass, um eine Hasstirade gegen uns fünf Stadträte, gegen Andersdenkende, gegen Flüchtlinge in die Sporthalle zu spucken. Fassungslosigkeit. Auch wegen OB Ursu. Warum unterbindet er diesen Auftritt nicht sofort über Ordnungsrufe und Entziehen des Worts? Warum rügt er allgemein, im Stadtrat nicht über Bundespolitik zu reden – statt Klartext zu sprechen? Im Görlitzer Stadtrat ist kein Platz für Feindseligkeiten und verbale Gewalt gegen wen auch immer. Leider behandelt Herr Ursu die AfD zu zaghaft. Die regelmäßige Titulierung von Stadträten der Linken als SED-Mitglieder etwa ist nicht akzeptabel. Ein Oberbürgermeister muss als Hausherr nicht immer lächeln.

Die so eingeleitete unschöne Debatte zieht sich hin, ehe es dann endlich um den eigentlichen Vorgang geht: Der Stadtrat beauftragt die Görlitzer Kulturservicegesellschaft mbH mit der Beratung und Begleitung der Sanierung der Görlitzer Stadthalle aus Sicht eines potentiellen Betreibers. Die GKSG sollte bereits im Januar zur Betreiberin gemacht werden. Weil aber in der Sitzung auffiel, dass man weder Inhalt noch Kosten kennt, wurde verschoben. Überraschend, dass uns nun kein Beschluss zur Betreibung vorgelegt wird. Stattdessen eine Vereinbarung zu einem Dienstleistungsvertrag. Kosten im Jahr 2020 gut 200.000 Euro, ab 2021 bis 2025 jährlich ca. 250.000 Euro. Das Geld dafür hat die Stadt bereits jetzt (!) nicht im Haushalt verfügbar. Deshalb soll Gewinn aus der Kommwohnen GmbH entnommen werden. Details darf ich nicht schreiben, da diese gesamte Debatte im nichtöffentlichen Teil geführt wurde. Kein Geheimnis ist es aber, dass man bei Gewinnentnahmen Kapitalertragssteuer zahlt. Von den 246.000 Euro, die wir Kommwohnen 2020 entziehen, sind rund 40.000 Euro weg. Für mich nicht nachvollziehbar, wie man mit dem Geld einer städtischen Gesellschaft umgeht. Warum keine eigenständige Beschlussvorlage? Warum keine intensive Suche nach den steuerlich günstigsten Lösungen? Wozu diese Eile?

Im öffentlichen Teil erkundige ich mich nach der Rechtssicherheit der Beauftragung. Es handelt sich um eine freihändige Vergabe, ohne dass andere Unternehmen sich auf diese Leistung bewerben können. Der Schutz des Wettbewerbs ist ein hohes Gut. Deshalb muss man zwei Kriterien erfüllen, um frei vergeben zu können. DasKontrollkriterium ist erfüllt – GKSG ist 100% städtische Tochter. Zweiter Punkt ist das Wesentlichkeitskriterium. Bedeutet: Die GKSG muss im Wesentlichen für die Stadt tätig sein. Andere Einnahmequellen dürfen nur eine untergeordnete Bedeutung haben und sollten nicht über 10 Prozent liegen. Nun ist die GKSG glücklicherweise eine agile Gesellschaft mit weiteren Projekten wie etwa dem Lausitzfestival. Deshalb erkundige ich mich, warum es dazu keine Stellungnahme des Justiziariates in den Unterlagen gibt. Bürgermeister Wieler erklärt (ohne den Mitarbeiter des Justiziariates um Aufklärung zu bitten), dass alles seine Richtigkeit habe, auch das Wesentlichkeitskriterium werde durch GKSG erfüllt. Ich bitte ihn, dem Stadtrat in geeigneter Weise einen Nachweis zuzuarbeiten. Rechtssichere Vergaben sind gut für den ruhigen Schlaf.

Eine weitere Frage, die viele seit Monaten beschäftigt: Warum gab es aus allen städtischen Gesellschaften eine Stellungnahme zur Stadthallen-Betreibung, nur nicht vom Gerhart-Hauptmann-Theater? Dr. Wieler begründete im Januar: Das geht nicht. Beim GHT sind wir nur 30%-Gesellschafter. Deshalb dürfen wir die GmbH gar nicht beauftragen, uns etwas zuzuarbeiten. Ich möchte wissen, ob zumindest mit dem Landkreis und der Stadt Zittau über Möglichkeiten gesprochen wurde. Sie würden sich wahrscheinlich nicht am Stadthallenbetrieb finanziell beteiligen. Aber man kann einen Geschäftsbereich in einer GmbH abgrenzen. Was an Stadthallenkosten entsteht, zahlt die Stadt dann in Form eines erhöhten Zuschussanteils ans GHT. Das Theater ist die einzige Gesellschaft in unserer Stadt, die lange Erfahrung hat mit regelmäßigem Spielbetrieb, im Ticketing, sie verfügt über das technische und das Servicepersonal. Diese Synergieeffekte müssen doch genutzt werden. Bürgermeister Wieler erläutert, dass es Gespräche gab, aus denen keine solche Möglichkeit abgeleitet werden konnte. Zittau sehe das Projekt Stadthalle ohnehin kritisch. Außerdem befürchtet die Stadtverwaltung fehlende Einflussmöglichkeiten, weil man nur Minderheitsgesellschafter ist. (Leider konnte ich nicht nachfragen, warum man eine solche Frage nicht vertraglich regeln kann und ob man nicht ohnehin Partner für eine solch wertvolle Spielstätte braucht?) Der Bürgermeister bietet an, dass man in geeigneter Form die Protokolle einsehen könne. Das werde ich gern annehmen.

Bereits während meiner Fragen – Doppelarmeinsatz von AfD-Stadtrat Jeschke. Geschäftsordnungsantrag auf Ende der Debatte und Abstimmung. Neben CDU und AfD stimmen auch Teile meiner eigenen Fraktion dafür. (Da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube: Das war enttäuschend. Es gab noch sehr viele inhaltliche Fragen, die durch diesen Maulkorb-Beschluss nicht gestellt werden konnten. In diesen Fragen ging es um Konstruktionen im Vertrag, die der Stadt möglicherweise unnötig viel Geld kosten. Es war schon spät und offenbar nicht gewollt, dass es eine eingehende Beschäftigung mit der Vorlage gibt. Vielleicht werden die Fragen noch an anderer Stelle gestellt.)

Der Beschluss wird mit großer Mehrheit gefasst. Es gibt acht Gegenstimmen und eine Enthaltung. Das ist die große Mehrheit im Stadtrat. Ob es eine solche Mehrheit auch bei den Bürgern dieser Stadt gibt, werden wir vielleicht bald wissen. Dem Team des Kulturservice wünsche ich bei aller generellen Skepsis viel Erfolg bei der neuen Aufgabe.

Etwas im Schatten der Stadthallendebatte fassen wir noch einen weiteren traurigen Beschluss: AfD und CDU stimmen gegen die Widmung der Strandpromenade am Berzdorfer See. Weil sie sich nicht sicher sind, ob das wirklich funktioniert mit den Parkautomaten und ohne K9. Um auf Nummer sicher zu gehen, soll die Straße also nicht gewidmet werden und es stattdessen einen Probebetrieb ohne die sympathischen Kassierer an der See-Einfahrt geben. Das könnte man alles ganz lässig hinnehmen. Wäre es nicht ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die in Deutsch Ossig nach sechs Jahren Warten auf Baurecht endlich mit ihren Projekten loslegen wollen. Das können sie nun für ein weiteres Jahr vergessen. Leider mit bösen Folgen: Die bislang günstige Förderkulisse (40% IHLE) endet 2020. Was danach kommt? Ist den Räten von AfD und CDU in diesem Fall egal. Wirtschaftsförderung, Investitionen und Arbeitsplätze sind in dieser Stadtratssitzung nur bei der Stadthalle ein Thema.

 

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog #2: 28.11.2019

Nachdem wir in den ersten drei Sitzungen wie in der Schule gehockt haben, sitzen wir nun zum zweiten Mal im Caré. Mir gefällt das. Ist konstruktiver, wenn man sich in die Augen schaut. Die AfD sieht das ganz anders. Bei der Premiere Anfang November fürchtete die blaue Allzweckwaffe Jens Jäschke um sein Leben, da ihm der Gang als Fluchtweg zu schmal erscheint. Er sitzt übrigens sehr nah an der Tür, im Gegensatz zum Oberbürgermeister. Gestern stampfte AfD-Mann Koschinka mit den Füßen auf. Er beschwerte sich beim OB, dass er neben den Linken sitzen muss (stimmt nicht, sein Kollege Mochner ist menschliches Schutzschild zu Mirko Schulze). Diese Nachbarschaft bereitet ihm offenkundig derartige seelische Probleme, dass er beantragte, die Linken sollten sich umsetzen. Grund: Die Linken geben ihm nicht die Hand und ignorieren ihn. Mimimi… Wie in der Schule. Grundschule. 2. Klasse. Herr Koschinka ist im Hauptberuf übrigens Richter an der Strafkammer.

In diesem Stil gings gestern munter weiter. Thomas Leder, monothematischer Stadtrat der CDU, mischte sich überraschend in einer Debatte zu Wort, die nichts mit der Stadthalle zu tun hatte. Es ging um die Widmung der neugebauten Zuführung zum Berzdorfer See, die den schönen Namen „Straße zum Nordstrand“ trägt. Wurde mit Fördermitteln gebaut. Jetzt ist sie eine ganze Weile schon fertig und muss als öffentliche Straße „gewidmet“ werden. Das ist nicht nur wegen der Einhaltung von Fördermittel-Regeln wichtig, es gibt auch einem privaten Investor am Nordstrand Planungssicherheit. Er kann loslegen. Thomas Leder, der dem Stadtrat gefühlt schon immer angehört, wollte dieses recht einfache Thema mit dem Parkraumkonzept an der Strandpromenade vermengen. (Die AfD hatte auch ihre Probleme, die zwei Sachen auseinanderzuhalten.) Leder jedenfalls wollte von Bürgermeister Wieler eine Zusicherung, dass nach Aufstellen von Parkautomaten an der Strandpromenade immer und überall 100% Sicherheit herrscht, damit z.B. Rettungsfahrzeuge durchkommen. Nur mal so für den Hinterkopf: Dieses Thema wurde lang und breit in drei Sitzungen des Technischen Ausschusses beackert. Thomas Leder ist Mitglied dieses Ausschusses. Kein Wunder also, dass der zuständige Bürgermeister Wieler aus dem Sattel geht. Hat er doch im Technischen Ausschuss bereits alles dazu erklärt. Seine Antwort an Herrn Leder war entsprechend zugespitzt, der Wortzug entgleiste aber nicht. Trotzdem: Kollege Leder wurde bockig und wollte den Oberbürgermeister dazu bewegen, dass er den neben ihm sitzenden Bürgermeister Wieler anzählt. Das wurde ihm verwehrt. Zur „Strafe“ stimmte Leder gegen die Vorlage. Dieser Stadtrat könnte die eine oder andere Grundschullehrerin als Deeskalationsfachkraft gebrauchen.

Ich selbst durfte erstmals einen Antrag einbringen: Gründung eines Jugendbeirats. Unsere Bündnisfraktion (so heißt die bunte Truppe, die aus Bürger für Görlitz, Grüne, Motor und SPD besteht) will die Jugend als Berater im Stadtrat haben. Über die genaue Ausgestaltung sollte gar nicht abgestimmt werden. Es ging um einen Grundsatzbeschluss, mit dem man den OB in die Spur schickt, um alles vorzubereiten für diesen Jugendbeirat. Mann, was für eine Aufregung im Vorfeld bei mir. Erstmals eine Rede im Stadtrat. Lief ganz gut, bis mich der OB plötzlich unterbrach. Ich solle keinen Vortrag halten, sondern den Antrag kurz begründen. Wieder was gelernt. Muss dann mal nachschauen, wo das wieder steht. Ich bin aber optimistisch, bis zum Ende der Legislaturperiode 2024 alle Regeln zu kennen. Unser Antrag wurde übrigens von CDU und AfD zurück in die Ausschüsse verwiesen. Sie haben noch Abstimmungsbedarf. Vielleicht waren sie auch nur bissel angesäuert, weil das Thema von uns kam. Wenn man so im Stadtrat arbeitet, wird sich freilich nicht viel bewegen.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)