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Wir brauchen einen Plan

Am 30. November tagt der Görlitzer Stadtrat. Auf der Tagesordnung ist eine Beschlussvorlage unserer Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne, mit der wir das Potenzial erneuerbarer Energie untersuchen lassen wollen. Warum das wichtig ist und welche weiteren spannenden Themen auf der Agenda stehen, haben Mike Altmann und Danilo Kuscher in einem Podcast besprochen.

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Stadtratsblog #47: 26.10.2023

Subjektiv gefärbter Bericht aus dem Stadtrat vom 26.10.2023

Es beginnt still und nachdenklich. Schweigeminute für die Opfer der Hamas-Verbrechen in Israel. OB Octavian Ursu versichert, dass Görlitz an der Seite der jüdischen Gemeinschaft steht. Unser Kulturforum Neue Synagoge, die Ehrenbürgerschaft für Schlomo Graber und die zahlreichen Stolpersteine in der Stadt sind nur einige Beispiele für eine lebendige Kultur der Erinnerung, des Respekts und des Austausches.

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Dann steigen wir mit Infos des OB in die Sitzung ein.

Herr Ursu berichtet von einem Besuch bei der Mitteldeutschen Medienstiftung in Berlin. Beim 25. Geburtstag habe er für Görlitz geworben. Die Stadt habe in der Branche einen guten Ruf. Auch die Film-Akademie wirke positiv. So schön das klingt: Bislang hat sich noch keine dauerhafte Finanzierung dieses Bildungsangebotes gefunden. Wenn es den Bedarf gibt, müsste sich das auch in finanziellem Engagement der Branche äußern.

 

Persönlich eingesetzt hat sich Herr Ursu für den Erhalt der Zeemann-Filialen. Auslöser waren Presseberichte, dass sich die Handelskette komplett aus Görlitz zurückzieht. Daraufhin, so die Erzählung, gab es ein Telefonat des OB mit Zeemann. Er hat das Potenzial der Stadt aufgezeigt, über die Wirtschafsförderer der EGZ zusätzliche Informationen bereitgestellt und somit die Zeemänner und Zeefrauen überzeugt. Zumindest die Filiale an der Ecke Wilhelmsplatz/Jakobstraße bleibt erhalten. Ich muss dann wohl auch mal dort einkaufen, wenn sogar der OB darum kämpft. Nichts mehr tun kann der OB für die Filiale im Neiße-Park. Sie wird geschlossen.

 

Bürgermeister Benedikt M. Hummel berichtet kurz über Ergebnisse der ersten Saison am Berzdorfer See mit Parkautomaten. 90.000 Euro Einnahmen, das ist etwa doppelt so viel wie prognostiziert. Obwohl die Automaten ziemlich verspätet an den Start gingen. Das von AfD und CDU jahrelang prophezeite Chaos ist ausgeblieben. Demnächst wird es eine tiefere Analyse geben.

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Die Bürgerfragestunde wird endlich mal wieder gut genutzt.

Sarah Bräunling und Mario Härtig wünschen sich eine städtische Lösung zum Melden von Gefahrenstellen für Radfahrer. Beide berichten von zu wenig Abstand, auch Unfälle habe es gegeben. Meldungen bei der Polizei seien zu zeitaufwendig. Das mag sein, aber wenn etwas passiert ist, sollte man schon die Polizei einschalten, rät der OB. Für Hinweise auf Gefahren ist der Mängelmelder zu empfehlen. Bürgermeister Hummel ergänzt, dass dieses Thema in die Fortschreibung des Verkehrskonzeptes einfließt. Erst vor ein paar Tagen habe es eine Befahrung kritischer Stellen für Radfahrer im Stadtgebiet gegeben.

Maik Fey,  möchte wissen, wann die umstrittenen Sondernutzungsgebühren für lokale Gastronomen während städtischer Feste geklärt werden. Die letzte Sitzung dazu fand im Mai statt. Vereinbart wurde damals, dass die gesamte Finanzierung des Altstadtfestes im Verwaltungsausschuss besprochen werden sollte. Am Ende ist es eine politische Entscheidung, ob ansässige Gastronomen entlastet werden bei den Festivitäten. Leider gibt es seitdem keine Bewegung. Das Thema wird trotz regelmäßiger Erinnerung nicht im Ausschuss auf die Tagesordnung gesetzt. Bürgermeister Hummel erklärt, dass er in Kürze zu einer neuen Runde mit Gastronomen und Kulturservice einladen möchte. Im Gespräch bleiben ist prima, aber man darf sich dabei nicht im Kreis drehen. Beide Seiten haben ihre Argumente ausgetauscht. Die Gesellschaft samt Aufsichtsrat hat sich aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine Entlastung der Görlitzer Gastronomen entschieden, wenn diese beim Altstadtfest ihre Außenfläche nutzen wollen. Insofern muss die politische Ebene entscheiden. Hierfür fehlen aber die Gesamtzusammenhänge. Ich weiß nicht, was das Altstadtfest für Einnahmen und Ausgaben hatte in den letzten Jahren.

Danach tritt eine junge Frau ans Mikro und beklagt den Kiesabbau in Hagenwerder sowie das intransparente Verfahren durch das Oberbergamt. Die Genehmigung zum Abbau sei ohne Beteiligung von Betroffenen erteilt worden. Unklar sind Folgen für Umwelt, Anwohner und Tourismus. Angeblich dürfe die Firma Heim nun auch tiefer abbauen. Und zwar bis unter die Grundwasserlinie. Die junge Frau erinnert an das schwere Unglück in Nachterstedt, als die Ortschaft absank. Ein weiteres Thema ist die Staubbelastung, die bis zum Hotel Insel der Sinne reiche. Die Ranch in Hagenwerder leide, Pferde würden an Husten erkranken. Die Stadtspitze zeigt sich bei dieser Frage hilflos. Seit Beginn der Debatte vor zwei Jahren verweist sie auf fehlende Einflussmöglichkeiten, da hier Bergrecht gelte. Ich denke, es ist höchste Zeit, sich intensiver damit zu befassen und herauszufinden, wie tief und wie weit die Abbauarbeiten tatsächlich reichen sollen. Es handelt sich um eine sensible Stelle. Nah an Wohnhäusern, Gärten, Gewerbebetrieben und unserem touristischen Zentrum Berzdorfer See. Es gibt auch eine Petition, die ihr unterstützen könnt: https://www.kiesabbau-goerlitz.de

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Es folgen die Fragen von Stadträten.

Trinkwasserprobleme
Mein Fraktionskollege Andreas Kolley erkundigt sich, ob die Verschmutzung des Görlitzer Trinkwassers mittlerweile aufgeklärt ist. Seit einigen Tagen gab es Warnungen, da das Wasser teilweise übelriechend aus der Leitung kam. Der OB wiederholt die Erkenntnisse des Vortages. Die Stadtwerke haben erklärt, dass keine Gefahr bestand und besteht, selbst wenn vom Trinken des Wassers zwischenzeitlich abgeraten wurde. Die Ursachenforschung hält an. Eine Herausforderung für die Kommunikation der Stadtwerke. Die, wie ich finde, nicht optimal gelöst ist. Bei solch elementaren Dingen wie der Trinkwasserversorgung braucht es mehr als routinemäßige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Saisonende für Berzdorfer See
Ich möchte wissen, wie die Stadtverwaltung zu Sondergenehmigungen außerhalb der Saison auf dem Berzdorfer See steht. Am 31. Oktober endet die Saison auf dem See. Wer trotzdem mit Boot aufs Wasser will, etwa für touristische Rundfahrten, muss das beantragen. Beteiligt an den Verfahren sind neben Görlitz auch LMBV und Landratsamt als zuständige Behörde. Der OB meint, dass die Stadt solche Sondernutzungen nicht forcieren möchte. Es wird im Einzelfall geprüft, aber das Rathaus stehe dem kritisch gegenüber. Ich denke, wenn die Naturschutzbehörde und die Wasserschutzbehörde nichts dagegen haben, sollte die Stadtverwaltung bei Einzelanträgen folgen. Dauerhafte Sonderfälle sollten von der Landesdirektion geregelt werden.

Gespräche im Klinikum
Lutz Jankus von der AfD fragt, ob es Bewegung gibt im Streit zwischen Klinikum und ausgegliedertem Medizinischen Labor. Wir erinnern uns: In der letzten Sitzung wurde OB Ursu um Unterstützung gebeten, damit das Labor wieder ins Klinikum eingegliedert wird. Es geht um Arbeitsbelastung, Schichtdienste, Bereitschaftszeiten, Personalmangel und auch schlechtere Bezahlung. OB Ursu erklärt, dass es mittlerweile ein Gesprächsangebot der Klinikchefin gibt. Mehr kann man noch nicht sagen.

Dunkler Puschmann-Weg
Motor-Stadtrat Danilo Kuscher bringt eine Frage ein, die wir von einer Görlitzerin kurz vor der Sitzung erhielten. (Das ist jederzeit möglich. Schreibt uns über die Social-Media-Kanäle oder per Mail an kontakt@fraktion-motor-gruene.de). Sie wünscht sich Beleuchtung für den Else-Puschmann-Weg. Der verbindet seit kurzem die Lüders-Straße und die Rauschwalder Straße. Eine schnelle Lösung gibt es leider nicht. Frau Poost vom Bauamt erläutert, dass die Beleuchtung erst mit dem nächsten Bauabschnitt kommt. Die erste Baustufe war vorgezogen worden, gemeinsam mit den Stadtwerken, die Medien verlegt haben.

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Der Neue aus der AfD
Wir vereidigen einen neuen Stadtrat. Nachdem Alexander Lehmann von der AfD vor die Tore der Stadt gezogen ist, muss ein Nachrücker her. Ralf Klaus Kaufmann heißt er, Ex-Diplomat. 137 Stimmen reichen ihm nun für den Einzug in den Rat. Bereits der vierte Nachrücker bei der AfD. In die Fraktion wird er aber nicht gehen. Laut SZ-Bericht ist Herrn Kaufmann die AfD zu links, weshalb er sie verlassen habe. Er nimmt neben Jens Jäschke Platz, den die AfD-Fraktion schon vor Jahren offiziell ausschloss. Ralf Klaus und Jens – die Lümmel von der letzten Bank.

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Elisabethplatz
Der Stadtrat vergibt den Auftrag für die Tiefbauarbeiten auf dem Elisabethplatz an Steinle Bau. Im November soll es endlich losgehen mit der Neugestaltung.

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Wirtschaftsplan Friedhof 2023
Wir haben Ende Oktober aber noch immer keinen genehmigten Haushalt. Die Reparatur der Einäscherungsanlage kann nicht aufgeschoben werden. Deshalb braucht es einen sogenannten Mittelvorgriff in Höhe von 150.000 Euro. Die Anlage ist verschlissener als ihr Alter eigentlich vorsieht. Ursachen sind in den Coronajahren zu finden. Deutlich mehr Tote, deutlich mehr Einäscherungen. Wir stimmen zu. Ebenso dem Wirtschaftsplan 2023.

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Betriebskonzept, Sanierungskosten und Förderanträge Stadthalle
Noch vor der Pause wird die Stadthalle als Tagesordnungspunkt aufgerufen. Wir sollen dem Betriebskonzept zustimmen, den OB beauftragen, Fördermittelanträge zu stellen und die Kostenobergrenze für die Sanierung auf rund 51 Millionen Euro erhöhen.

Bürgermeister Hummel führt ins Thema ein. Die Terminschiene wird vorgestellt. Fertigstellungstermin ist noch nicht fixiert. Es soll auf 2028/29 hinauslaufen. Nicht zu sehen oder zu hören bekommt die Öffentlichkeit die wichtigsten Zahlen aus dem Betriebskonzept. Keine Info, dass der Zuschussbedarf im ersten Jahr bei knapp einer Million Euro liegt. Keine Angabe zu den geplanten Veranstaltungen, zum Preismodell oder zu den Einnahmen. Sinnbildlich dafür ist eine illustrierende Powerpoint-Folie des Fach-Bürgermeisters. Zunächst erscheint das Wort „Risiko“. Sehr klein und kaum erwähnenswert. Man wisse nie vorher genau, was etwas schlussendlich kostet. So. Dann fliegt ein neues Wort ein. CHANCEN. Deutlich größer als die Risiken. Appelle an Zuversicht, Mut und Sekundärtugenden. Fakten, Abwägungen, Risikobewertungen und gesamtstädtische Perspektive fehlen.

Extra für euch ergänze ich deshalb den Vortrag von Benedikt Hummel und stelle einige wenige exemplarische Zahlen aus dem Betriebskonzept 2.0 vor. Macht euch selbst dazu Gedanken. Ich nehme das dritte Betriebsjahr, weil es dort aus städtischer Sicht die besten Annahmen gibt. Nicht dass mir noch jemand vorwirft, ich würde das Projekt schlechtreden mit Zahlen aus den Aufbaujahren.

  • Anzahl Veranstaltungstage: 192
  • Erwartete Einnahmen:  2,3 Millionen Euro
  • Personal: 20 Vollzeitstellen
  • Gesamtkosten: 2,9 Mio Euro
  • jährlicher Zuschussbedarf: 640.000 Euro

Klingt erstmal gar nicht so schlimm? Richtig. Aber ist das realistisch? Schauen wir uns die Einnahmeerwartungen an. 192 Veranstaltungen in einem Jahr sind stattlich. Muss man erstmal hinbekommen. So der Tenor aus der Veranstalterbranche. Je mehr ich die Zahlenreihen studiert habe, umso mehr Zweifel kamen.

Beispiel 1: 900.000 Euro Mieteinnahmen
Die Mieteinnahmen beruhen auf der hohen Auslastung und den gehobenen Preisen. Für den großen Saal werden 5.400 Euro aufgerufen, ohne Ränge 3.700 Euro. Der Kleine Saal kostet 1.200 Euro. Im modernen Anbau finden sich kleinere kombinierbare Säle zu Preisen zwischen 200 und 1.800 Euro. Wer die ganze Stadthalle exklusiv nutzen möchte, zahlt 9.000 Euro. Das soll etwa durch Kongresse gelingen. Gleich vier soll es davon geben mit 600 Teilnehmern.

Beispiel 2: 1 Million Euro aus Dienstleistungen
Wie kommt es, dass der Stadthallenbetreiber mehr durch Dienstleistungen als durch Vermietung einnimmt? Weil es sich um rein kalkulatorische Annahmen handelt. Zu fast jeder Veranstaltung errechnet sich der Kulturservice Zusatzeinnahmen für Lichttechniker, Tontechniker, Präsentationstechniker und Projektmanager. Stundensatz zwischen 60 und 120 Euro. Mal sehen, wie viele regionale Nutzer sich das leisten werden. Ein Abi-Ball erwirtschaftet laut Kalkulation 800 Euro Miete, 1.860 Euro für Licht. Ton und Projektion, 800 Euro für Projektmanagement. Trotz 80% Mietrabatt müssten die Abiturienten 4.100 Euro auftreiben, da die kalkulierten Preise netto sind. Da ist noch kein Buffett, kein Begrüßungsgetränk und kein DJ bezahlt. Wie realistisch ist das?

Beispiel 3: 180.000 Euro aus Catering-Provisionen
Die Einnahmeposition geht davon aus, dass der externe Caterer über 1,2 Millionen Euro Jahresumsatz macht. Davon sollen 15 Prozent in die Kasse des Betreibers fließen. Mit wem ich aus der Branche auch sprach: Es gibt erhebliche Zweifel an der Umsatzerwartung. Kenner meinen, dass es schwer werden könnte, überhaupt einen regionalen Anbieter zu finden, der das leisten kann.

Unsere Fraktion hatte beim ersten Entwurf vor knapp zwei Jahren noch bemängelt, dass uns die Einzelpositionen fehlen, wir die Kalkulation nicht nachvollziehen können. Das war nun viel besser möglich. Leider haben die Tabellen unsere Bedenken nicht genommen. Im Gegenteil. Und wir sind damit nicht allein. Ich hatte vor und nach einer Stadtratssitzung noch nie so viele Anrufe und Nachrichten von Leuten, die sich zur Stadthalle äußerten. Die uns den Rücken stärkten. Die aus völlig verschiedenen Peergroups stammen. Das ist keine homogene Bubble aus Stadthallenskeptikern. Es sind gestandene Persönlichkeiten, Unternehmer, Kulturmanagerinnen, Gastronomen – Leute, die rechnen und Risiken einschätzen können. Genau das fehlt dem Betriebskonzept: Es geht von der besten Annahme aus und lässt die Risiken außer Acht.

Deshalb reichen wir einen Änderungsantrag ein. Statt das Betriebskonzept zu bestätigen, wollen wir es nachbessern lassen. Der Bedarf an gesellschaftlichen und nichtkommerziellen Kulturveranstaltungen soll ebenso ermittelt werden wie die aktuelle Marktlage. Das fehlt bislang. Ebenso wie eine Stärken-Schwächen-Analyse für alle Sparten. Desweiteren wollen wir vom OB eine klare Aussage zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Wie bekommen wir die Bausumme gewuppt, wie finanziert sich der Betrieb dauerhaft? Und schließlich wollen wir, dass die Rechtsaufsicht den Prozess eng begleitet.

Unseren Antrag begründe ich in der Sitzung mit einem längeren Redebeitrag:

Es ist zu beachten, dass die Stadt Görlitz nicht verpflichtet ist, die Stadthalle als Veranstaltungsstätte und Tagungszentrum wieder zu errichten und bereitzustellen. Gesamtsanierung und Betrieb erfolgen aufgrund des öffentlichen Bedürfnisses und der Leistungsfähigkeit. Darauf weist u.a. das städtische Justiziariat hin.

Zum Bedarf
Zu prüfen ist durch uns, ob für die einzelnen Sparten eine öffentliche Notwendigkeit besteht, vor allem wenn sie Defizite erwirtschaften. Dann müssen wir prüfen, ob andere Einrichtungen diese Leistungen bereits ausreichend bereitstellen. Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, auf dem privaten Markt der Tagungen, Messen und Unterhaltungsveranstaltungen tätig zu sein. Ein Grund kann es sein, dass man durch Überschüsse in diesen Sparten Dinge ermöglicht, die der städtischen Gesellschaft derzeit fehlen. (Außer in der Sparte „Tagungen und Kongresse“ gibt es laut Betriebsplan jedoch überall Verluste.)  Da geht es immer wieder um eine „Halle für alle“, in der wir eine Renaissance der Geselligkeit erleben. Fakt ist, dass deutlich mehr kommerzielle Veranstaltungen geplant sind als solche für die Stadtgesellschaft (105:87).

Aber selbst bei diesen Veranstaltungen müssen wir doch schauen, ob sie zusätzlich sind oder von anderen Häusern abgezogen werden. Da bin ich bei Jugendweihen, Abifeiern, Vereinsveranstaltungen – die finden doch jetzt auch schon statt. Wandern sie ab? Und ist das gewollt?

Es fehlt eine aktuelle Marktanalyse zum Angebot. (Was gibt es schon?) Für Veranstaltungen über 400 Personen besteht in Görlitz kein großes Angebot. Für kleinere Formate, speziell bis 200 Gäste, ist es wichtig, dass wir unsere lokalen und regionalen Mitbewerber kennen. Leider findet sich dazu keine Analyse im Betriebskonzept. Keine Aussagen zum Senckenberg-Campus mit Audimax für 200 Leute, zu Schlesischem Museum, Kinosaal, Siemens Innovation Campus, Werk1,…)

Es fehlt auch eine Analyse des Bedarfes. Das können Interviews nicht ersetzen. Nur wer die wirtschaftlichen Parameter kennt, gibt fundierte Aussagen zur eigenen potenziellen Nutzung einer sanierten Stadthalle. Als Veranstalter einer Messe wäre es unwirtschaftlich. Für eine zweitägige Messe plus Aufbautag kalkuliert der Kulturservice Einnahmen aus Miete und Dienstleistungen von rund 40.000 Euro. In Löbau kostet das Paket deutlich weniger bei doppelt so viel Fläche und mehr Nutzungstagen für Auf- und Abbau.

Diese Dienstleistungen ziehen sich durch fast alle Veranstaltungen und wirken sich auf die Einnahmeerwartungen aus. Hier finden sich extreme Unterschiede zum ersten Betriebskonzept. Vor zwei Jahren wurden knapp 500.000 Euro Einnahmen für Dienstleistungen kalkuliert. Jetzt Verdopplung auf eine Million Euro. An den Zahlen haben wir erhebliche Zweifel.

Zur Leistungsfähigkeit
Baukosten werden mittlerweile auf 51 Millionen Euro taxiert. Das sind 8 Millionen Euro mehr als vor zwei Jahren. Ohne dass der Bau begonnen hat. Für die Sanierung fehlen laut Prognose die nötigen Eigenmittel und Risikokosten ab 2025, nicht förderfähige Kosten sind gar nicht kalkuliert. Ab 2025 hat die Stadtkasse keine Rücklagen mehr. Die Stadthalle wird somit zu Lasten anderer bereits geplanter Vorhaben gehen. Was fällt weg? Stadion Biesnitz, barrierefreie Haltestellen, Jahnsporthalle, Entwicklung Schlachthofgelände, Umbau des neuen Volkshochschul-Standortes, Erschließung von Deutsch-Ossig und Verbesserung der Infrastruktur Nordoststrand, Geräte für Spielplätze, Pflege für Grünanlagen?

Wie finanzieren wir eigentlich die Betriebskosten bei einem jährlichen strukturellen Defizit von bis zu 15 Mio Euro? Natürlich können wir erstmal einen Förder-Antrag einreichen – aber irgendwann muss jemand unterschreiben, dass wir uns den Betrieb leisten können. Wir werden in Kürze ein „Haushaltsstrukturkonzept“ erarbeiten müssen. (Das ist ein euphemistischer Begriff für Rotstift ansetzen.)

Zu den Kosten kommen noch gar nicht eingepreiste Positionen hinzu: Straßenbau, Parkhausbau, Gestaltungsarbeiten rund um die Stadthalle, Stadthallengarten, zusätzliche Kosten für die Begleitung der sich deutlich verspäteten Sanierung durch Kulturservice (jährlich ca. 200.000 Euro), zusätzliche Kosten für das Jahr vor der Eröffnung (Personal muss schon teilweise am Start sein für Projektentwicklung, Marketing und Akquise – es gibt aber noch keine Einnahmen).

In Anbetracht der erheblichen wirtschaftlichen Risiken und der rechtssicheren Ausgestaltung des Stadthallenprojektes auf Fördermittelbasis sollte die Rechtsaufsicht einbezogen werden. Wir bitten um Zustimmung für unseren Antrag. (Ende des Statements im Stadtrat.)

Bürgermeister Hummel sieht die vorgebachten Punkte als grundsätzliche Kritik und erwähnt mehrfach, dass er doch alle unsere Fragen beantwortet habe. An dieser Stelle ein kleines Verständnisstück. Wir arbeiten in der Fraktion nach dem Schema FVE. Fragen. Verstehen. Entscheiden. Die Beantwortung von Fragen ersetzt nicht unser Einordnen in den Gesamtzusammenhang und die Entscheidung.

Dann darf Prof. Joachim Schulze ans Mikrofon. Das grüne Mitglied der Fraktion Bürger für Görlitz geht zunächst auf meine Forderungen nach einer konkreten Bedarfsanalyse ein. Das erinnere ihn an früher. An Diskussionen ums Werk 1. Da gab es die gleiche Masche, dass die Kritiker immer neue Analysen zum Bedarf haben wollten, so Schulze.

Ich war glühender Anhänger des WERK1. Den Bedarf haben die Jugendlichen damals selbst artikuliert. Als sie die Stadtratssitzung im Jahr 2011 enterten. Es geht heute auch um mehr Geld. Faktor zehn könnte ungefähr hinkommen.

Joachim Schulze zitiert sich jetzt selbst. Pathetische Sätze aus einer eigenen Rede von 2011, die die SZ unter der Überschrift „Ohne Stadthalle hätte Görlitz den Welterbetitel nicht verdient“ komplett abdruckte. Origineller Einstieg. Vielleicht etwas Ich-bezogen. Aber das darf ein Professor, der sein Berufsleben lang vor wissbegierigen jungen Menschen performt hat.

Ich bleibe weiter frohgestimmt und lächle. Das mag der Professor offenbar nicht. Er kündigt mir quer durch den Saal an, dass ich schon bald nicht mehr lächle. Nun bin ich erst recht gespannt.

Herr Schulze verweist darauf, dass mögliche Mitbewerber aus einem großen Umkreis bis nach Polen und Tschechien befragt wurden. Dass es keine Angst vor Konkurrenz gibt. Im Gegenteil große Vorfreude und Kooperationsbereitschaft. Als Mann der Wissenschaft weiß Professor Schulze, dass bei solchen Erhebungen die Einordnung wichtig ist. Das fehlt in seinem engagierten Vortrag leider. Ich ergänze gern: In Polen und Tschechien wurden 14 Einrichtungen kontaktiert. Fünf antworteten. Drei Einrichtungen aus Liberec und Jelenia Gora können sich eine Zusammenarbeit vorstellen. In einer zweiten Befragung wurden deutsche Einrichtungen interviewt. Hier ging es um grenzüberschreitende Erfahrungen. Bis auf die Hillersche Villa Zittau und Fürst Pückler Bad Muskau finden sich keine regionalen Akteure. Beteiligung: 5 von 12 Angefragten. Interviews, ausschließlich zu grenzüberschreitenden Aspekten, sollen eine Marktanalyse ersetzen? Damit habe ich Schwierigkeiten.

Jede Menge Fantasie zeigt Prof. Schulze, als er die Folgen an die Wand malt, wenn wir das Stadthallenprojekt stoppen. Dann könnte Görlitz zur Sanierung gezwungen werden. Der Bau würde dann 70 bis 80 Millionen Euro kosten, die wir aus der eigenen Tasche zahlen müssten. Das ist Görlitzer Science-Fiction. Niemand kann eine Kommune dazu zwingen. Außerdem ist das Gebäude gesichert.

Anschließend werden durch den erfahrenen Stadtrat Schulze Sekundäreffekte aufgeführt. Also zusätzliche Einnahmen durch Besucher der Stadthalle in Hotels, Geschäften, Kneipen. Nur: Diese „Umwegrentabilität“ ist in den letzten zehn Jahren nicht untersucht worden. In der letzten Untersuchung von Drees & Sommer aus dem Jahr 2012 wurde sie mit 2,1 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Davon stammen 80 Prozent aus Kompensationseffekten. Auf deutsch: Die Stadthalle zieht Veranstaltungen aus anderen Locations ab. Wie groß ist dieser Effekt aus heutiger Sicht? Ohne fundierte Betrachtung lässt sich das nicht einschätzen.

Diskussionswürdig ist die Sicht von Prof. Schulze, dass wir Görlitz zum Gespött machen in Dresden und Berlin, wenn wir „kleingeistig“ an solche Projekte herangehen. Wird nicht andersrum ein Schuh draus? Ruinieren wir nicht viel mehr unseren Ruf, wenn wir ohne ausreichende Marktanalyse, ohne Risikobewertung, ohne finanzielle Sicherheit ein 60-Millionen-Euro-Förderprojekt an die Wand fahren?

 

Die Rede von Joachim Schulze löst große Begeisterung aus bei der Stadthallenmehrheit. Sie wird zum Benchmark. Kein Wortbeitrag von Verwaltung, AfD, CDU und BfG setzt sich anschließend mit betriebswirtschaftlichen Inhalten auseinander. Jana Lübeck von den Linken kritisiert, dass keine Antworten auf unsere berechtigten Fragen kommen. Außer: Das werden wir sehen, wenn es so weit ist. Das werden wir im Prozess klären. Das wird schon passen. Geld wird schon da sein. Wer kritisch nachfragt, ist nicht gegen die Stadthalle. Dass man sowas tatsächlich in einem Stadtrat betonen muss, ist schon bedenklich.

Die Herren Ursu und Hummel reagieren angefasst, werden emotional. Meine Kollegin Jana Krauß stellt klar, dass wir keine Emotionen brauchen, sondern Klarheit. Wie können wir das Projekt in der Praxis umsetzen? Wie finanzieren wir es mit Blick auf die gesamte Stadt? Die Liquidität ist ab 2025 nicht vorhanden.

Es folgen noch einige Argumente aus den Fraktionen von AfD, CDU und Bürger für Görlitz. Hier die schönsten Motivationssprüche für deine Kühlschranktür:

„Es mag Risiken geben. (…) Wir werden das stemmen und müssen das auch stemmen.“ Lutz Jankus, AfD

„Ich verstehe die Mutlosigkeit und Verzagtheit nicht. Die Stadthalle kann eine Erfolgsgeschichte werden, wenn wir es alle nur wollen.“ Dr. Hans-Christian Gottschalk, Bürger für Görlitz

„Wer will, findet Lösungen. Wer nicht will, findet Gründe.“ Michael Mochner, AfD

„Mut gehört dazu. Wir können zweifeln, ob wir in allen Punkten richtig liegen. Aber wir fragen auch nicht nach dem Wetterbericht in fünf Jahren.“ Dieter Gleisberg, CDU

„Das wird schon werden. Die Wahrscheinlichkeit ist bei weitem höher, dass es gut wird als die Wahrscheinlichkeit, dass es in die Hose geht.“ Torsten Koschinka, AfD-Fraktion

„Ich möchte Freude vermitteln und nicht nur immer diese Bedenkenträger haben.“ Gabi Kretschmer, CDU

Diese unbeliebten Träger sind wohl wir. Sieht auch OB Ursu so. Schlimmer noch. Er geht aus dem Sitzungsleitersattel und wirft uns Respektlosigkeit vor. Weil wir angeblich die Fachkompetenz aller Beteiligten in Frage stellen. Jana Krauß kontert: Erst durch intensive Beschäftigung mit den Konzepten entstehen Fragen und Zweifel. Das ist ein Ausdruck von Respekt vor der Leistung der Menschen, die daran gearbeitet haben.

Es kommt schließlich zur Abstimmung. Unser Änderungsantrag fällt erwartungsgemäß durch. Der Beschluss wird mit großer Mehrheit angenommen. Wie seit Jahren stimmen AfD, CDU und BfG dafür, Die Linke und Motor/Grüne sind dagegen.

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Danach ist Pause.
Hin und wieder werde ich gefragt, wie man nach einer emotionalen Debatte miteinander umgeht. Ich kann nur für mich sprechen: Direkt zum Beginn der Pause läuft mir der Stadthallenfördervereinspräsident Thomas Leder über den Weg. Handschlag, Plauderei über die guten alten Zeiten. Am Imbiss Schnack mit OB Ursu. Wir tauschen nochmal locker die Sichtweisen aus. Ich will damit sagen, dass ein vernünftiger Umgang miteinander wichtig ist, auch nach harten Auseinandersetzungen. Dazu sind vielleicht nicht alle Stadträte in der Lage. Aber die überwiegende Mehrheit.

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Bettensteuer
Direkt nach der Pause kommt das nächste dicke Brett. Wir sollen die Satzung für die Beherbergungssteuer beschließen, die im Volksmund Bettensteuer heißt. Das ist eine Steuer, die Übernachtungsgäste zahlen. Für die Stadt eingenommen wird sie von den Hotels, Pensionen, Privatunterkünften. Der Erlös fließt direkt in den Haushalt. Die Steuer ist nicht zweckgebunden für den Tourismus.

Gegen diese Bettensteuer rebellieren seit Jahren sowohl die IHK als auch der Tourismusverein. Aufgrund des Drucks, den in den letzten Tagen vor der Entscheidung vor allem durch den Tourismusverein entstand, wurde die ursprüngliche Vorlage verändert. Die Steuer soll nicht schon zum 1.1. sondern erst zum 1.4.2024 eingeführt werden. Für das erste Jahr liegt der Satz bei 3% vom Übernachtungspreis, ab 2025 sind es dann 5%. Die Abrechnung müssen die Betriebe nicht mehr in zwei Wochen erledigen, sie bekommen sechs Wochen Zeit.

Dieses Entgegenkommen ist lobenswert. Wir bringen weitere Änderungswünsche ein. Sehr am Herzen liegt uns, dass beruflich bedingte Übernachtungen von der Steuer befreit werden. Ebenso junge Leute, die wegen der Ausbildung bei uns schlafen. Was sind wir für eine Filmstadt, wenn wir beim Drehteam für jede Übernachtung zusätzlich die Hand aufhalten? Was für eine Botschaft senden wir in die Welt, wenn wir zwar um Kongressteilnehmer werben, diese aber direkt mit Aufschlägen verärgern. Die Mehrheit lehnt diesen Antrag jedoch ab. Begründung: Erhöhter Aufwand. Den sehe ich nicht wirklich, da diese Bettensteuer von den Beherbergungsbetrieben eingenommen und abgerechnet wird. Ob ich ein Formular ausfüllen lasse für Touristen und ein anderes für Geschäftsreisende ist ähnlich aufwändig.

Darum geht es am Ende nicht. Es stellt sich die grundlegende Frage, ob wir eine solche Steuer möchten. Nach einem Meinungsaustausch beantragt die AfD-Fraktion geheime Abstimmung. Überraschenderweise gibt es dafür eine Mehrheit. Unsere Fraktion enthält sich. Nach Auszählung der Stimmen kommen wir zum Ergebnis: Nur 12 Ja-Stimmen. 16 Stadträte sagen Nein. Drei enthalten sich. Damit ist die Satzung für die Beherbergungssteuer abgelehnt. Dies kann Folgen haben, da die Einnahmen aus der Steuer ab 2024 in den Haushalt eingeplant wurden.

Und doch ist das Ergebnis nicht überraschend. Die Ursachen reichen ins Jahr 2021 zurück. Nahezu parallel kamen damals Anträge von Bürger für Görlitz und unserer Fraktion. BfG will eine Bettensteuer, wir eine Gästetaxe. Vorteil Gästetaxe: Die Einnahmen müssen zwingend für touristische Dinge ausgegeben werden. Damit entsteht eine Vorteilsübersetzung bei Herbergsvätern und -müttern und deren Kunden. Man kann eine Geschichte erzählen, was aus der Steuer finanziert wird. Feste Toiletten am See zum Beispiel. Einig waren wir uns damals mit der EGZ und der Stadtverwaltung, die beiden Modelle in Ruhe zu vergleichen. Bürger für Görlitz hatten jedoch den Ehrgeiz, schnell entscheiden zu lassen. Es ging plitzplautz. Die Finanzverwaltung war erkennbar für die Bettensteuer. Nachvollziehbar. Da kann niemand reinreden, was mit dem Geld passiert. Trotz aller Warnungen und Bitten von Verbänden und Betrieben wurde abgestimmt. Mit einer Stimme Mehrheit ging der Grundsatzbeschluss für eine Bettensteuer damals durch.

Ich war der felsenfesten Auffassung, dass durch den anschließenden Unmut des Tourismusvereins ein Lernprozess einsetzt. Dass die Verwaltung rechtzeitig in die Satzungserarbeitung einsteigt und sich bei der Ausgestaltung mit den Profis aus den Beherbergungsbetrieben abstimmt. Die sollen schließlich die Steuer für uns einnehmen. Umso erstaunter war ich, als ich den Satzungsentwurf das erste Mal las. Der wurde aus bestehenden Satzungen der Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz übernommen. Ohne die Tourismuswirtschaft frühzeitig einzubeziehen. Kann man machen – muss man aber mit Konsequenzen rechnen. Diese lag für mich darin, der Vorlage nicht zuzustimmen. Diesen Umgang mit Leistungsträgern in der Stadt kann ich nicht unterstützen. Das würde langfristig mehr Schaden anrichten als die nun nötigen Umfinanzierungen. Nach wie vor ist unsere Fraktion der Auffassung: Wenn schon eine Abgabe dann als Gästetaxe, deren Einnahmen ausschließlich dem Tourismus zugutekommen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

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Gute Nachrichten aus Hagenwerder
SKAN wächst und gedeiht und kauft ein weiteres Grundstück. Der Stadtrat stimmt natürlich zu.

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Straßenreinigungssatzung
Die geht ebenfalls klar durch. Leider werden sich die Preise erhöhen. Weil unser Dienstleister deutlich mehr Kohle haben will. BfG und unsere Fraktion mahnen an, dass die Verwaltung zügig mit der Suche nach alternativen Möglichkeiten beginnt, damit wir in spätestens zwei Jahren nicht vor demselben Problem stehen. In dem Zuge sollte das Rathaus auch überlegen, wie wir die Verwaltungsgebühren senken. Stolze 170.000 Euro schlagen zu Buche.

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Sternwarte und DZA
Die CDU-Fraktion möchte den OB beauftragen, mit dem im Aufbau befindlichen Deutschen Zentrum für Astrophysik zu reden, um zu fragen, ob sie Geld für die Sternwarte aufbringen können. Über ein gemeinsames Projekt. Wir sind Fans von Sternwarte und DZA. Lehnen aber dennoch ab. Für uns ist dieser Antrag zu flach. DZA und OB reden regelmäßig miteinander. Es braucht nicht immer einen Stadtratsbeschluss, um Dinge zu bewegen. Die Vorlage wird dennoch von der großen Mehrheit des Rates angenommen.

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Kulturraumfinanzierung
Im letzten Tagesordnungspunkt beantragt die CDU Änderungen im Entscheidungsprozess zur Kulturraumförderung. Fördert der Kulturraum Projekte oder Institutionen, so wird ein Sitzgemeindeanteil fällig. Wenn diese Summe 75.000 Euro im Jahr übersteigt, soll künftig der Verwaltungsausschuss einbezogen werden, um die finanziellen Aspekte im Gesamtkontext zu bewerten. Das betrifft bislang nur die drei institutionell geförderten Häuser Tierpark, Musikschule und WERK 1 (Second Attempt e.V.).

In der Debatte gibt es mehr Fragen als Antworten. Unklare Formulierungen, unklare Folgen. Deshalb bittet Stephan Bley von den Bürgern für Görlitz um Vertagung der Angelegenheit. Einen Monat Zeit nehmen, die Vorlage schärfen, offene Fragen klären. Das unterstützen wir. Doch die CDU zieht gemeinsam mit der AfD durch. Der Antrag auf Vertagung wird abgelehnt. Am Ende stimmen 19 Stadträte für den unausgegorenen Antrag, darunter auch Karsten Günther-Töpert und Prof. Joachim Schulze von der BfG-Fraktion. Das ist deshalb überraschend, weil die CDU in der Antragsbegründung die neu hinzugekommene Kulturraumförderung für das WERK 1 explizit benennt und die AfD-Fraktion in der Debatte ihre Zustimmung klar signalisiert. Können Nachtigallen zu leise trapsen?

Die Linke will den Beschluss von der Rechtsaufsicht prüfen lassen. Eine sehr bewegte und emotionale Sitzung, die dem OB bisweilen aus den Händen gleitet, könnte das eine oder andere Nachspiel haben. Feierabendbier auf dem Untermarkt. Görlitz ist schön.

 

Text und Foto: Mike Altmann

 

Änderungsbedarf am Stadthallenprojekt

Am 26.10.2023 beschäftigte sich der Stadtrat erneut mit der Stadthallensanierung. Die Verwaltung beantragt, dem überarbeiteten Betriebskonzept zuzustimmen, den OB zu beauftragen, Fördermittelanträge zu stellen und die Kostenobergrenze für die Sanierung auf rund 51 Millionen Euro zu erhöhen.

Deshalb reichen wir einen Änderungsantrag ein. Statt das Betriebskonzept zu bestätigen, wollen wir es nachbessern lassen. Der Bedarf an gesellschaftlichen und nichtkommerziellen Kulturveranstaltungen soll ebenso ermittelt werden wie die aktuelle Marktlage. Das fehlt bislang. Ebenso wie eine Stärken-Schwächen-Analyse für alle Sparten. Desweiteren wollen wir vom OB eine klare Aussage zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Wie bekommen wir die Bausumme gewuppt, wie finanziert sich der Betrieb dauerhaft? Und schließlich wollen wir, dass die Rechtsaufsicht den Prozess eng begleitet. Diesen Antrag begründet Fraktionsvorsitzender Mike Altmann mit folgendem Beitrag (es gilt das gesprochene Wort):

 

Es ist zu beachten, dass die Stadt Görlitz nicht verpflichtet ist, die Stadthalle als Veranstaltungsstätte und Tagungszentrum wieder zu errichten und bereitzustellen. Gesamtsanierung und Betrieb erfolgen aufgrund des öffentlichen Bedürfnisses und der Leistungsfähigkeit. Darauf weist u.a. das städtische Justiziariat hin.

Zum Bedarf

Zu prüfen ist durch uns, ob für die einzelnen Sparten eine öffentliche Notwendigkeit besteht, vor allem wenn sie Defizite erwirtschaften. Dann müssen wir prüfen, ob andere Einrichtungen diese Leistungen bereits ausreichend bereitstellen.

Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, auf dem privaten Markt der Tagungen, Messen und Unterhaltungsveranstaltungen tätig zu sein. Ein Grund kann es sein, dass man durch Überschüsse in diesen Sparten Dinge ermöglicht, die der städtischen Gesellschaft derzeit fehlen. (Außer in der Sparte „Tagungen und Kongresse“ gibt es laut Betriebsplan jedoch überall Verluste.)  Da geht es immer wieder um eine „Halle für alle“, in der wir eine Renaissance der Geselligkeit erleben. Fakt ist, dass deutlich mehr kommerzielle Veranstaltungen geplant sind als solche für die Stadtgesellschaft (105:87).

Aber selbst bei diesen Veranstaltungen müssen wir doch schauen, ob sie zusätzlich sind oder von anderen Häusern abgezogen werden. Da bin ich bei Jugendweihen, Abifeiern, Vereinsveranstaltungen – die finden doch jetzt auch schon statt. Wandern sie ab? Und ist das gewollt?

Es fehlt eine aktuelle Marktanalyse zum Angebot. (Was gibt es schon?) Für Veranstaltungen über 400 Personen besteht in Görlitz kein großes Angebot. Für kleinere Formate, speziell bis 200 Gäste, ist es wichtig, dass wir unsere lokalen und regionalen Mitbewerber kennen. Leider findet sich dazu keine Analyse im Betriebskonzept. Keine Aussagen zum Senckenberg-Campus mit Audimax für 200 Leute, zu Schlesischem Museum, Kinosaal, Siemens Innovation Campus, WERK 1, …)

Es fehlt auch eine Analyse des Bedarfes. Das können Interviews nicht ersetzen. Nur wer die wirtschaftlichen Parameter kennt, gibt fundierte Aussagen zur eigenen potenziellen Nutzung einer sanierten Stadthalle. Als Veranstalter einer Messe wäre es unwirtschaftlich. Für eine zweitägige Messe plus Aufbautag kalkuliert der Kulturservice Einnahmen aus Miete und Dienstleistungen von rund 40.000 Euro. In Löbau kostet das Paket deutlich weniger bei doppelt so viel Fläche und mehr Nutzungstagen für Auf- und Abbau.

Diese Dienstleistungen ziehen sich durch fast alle Veranstaltungen und wirken sich auf die Einnahmeerwartungen aus. Hier finden sich extreme Unterschiede zum ersten Betriebskonzept. Vor zwei Jahren wurden knapp 500.000 Euro Einnahmen für Dienstleistungen kalkuliert. Jetzt Verdopplung auf eine Million Euro. An den Zahlen haben wir erhebliche Zweifel.

Zur Leistungsfähigkeit

Baukosten werden mittlerweile auf 51 Millionen Euro taxiert. Das sind 8 Millionen Euro mehr als vor zwei Jahren. Ohne dass der Bau begonnen hat. Für die Sanierung fehlen laut Prognose die nötigen Eigenmittel und Risikokosten ab 2025, nicht förderfähige Kosten sind gar nicht kalkuliert. Ab 2025 hat die Stadtkasse keine Rücklagen mehr. Die Stadthalle wird somit zu Lasten anderer bereits geplanter Vorhaben gehen. Was fällt weg? Stadion Biesnitz, barrierefreie Haltestellen, Jahnsporthalle, Entwicklung Schlachthofgelände, Umbau des neuen Volkshochschul-Standortes, Erschließung von Deutsch-Ossig und Verbesserung der Infrastruktur Nordoststrand, Geräte für Spielplätze, Pflege für Grünanlagen?

Wie finanzieren wir eigentlich die Betriebskosten bei einem jährlichen strukturellen Defizit von bis zu 15 Mio Euro? Natürlich können wir erstmal einen Förder-Antrag einreichen – aber irgendwann muss jemand unterschreiben, dass wir uns den Betrieb leisten können. Wir werden in Kürze ein „Haushaltsstrukturkonzept“ erarbeiten müssen. (Das ist ein euphemistischer Begriff für Rotstift ansetzen.)

Zu den Kosten kommen noch gar nicht eingepreiste Positionen hinzu: Straßenbau, Parkhausbau, Gestaltungsarbeiten rund um die Stadthalle, Stadthallengarten, zusätzliche Kosten für die Begleitung der sich deutlich verspäteten Sanierung durch Kulturservice (jährlich ca. 200.000 Euro), zusätzliche Kosten für das Jahr vor der Eröffnung (Personal muss schon teilweise am Start sein für Projektentwicklung, Marketing und Akquise – es gibt aber noch keine Einnahmen).

In Anbetracht der erheblichen wirtschaftlichen Risiken und der rechtssicheren Ausgestaltung des Stadthallenprojektes auf Fördermittelbasis sollte die Rechtsaufsicht einbezogen werden. Wir bitten um Zustimmung für unseren Antrag.

(Unser Antrag wird abgelehnt. Die Mehrheit aus AfD, CDU und BfG stimmt mit großer Mehrheit für die Vorlage der Verwaltung.)

Stadtratsblog #46: 28.9.2023

Subjektiv gefärbter Bericht aus dem Stadtrat 28.9.2023

Die Sitzung beginnt mit einer Information von Oberbürgermeister Octavian Ursu zur Stadthalle. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte am Vormittag grünes Licht für eine Aufstockung der Förderung gegeben. Zu den bereits seit 2018 gebunkerten 18 Millionen Euro könnten weitere 4,8 Millionen Euro hinzukommen. Da der Freistaat die Förderung des Bundes in gleicher Höhe beisteuert, stünden 45,6 Millionen Euro zur Verfügung.

Konsequenter Konjunktiv deshalb, weil die Stadt diese avisierten Gelder noch beantragen muss. Das werden wir sehr ernst nehmen und kritisch begleiten. Für uns eine Selbstverständlichkeit bei einer Gesamtinvestition von mindestens 50,7 Millionen Euro und einem folgenden Betrieb, der über mindestens 20 Jahre wirtschaftlich zu sichern ist.

Wir sehen viele offene Fragen in der Finanzierung der Eigenanteile. Zwar wurden rund fünf Millionen Euro in die Finanzplanung aufgenommen für mögliche Kostensteigerungen. Ob diese zehn Prozent ausreichen, ist aber angesichts einer Denkmalsanierung, einem Anbau im Hochwasserschutzgebiet sowie der allgemeinen Preisentwicklung eher fraglich. Straße, Parkplätze, Stadthallengarten kommen ohnehin noch obendrauf.

Zum Geld kommen ungeklärte rechtliche Fragen, die ein schlüssiges und nachvollziehbares Betriebskonzept beantworten sollte. Wir verstehen darunter ein ganzheitliches Konzept zur Bewirtschaftung und zum rechtssicheren Betrieb, einschließlich aller Finanz- und Rechtsfragen für den Zeitraum der Bindefrist der Fördermittel.

Wir sind verpflichtet, ganz genau hinzuschauen und abzuwägen. Zur Erinnerung: Ab 2025 gibt es keinerlei Rücklagen mehr. Jeder Euro Mehrkosten muss aber aus diesen Rücklagen finanziert werden. Das geht nur, wenn bereits geplante Vorhaben zurückstecken. Da rede ich nicht über Neubauten. Sondern über Werterhalt. Rund 8 Millionen Euro Investitionsstau hatten wir zuletzt gemeldet bekommen von den Fachämtern. Das wird sich künftig summieren. Reparaturen in Kitas, auf Spielplätzen und in Sportstätten, dringende Modernisierungen von Feuerwehr, Rathaus und Schwimmhalle konkurrieren um die weniger werdenden Investitionsmittel mit der Stadthalle. Wie wir diese Abwägung treffen, darüber sollten wir dringend im Stadtrat beraten. Bis Ende des Jahres soll bereits der Förderantrag gestellt werden.

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Weitere Info des OB: Die Deutsche Telekom bekennt sich zum Standort Görlitz. Hurra, möchte man rufen. Ein Staatskonzern kommt nach jahrelangem Zaudern mit seiner Infrastruktur in die Diaspora. Von Bonn aus betrachtet. Dann heißen wir Magenta herzlich willkommen. In den nächsten drei Jahren soll Glasfaser verlegt werden. Den Auftakt machen Königshufen und die Südstadt. Wegen der Buddelei wird es immer wieder zu kleineren und größeren Behinderungen kommen. Dafür gibt’s stabiles Internet. Wichtig für Görlitz als Standort für Forschungseinrichtungen und technologiefreudige Unternehmen.

Post hat der OB von Schülerinnen und Schülern des Curie-Gymnasiums bekommen. Sie wollen die Grünfläche des Wilhelmsplatzes für ihre Pausen nutzen. Herr Ursu lässt das prüfen. Eventuell müssen wir dafür die Grünflächensatzung ändern. Wir sind schon ein kompliziertes Land. Denn außerhalb der Schulzeit können die Jungs und Mädels auf den Rasen, ohne dass die Satzung etwas dagegen hätte. Aber es gibt sicherlich eine erhellende Erklärung, warum das nötig sein soll.

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Bürgermeister Hummel berichtet abschließend von einer Begehung der Berliner Straße. Stadtrat Mike Thomas von den Bürgern für Görlitz hatte mehrfach moniert, dass es für Sehbehinderte ein gefährlicher Slalomlauf sei, durch wild aufgestellte Werbetafeln und Außenmobiliar zu kommen. Bei einem Termin mit Stadtrat Thomas und dem Landratsamt waren allerdings 90 Prozent der Bestuhlung und Aufsteller regelkonform platziert. Wo das nicht der Fall war, wurden die Verantwortlichen sofort angesprochen. Die Verwaltung prüft, ob man eine einheitliche Seite festlegen kann, auf der Aufsteller und Co. stehen dürfen. Bedingung: Es braucht drei Meter Abstand zu den Gleisen.

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Regelmäßig bekommen wir Informationen aus städtischen Betrieben oder besonderen Abteilungen. Diesmal berichtet Siegfried Hoche aus dem Ratsarchiv. Schon seit fast 750 Jahren DER Wissensspeicher der Stadt. Es ist sehr zu empfehlen, sich bei einer der Führungen aus erster Hand informieren zu lassen. Die Zukunftsaufgaben des Archivs liegen zum einen in der Digitalisierung, für die es entsprechende technische Ausstattung bedarf. Zum anderen ist der Bauzustand kritisch. Wie das gesamte ehrwürdige Rathaus braucht das Archiv mehr als einen frischen Anstrich. Beschäftigen müssen wir uns auch mit der Frage von geeigneten Räumlichkeiten für Magazinflächen. Die vorhandenen sind statisch nicht ausreichend ausgelegt, so dass die Hälfte der Fläche nicht nutzbar ist. Fehler aus der Zeit um 2000.

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Fragestunde für Einwohner

Die Betriebsratsvorsitzende der MedLab Klinikum GmbH bittet um Unterstützung. Worum geht’s? Die Kolleginnen und Kollegen des MedLab befinden sich im Warnstreik. Sie wollen nach Tarif bezahlt werden, wie die Mitarbeiter des Klinikums.

Das Labor war bereits vor vielen Jahren ausgegliedert worden. Die 25 Beschäftigten sind von der Lohnentwicklung im Krankenhaus abgekoppelt. Hinzu kommen unattraktive Dienste an Wochenenden und nachts. Damit findet das Unternehmen kaum noch Mitarbeiter. Das kann bittere Konsequenzen haben. Die Hälfte der Belegschaft ist über 60, ein Drittel gesundheitlich nicht in der Lage, Nachtdienste zu bestreiten. Damit wird die Personaldecke dünn. Ohne Labor mit Bereitschaftsdienst ist die gesamte regionale Gesundheitsversorgung gefährdet. Die MedLab Klinikum GmbH versorgt auch das Carolus, das Emmaus und das DRK in den Bereitschaftszeiten. Aus Weißwasser kam bereits eine weitere Anfrage.

Dem Betriebsrat stellt sich nun die Frage, warum 1.400 Klinikumsmitarbeiter nach Tarif bezahlt werden, 25 wichtige Stellen im Labor aber davon ausgenommen sind. Ihr Vorschlag: Wieder eingliedern in den Klinikumsbetrieb. Es gibt bereits ein Labor im Klinikum, das zur Pathologie gehört. Dort verdienen die Kolleginnen und Kollegen 350 Euro mehr als ein Gebäude weiter. Ohne, dass sie Zusatzdienste machen müssen.

Der OB erklärt, dass er die Geschäftsführerin des Klinikums bereits gebeten habe, ergebnisoffene Gespräche zu führen. Wir bleiben ebenfalls am Thema dran. Der Hilferuf war eindeutig.

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Es folgt die Fragestunde für Stadträte.

In der letzten Sitzung hatte der fraktionslose Stadtrat Jens Jäschke von der AfD Probleme mit der Redezeit. Zunächst mit der eigenen, dann mit der für die Linken. Das hielt auch nach der Sitzung an. Via Facebook erläuterte er der staunenden Öffentlichkeit eine spektakuläre Interpretation einer Redezeitordnung für Fraktionen. Zitat: „Es war eine Einzelrede der linken Stadträtin und somit hätte sie bei einer Fraktionsredezeit von 8 Minuten exakt 2.40 Minuten Redezeit gehabt und nicht 3.14 Minuten, wie sie bekommen hat. Weil Mathematik auch nicht für alle gleich leicht ist, hier die Erklärung dazu. Acht Minuten Fraktionsredezeit durch drei Stadträte, ergibt 2.40 Minuten.“

Um die kreativen Rechenleistungen einzuordnen, bittet meine Kollegin Jana Krauß das Justiziariat, die entsprechende Passage der Geschäftsordnung zu erläutern. Diese ist seit 2019 allen Stadträten bekannt und regelt eindeutig, wer wie lange das Wort hat. Je Tagesordnungspunkt stehen Fraktionen bis zu acht Mitgliedern mindestens acht Minuten zu. Für jedes weitere Mitglied gibt es eine Minute obendrauf. Einzelstadträte wie Herr Jäschke haben zwei Minuten zur Verfügung. Eine Teilung der Redezeit durch die Mitglieder ist nicht vorgesehen.

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Ich möchte der Rathausspitze gern einen positiv aufgeladenen Ball zuspielen und frage nach dem aktuellen Stand der sagenumwobenen Tischtennisplatte auf dem Lutherplatz. Leider kennt Bürgermeister Hummel den aktuellen Stand nicht. Aufmerksamen Internetnutzern war bereits vor Tagen aufgefallen, dass der Bürgerrat parallel zur Stadtratssitzung die feierliche Eröffnung durchführt. Damit konnte die Platte deutlich früher aufgestellt werden, als befürchtet. Ursprünglich war von bis zu sieben Monaten die Rede. Jetzt haben wir es in fünf geschafft. Immer noch viel zu lange – aber wir sollten uns auch an den kleinen Dingen erfreuen. Erklärungen für den langen Zeitraum gibt es. Neben nötigen Abstimmungen, u.a. mit dem Denkmalschutz, gab es zunächst Lieferengpässe und danach Personalmangel. Nun ist alles fertig und die westliche Innenstadt hat einen weiteren kleinen Anziehungspunkt. Chinesisch auf dem Luthi. Ganz neue Perspektiven.

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Eine Frage habe ich aus Hagenwerder mitgebracht. Es geht um den Kiesabbau. Zuletzt war bekannt geworden, dass die Genehmigung am bestehenden Ort um zwei Jahre verlängert wird. Marianne Thiel von der Ranch am See berichtet in Social Media Foren, dass ein neuer Hauptbetriebsplan vom Oberbergamt genehmigt worden sei. Der Abbau soll sich demnach weiter Richtung Norden erstrecken. Der Stadtverwaltung ist dazu nichts bekannt, sie geht dem Thema aber nach.

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Jana Lübeck von den Linken erkundigt sich nach dem Stand des Projekts „BauLustOffensive“, dass bereits Ende 2021 genehmigt wurde. Auf Initiative der CDU-Fraktion soll es darum gehen, leerstehenden Gründerzeithäusern neues Leben einzuhauchen. Dafür soll bei Familien geworben werden, Wohneigentum zu bilden. Entsprechende Beratungen sind ebenfalls vorgesehen. Nur kommt das Projekt nicht aus der Hüfte. 2022 war der Fördermittelgeber noch nicht so weit. Jetzt hat Görlitz noch keinen genehmigten Haushalt und darf somit die Fördermittel nicht abrufen. Mal sehen, wie das ausgeht. Und ob das Projekt eine spürbare Wirkungen entfalten kann.

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Es folgt eine Petitionsangelegenheit. Dabei geht es um eine Unterschriften-Aktion zur Herstellung eines Durchgangsverkehrs von der Käthe-Kollwitz-Straße zur Görlitzer Straße.

Wir befinden uns also am westlichen Zipfel von Görlitz. Rauschwalde, Richtung Ortsausgang. Worum geht’s? Es wurden 200 Unterschriften unter folgendem Text gesammelt:

„Wir Anwohner plädieren für eine verkehrstechnische Anbindung westlich der Helmut-von-Gerlach-Straße an die Görlitzer Straße in Görlitz-Rauschwalde. (…) In mehreren Gesprächen mit Bürgern in Görlitz-Rauschwalde wurde deutlich, dass der Wunsch nach einer westlichen Anbindung der Helmut-von-Gerlach-Straße an die Görlitzer Straße mit Durchgangsverkehr bereits über einen langen Zeitraum besteht. Aus diesem Grunde führen wir Anlieger des Wohnquartiers (…)  eine Unterschriftensammlung durch, um für unser Anliegen Öffentlichkeit und Unterstützung erreichen zu können.“

Wir sind sehr für Bürgerbeteiligung. Allerdings nur, wenn es sich um nachvollziehbare Wünsche von Betroffenen geht. Daran haben wir bei dieser Unterschriftensammlung unsere Zweifel. Von mehreren Anliegern der Helmut-von-Gerlach-Straße gab es Hinweise, dass sie weder über die Unterschriftensammlung Kenntnis hatten noch dass sie deren Ziel unterstützen. Handelt es sich also um ein Einzelinteresse, das mithilfe von Unterschriften aus dem gesamten Stadtgebiet Druck durchgesetzt werden soll?

Wir bringen unsere Bedenken zum Ausdruck, enthalten uns letztlich. Die große Mehrheit stimmt zu. Ein Umsetzungsbeschluss ist es ohnehin nicht. Der OB wird lediglich beauftragt, Anregungen aus der Petition zu berücksichtigen und Umsetzungsmöglichkeiten zu prüfen.

Gegenüber dem Initiator der Unterschriftensammlung hätten wir deutlicher werden müssen: Das Projekt hat angesichts der knappen Gelder keine realistische Chance auf Umsetzung in absehbarer Zeit. Der Oberbürgermeister sagt zu, dass es demnächst einen Plan geben wird, mit dem Straßenbauprojekte priorisiert werden.

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Drei Dienstleistungen vergeben wir.

Rahmenzeitvertrag für Straßen- und Kanalunterhaltungsarbeiten für vier Jahre im Stadtgebiet Görlitz

Die SKS Straßendienst- und Kommunalservice GmbH bekommt den Zuschlag. Pro Vertragsjahr beträgt die Rahmensumme durchschnittlich 550.000 EUR brutto. Damit sind wir ca. 17 Prozent über den geschätzten Kosten gelandet. Zu den Unterhaltsarbeiten gehören neben Straßen und Kanälen auch Ampeln und Fahrbahnmarkierungen.

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Vergabe der Leistungen der Straßenreinigung und Straßenablaufreinigung für die Jahre 2024-2025 mit Option der Verlängerung für das Jahr 2026

Hier bekommt die Veolia Umweltservice Ost GmbH den Zuschlag. Gesamtpreis 1.6 Millionen Euro. Die Kostenschätzung lag eine halbe Million darunter. Aufgrund der immer teurer werdenden Angebote in diesem Sektor, wurde die Leistung nur noch für zwei Jahre ausgeschrieben. Bis zum Ende der Vertragslaufzeit müssen wir nun Alternativen prüfen. Bürgermeister Hummel gibt zu verstehen, dass man sich auch mit einer Rekommunalisierung beschäftigen wird und dazu Gespräche mit benachbarten Gemeinden aufgenommen werden. Das ist der richtige Weg. Selbst wenn er in eine Sackgasse führen sollte, müssen wir nun alle Möglichkeiten prüfen, wie wir aus dem Teuerungsstrudel herauskommen.

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Als drittes vergeben wir die Dienstleistungskonzessionen der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung

Die Stadtwerke Görlitz bleiben unser Wasserunternehmen. Die Laufzeit geht bis 2044. Ich trinke also sauberes SWG-Wasser bis zum 70. Lebensjahr. Das ist mal eine beruhigende Nachricht. Spannend wird freilich die Preisgestaltung.

Mit dem Beschluss geht eine sechsjährige Hängepartie mit zahlreichen juristischen Auseinandersetzungen mit dem Landkreis als Dienstaufsichtsbehörde zu Ende.

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Einige rein formale Beschlüsse überspringe ich jetzt, da sonst die Einschlafgefahr ansteigt. Ganz interessant sind zwei Grundstücksverkäufe: KommWohnen bekommt das Grundstück im ehemaligen Werk1 des Waggonbau, wo sich PKW- und Busparkplatz befinden. Das Wohnungsunternehmen bewirtschaftet die Parkplätze schon lange. Das Grundstück kann KommWohnen aber erst mit Ende einer Bindefrist kaufen. Solche eine Bindefrist besteht, wenn man Fördermittel in Anspruch nimmt.

OB Octavian Ursu ist in bester Laune. Er motiviert die Stadträte: „Wir verkaufen noch ein Grundstück, dann machen wir Pause.“

Jetzt geht es um eine Firmenerweiterung. Die Pla.to GmbH kauft eine Fläche hinzu. Sie braucht eine zweite Halle. Das Unternehmen von Heinz Schnettler liefert weltweit Reinigungsanlagen für wirtschaftliches Altkunststoffrecycling. Investitionsvolumen rund 1,7 Millionen Euro. Gutes Gelingen.

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 Nach der Pause beschließen wir die Ausschreibung, mit der wir einen Betreiber der öffentlichen Straßenbeleuchtung suchen.

Wir kritisieren, dass das Görlitzer Beleuchtungssystem nicht für eine integrierte Ladesäuleninfrastruktur genutzt wird. Danilo Kuscher kennt sich aus als Elektriker. Mit gutem Willen ließen sich die bestehenden Vorrichtungen einfach umrüsten, meint er. Der Kabelquerschnitt sei erfreulich groß. Ein hinzugezogener Spezialist erläuterte uns in der Fraktion, „dass wohl jemand extrem schlechte Werte ermitteln wollte.“ Klar, die Interessen zwischen Energieproduzenten und Kommune können schon mal auseinandergehen.

Da die Ausschreibung für Ladepunkte noch extra erfolgen soll, stimmen wir zu. Danilo regt an, dass wir uns schnell auf den Weg begeben und verschiedene Möglichkeiten prüfen, auch in Richtung Genossenschaft. Wir wollen das Feld nicht Konzernen überlassen, die bislang Öl und Diesel verkaufen.

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Dann kommt es zum Höhepunkt aus unserer Sicht: Beschluss zur Klimaneutralität der Stadt Görlitz

Einen solchen Beschluss hatten wir bereits Ende 2022 initiiert. Der OB sollte ihn eigentlich im März vorlegen. Nun hat es etwas länger gedauert. Das ist nicht wirklich nachvollziehbar, da es sich um einen Grundsatzbeschluss handelt, dem jegliche konkreten Maßnahmen fehlen.

Der Beschlusstext kommt entsprechend dünn daher:

  1. Der Stadtrat bestätigt die Zielsetzung, die Klimaneutralität der Stadt Görlitz anzustreben und bestenfalls bis zum Jahr 2030 zu erreichen.
  2. Alle Maßnahmen auf diesem Weg müssen wirtschaftlich sinnvoll, technologisch realisierbar und bürgerschaftlich mehrheitsfähig sein. Der Stadtrat appelliert an alle Akteure der Stadtgesellschaft, durch breites Engagement auf das Ziel der Klimaneutralität hinzuarbeiten.
  3. Um das Ziel Klimaneutralität zu erreichen, wird die Stadt Görlitz nötige Ressourcen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene einfordern

Mein Kollege Andreas Kolley erkundigt sich zunächst, was unter „bürgerschaftlich mehrheitsfähig“ zu verstehen ist. Soll es zu jeder einzelnen Maßnahme einen Bürgerentscheid geben? Nein, betont der OB. Gemeint ist, dass man im Rahmen der Bürgerbeteiligung gezielt Veranstaltungen in den Stadt- und Ortsteilen durchführt. Natürlich bleibt der Stadtrat das Entscheidergremium.

Vorhersehbar läuft die Diskussion von rechts. AfD-Fraktionsführer Lutz Jankus hat Temperaturschwankungen und fragt uns: „Wissen wir, dass es wirklich wärmer wird? Oder wird es kälter?“ Dass Menschen ihre Finger im Spiel haben, glaubt er nicht. Für ihn ist Klima Wetter. Und Wetter wird von der Sonne gemacht. Und Magnetismus spielt noch eine Rolle. Das wars dann aber. Wie gut, dass Herr Jankus nicht vor Schulklassen steht.

Erhellendes kommt auch nachfolgend nicht von ihm. Er behauptet, dass für den Klimaschutz Bäume sterben und verweist auf die hundert Seiten starke Vorlage. Dazu muss man freilich sagen, dass jeder Stadtrat beim Rathaus papierlose Unterlagen erhält, wenn gewünscht. Nutzt unsere Fraktion seit ihrer Gründung im Juni 2020. Es ist nicht der Klimaschutz der Bäume tötet. Es ist der Unwille zur Veränderung.

Aus dem Reigen der faktenfernen Jammerei über angebliche Umerziehung und Verfolgung Andersdenkender (ja, es wurde von „Ungläubigen“ und „Konterrevolutionären“ fabuliert) möchte ich nur einen Beitrag herausgreifen. Er zeigt exemplarisch, wie in öffentlichen Stadtratssitzungen Behauptungen von der AfD aufgestellt werden, die maximal von der Wahrheit entfernt sind. Jens Jäschke möchte begründen, warum Klimaschutzbemühungen in Görlitz oder Deutschland gar nichts fürs Weltklima tun. Zitat: „Selbst wenn wir es in Deutschland schaffen würden, klimaneutral zu werden –  drei Jahrzehnte unserer Klimaneutralität haut China in 24 Stunden raus.“

Hierfür brauchen wir einen Faktencheck. Nach statistischen Zahlen für 2021 betrug der Jahresausstoß Chinas 12,5 Milliarden Tonnen CO2. Deutschland verbuchte 0,66 Milliarden Tonnen. Macht in Deutschland in 30 Jahren rund 20 Milliarden Tonnen CO2. Wir könnten uns leicht im Kopf ausrechnen, dass diese mögliche Einsparung keineswegs an einem durchschnittlichen chinesischen Tag erreicht werden kann. Denn dann müsste China 750-mal so viel CO2 ausstoßen, wie heute.

Ich weiß auch nicht, warum China jeweils der Maßstab ist. Strebt man nach deren Luftqualität? Und wenn man schon den asiatischen Riesen heranzieht, müsste man nicht im selben Atemzug aufzählen, wie rasant das Land in grüne Technologien investiert? Auch wenn es mit Abstand der größte Luftverschmutzer ist, hat sich der zentralistische Staat auf die Fahnen geschrieben, eine weltweite Führungsrolle bei umweltfreundlichen Technologien und nachhaltigen Lösungen einzunehmen.

Der Experte für Energiefragen in der Fraktion, Danilo Kuscher (Motor Görlitz), kritisiert die faktenferne Diskussion der AfD. „Natürlich werden wir in Görlitz nicht das Weltklima verändern. Die CO2-Bepreisung wird über internationale Abkommen geregelt. Das hat Einfluss auf die künftigen Energiekosten, die wir über höhere Gebühren auf die Bürger umlegen müssen, wenn wir nicht reagieren. Es liegt im ureigenen Interesse der Stadt, die Zukunftstrends nicht zu verschlafen.“

Meine Co-Fraktionsvorsitzende Dr. Jana Krauß (Bündnis 90/Die Grünen) betont, dass es wichtig ist, den OB bei seinem vor vier Jahren ausgerufenen Ziel zu unterstützen. „Wir brauchen keine Angst vor der Zukunft haben. Wandel treibt Innovationen an. Görlitz wird daran partizipieren.“

Am Ende stimmen alle Fraktionen bis auf die AfD dem Antrag zu. Das ist ein wichtiges Signal. Der Grundsatzbeschluss hat aus unserer Sicht Einfluss auf alle künftigen Investitionsvorhaben in Görlitz. Sie sind hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Klimaziele der Stadt zu überprüfen. Damit sollte es künftig auch möglich sein, städtische Aufträge nicht nur an den billigsten Anbieter zu vergeben, sondern Aspekte der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes einfließen zu lassen.

Wir erwarten nun eine Konkretisierung. Benötigt wird eine Maßnahmenliste. Dazu gehören nicht nur Projekte und Investitionen, sondern auch die Erarbeitung einer smarten Struktur im Rathaus, die diese anspruchsvollen Prozesse steuert. Da wir den schon hohen Personalbestand nicht einfach aufstocken können, sind die nötigen Ressourcen im Rahmen eines Personalentwicklungskonzeptes zu erörtern. Der Einstieg in diese Arbeit sollte noch 2023 erfolgen.

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Zum Abschluss gibt es noch einen überflüssigen AfD-Antrag. Die Blauen wollen eine Bestandsinventur der Städtischen Sammlungen. Ermittelt werden soll der Wert der einzelnen Stücke, die in Museen und Magazinen lagern. In Vorberatungen in Ausschüssen haben wir von den Fachleuten der Sammlungen gehört, dass diese Aufgabe unnötig und auch mit dem vorhandenen Personal nicht leistbar ist. Kai Wenzel erläutert in der Sitzung nochmals, dass eine Bewertung im Zuge der Eröffnungsbilanz durchgeführt wurde. Hinzukommendes Gut wird regelmäßig erfasst, der „Schatz“ wächst und neue Zahlen werden aktuell gehalten. Hinsichtlich eines möglichen Versicherungsschadens durch eine Katastrophe meint Wenzel, dass ein Totalverlust unwahrscheinlich sei. Die Kulturgüter befinden sich verteilt in vielen Gebäuden. Im Zuge der Sanierung gab es zudem umfangreiche Sicherungsmaßnahmen.

Mirko Schultze von den Linken erwähnt zurecht, dass der Wert von Kulturgütern der Sammlungen theoretischer Natur ist. Sie gelten als unverkäuflich. Kommen sie abhanden oder werden zerstört, gibt es keinen Ersatz. Insofern könnte man ihren Wert auch auf den symbolischen Euro stellen, sagen Leute aus der Szene.

Karsten Günther-Töpert (Bürger für Görlitz) fragt die AfD, warum sie trotz der ausführlichen Stellungnahmen in den Ausschüssen beim Antrag bleibt. OB Ursu bedauert, dass die AfD kein Vertrauen in die städtischen Fachleute hat. Dem schließe ich mich an. Der Antrag ist zudem handwerklich schlecht. Es fehlen die Kosten, die eine solche Inventarisierung verursacht. Wäre es der AfD ernst damit, hätte sie vor einem Monat bei den Haushaltsverhandlungen beantragt, eine entsprechende Summe einzuplanen. Da kam nichts. Insofern ist zu vermuten, dass dieser Antrag in die Reihe der Panikmache gehört. Die Gesellschaft soll glauben, dass alles erodiert, nichts mehr sicher ist. Selbst die Görlitzer Schätze nicht.

Der gesamte Stadtrat bis auf die AfD lehnt ab.

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Zum Abschluss noch eine Personalie: Die AfD verliert einen weiteren Stadtrat. Alexander Lehmann scheidet aus, da er vor die Tore der Stadt zieht. Seinen Nachrücker bekommen wir im Oktober präsentiert. Das wird aber nur eine Randnotiz werden – im Oktober steht die Stadthalle im Zentrum.

 

Text: Mike Altmann

Foto: Paul Glaser

Stadtratsblog #44: 31.8.2023

Subjektiver Bericht aus dem Stadtrat vom 31.8.2023

„Was für uns keinen Mehrwert hat, kann weg.“ – Ein erhellendes Zitat aus einer ereignisreichen Sitzung, in der es um den Haushalt für die Jahre 2023/24 geht. Ich komme darauf zurück.

Los geht’s wie immer mit Neuigkeiten des OB.
Herr Ursu hat gute Nachrichten aus dem Klinikum. Das Krankenhaus am Rande der Stadt erhält vom Freistaat knapp drei Millionen Euro. Davon wird ein zweiter Linksherzkathetermessplatz angeschafft. Mit dem Gerät untersucht man Herzkranzgefäße. Für die schnelle Versorgung von Herzinfarkt-Patienten ein Gewinn. Eine Auszeichnung gab es für die Pflegekräfte der Station A1 in der Unfallchirurgie und Orthopädie. Sie sind Sachsen-Sieger im Wettbewerb „Deutschlands beliebteste Pflegeprofis“. Herzlichen Glückwunsch.

Positive Nachrichten auch für Görliwood. Aktuell ist ein Filmteam in der Stadt. Gedreht wird „Die Schule der magischen Tiere“ derzeit im ehemaligen Kaufhaus. Octavian Ursu berichtet von Gesprächen mit Produzenten und Regisseuren vor Ort. Görlitz wird als Produktionsstandort geschätzt. Die Möglichkeiten der Filmakademie haben sich herumgesprochen. Film wird ein Wirtschaftsfaktor in der Stadt.

Ein Anlass zur Freude ist auch jedes Jahr die Begrüßung der neuen Azubis und Studenten. Darunter ist in diesem Jahr eine Studentin für Digitale Verwaltung. Sehr gut, dass das Rathaus Fachleute für Digitales selbst ausbildet. Zwei Absolventen dieses Studienfachs bleiben der Stadtverwaltung erhalten. Sie widerstanden den Lockrufen der großen weiten Welt.

Danach befassen wir uns mit dem Haushalt.

Oberbürgermeister Ursu erläutert die besonderen Umstände des spät fertig gestellten Etats. Er ist geprägt von den Auswirkungen der unerwarteten Gewerbesteuermillionen aus dem Birkenstockverkauf 2021. Die sorgten dafür, dass Görlitz für kurze Zeit als reiche Kommune galt. Reiche Kommunen bekommen keine Schlüsselzuweisungen vom Land und müssen kräftig an den Kreis und arme Gemeinden blechen. Sagenhafte 38 Millionen Euro hat Görlitz als Kreisumlage hingeblättert. 10 Millionen mehr als noch 2022. Außerdem wurden Kredite abgelöst, um Spielraum für die Zukunft zu haben. Den Rest brauchen wir, um das strukturelle Defizit auszugleichen. 2024 werden über 13 Millionen Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Für die Folgejahre sieht es ähnlich verheerend aus. Keine Frage, wir brauchen ein Sparkonzept, um dieses strukturelle Minus anzugehen. Das Landratsamt hatte vor zwei Jahren schon angemahnt, dass der Personalbestand der Stadtverwaltung „kritisch zu hinterfragen“ sei. Dazu ist vom OB leider nichts zu vernehmen. Stattdessen kündigt er an, dass Abgaben und Gebühren neu berechnet werden müssen.

Die Stadt Görlitz nutzt den Spielraum, den es jetzt noch gibt. Es wird investiert. Begonnene Projekte werden fortgeführt, wie die Sanierung der Grundschule Königshufen und der Bau des Gewerbegebietes Schlauroth. Ja, auch die Stadthalle zählt dazu. Sie allein bindet 10 Millionen Euro Investitionsmittel bis zum Jahr 2027. Und niemand weiß, ob das überhaupt reichen wird.

Neue Vorhaben gibt es auch:

  • Das Förderschulzentrum Königshufen wird saniert.
  • Wir bleiben dran am Bau einer neuen Oberschule mit Turnhalle auf dem Schlachthofgelände. Der OB hofft auf Fördermittel im nächsten Jahr. Die Eigenmittel von gut zwölf Millionen Euro sollen über einen Kredit finanziert werden.
  • Die Sanierung des Elisabethplatzes beginnt nun endlich.
  • Ebenfalls auf der Agenda steht die Sanierung der Außensportanlage Hirschwinkel, die allerdings nicht vor 2026 fertig sein dürfte. Spannend wird auch sein, wann die Dachreparatur der Jahnsporthalle erfolgt.
  • Kleinere Maßnahmen dürften auch für Aufatmen sorgen. Etwa die lange geforderte Stützwand für die Friedersdorfer Straße, Schallschutz an Görlitzer Schulen, Umgestaltung von Schulhöfen oder der barrierefreie Umbau der Haltestellen.
  • Ein positives Husarenstück ist die Sanierung der Pließnitzbrücke in Hagenwerder. Sie erfolgt ohne Fördermittel. Seitdem die Brücke gesperrt werden musste, sind die Hagenwerdaer abgeschnitten vom Friedhof und dem Sportplatz. Weite Umwege sind die Folge. Der Ortschaftsrat setzte sich durch: Nicht ewig warten auf Fördermittel, sondern die kostengünstigste Variante selbst in Angriff nehmen. Das wird nun eine Fußgänger-Brücke. Für Radler ein Extraschuss Adrenalin, wenn sie zukünftig illegal über die Bohlen brettern.

Nachdem die Verwaltung den Etat präsentiert hat, reden die Fraktionen. Das sind grundsätzliche Dinge. Je nach Ausrichtung. Bei der AfD gibt’s viel Bundespolitik, selbst die Zinspolitik der EZB wird aufgegriffen. Fraktionsführer Jankus braucht ein wenig, bis er im Ätz-Modus ist und allen anderen Fraktionen vorwirft, sie hätten lediglich Sandmännchen-Anträge eingereicht, mit denen den Leuten Sand in die Augen gestreut wird, die aber nichts verbessern.

Matthias Urban vertritt CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg. Er sieht die Welt schon deutlich bunter als Herr Jankus und freut sich, dass trotz aller Schwierigkeiten an Projekten drangeblieben wird. Wertvoll finde ich seinen Hinweis, dass ein weiterer Personalaufwuchs nicht machbar ist, da wir sonst handlungsunfähig werden. Er kündigt an, dass dazu eine Initiative der CDU kommt.

Für die Bürger für Görlitz geht das Duo Yvonne Reich/Karsten Günther-Töpert ans Mikro. Die Fraktionsvorsitzenden betonen, dass gewachsene Strukturen gepflegt werden und nennen beispielhaft Tierpark, Musikschule, Familienbüro und soziokulturelles Zentrum. Mit Blick auf Änderungsanträge der AfD sagt Frau Reich: „Wir müssen nicht aushalten, dass Projekte, die dem Zusammenleben in der Stadt dienen, torpediert werden.“ Für sie ist Görlitz eine Leuchtturmstadt, die positiv in die Region strahlen soll.

Karsten Günther-Töpert erläutert, dass die BfG-Fraktion diesmal keine großen Anträge eingereicht hat. So würde sie gern ein Außenbecken für die Schwimmhalle in Angriff nehmen. Nur ist dafür keine Finanzierung in Sicht. Mit Blick auf das Theater fordert er vom Landkreis und der Stadt Zittau als Gesellschafter den nötigen Zuschuss zu erhöhen, wie wir das als Stadt Görlitz mit diesem Haushalt praktizieren.

Jana Lübeck von den Linken bedauert in ihrer Haushaltsrede, dass erst in den letzten Tagen vor der Sitzung Anträge eingingen und diskutiert wurden. Sie habe dafür keine Energie, da sie noch nicht verrentet ist und sich in vielen Projekten engagiert. Die Schelte geht ins Leere, weil die Linken völlig ohne eigene Verbesserungsvorschläge für den Haushalt kommen. Taktisch vielleicht etwas suboptimal. Unterschreiben kann ich dennoch einige ihrer Worte. Etwa zum Thema Stadthalle, den sie als Eisberg bezeichnet, auf den die Stadt zusteuert.

Ich habe ebenfalls das Vergnügen für die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne vor dem Stadtrat eine Haushaltsrede zu halten. Dabei setze ich auf Optimismus. Die Ausgangslage von Görlitz für die künftige Entwicklung ist besser als uns einige weismachen wollen. Wir wachsen. Vor zwei Jahren, als wir den letzten Haushalt diskutierten, waren wir noch 1000 Menschen weniger im Städtchen. Görlitz genießt einen guten Ruf, wird überregional immer bekannter, die Gästezahlen steigen. Ansiedlungen wie die des Deutschen Zentrums für Astrophysik – DZA – werden langfristig einen unschätzbaren Impuls geben, auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Fachleute, Wissenschaftler aus dem In- und Ausland brauchen eine intakte Stadt. Da sind wir nicht optimal aufgestellt. Wir schieben Wartungen in Millionenhöhe vor uns her. In Kitas und Schulen, auf Sportstätten und Spielplätzen, in öffentlichen Einrichtungen und dem Rathaus. Rathaus? Ja klar. Das fällt bald auseinander, dennoch traut sich niemand ran, weil wir so viele andere Baustellen haben. Aber wir müssen loslegen. Wie wollen wir sonst im Wettbewerb um Fachkräfte bestehen, wenn nicht nur der Blick aus dem Fenster, sondern auch der Arbeitsplatz selbst mittelalterlich anmutet? Positiv: Es ist ein Paradigmenwechsel erkennbar. Für Werterhalt wurde mehr Geld eingeplant.

Kritisch sieht unsere Fraktion weiterhin das Projekt Stadthalle. So wünschenswert eine moderne Veranstaltungshalle ist, bleibt die Frage unbeantwortet, wie wir den Betrieb finanzieren – zusätzlich zu den vielen freiwilligen Aufgaben. Die Sanierung bindet mittlerweile städtisches Geld von 10 Millionen Euro bis 2027. Stadthallengarten, Straßenbau und Parkhaus kommen noch obendrauf. Geld, das uns zum Beispiel fehlt, unseren Strand am Berzdorfer See auf ein mitteleuropäisches Sanitärniveau zu bringen oder die Jahn-Turnhalle zu sanieren.

Unser großer Dank geht an die Kolleginnen und Kollegen der Stadtverwaltung. Sie stehen uns nicht nur im Rahmen der Haushaltsberatungen mit ihrem Wissen zur Seite. Wir werden weiter an uns arbeiten, um auch in heißen Diskussionen mit der nötigen Wertschätzung aufzutreten. Auch wenn wir bisweilen unterschiedlicher Meinung über den Weg sind, eint uns das Ziel: Eine gute Zukunft für unser Görlitz.

Die Dramaturgie sieht vor, dass nach den Haushaltsreden die Einwände von Bürgern abgestimmt werden. Die Möglichkeit dazu hatten alle. Der Etatentwurf lag aus und war online verfügbar. 18 Leute haben das genutzt. Gleich sieben Einwände gibt es zum Thema Sauberkeit. Es werden mehr Mülleimer und Hundetütenspender gewünscht, Müllkübel sollen öfter geleert werden. Eine Sauberkeits-Kampagne soll her. Ebenso mehr Geld für öffentliche Toiletten und Müllsammelaktionen.

Alle Einwände sind berechtigt. Wir befinden uns aber mitten in einem Prozess der Bürgerbeteiligung namens „Sauberes Görlitz“ und wollen diesen erst abschließen. Ende September ist bereits die Auswertung vorgesehen. Danach können wir über konkrete Maßnahmen sprechen und die Vorschläge aufgreifen. Deshalb empfiehlt die Verwaltung, die Einwände zurückzuweisen. Dem schließt sich die große Mehrheit an.

Einen Stadthallen-Einwand gibt es diesmal auch. Aufgrund der Haushaltslage und der unklaren Finanzierung sollten die Mittel für die Stadthalle nicht verbraucht, sondern als Rücklage für die vorhandene Infrastruktur behalten werden. Damit könnten Kostensteigerungen bei wichtigen Projekten abgefedert werden. Falls das nicht möglich ist, schlägt der Einwand vor, das Projekt mit einer Ausgabensperre zu belegen, bis die Finanzierung für Bau und Betrieb feststeht. Ein sehr fundierter Beitrag, der unserer Fraktion aus der Seele spricht. Wir stimmen zu, die Linken ebenfalls. BfG, CDU und AfD sind erwartungsgemäß gegen den Einwand. Damit ist er abgelehnt.

Der letzte Einwand schlägt vor, der Telefon-Seelsorge Oberlausitz, Dienststelle Görlitz einen jährlichen Zuschuss von 1.500 Euro zu zahlen. Damit würde Görlitz es wie Bautzen handhaben. Die Verwaltung erklärt, dass die Summe aus einem vorhandenen Budget genommen werden kann. Es ist also kein zusätzliches Geld nötig. Der Einwand wird angenommen.

Pause.

Danach Änderungsanträge zum Haushalt. Die Verwaltung legt los. Wir nehmen 30.000 Euro Eigenmittel für den Dorfteich Schlauroth in den Etat auf und stocken den Ansatz für die Straßenreinigung erheblich auf – um 140.000 Euro. Die Angebote machen es nötig.

Jetzt diskutieren wir Änderungsanträge, die von mehreren Fraktionen zum selben Thema eingebracht wurden.

Tierpark

Unsere beliebteste Freizeiteinrichtung hat allen Fraktionen vorgerechnet, dass sie 165.000 Euro mehr Zuschuss jährlich braucht. Mindestlohn und Energiepreise sind wesentliche Faktoren. Macht einen jährlichen Zuschussbedarf von 630.000 Euro. Den schlagen alle Fraktionen vor – bis auf die Linke. Für uns begründet Dr. Jana Krauß (Bündnisgrüne): „Der Tierpark ist einer der Orte, wo alle Generationen Erholung finden.“ Sie lobt das Engagement für Artenschutz und Artenvielfalt. Am weitreichendsten ist der Antrag der Bürger für Görlitz, die eine jährliche Dynamisierung von 1% ab 2024 vorschlagen. Deshalb wird über diesen Antrag zuerst abgestimmt. Einstimmig angenommen.

Für die Musikschule beantragt die AfD 133.000 Euro mehr Jahreszuschuss, was abgelehnt wird. Denn die Einrichtung hat sowohl CDU als auch BfG in Gesprächen versichert, dass eine Erhöhung um 60.000 Euro auf dann 400.000 Euro jährlich ausreicht. Beide Fraktionen stellen Anträge in entsprechender Höhe. Der Stadtrat folgt einstimmig.

Auch beim Zuschuss für Ferienfahrten gibt es mehrere Anträge. Die AfD will den Etat von 8.000 Euro auf 10.000 Euro erhöhen. Die Bürger für Görlitz bieten mehr und schlagen 11.000 Euro vor. Der Stadtrat stellt sich hinter den Antrag von BfG.

Danach folgen die einzelnen Änderungsanträge der Fraktionen. Das ist eine mühsame Angelegenheit. Fassen wir zuerst zusammen, was die AfD alles möchte – und nicht durchbekommt:

Streichen möchte die AfD komplett die Gelder für:

  • Betreibung des Helenenbades
  • Soziokulturelles Zentrum
  • Projekt „Engagierte Stadt“
  • Projekt „Partnerschaft für Demokratie“
  • Zuschuss für Kleingartenverband
  • Eigenmittel für „European Energy Award“

Alles, was nicht ins Weltbild der Rechten passt oder was sie nicht verstehen, soll gestrichen werden. Lutz Jankus erklärt aus voller Brust: „Was für uns keinen Mehrwert hat, kann weg.“

Es wird deutlich, dass die AfD zumeist gar nicht weiß, was die Projekte und Einrichtungen leisten oder welche Vertragsverhältnisse es gibt. Hauptsache der Sound wummert. Der Betreiberverein des soziokulturellen Zentrums wird von Sebastian Wippel als „linksextrem“ bezeichnet. Angeblich würde es dort nur Angebote für eine Klientel geben, Ältere fänden gar nichts, monieren die Rechten. Mein Kollege Danilo Kuscher (Motor) erinnert daran, dass es zum Soziokulturellen Zentrum einen Vortrag im Ausschuss gab. Da saßen sogar Vertreter der AfD drin. Haben aber offensichtlich nicht weitergetragen, dass es eine bunte Mischung der Nutzer gibt.

Teilweise sind die Begründungen für das Streichkonzert der AfD komplett abstrus. Das Helenenbad brauche keine Zuschüsse mehr, „weil wir ab 2025 eh kein Geld mehr haben“, sagt Lutz Jankus, ehemaliger Zukunftsoptimist.

Derselbe Lutz ist es auch, der uns erklärt, warum das komplette Programm „Partnerschaft für Demokratie“ finanziell auf null gefahren werden soll: Weil das Rechnungsprüfungsamt bei einigen Trägern Fehler in der finanziellen Abwicklung monierte. Fehlerkultur a la AfD-Fraktion, deren Mitglieder bekanntlich alle eine blütenweiße Weste haben.

Als auch noch die „Engagierte Stadt“ als „unnütz“ abgetan wird, platzt meiner Kollegin Jana Krauß endgültig der Kragen: „Das ist der x-te Vorschlag, der gegen alles ist, was eine Gemeinschaft in einer Stadt ausmacht. Sie wollen das Miteinander zerstören!“

Der Stadtrat lässt das aber nicht zu. Es gibt keine einzige Stimme aus einer anderen Fraktion für einen AfD-Streichvorschlag. Das gilt auch für alle weiteren Änderungsanträge der Blauen. Wie die acht (!) zusätzlichen Stellen fürs Ordnungsamt. Oder die Kürzung der Gelder für Baumpflanzungen.

Auch die Einführung eines pauschalen Zuschusses fürs Tierheim wird abgelehnt. So sehr wir uns für Tiere einsetzen. Einfach mal zwei Euro je Einwohner ansetzen – das ist keine solide Politik. Bezahlt wird nach Bedarf, erklärt uns Ordnungsamtsleiter Uwe Restetzki. Es gibt einen Vertrag mit dem Tierheim für die Unterbringung von Fundtieren. Derzeit werden 28 Tage zu einem festen Satz bezahlt. Änderungen müssten vertraglich festgelegt werden. Eine Zuarbeit zu den Kosten des Tierheims wurde angefragt, fehlt aber noch. In jedem Fall ist es so, dass es nie einen gleichbleibenden Betrag gibt, den die Stadt ans Tierheim zahlt. Die Summe richtet sich nach der Anzahl der Tiere und der Dauer ihres Aufenthaltes.

Besonders ins Zeug legt sich Lutz Jankus schließlich, als er beantragt, rund 20.000 Euro für die Instandhaltung des Bismarck-Turmes auf der Landeskrone einzuplanen. Interessante Begründung: Bismarck vermittle Geschichte. Auf ihn geht die Gründung des Deutschen Reiches zurück, in dem wir – nach Jankus‘ Ansicht – heute noch leben. Was kommt als nächstes? Leben wir doch auf einer Scheibe?

Auf die wenig ertragreiche Vorstellung der AfD folgt die CDU mit ihren Vorschlägen.

Die Sportförderung soll um 28.000 Euro steigen auf knapp 240.000 Euro jährlich. Dazu hatten wir uns im Sportausschuss überfraktionell verständigt. Die von der Verwaltung vorgesehene Summe hätte nicht ausgereicht, um die Vereine wie in den Vorjahren anteilig zu fördern, etwa bei den Betriebskosten, bei Wettkämpfen oder Investitionen. Abstriche wären auch bei der Kinder- und Jugendpauschale nötig geworden. Der Sportausschuss war auf Kurs 220.000 Euro. Ich finde es gut, dass die CDU die Sportförderung angesichts der Kostensteigerungen zukunftsfest machen möchte und noch 20.000 Euro mehr veranschlagt hat. Bis auf die Linken sehen das auch alle anderen Fraktionen so und stimmen zu.

Ebenfalls dem Sport zugute kommen knapp 10.000 Euro. Sie werden im Neißebad benötigt, um an der sonnigen Fensterfront einen Blend- und Hitzeschutz anzubringen. Besonders in den Nachmittagsstunden ist die Sicht stark eingeschränkt – auch für das Aufsichtspersonal. Der Stadtrat stimmt einstimmig für den CDU-Vorschlag.

15.000 Euro gibt es auf Antrag der CDU für eine Studie, die für den Brandschutzbedarfsplan gebraucht wird. Unsere Feuerwehrchefin Anja Weigel, stimmlich angeschlagen, erläutert: Wir brauchen Kompensationsmaßnahmen für Klingewalde, wo es keinen Feuerwehrstandort mehr gibt. Eine externe Beauftragung verkürzt den Prozess und bietet objektive Ergebnisse.“ Auch das wird einstimmig beschlossen.

Anschließend beantragt die Fraktion Bürger für Görlitz einen jährlichen Zuschuss für den Europamarathon e.V. von 25.000 Euro. 2023 fließt das Geld anteilig. Macht rund 8.300 Euro. Es geht darum, diese Großveranstaltung auch künftig abzusichern. Man muss sich das mal vorstellen: Für den Europamarathon sind rund 200 Helfer zu koordinieren. Im Vorfeld gibt es Abstimmungen mit zig Ämtern und Behörden, mit Rettungs- und Sicherheitskräften. Diesen Aufwand ausschließlich im Ehrenamt abzudecken, wird künftig kaum noch funktionieren. Es fällt jetzt schon schwer, die in die Jahre kommenden Mütter und Väter des Europamarathon e.V. durch neue Mitglieder zu entlasten. Wir stimmen mehrheitlich dem Antrag zu. Die Linke ist dagegen. Das Geld ist an ein Konzept gebunden, das der Verein noch erarbeiten soll.

Dann ist unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne an der Reihe.

Schon lange fordern wir, dass am Nordoststrand des Berzdorfer Sees Wasser und Abwasser anliegen und die Toilettensituation an den Bedarf angepasst wird. Die Stadtverwaltung möchte diese Arbeiten erst 2026 im Rahmen eines großen Förderprojektes in Angriff nehmen. Dies hätte zur Folge, dass die derzeitige unbefriedigende Notlösung weitere Jahre anhält. Bis zur Errichtung eines festen Sanitärtraktes soll ein ausreichend großer WC-Container aufgestellt werden. Mit fließend Wasser. Das sehen alle anderen Fraktionen ebenso. Der Antrag wird einstimmig angenommen.

Als nächstes beantragen wir 15.000 Euro für eine temporäre Basketballanlage auf dem Sportplatz Hirschwinkel. Das beliebte Areal für Freizeitsportler ist wegen defekten Bodens gesperrt und soll erst in ca. drei Jahren im Rahmen eines Förderprojektes saniert werden. Ursprünglich wollten wir diese Sanierung komplett aus Eigenmitteln beantragen. Dafür fehlt schlicht die Kohle. Um zumindest das Basketballspielen zu ermöglichen, schlagen wir vor, eine kleine Anlage mit einem Korb auf der befestigten Fläche an der Turnhalle zu errichten. Bis auf die AfD finden das alle prima. Vielen Dank für die Unterstützung.

Der dritte Antrag beschäftigt sich mit den Beschäftigten der Verwaltung. Wir wollen 25.000 Euro einstellen, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu ermitteln. Das ist Basis für weiterführende Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsorganisation in der Stadtverwaltung, höhere Zufriedenheit, weniger Fluktuation. Der OB freut sich über den Vorschlag, bittet aber darum, das Budget zusätzlich für das betriebliche Gesundheitsmanagement nutzen zu können. Das wäre auch Wunsch des Personalrates. Dem wollen wir uns nicht verwehren. Eine Mehrheit sieht das genauso. Bei acht Gegenstimmen und drei Enthaltungen wird der Vorschlag angenommen.

Wir biegen in die Zielgerade ein mit unserem vorletzten Vorschlag. Die Präsentationstechnik in den großen Sälen im Rathaus und der Jägerkaserne ist hoffnungslos veraltet. Danilo Kuscher schlägt vor, die Technik zu erneuern und dafür 10.000 Euro einzuplanen. Auch hier bedankt sich der OB, erläutert aber, dass 20.000 Euro nötig sind, um beide großen Säle auszustatten. „Wenn Sie dem Antrag zustimmen wollen, so wäre meine Bitte, 20.000 Euro einzustellen“, sagt er in Richtung Danilo Kuscher.

Nun wird es wild. Sebastian Wippel meldet sich und erklärt: „Ich beantrage, dass wir über den Antrag von 20.000 Euro abstimmen und nicht über 10.000 Euro.“ Verwirrung im Saal. Denn das hatte doch wenige Augenblicke zuvor der OB bereits beantragt. Selbst wenn es in eine höfliche Bitte gekleidet war. Danilo Kuscher hat das Schlusswort (und konnte aufgrund der beschlossenen Redezeitregelung gar nicht früher auf den Oberbürgermeister reagieren). „Wir nehmen ihren Vorschlag an“, gibt er dem OB zu verstehen. Darüber wird abgestimmt. Der Rat zeigt sich bei der Frage gespalten. Entsprechend geht es aus. 13:13 bei einigen Enthaltungen. Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt.

Damit könnten wir es bewenden lassen. So geht Demokratie. Sebastian Wippel und die Juristen der AfD-Fraktion aber möchten noch unser aller Zeit vergeuden – es ist mittlerweile 22 Uhr. Sie führen ein absurdes Stück auf. Und das geht so: Nachdem der Stadtrat mehrheitlich – mit Nein-Stimmen auch aus der AfD – die 20.000 Euro für Präsentationstechnik abgelehnt hat, soll nun noch über den Änderungsantrag von Herrn Wippel abgestimmt werden. Hä? Hatte der nicht haargenau dasselbe gefordert? 20.000 Euro für Präsentationstechnik? Was soll das ganze?

Am Ende ein leicht durchschaubares Manöver. Die rechten Herren wollen uns gern vorführen. Austesten, ob wir einen gleichlautenden Antrag ablehnen, weil er von der AfD kommt. Ich gebe dem Landtagsabgeordneten Wippel zu verstehen, dass ich nicht zustimmen werde und empfehle ihm, dass er sich für seine Schauspielversuche eine Laienspielgruppe suchen soll. Das ist freilich ungerecht. Gegenüber den Laienspielgruppen. Nach endlosem Hin und Her, aufgeblasener Juristerei, Konsultationen mit dem Justiziar, kommt die Runde zur Erkenntnis, dass der abgestimmte Antrag erledigt ist. Halleluja.

Letzter Akt: Wir wollen dem Grünflächenamt mehr Spielraum verschaffen. Wegen der neuen Grünanlagensatzung braucht es viele Schilder. Damit alle wissen, was verboten ist. Dafür stehen in der Projektliste des Haushaltes 80.000 Euro für das Jahr 2024 bei Spielplätzen. Für Grünanlagen sind von 2025 bis 2027 jährlich 40.000 Euro geplant. Macht insgesamt 200.000 Euro nur für Schilder. Es nicht nachvollziehbar, dass wir 44 Spielplätze topmodern beschildern, die Plätze selbst aber aufgrund fehlender Budgets nicht in Schuss halten können. Gleiches gilt für die 70 Parkanlagen.

Deshalb beantragen wir die Aufhebung der Zweckbindung für die Gelder. Damit hat das Fachamt die Möglichkeit, eine günstigere Variante für die Beschilderung zu wählen und bekommt Spielraum für nötige Instandsetzungen bzw. Ersatzbeschaffungen auf den öffentlichen Spielplätzen und Grünanlagen. Der Stadtrat stimmt bei drei Enthaltungen zu.

Damit sind alle Änderungsanträge durch. Es ist kurz vor halb 11. Wir beschließen den Haushalt 2023/24. AfD und Linke stimmen dagegen. CDU, Bürger für Görlitz, Bündnisgrüne und Motor sind dafür. Auf die anstrengende Sitzung wird mit einem überfraktionellen Bier im Herzen der Altstadt angestoßen. Prost, Demokratie.

 

Text und Foto: Mike Altmann

Stadtratsblog #43: 29.6.2023

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Weitere Informationen

Letzte Sitzung vor der Sommerpause. Sie beginnt mit der Verleihung des Bauherrenpreises der Arbeitsgemeinschaft Historische Städte. Ausgezeichnet werden hervorragende Sanierungen im historischen Stadtkern. Über eine Anerkennung und 500 Euro dürfen sich freuen: Das Projekt Obersteinweg 7 und der Güterbahnhof, der zur Waldorfschule umgebaut wurde. Der Bauherrenpreis, dotiert mit 1.500 Euro, geht an Mark Eidam und das Görlitzer Architekturbüro Beyer + Brussig für die Sanierung der Lunitz 6c. Das Haus, etwas zurückgesetzt in einer Flucht, führte lange ein Schattendasein. Nun wertet es die Nikolaivorstadt weiter auf. Herzlichen Glückwunsch allen Preisträgern.

 

Informationen des OB:

Octavian Ursu verkündet Positives: Der Kauf des Schlachthofgeländes ist in trockenen Tüchern. Das innerstädtische Gelände wurde von KommWohnen übernommen. Notartermin ist durch. Damit ist das Nostromo gerettet und wir haben einen Ort für Stadtentwicklung hinzugewonnen.

Neuigkeiten in Sachen Stadthalle erfährt die Öffentlichkeit von Baubürgermeister Benedikt Hummel. Da die avisierten Fördergelder in Höhe von 36 Millionen Euro nicht reichen (Baukosten werden auf über 50 Millionen Euro taxiert), wurde ein zusätzlicher Förderantrag im Programm KulturInvest gestellt. Dem Vernehmen nach erhofft sich die Stadtverwaltung 10 Millionen Euro für ein „Erweiterungsmodul Nachhaltigkeit“. Ob der Antrag Erfolg hat, wissen wir frühestens im Herbst.

 

Regelmäßig berichten uns im Stadtrat die Geschäftsführerinnen der städtischen Gesellschaften. Diesmal ist Ines Hofmann vom Städtischen Klinikum an der Reihe. Anlass sind die geplanten Gesetzesänderungen zur Krankenhausfinanzierung. Unser Städtisches Klinikum ist aktuell Schwerpunktversorger mit 550 Betten. Das soll nach dem neuen Sächsischen Krankenhausplan so bleiben. Görlitz hofft auf eine Ausweitung der Betten in der Tagesklinik (von 84 auf 91). Außerdem möchte das Klinikum das Leistungsspektrum um Palliativmedizin und Infektiologie erweitern und als Onkologisches Zentrum aufgenommen werden.

Ob sich die Wünsche erfüllen, ist fraglich. Derzeit warten alle gespannt auf das neue Krankenhausgesetz von Gesundheitsminister Lauterbach. Die Gespräche mit den Ländern gestalten sich zäh. Klar scheint: Es wird eine Einstufung der Krankenhäuser nach Leistungsgruppen geben. Nur wer festgelegte Qualitätskriterien erfüllt, bekommt bestimmte Behandlungen finanziert. Ines Hofmann geht davon aus, dass das Städtische Klinikum eine Level 3-Einstufung erhält (höchste Notfallstufe und viele Leistungsbereiche). Knackpunkt für zusätzliche Leistungsbereiche wird neben Investitionen in Großgeräte das Personal. Zwar ist das Haus im Görlitzer Norden breit aufgestellt. Es fehlt jedoch in der Tiefe an Ärzten und Pflegekräften. Auch beim Nachwuchs stockt es derzeit. Seit langer Zeit gehen die Bewerbungen deutlich zurück. Deshalb plädiert Ines Hofmann im Stadtrat dafür, Zuwanderung offensiv und positiv zu gestalten. „Wir brauchen ausländische Fachkräfte, auch Azubis, müssen sie und ihre Familien gut bei uns aufnehmen. Sonst wird es eng mit der Versorgung.“ Gut merken, wird später noch wichtig.

Ansonsten können wir auf kommunaler Ebene wenig tun. Vieles hängt am Land (Finanzierung von Investitionen und Förderung von Nachhaltigkeitsprojekten wie PV-Anlagen) und am Bund (noch immer werden die Leistungen nicht ausreichend bezahlt, die Bürokratie wird weiter zunehmen).

Bei allen Herausforderungen versteht es Ines Hofmann, Optimismus zu verbreiten. Unser Klinikum ist nicht in Gefahr, erbringt hervorragende Leistungen und ist als medizinischer Versorger im Kreis Görlitz nicht wegzudenken. Herzlichen Dank an die Chefin und ihr engagiertes Team im Krankenhaus am Rande der Stadt.

 

In der Fragestunde für Einwohner wünscht sich Kurz Bernert einen stärkeren Ausbau von Fernwärme in der westlichen Innenstadt. OB Ursu verweist auf einen späteren Tagesordnungspunkt, der sich mit dem Thema Wärmeplanung befasst.

Auch der Bürgerrat Weinhübel ist diesmal vertreten. Die Abordnung erkundigt sich, ob der Fußweg an der ehemaligen Schule Landheimstraße saniert wird. Das bestätigt Bauamtsleiter Torsten Tschage.

 

Es schließt sich die Fragestunde für Stadträte an.

Meine Kollegin Kristina Seifert (Bündnisgrüne) freut sich, dass die Bürger bei der Suche nach neuen Fahrradständerstandorten direkt beteiligt werden. Sie bittet darum, noch besser zu erläutern, wie mitgemacht werden kann. OB Ursu sagt zu, dass noch mehr informiert und geworben wird. Auf unserer Seite gibt es eine kleine Anleitung für die Fahrrad-Parker-Aktion.

Lutz Jankus (AfD) gibt die besorgte Anfrage eines Bürgers weiter und möchte wissen, ob Görlitzer Kinder nicht in ihrer Wunschschule aufgenommen werden, weil es Kontingente für Ukrainer geben soll. Der Oberbürgermeister erläutert, dass das Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) zuständig ist. Unter deren fachlicher Verantwortung stellen die Schulen ihre Kriterien auf, in welcher Reihenfolge die Wünsche erfüllt werden. Da spielen zum Beispiel Geschwisterkinder eine Rolle. Fakt ist: Da die Schulen mehr als ausgelastet sind, ist es nicht möglich, allen Kindern einen Platz in ihrer favorisierten Schule zu garantieren.

Jana Lübeck (Die Linke) entlastet mich und stellt eine Frage, die ich auch auf dem Zettel hatte: Wie ist der Stand des Projektes „Bau.Lust.Offensive“? Das Vorhaben ging auf eine Initiative der CDU-Fraktion zurück. Bereits Anfang 2022 bekam Görlitz einen Förderbescheid. Bis 2025 sollen vor allem Familien für die Sanierung von innerstädtischen Gebäuden und die Bildung von Eigentum gewonnen werden. Doch zu sehen oder zu hören ist nichts. Bürgermeister Hummel begründet: Das Gesamtprojekt ist immer noch in Abstimmung, die Zeitschiene beim Fördermittelgeber in Verzug geraten. Aktuell wurden die Ausschreibungen vorbereitet. Es heißt also auch bei der Baulust: Geduldig sein.

Jens Jäschke (vereinzelter AfD-Stadtrat) möchte mehr Schatten auf der Freizeitanlage Brautwiesenbogen. Herr Ursu informiert ihn, dass Bäume Zeit brauchen, um zu wachsen. Ob zusätzlich Sonnensegel installiert werden können, müsse man sich anschauen, so der OB. Außerdem kritisiert Jäschke, dass man nicht mehr auf den Turm der Landeskrone kommt und somit nicht den Ausblick genießen kann. OB Ursu wiederholt, was bekannt ist: Der neue Pächter möchte umfangreich sanieren. Außerdem gibt es fortlaufende Gespräche mit der Naturschutzbehörde wegen der hoch gewachsenen Bäume. Freie Sicht auf das Görlitzer Panorama scheint wohl nicht so einfach umzusetzen sein.

 

Weiter geht’s mit einem Zahlensalat, der nicht unbedingt bekömmlich ist. Finanzchefin Birgit Peschel-Martin bringt offiziell den Doppelhaushalt 2023/24 ein. Ich gehe nur auf einige Eckdaten ein. Die große Diskussion und den Beschluss gibt es erst Ende August.

Der Haushalt 23/24 ist ein Sonderfall in der jüngeren Stadtgeschichte. Durch die einmalige Sonderzahlung von Birkenstock (Gewerbesteuer für Verkaufserlöse) im Jahr 2021 gilt Görlitz 2023 offiziell als reich. Fachbegriff: abundante Kommune. Das bedeutet, dass wir keine Schlüsselzuweisungen vom Freistaat bekommen und mehr Geld abdrücken müssen an den Kreis und für die Kulturumlage. 65 Millionen Euro hatten wir 2022 auf dem Konto. Diese Rücklage reicht bis Ende 2024. Ab 2025 hat Görlitz keine Reserven mehr. Das ist gerade jetzt blöd. Denn die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht weiter auseinander. Pro Jahr machen wir ab 2024 rund 10 bis 15 Millionen Euro pro Jahr Miese. Tendenz steigend.

Trotz angespannter Haushaltslage wollen wir investieren. Worin genau, auch das ist Thema unserer Diskussionen im August. Die Verwaltung plant vor allem mit Hilfe von Fördermitteln Gesamtinvestitionen 2023/24 in Höhe von 45 Millionen Euro. Das werden spannende Haushaltsdiskussionen.

Der Haushaltsentwurf ist übrigens wieder online abrufbar. Meine Kollegin Jana Krauß (Bündnisgrüne) bittet in der Sitzung darum. Zwar ist die offizielle Frist für die „Auslegung“ vorbei. Die Görlitzer können aber bis 5. Juli noch Einwände geltend machen. So lange soll das Dokument nun auch abrufbar sein.

 

Es folgen die Beschlussfassungen.

Zunächst stimmen wir einer Vorschlagsliste für Schöffen in der Stadt Görlitz zu. Reine Formalie. Das Amtsgericht prüft die Bewerbungen und trifft die finale Entscheidung. Danke an die über 100 Frauen und Männer, die sich für den Zeitraum 2024-2028 zur Verfügung stellen wollen.

 

Wahl einer Protokollführerin für die Schiedsstelle 3
Kerstin Irmscher wird mit sofortiger Wirkung für die Dauer von fünf Jahren als Protokollführerin der Schiedsstelle 3 der Stadt Görlitz gewählt. Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank fürs Engagement.

 

Vorfristige Mittelfreigabe für die Planungsleistungen zur Umsetzung der FöriGanzInvest
Hinter „FöriGanzInvest“ steckt ein Förderprogramm, mit dem Infrastruktur für Ganztagsangebote finanziert wird. Die Stadtverwaltung hat drei Module vorbereitet, die an den Landkreis gemeldet werden. Dieser wiederum reicht eine Vorhabenliste beim zuständigen Ministerium ein. Bis zur Förderung ist es ein weiter und unsicherer Weg. Was haben wir vor:

  1. Schallschutz verbessern (Melanchthon-Grundschule und Grundschule August-Moritz-Böttcher)

Das pädagogische Personal klagt über Lärmbelastung. Insgesamt acht Räume in den Grundschulgebäuden, die durch die Horteinrichtungen „CityKids“ und „Melanchthon-Hort“ in Doppelnutzung sind, sollen verschiedene Schallschutzmaßnahmen erhalten.

  1. Umgestaltung der Schulhöfe Diesterwegschule und Nikolaischule

Hier sollen die schlechten Zustände behoben und die Unfallgefahren beseitigt werden. Natürlich braucht es für Ganztagsangebote auch attraktive Flächen. Es liegen bereits erste Konzepte vor, die beispielsweise einen kleinen Fußballplatz, Grünflächen, Klettergerüste, Trampolins und einen Turm mit Rutsche vorsehen.

  1. Erneuerung der Außensportanlage am Hirschwinkel

Das derzeit gesperrte Freizeitareal (Bolzplatz und Basketball) soll saniert werden und anschließend für Grundschulen als Ganztagsort zur Verfügung stehen. Das lässt sich mit der „privaten“ Nutzung gut vereinbaren. Die Schulangebote enden im Regelfall gegen 15.30 Uhr. Leider ist das Projekt zeitlich spät eingeordnet. Sanierung im Jahr 2026. Damit würde die Anlage weitere drei bis vier Jahre gesperrt bleiben. Zwar sollen die Tore fürs Fußballspielen vom Bolzplatz auf das Rasenstück an der Turnhalle verlegt werden. Es fehlt aber speziell an Basketballplätzen, insbesondere in der Altstadt und Nikolaivorstadt. Unsere Fraktion hofft, dass wir im Zuge der Haushaltsdiskussionen noch eine Möglichkeit finden, den Sportplatz am Hirschwinkel zeitlich nach vorn zu ziehen.

Unsere Idee, Ballspielplatten als kostengünstige Variante auf dem verschlissenen Untergrund zu verlegen, wird von der Stadtverwaltung nicht empfohlen. Zu unsicher aufgrund der großen Fläche und des unebenen Untergrunds, sagen Ingenieurbüros.

Der Beschluss wird mit wenigen Enthaltungen einstimmig gefasst.

 

Baubeschluss „Gesamtsanierung Förderschulzentrum Königshufen 5. BA“
Wir arbeiten weiter daran, unsere Schulen zu modernisieren. Nächstes Haus ist das Förderschulzentrum „Mira Lobe“ in Königshufen. Im März 2024 soll mit der Gesamtsanierung begonnen werden. Dafür werden die Schüler in den Winterferien ein Ausweichobjekt in Weinhübel beziehen. Ähnlich funktionierte das bereits mit der Grundschule Königshufen. Die Fertigstellung ist im September 2025 geplant. Somit könnte in den Herbstferien das frisch sanierte Objekt wieder bezogen werden.

7 Millionen Euro kostet die Sanierung, knapp 3 Millionen Euro sind städtische Gelder. Den Rest zahlt der Freistaat. Dafür gibt’s jede Menge Modernisierung: Dach, Regenentwässerung, energetische Sanierung (Dämmung und Außenjalousien), Heizung, Sanitär und Elektro, Digitalisierung, Bodenbeläge, Akustik, Brandschutz in Klassenzimmern, kleiner Aufzug vom Hof zum Erdgeschoss für Kinder mit Behinderung, breitere Türen, höhere Geländer, Verdunklungen, etc.

Nicht enthalten in den Arbeiten ist eine Photovoltaikanlage. Mein Kollege Danilo Kuscher (Motor Görlitz) bittet darum, dies nicht aus den Augen zu verlieren. Vor allem weil wir es hier mit einer großen Dachfläche außerhalb von denkmalgeschützten Arealen zu tun haben. Bürgermeister Hummel sagt das zu. Eine solche Anlage wäre nachrüstbar. Es ist ihm ebenfalls wichtig, dass wir diese Fragen stärker beachten.

 

Aufhebung der Ausschreibung Straßenreinigung und Neuausschreibung der Leistungen
Ab 2024 brauchen wir einen neuen Vertragspartner, der unsere Straßen reinigt. Dafür hatte die Stadtverwaltung eine europaweite Ausschreibung für einen Zeitraum von fünf Jahren durchgeführt. Leider gab es nur ein Angebot, was viel zu teuer war. Deshalb soll die Ausschreibung wiederholt werden. Diesmal nur für zwei Jahre plus ein Jahr Verlängerungsoption.

Wir stimmen zu. Knirschen aber mit den Zähnen. Jana Krauß erinnert daran, dass unsere Fraktion bereits im Dezember 2022 vorgeschlagen hatte, die Laufzeit zu verkürzen und ggf. auch mehrere Lose auszuschreiben, getrennt nach maschinellen und manuellen Arbeiten. (Nachzulesen im Protokoll unter Punkt 3.4) Damit wollten wir die Chance auf mehr wirtschaftliche Angebote erhöhen. Das wurde damals verworfen bzw. – und das ist das eigentlich Ärgerliche – nicht weiter untersucht. „Wir machen uns wirklich Gedanken und werfen nicht einfach etwas in den Raum, um zu stören“, sagt Jana. Bürgermeister Benedikt Hummel sieht es etwas anders. Unsere Hinweise seien aufgenommen worden, man habe sie diskutiert, sei aber zu anderen Schlüssen gekommen.

Wie auch immer. Jetzt heißt es Daumen drücken, dass die neue Ausschreibung ein gutes Ergebnis bringt. Perspektivisch müssen wir uns ohnehin damit befassen, wie wir diese Dienstleistungen künftig absichern. Zittau etwa macht das mit seiner eigenen Gesellschaft. Auch das ist eine Option, wenn die Preise der Dienstleister weiter in den Himmel schießen.

Bei vier Enthaltungen wird die Vorlage angenommen.

 

Vorbereitung einer Kommunalen Wärmeplanung für die Stadt Görlitz
Ein Antrag der Fraktion Bürger für Görlitz, zu der Prof. Joachim Schulze von Bündnis90/Die Grünen gehört. Er verweist darauf, dass die Kommunale Wärmeplanung als gesetzliche Vorschrift kommen wird. Auch wenn wir heute noch nicht alle Einzelheiten kennen, sollten wir uns auf den Weg machen. Das ist klug. Wenn für alle Kommunen eine solche Wärmeplanung zur Pflicht wird, werden die Ressourcen knapp. Für viele fachliche Fragen braucht es externe Unterstützung. Also jetzt loslegen und recherchieren, was wir an Ressourcen benötigen, wie die Finanzierung ausschaut, welcher Zeitplan realistisch ist und wie wir die Bürgerschaft beteiligen können. Mit Hilfe dieser Angaben können wir konkret werden mit der Wärmeplanung. Etwa ein halbes Jahr dürften diese vorbereitenden Dinge dauern. In der Zwischenzeit wird es ein Bundesgesetz geben und wir haben Klarheit über die Förderlandschaft.

Erwartungsgemäß machen die Blauen daraus eine ideologische Veranstaltung. Jens Jäschke zeigt auf Kohlekraftwerke in China und will deshalb nicht zustimmen. (Dass China uns bei Erneuerbaren meilenweit voraus ist, ist offensichtlich noch nicht bis in seine gute Stube durchgedrungen.) Er stellt einen Änderungsantrag. Die Wärmeplanung soll es nur für städtische Gebäude geben. Als käme der Vorschlag direkt aus Absurdistan. Entsprechend fällt die Zustimmung sehr überschaubar aus.

Eine Stimme der Vernunft ertönt aus der CDU-Fraktion. Matthias Schöneich erklärt, dass wir uns längst auf den Weg gemacht haben, und verweist auf das Vorhaben einer   grenzüberschreitenden Versorgung von Görlitz und Zgorzelec. Wärmeplanung sei keine Vorschrift, eher eine Hilfe.

Mirko Schultze (Die Linke): Wärmeplanung gängelt nicht, sondern unterstützt bei Investitionsplanungen (u.a. auch unsere Gesellschaft Kommwohnen).

Jana Krauß (Motor Görlitz/Bündnisgrüne): Das ist ein wichtiges Instrument der Stadtentwicklung. Eine Förderung ist zu 100% vorgesehen. Wir müssen uns an die sich verändernde Welt anpassen. Das bedeutet, dass wir künftig nicht nur Energie zum Heizen, sondern auch zum Kühlen benötigen werden.

Karsten Günther-Töpert (BfG): Es wird fünf bis sechs Monate dauern, bis wir überhaupt vorbereitet für Förderanträge sind.

Oberbürgermeister Ursu bekommt einen ergänzenden Passus in den Beschluss. Somit ist festgeschrieben, dass wir nicht über gesetzlich verordnete Maßnahmen hinausgehen und es zu keiner Mehrbelastung kommt. Eigentlich unnötig an der Stelle. Das ist Thema für den nächsten Schritt. Da es aber auch nicht wirklich schadet, übernimmt BfG den OB-Vorschlag und wir stimmen ab.

Bei drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen ist eine große Mehrheit dafür. Darunter – etwas überraschend – auch Lutz Jankus (AfD).

 

Beschlussantrag auf Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels für die Große Kreisstadt Görlitz Die AfD will den OB beauftragen, einen qualifizierten Mietspiegel bis Jahresende zu erstellen. Damit soll das bestehende Gesetz, das zum 1.1.23 in Kraft getreten ist, umgesetzt werden. Und das ist der Knackpunkt: „Einen OB zur Einhaltung der Gesetze zu verpflichten, ist eigenartig“, stellt der Behindertenbeauftragte Michael Hannich (CDU) fest. Zumal Octavian Ursu erklärt, dass die Stadtverwaltung bereits mit der Erarbeitung eines qualifizierten Mietspiegels beschäftigt sei. Zur Frage der Finanzierung führe er Gespräche mit Dresden. Entgegen den Aussagen der AfD gebe es keinen Automatismus für die Kostenübernahme. Insofern ist der Antrag überflüssig, wie meine Kollegin Jana Krauß feststellt.

Ein stückweit kann ich den Ärger der AfD verstehen. Deren Vertreter Gerald Rosal hatte sich mehrfach nach einem Görlitzer Mietspiegel erkundigt. Aussagekräftige Antworten gab es nicht. Es folgte der Antrag. Erst einen Tag vor der Stadtratssitzung informierte uns der Oberbürgermeister über den aktuellen Stand. Dafür sind die Ausschusssitzungen da.

Der Antrag wird von allen Fraktionen außer der AfD abgelehnt. Nun muss die Verwaltung liefern.

 

Aufzeichnung und Speicherung von Stadtratssitzungen
Mit unserem Antrag wollen wir Bürgerfreundlichkeit und Transparenz erhöhen. Görlitz ist Vorreiterin bei Liveübertragungen. Viele Interessierte können sich aber nicht an einem Donnerstag ab 16.15 Uhr vor das Endgerät setzen und mehrere Stunden Stadtrat verfolgen. Wir schlagen vor, die Stadtratssitzung einen Monat lang als Aufzeichnung in einer „Mediathek“ anzubieten. Die Zeit sollte ausreichend sein, um sich über die jüngste Sitzung zu informieren. Die zusätzlichen Kosten für diese Dienstleistung wären überschaubar. Der Effekt umso größer.

Ein Knackpunkt in der Diskussion sind die Datenschutzregeln. Dabei ist in unserer Vorlage die gesetzliche Grundlage klar beschrieben. Egal ob Livestream oder Mediathek – für jede einzelne Verwendung der Aufnahmen braucht es die schriftliche Einwilligung aller im Raum befindlichen Personen. Die Aufgabe besteht schon heute, da wir einen Livestream zeigen.

Es würde keinen Mehraufwand geben, wenn wir zusätzlich die Zustimmung zur Aufzeichnung einholen. Kann alles auf ein Formular.

Die Diskussion ist teilweise schräg. Lutz Jankus von der AfD wirft uns vor, Transparenz nur vorzuschieben. Nicht alle seien rhetorisch geschickt. Die „leisen Stimmen“ könnten verstummen, wenn es eine Aufzeichnung der Sitzung gebe. Gerichtsverhandlungen würden auch nicht übertragen. Mich überrascht diese Argumentation. Rückblick, April 2020. Auf der Tagesordnung ein AfD-Antrag mit dem Titel „Dauerhafte Speicherung der Übertragung der Sitzungen des Stadtrates und Veröffentlichung“(zum Nachlesen: Beschlussvorlage-AfD_Mediathek_April2020) Aus dem Protokoll: „Herr Jankus erläutert die Beschlussvorlage inhaltlich. Der Fraktion gehe es dabei um die Transparenz für die Bürger, insbesondere dann, wenn sie aus zeitlichen Gründen den Livestream nicht zur Übertragungszeit sehen können.“ Na sowas.

Skepsis auch in der CDU. Dieter Gleisberg, Fraktionsvorsitzender, behauptet, dass sich das nicht viele Leute ansehen würden. „Wer sich wirklich dafür interessiert, schaut den Livestream.“

Verständnis habe ich für Stadträte, die sich unwohl fühlen beim Gedanken, als ASkteur in einer Aufzeichnung verfügbar zu sein. Wobei die Protokolle aller Sitzungen bereits heute abrufbar sind. Ich denke, dass es nichts Unmittelbareres geben kann, als eine Sitzung im Original zu sehen. Ohne jede Einordnung. Ganz objektiv. Im Gegensatz zu diesem Rückblick.

Einer spannenden Debatte folgt das knappste mögliche Abstimmungsergebnis. 13 sind dafür. 13 sind dagegen. Vier Enthaltungen. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt. Im Nachgang finde ich es positiv. Einem solchen Beschluss sollte eine große Mehrheit folgen. Vielleicht gelingt es im nächsten Jahr. Der dann neu gewählte Stadtrat muss ohnehin darüber befinden, ob es weiterhin Übertragungen gibt.

 

Brücken zwischen Görlitz und Zgorzelec
Mit einem Grundsatzbeschluss wollen wir die politische Stimmungslage klären. Ist der Görlitzer Stadtrat grundsätzlich für weitere Brücken, vor allem für Fußgänger und Radfahrer? Wir werben dafür. Wenn wir in zehn Jahren, zum 35. Jubiläum der Europastadt, eine neue Brücke haben wollen, müssen wir heute beginnen, darüber zu sprechen. Mit unserem Antrag wollen wir fortsetzen, was 2015 endete. Nach einer erfolgreichen Unterschriftensammlung gegen das Vorhaben einer Brücke am Lindenweg wurde das Vorhaben beerdigt (offiziell aus finanziellen Gründen). Seitdem sind Brücken im Brückenpark kein Thema der öffentlichen Debatte.

Im Mai 2022 beschlossen die Stadträte von Zgorzelec und Görlitz in einer gemeinsamen Sitzung, die Planungen für eine Autobrücke im Norden der Städte voranzutreiben. Diese soll den Verkehr in beiden Städten entlasten, ist aber keine Lösung, um Radfahrern und Fußgängern Wege in die Nachbarstadt zu verkürzen.

Im Antrag benennen wir keine möglichen Standorte, geben keine Zeitpläne vor. Aus einem einfachen Grund: Nach positivem Grundsatzbeschluss überlegen Görlitz und Zgorzelec gemeinsam, prüfen Standorte, legen Prioritäten fest. Und nehmen dabei die Bürgerschaft mit auf den Weg, damit sich niemand überrumpelt fühlt. Ziel: Wenn eine der beiden Städte eine Möglichkeit für ein Förderprojekt sieht, haben wir einen Plan in petto.

Die Diskussion beginnt vorhersehbar. Jens Jäschke erklärt, dass wir ausreichend Brücken haben. Ein neues Bauwerk würde keine Entlastung bringen. Deshalb sei der Antrag aus Kostengründen abzulehnen. Jetzt wird’s lustig: Jens Jäschke beantragt nach seinem Hinweis auf die Kosten, dass doch geprüft werden solle, ob die historisch erbauten und 1945 gesprengten Brücken mit Hilfe von europäischen Geldern wieder errichtet werden können. Da fällt dir nichts mehr ein.

Die CDU tut sich auch schwer. Vielleicht hätte ich Volker Bandmann in meine einführenden Worten einbauen sollen. Der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete hatte gegen alle Widerstände die Altstadtbrücke durchgesetzt. Seine Parteikollegen zeigen wenig von diesem europäischen Geist. Matthias Urban hat zwar nichts gegen eine grundsätzliche Zustimmung zu weiteren Brücken. Mit der polnischen Seite darüber sprechen, gar in konkrete Überlegungen eintreten möchte er nicht. Da wir ziemliche Finanzprobleme haben, wie er anmerkt. (Erinnerung: Wir reden über eine Dekade Vorlauf.) Neue Brücken seien unrealistisch, wir würden bei den Bürgern nur falsche Erwartungen wecken.

CDU-Fraktionsboss Dieter Gleisberg sekundiert: „Wir sind für Brücken.“ Es folgt der Verweis auf Volker Bandmann. Er tritt aber nicht in seine Fußstapfen. Dieter Gleisberg findet, dass wir uns die Vorlage komplett sparen können. Wir hätten schließlich erst letztes Jahr über Brücken geredet. (Erinnerung: Da ging es um die Autobrücke im Norden. Gänzlich anderer Charakter und anderes Preisregal.) Außerdem sollten wir erstmal die polnische Seite fragen, was sie davon hält. (Brauchen wir nicht zuerst Klarheit, ob wir für Brücken sind, bevor wir die polnische Seite befragen? Diesen Weg schlagen wir vor.) Ich habe das Gefühl, dass Dieter Gleisberg nicht viel Vorbeitungszeit hatte. Er kennt unseren Antrag nicht. Bemerkenswert ist zudem, dass von der CDU in den Ausschüssen keinerlei Argumente kamen. Herr Gleisberg kritisiert oft und gern, wenn erst im Stadtrat diskutiert wird.

Aus CDU-Sicht ausgerechnet Mirko Schultze von den Linken nimmt das Bandmann-Bild auf: „Hätte Volker Bandmann so operiert, dass man erst loslegt, wenn alles klar ist, wäre die Altstadtbrücke nie gebaut worden.“ Mehr Brücken. Mehr Bürgerbeteiligung. Mehr Europastadt. Ja, das hat Schulle treffend zusammengefasst.

Jana Krauß nimmt uns mit auf einen Spaziergang, entlang am wunderschönen Neißeufer. Wir sollen uns vorstellen, dass man auf einer Seite hochläuft, zum Beispiel bis zum Viadukt und auf der anderen Neißeseite zurück. „Ich verstehe gar nicht, wie man dagegen sein kann.“

Auch Rolf Weidle (BfG) geht in die Bütt. Der dienstälteste Stadtrat wundert sich über die verzagte Diskussion, die nicht zu einer Europastadt passt. Er verweist auf Regionalplaner Dr. Zathey und den großen Applaus nach seinem Vortrag bei der gemeinsamen Stadtratssitzung, als er auch über zusätzliche Brücken sprach. Außerdem erinnert Dr. Weidle an den Vortrag unserer Klinikumschefin. Internationalität ist gefragt. Wozu sind wir Europastadt?

Es zeichnet sich ein Patt ab. Oberbürgermeister Ursu baut der CDU eine Brücke. Er schlägt vor, dass wir unseren Antrag präzisieren. Im Zuge der Fortschreibung des Gesamtverkehrskonzeptes soll eine gemeinsame Konzeption mit Zgorzelec erarbeitet und mögliche Standorte mit Prioritäten untersetzt werden. Dabei soll konkret der Standort am Viadukt untersucht werden.

Damit geht der OB deutlich über unseren Antrag hinaus. Die Bauchschmerzen der CDU müssten stärker werden. Passiert aber nicht. Im Gegenteil. Dieter Gleisberg haut einen raus. Erst durch die Ergänzung des OB sei der „inhaltslose“ Antrag überhaupt abstimmungsfähig. Entscheidend ist das Ergebnis. Deshalb lassen wir Gleisbergs Aussage stehen und genießen die Abstimmung. Nur eine Gegenstimme und fünf Enthaltungen aus der AfD.  24 Stimmen gibt es für neue Brücken zwischen Görlitz und Zgorzelec.

Ich finde, das ist eine sehr gute Botschaft, die von dieser Stadtratssitzung ausgeht. Ein prima Start in die kommunalpolitische Sommerpause.

 

Text und Foto: Mike Altmann

Stadtratsblog #30: 28.4.2022

Herzlich Willkommen zum 30. „Subjektiven“. Aus Anlass des Jubiläums beantworte ich Leserinnenpost: Wann schreibst du den Bericht aus dem Stadtrat, fragt Waltraud aus Weinhübel.  Liebe Waltraud, auf jeden Fall nicht direkt nach der Sitzung. Eine Nacht drüber schlafen ist wichtig. Manchmal träume ich was Schönes, dann wird der Bericht kuschelweich. Letzte Nacht erschien mir ein schimpfender Schornsteinfeger. Doch dazu später mehr.

Wir tagen weiterhin in der Sporthalle an der Jägerkaserne. Ob wir jemals den Ratssaal wiedersehen? Zumindest gibt es keine Maskenpflicht mehr. Wir können wieder in Gesichtern lesen. Die Sitzung startet mit Informationen des OB zur Lage der Geflüchteten aus der Ukraine. In den letzten Tagen und Wochen hat das Rathaus Geld an diejenigen ausgezahlt, die noch nicht offiziell registriert sind. Das war sehr gut organisiert mit Terminvergaben. Dafür herzlichen Dank an die Stadtverwaltung. Ab Juni soll der Transfer über das Jobcenter laufen. Mit dem Landkreis ist die Stadt im Gespräch, damit Betriebskosten für die private Unterbringungen erstattet werden. Es braucht zum Beispiel einen extra Zähler. Die Bürokratie kennt keinen Kriegszustand. Ordnung muss sein – eine Lösung her.

Eröffnungsbilanz

Anschließend gibt es große Zahlen und das vorläufige Finale einer endlosen Geschichte. Cornelia Herbst, Rechnungsprüferin im Rathaus, berichtet über den erfolgreichen Abschluss der überörtlichen Prüfung der Eröffnungsbilanz. Was für eine Bilanz? Vereinfacht zusammengefasst: Darin sind alle Vermögenswerte der Stadt zusammengefasst. Das ist wichtig für die doppelte Buchführung. Kommunen sollen künftig wie GmbHs geführt werden. Wie kompliziert das ist, zeigt sich an der schweren Geburt der Eröffnungsbilanz, die eigentlich schon vor einigen Jahren vorliegen sollte. Die Bilanzsumme beträgt 465.398.241,82 EUR. Ein großer Dank für die abgeschlossenen Finanz-Marathon gebührt Frau Herbst. Leider verlässt uns diese Kompetenzträgerin aus persönlichen Gründen. Ein großer Verlust.

Fragen und Antworten

In der Fragestunde für Einwohner tritt ein Mann ans Mikrofon, der oft mit Warnjacke und Fahne der rechtsextremen Freien Sachsen im Stadtgebiet unterwegs ist. Heute trägt er in der gut geheizten Sporthalle eine Strickmütze Modell B96. Die Schwarz-Rot-Weiße Farbe empfinde ich als Affront. Politische Symbole gehören nicht in den „Ratssaal“. Das moniere ich beim OB. Ihm sind die Hände gebunden, sagt er, denn die Farben allein würden keinen Verstoß darstellen.

Dann sind die Stadträte dran. Meine Kollegin Jana Krauß fragt, ob die Stadt Görlitz an das zuständige sächsische Regionalministerium einen Bedarf an Sozialwohnungen gemeldet habe. Dabei bezieht sie sich auf einen Bericht der Sächsischen Zeitung. Bürgermeister Michael Wieler weiß nichts darüber und spekuliert, dass nur Landkreise und kreisfreie Städte befragt wurden. Dem ist nicht so, wie eine rasche Recherche ergab. Wir werden nachfragen.

Erheiternde Momente verschafft uns Einzelstadtrat Jens Jäschke. Nachdem er während der Pandemie als Maskenbefreiter ganz am Rand der Sporthalle platziert wurde, bekommt Jäschke nun einen „regulären“ Platz. Der missfällt ihm. JJ teilt der Öffentlichkeit mit, dass er nicht freiwillig neben den Linken sitze. OB Ursu zeigt Humor: „Freuen Sie sich doch einfach, dass Sie wieder in den Reihen der Stadträte Platz nehmen dürfen.“

Vergaben von Aufträgen

Zurück zu den wichtigen Dingen, wie der Finanzierung des Kitaneubaus auf der Fichtestraße. Rückblick: Die Kita „Südstadtmäuse“ befindet sich aktuell in der Arndtstraße. Wegen Asbestbelastung läuft die Betriebsgenehmigung Ende 2022 aus. Bis dahin muss die neue Kita Fichtestraße fertig sein. Vom alten Stadtrat wurde das Vorhaben mit 3 Millionen (davon 2 Millionen Förderung) völlig unterfinanziert in den Haushalt eingestellt. Das baden wir nun aus. Bereits beim Baubeschluss im September 2020 beträgt die Kostenschätzung 5,1 Millionen Euro. Um den Bau zu realisieren, verkaufen wir die Kleingärten an Kommwohnen. Nun reicht auch diese Summe nicht mehr. Wir liegen bei 5,5 Millionen Euro. Um einen Teil der fehlenden 400.000 Euro zu finanzieren, wollte die Stadtverwaltung ursprünglich die Planungskosten für den Kunstrasenplatz auf dem DTer kürzen und einen Topf für allgemeine Kita-Ausstattung plündern. Beides zusammen macht knapp 72.000 Euro aus. Da spielt der Stadtrat nicht mit. Überfraktionell wurde in den Ausschüssen dem Rathaus deutlich gemacht, dass wir für diese beiden Positionen eine Alternative wünschen. Diese besteht nun aus einem Griff in die Liquidität, der uns nicht umbringen wird. Vielen Dank an die Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, die hier zusammengehalten haben. Es wäre ein fatales Zeichen an den GFC Rauschwalde und den gesamten Sport gewesen, wenn bei der erstschlechtesten Gelegenheit das Projekt Kunstrasen einkassiert worden wäre. Nun muss endlich die Planung ausgelöst werden, wir haben den Haushalt im Juni 2021 beschlossen. Seitdem ist nichts vorangegangen für den Sportplatz in Biesnitz.

Die Kita Arndtstraße wird dagegen bis Jahresende fertig. Wir beschließen einstimmig die Vergabe von Freianlagen für knapp 840.000 Euro an die STL Bau GmbH Löbau.

Auch bei der Sanierung der Grundschule in Königshufen geht es voran. Den Zuschlag für die Wärmedämmung bekommt das Baugeschäft Schur aus Boxberg für rund 870.000 Euro. (Liebe Mitlesende aus dem Kreisgebiet: Verbreitet bitte die frohe Botschaft, dass von Investitionen in Görlitz die gesamte Region profitiert. Und das ist auch gut so.)

Neuwahlen für Ausschüsse

Im Anschluss werden wegen des permanenten Ausscheidens und Nachrückens von AfD-Räten Ausschüsse neu gewählt. Nachdem in der letzten Sitzung die AfD ihre Vorschläge für die Neuwahl von sachkundigen Einwohnern nicht vorstellen wollte, nahm der OB die Wahlen runter von der Tagesordnung. Nun ein zweiter Anlauf. Die AfD zeigt sich einsichtig und stellt ihre beiden Vorschläge für den Ausschuss Kultur/Bildung/Soziales/Migration sowie den Seniorenbeirat vor. Manuela Matthes und Holger Gräfling werden gewählt, es gibt keine Gegenvorschläge. Unsere Fraktion enthält sich.

Änderung Sitzungskalender

An diesem unspektakulären Tagesordnungspunkt  entspinnt sich unerwartet eine Diskussion. AfD und Linke kritisieren das Verfahren zur Bürgermeisterwahl. Sie ist auch Grund für die Terminverschiebungen. Ursprünglich sollte der Stadtrat bereits am 19. Mai wieder tagen. Da sich die Ausschreibung für die Wieler-Nachfolge aber verzögerte, verschieben wir den Mai-Stadtrat auf den 2. Juni. Nun ist es so, dass ein Sitzungskalender auch dazu dient, Urlaub zu planen. Stadtrat zwar ein Ehrenamt, aber wenn eine so wichtige Personalie zu bestimmen ist, möchte natürlich niemand fehlen. AfD-Fraktionschef Lutz Jankus ist deshalb erzürnt. Mirko Schultze von den Linken auch. Allerdings deshalb, weil er zuvor vom Personalamt hören muss, dass diese herausragenden Position in keinem überregionalen Medium von Rang ausgeschrieben wurde. Ich enthalte mich an dieser Stelle jeden Kommentars. Wir bewerten das Verfahren am 2. Juni in der Stadtratssitzung. Vorher wird sich der Verwaltungsausschuss in zwei nichtöffentlichen Sitzungen mit dem Bewerberfeld beschäftigen und sich auf Favoriten verständigen. Vorher bleiben die Kandidatinnen und Kandidaten hoffentlich geheim. Naja – bis auf den einen, der sich schon vor der Stellenausschreibung vom Amtsinhaber inthronisieren ließ und sich und dem Auswahlverfahren damit einen Bärchendienst erwies.

Die geänderten Sitzungstermine nimmt die Mehrheit an. Auch wir sehen keine Alternative. Es gibt neun Gegenstimmen und drei Enthaltungen.

Regionales Entwicklungskonzept (REK) für den Oberzentralen Städteverbund Bautzen-Görlitz-Hoyerswerda

Oberzentraler Städteverbund? Was‘n das? Ein politischer Kunstgriff aus den 90ern. Damit nicht nur die Oberzentren Leipzig, Dresden und Chemnitz was vom großen Kuchen abbekommen (z.B. Behördensitze), schlossen sich Bautzen, Hoyerswerda und Görlitz als OSV zusammen. Da GR und HOY schon seit 2008 nicht mehr kreisfrei sind, musste das Entwicklungskonzept nun dringend angepasst werden. OB Ursu erläutert, dass sich die drei Städte künftig mehr unterstützen wollen. Themenfelder sind v.a. Bildung, Gewerbe, Tourismus, grenzübergreifende Kooperationen, Sicherheit, Gesundheit, Soziales und Sorbische Kultur. Bei konkreten Projekten geht es dem OSV u.a. um die Elektrifizierung der Bahnstrecke nach Dresden, den A4-Ausbau und die Fertigstellung der B178. Andreas Kolley von Motor Görlitz bittet namens unserer Fraktion, dass in diesem Netzwerk das Thema Bildung priorisiert wird, um gemeinsam etwas gegen den Lehrermangel zu unternehmen. In der letzten Sitzung hatten BfG, CDU und Teile der AfD gegen solcherlei „Arbeitskreise“ gelästert und einen Beschlussantrag zum interkommunalen Kampf gegen Lehrermangel abgelehnt. Heute wird dem Regionalen Entwicklungskonzept einstimmig zugestimmt.

Ein Musterbeispiel für eine gute Kooperation zwischen Verwaltung und Wirtschaft manifestieren wir im

Grundsatzbeschluss zum weiteren Vorgehen beim Projekt „Insel der Sinne“

Das Hotel am Berzdorfer See will wachsen. Ferienhäuser entstehen, der Rundweg soll breiter werden und Parkplätze müssen her. Das deckte sich größtenteils mit Zielen der Stadt. Nur kann unsere Kommune weder beim Tempo noch bei der Finanzierung mit Privaten mithalten. Also gibt es einen guten Deal: Das Hotel „Insel der Sinne“ setzt sich den Hut auf und finanziert das Projekt. Für die Öffentlichkeit besonders interessant: Der bisherige provisorische Parkplatz in der Ortslage Hagenwerder wird ausgebaut. Es entstehen zum einen Parkflächen für Hotelgäste. Diese Anlage ist komplett mit Photovoltaik überdacht und versorgt das Hotel mit Energie. Daneben entstehen rund 100 Parkflächen zur öffentlichen Nutzung. Der künftige Betreiber „Insel der Sinne“ hat schriftlich zugesagt, sich an ortsüblichen Preisen zu orientieren.

In einem kurzen Redebeitrag möchte ich das gute Miteinander von Verwaltung und Unternehmen loben und meine Hoffnung ausdrücken, dass dies Vorbildwirkung hat für eine Ermöglichungskultur. AfD-Kollege Wippel hat dieselbe Idee und darf vor mir ans Mikro. Dass ich mich öffentlich seinen Worten anschließe, sorgt für Verwirrung auf einigen Plätzen. Das zeigt mir, wie tief wir mittlerweile in ideologischen Gräben hocken, die gar nichts mit der Stadtentwicklung zu tun haben. Gutes Gelingen dem Team vom „Insel der Sinne“.

Der Beschluss wird mit großer Mehrheit gefasst. Es gibt eine Gegenstimme von Andreas Zimmermann, der für die CDU im Stadtrat sitzt und zumeist an Themen aus Hagenwerder und Tauchritz interessiert ist. Außerdem ist er der See-Beauftragte von Kommwohnen für das Gebiet am Hafen. Was das mit seiner Ablehnung einer klugen Kooperation zwischen Kommune und Hotel „Insel der Sinne“ zu tun hat? Ich hoffe nichts.

Europastadt-Ehrung

Am 31. Mai treffen sich die Stadträte von Zgorzelec und Görlitz zur gemeinsamen Sitzung in der Stadthalle. Dabei gibt es eine Ehrung für Verdienste um die Europastadt. Wir beschließen, die Stadt-Bibliothek Görlitz auszuzeichnen. Die polnische Seite lässt passend ihre Bibliothek prämieren.

Wertvolle Projekte in der westlichen Innenstadt

Mit Spannung erwarten zahlreiche junge Gäste einen Grundsatzbeschluss zur Fortsetzung von ESF-Projekten in der westlichen Innenstadt. Chancengleichheit und Teilhabe in benachteiligten Stadtgebieten“ heißt das Programm. In den letzten Jahren wurden mit den EU-Geldern mehrere tausend Menschen erreicht, vor allem Kinder und Jugendliche. Beispielhaft zu nennen sind die Projekte „Nachbarschaft leben“ (Freie evangelische Gemeinde), der Makerspace RABRYKA und Youthempowerment (Second Attempt e.V.), CYRKUS.spielt.Platz (Kulturbrücken), das ahoj-Gründungslabor (ideenfluss e.V.) oder „Wir machen den Stadtteil bunt“ (Tierra eine Welt e.V.). Knackpunkt: Der ESF fördert nur noch 85% der Kosten (bislang waren es 95%). Görlitz unterstützte im Gegensatz zu Zittau nicht bei der Finanzierung der Eigenmittel. Und das wird auch künftig so bleiben. Nach einer emotionalen Diskussion kommen folgende Varianten zur Abstimmung:

  1. Stadt zahlt die 15% Eigenmittel für die Vereine (Die Linke): Zustimmung von Linken und Motor/Grüne, Rest lehnt ab
  2. Stadt zahlt 10% Eigenmittel, die Vereine wie bisher 5% (Motor/Grüne): Zustimmung von Linken und Motor/Grüne, der Rest lehnt ab
  3. Stadt zahlt 5% Eigenmittel, die Vereine 10% (Bürger für Görlitz): 14 Ja-Stimmen, 17 Nein-Stimmen von Oberbürgermeister Ursu, CDU und AfD

Schließlich bleibt nur noch der Vorschlag der Stadtverwaltung, wonach die 15% Eigenmittel komplett durch die Vereine zu finanzieren sind. Eine Ablehnung hätte das Aus für alle Projekte bedeutet. Das weiß die CDU und lässt ihren Koalitionspartner BfG beim Herzensthema von Yvonne Reich eiskalt im Regen stehen. Für die Vorlage stimmen 22 Stadträte, die AfD stimmt dagegen bzw. enthält sich.

In einer ersten Stellungnahme schreibt uns ein Verein: Mindestens so groß wie der Stein, der uns vom Herzen fällt, dass wir unsere Arbeit fortsetzen können, ist der Brocken, den wir verdauen müssen, dass die Entscheidung selbst mit dem absoluten Minimum an Unterstützung des Stadtrats derart knapp ausfiel. Wir danken denen, die unsere Arbeit sehen, verstehen und wertzuschätzen wissen. Und werden auch für alle anderen nach wie vor unseren Beitrag zur weiteren positiven Entwicklung unserer Stadtgesellschaft leisten.

Einige Auszüge aus der Diskussion:

Yvonne Reich (BfG): Wir sind allen Akteuren, die den Stadtteil beleben und die Menschen mit Ideen zusammenbringen sehr dankbar. Der Stadtteil wird durch solches Engagement attraktiver für den Zuzug. 38 Prozent wohnen dort, der Anteil von SGB2-Empfängern ist überproportional hoch.

Jana Lübeck (Die Linke): Mit unserer Zustimmung zur Fortführung der ESF-Projekte signalisieren wir: Danke, dass Ihr unsere Stadt gestaltet, sie lebenswert und sozial macht, dass Ihr uns etwas Wert seid, das man mit Geld nicht aufwiegen kann.

Lutz Jankus (AfD): Zu Geldern, das Steuerzahlern bereits abgepresst wurde, soll nun weiteres Steuergeld kommen. Das können wir nicht mitmachen. Wer Eigenanteile für eine Förderung zu erbringen hat, muss sich einen Kopf machen. Das geht dem Häkelverein, dem Sportverein und dem Heimatverein auch nicht anders. Ich wüsste auch gar nicht, wo zusätzliches Geld herkommen soll. Wir müssen irgendwann in eine Haushaltskonsolidierung einsteigen. (Bitte diese Stelle gut merken. Es geht hier je nach Vorschlag um 40.000 Euro bis maximal 123.000 Euro für zwei Jahre.)

Jana Krauß (Bündnisgrüne): Die Arbeit, die die Projekte leisten, müsste eigentlich die Kommune übernehmen. Inklusive der Finanzierung. Wir können froh sein, dass die EU es größtenteils bezahlt. Gut angelegtes Geld, das nicht in Steine fließt, sondern in Menschen. Die soziale Lage in der Innenstadt West wurde stabilisiert. Das heißt nicht, dass alles in Ordnung ist – deshalb sollten wir die Projekte fortführen. Die spannende Frage lautet: Was ist uns als Kommune die Arbeit der Vereine wert?

Dieter Gleisberg (CDU): Die Regelung mit 15% Eigenmitteln für die Träger halten wir für klug durchdacht. Die Vereine arbeiten seit vielen Jahren an denselben Themen und sind durchaus in der Lage, dies wirtschaftlich zu betreiben. Es sind oftmals auch kreisliche Aufgaben und keine der Stadt. Ich möchte die Arbeit nicht kleinreden, halte aber die Regelung mit 15% Eigenanteil für eine gesunde wirtschaftliche Maßnahme.

Gerd Weise (CDU): Unser Fundament sollte sein, die Eigenanteile so zu belassen, wie das vorgesehen ist vom Fördermittelgeber.

Torsten Ahrens (Die Linke): Um mit einem Märchen aufzuräumen: In der Förderrichtlinie steht, dass der Eigenanteil der Gemeinde durch die Projektträger erbracht werden kann. Die Regel ist also, dass die Kommune den Eigenanteil trägt. Normal wäre nach der Förderrichtlinie, sich bei den Trägern zu bedanken und nicht noch die finanzielle Belastung auf diejenigen abzuwälzen, die hier eine schwere Arbeit leisten. Das finde ich unanständig.

Jana Krauß (Bündnisgrüne): Wie sollen die Vereine rein praktisch den dreifachen Eigenanteil erbringen? Diese Träger sollen nicht wirtschaftlich tätig werden, sondern mit den Menschen im Stadtteil arbeiten. Und natürlich ist die Sozialstruktur in einer Stadt auch Aufgabe einer Kommune. Ob man das verwaltungstechnisch als freiwillige Aufgabe deklariert, ist völlig zweitrangig.

Nach der Diskussion verlassen die Gäste aus den Vereinen den Ort des Geschehens. Sie verpassen eine weitere fulminante Debatte. Thema jetzt:

Die Social-Media-Kanäle der Stadt Görlitz

Unsere Fraktion möchte, dass künftig allgemeine Berichte aus dem Görlitzer Rathaus über die Görlitz-Profile auf Facebook und Co. erscheinen. Bislang kommen Rathaus-Beiträge ausschließlich über die Fanseite des Oberbürgermeisters.

Warum mischen wir uns da ein?

  1. Die Görlitz-Facebook-Seite hat fast viermal so viele Fans wie die von OB Octavian Ursu. Auf Instagram sind es fünfmal mehr Follower. Damit verfügen die Görlitz-Seiten über erheblich mehr Reichweite, die genutzt werden sollte, um nicht nur touristische Informationen zu verbreiten.
  2. Die Mitarbeiterinnen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sind für die gesamte Stadtverwaltung tätig, nicht exklusiv für den Oberbürgermeister. Es gibt ein Amtsblatt der Stadt Görlitz – kein Amtsblatt von Octavian Ursu. Genau diesen Unterschied gilt es auch bei der Öffentlichkeitsarbeit auf Facebook, Instagram & Co. zu beachten.
  3. Wir halten es für angemessen, dass wichtige Informationen aus dem Rathaus über einen zentralen Görlitzer-Kanal verbreitet werden. Dazu gehören in jedem Fall Stellenausschreibungen. Wir beklagen uns, dass wir keine Leute finden, verzichten aber auf die Reichweite von Social Media. Zum Recruiting gehört es auch, die Stadtverwaltung als Arbeitgeber zu präsentieren, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren guten Ideen nach vorn zu rücken. Eine Stadtverwaltung ist mehr als ihr Oberbürgermeister.
  4. Die OB-Seiten stellen wir nicht in Frage. Dort soll Herr Ursu auch zukünftig über seine Arbeit berichten. Hier regen wir mehr Interaktion an. Im Idealfall pflegt Herr Ursu diese persönlichen Seiten selbst. Das ist authentisch und spart Ressourcen im Rathaus.
  5. Regionale Beispiele für eine gute inhaltliche Aufteilung zwischen Stadtverwaltung und OB sind Zittau und Bautzen.

Die Diskussion ist erhellend. Lutz Jankus von der AfD weiß bis zu diesem Antrag gar nichts von einer OB-Seite auf Facebook. Sein Fraktionskollege Stahn wünscht sich eine bessere Webseite. Karsten Günther-Töpert (BfG) möchte solche Dinge nicht im Stadtrat bereden, sondern hinter verschlossenen Türen im Ausschuss. Die Ablehnung des Antrages sei nicht inhaltlich zu verstehen. Merkwürdiges Demokratieverständnis. Wenn eine Fraktion einen Antrag einreicht, dann ist das jederzeit möglich. Wer sind die „Bürger für Görlitz“, dass sie urteilen, was in den Stadtrat gehört und was nicht? Ist das dieselbe Attitüde wie bei der Präsentation eines Nachfolgers für Michael Wieler (Vereinsvorsitzender der BfG), bevor diese Stelle überhaupt ausgeschrieben wurde?

Matthias Urban von der CDU lässt schließlich tief blicken, als er verkündet, die Öffentlichkeitsarbeit sei Hauptaufgabe des Oberbürgermeisters. Ich hoffe doch, dass es da noch wichtigere Dinge gibt. Zum Beispiel die Verwaltung durch eine kluge Personalpolitik arbeitsfähig zu machen. Dass der OB zwar für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, dies aber nicht immer mit seinem Konterfei verbunden sein muss, merkt Mirko Schultze (Die Linke) richtig an. Und stellt die Frage, ob das Gremium Stadtrat, also die Generation im fortgeschrittenen Alter, fit genug ist für die Thematik Social Media.

Zuvor hatte der OB eine rechtliche Beurteilung seiner Hausjuristen verlesen. Danach sei er als Vertretungsorgan für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und man dürfe ihn darin nicht beschränken. Als konsensfähige Menschen ändern wir daraufhin den Antragstext, so dass keine Einschränkungen mehr drinstehen. Auch die zunächst angedachte Festlegung, aktuelle Berichte aus der Stadtverwaltung künftig über die bestehenden Görlitz-Seiten zu veröffentlichen, lassen wir fallen. Wenn es tatsächlich so ist, dass diese Seiten vorrangig von touristischen Interessenten frequentiert werden – dann zeigt uns Zittau eine naheliegende Lösung. Dort gibt es für Rathaus-Infos eine Seite namens „Stadtverwaltung Zittau“. Die konkrete Ausgestaltung läge beim OB. Er hätte auch ohne weiteres einen Schritt auf uns zugehen können. Aber nein. Weder in einem persönlichen Gespräch vor der Sitzung noch in der Debatte gibt es Bewegung. So wie er es macht, ist es richtig. Denn, so Ursu: Vor meiner Zeit gab es gar kein Social Media durch die Stadtverwaltung. Starkes inhaltliches Argument.

Wir müssen bis auf Weiteres damit leben, dass exklusiv über die Seite „Oberbürgermeister Octavian Ursu“ aus dem Görlitzer Rathaus informiert wird. Denn die Abstimmung ging knapp verloren. 16 Ja-Stimmen, 17 sind dagegen. Dass unserem Antrag Linke und AfD folgen, sorgt an diesem Abend noch für Querfront-Rufe von einem bündnisgrünen Professor in der Sporthalle. Ich lasse das unkommentiert stehen. Öl ist zu wertvoll zum ins Feuer gießen.

Hoffnung für Deutsch Ossig

Eine fast unendliche Geschichte könnte doch noch gut ausgehen: Der Stadtrat beschließt die Widmung der Strandpromenade am Berzdorfer See zwischen der Einfahrt von der B99 und dem künftigen Bootsanleger Deutsch Ossig. Damit bekommen die Haus- und Grundstücksbesitzer endlich Baurecht. Der Zerfall des denkmalgeschützten und heimatgeschichtlich unbezahlbaren Restes vom abgebaggerten Ort Deutsch Ossig kann gestoppt werden. Die Widmung war 2020 auf Betreiben von AfD und CDU kassiert worden wegen Sicherheitsbedenken. Diese gibt es immer noch. Die Hartnäckigkeit der Akteure vor Ort, die wir regelmäßig aufsuchten, aber auch das politische Piesacken im Stadtrat haben Wirkung gezeigt. In letzter Minute ist die CDU über ihren Schatten gesprungen und einem Antrag der Bürger für Görlitz beigetreten. Da stehen nun einige zusätzliche Aufgaben in Sachen Sicherheitsmaßnahmen drin, aber es gibt keine Punkte mehr, die aufschiebende Wirkung hätten. Somit kann nach Ende der Badesaison gewidmet werden. 2023 gibt es somit keine Gebührenzahlungen an einen Sicherheitsdienst. Wie die Parkordnung gelöst wird, sehen wir ab Frühjahr 2023.

Der Beschluss wird mit großer Mehrheit gefasst. Es gibt – bei einigen Enthaltungen der AfD -zwei Gegenstimmen von Gerd Weise (CDU) und Andreas Zimmermann (CDU). Letzteres überrascht nicht mal mehr.

Schilderbürger

Wie oft bekommen wir als Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne zu hören: Nehmt Rücksicht auf die Personalsituation in der Verwaltung! Stellt nicht zu viele schriftliche Anfragen! Haltet euch zurück mit Anträgen, die Mehraufwand bedeuten! Und dann kommt die CDU mit einem Antrag um die Ecke, wo es um die Beschilderung der Straßen in Görlitz geht. Weil es unterschiedliche Formen der Namenskennzeichnung gibt (mal ist nur ein Straßenname, mal eine extra Erklärung angebracht), soll die Stadtverwaltung klare Regeln erarbeiten. Ein urdeutscher Wunsch also. Nun ist es leider so, dass an diesem Tag Torsten Tschage als Fachmann der Verwaltung fehlt. Er hätte aus dem Stegreif die bereits bestehenden Richtlinien zur Gestaltung von Straßenschildern, inklusive der eingesetzten Schriftarten, rezitiert und dabei noch gut ausgesehen. Wir lehnen diese Beschäftigungsaufgabe ab. Mein Kollege Andreas Kolley fragt, ob man denn nicht ohne ein extra Regelwerk erläuternde Zusatzschilder anbringen kann. Die Mehrheit im Rat verneint das. Auf Wunsch von 19 Stadträtinnen und Stadträten erarbeitet die Verwaltung also nun Straßenschilderzusatzbeschilderungsregeln, inklusive Betrachtungen zur Barrierefreiheit. Diese Ergänzung wünschen sich die Linken. Die CDU übernimmt kommentarlos die Erweiterung. (An dieser Stelle sind keine Querfront-Rufe zu vernehmen.) Abstimmungsergebnis: 19-mal Ja, 10-mal Nein für den Schilderbürgerstreich.

Zum Ende des Abends wird noch ein Antrag von unserer Fraktion behandelt. Es geht uns um die

Finanzierung der städtischen Zuschüsse für die Betreibung der Stadthalle

Wir beantragen zwei Punkte:

  1. Der Stadtrat beauftragt den Oberbürgermeister, Vorschläge zu erarbeiten, wie die zu erwartenden Zuschüsse für die spätere Betreibung der Stadthalle finanziert werden sollen.
  2. Der Stadtrat beschließt vor dem endgültigen Baubeschluss ein Konzept zur Finanzierung der städtischen Zuschüsse für die Stadthallenbetreibung, das bis zur Inbetriebnahme fortgeschrieben wird.

Als Begründung erkläre ich, dass die Stadt Görlitz gesetzlich verpflichtet ist, ihren Haushalt sparsam und wirtschaftlich zu führen, um die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben zu sichern (geregelt in § 72 Sächsische Gemeindeordnung). Wir wissen, dass die Stadt Görlitz bereits jetzt und auch in absehbarer Zeit 5-7 Millionen Euro jährlich mehr ausgibt, als sie einnimmt. Zu diesem Defizit wird eine Million Euro für die Stadthalle kommen. Mindestens in Höhe der anzunehmenden zusätzlichen Kosten für die laufende Betreibung sind somit geeignete Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen, die ab Inbetriebnahme der Stadthalle direkt wirken. Die Verwaltung soll Einsparmaßnahmen vorschlagen. Auf dieser Basis diskutiert und entscheidet der Stadtrat, bevor der endgültige Bau beschlossen wird.

Eine solche Herangehensweise sorgt für Transparenz gegenüber der Bürgerschaft. Der Betrieb der Stadthalle wird finanzielle Folgen haben. Wie wir sie meistern, gilt es konkret herauszuarbeiten und offen zu kommunizieren.

Bürgermeister Michael Wieler agiert rhetorisch klug und bringt unseren sachlichen Antrag in einen völlig anderen Zusammenhang. Es geht nun nicht mehr um die Frage, ob wir nicht langsam mal beginnen wollen, zu schauen, wie die Halle finanziell gewuppt werden kann und worauf wir dafür verzichten wollen. Stattdessen zettelt er eine Grundsatzdebatte an. Wieler hebt ab auf andere freiwillige Aufgaben, die man auch im Vorfeld nicht genau beziffern kann. Spricht von „vorauseilendem Gehorsam“, wenn wir nur Dinge angehen, von denen wir genau wissen, dass wir sie in fünf Jahren finanzieren können. Auch der Begriff „kleinmütig“ fällt.

Ja, Leute – wer will schon kleinmütig sein? Wielers Plan geht auf. Die Mutigen der Fraktionen aus AfD, CDU und BfG nehmen die thematische Verschiebung dankbar an. So müssen sie keine inhaltlichen Argumente zu unserem Antrag bringen. Es ist auch viel bequemer, wie Rolf Weidle einzustimmen in den Chor derer, die unserer Fraktion eine Verweigerungshaltung unterstellen. Er sagt: „Die einreichende Fraktion will die Stadthalle nicht. Sie glaubt, sie kann sich über den über die Jahre hinweg dokumentierten Willen einer sehr großen Mehrheit des Stadtrates hinwegsetzen. Dies belegen auch zahlreiche Meinungsäußerungen der letzten Jahre auf Facebook aus den Reihen der Fraktion.“

Sorry Rolf und Co.: Ihr habt den Antrag nicht gelesen oder wollt ihn absichtlich falsch interpretieren. Mit dieser Vorlage akzeptieren wir die Mehrheitsmeinung. Sie wünscht die Sanierung und den Betrieb. Was fehlt, ist eine regelkonforme Ausgestaltung. Bund und Land geben ihre Förderung nur, wenn die Stadt Görlitz alle Folgekosten absichern kann. Wie wollen wir das rechtssicher zusagen, ohne uns vorher damit zu beschäftigen? Und dann gibt es noch diese nervenden Haushaltsgrundsätze. Nicht mehr ausgeben als einnehmen zum Beispiel. All jenen, die uns Verhinderungstaktik unterstellen, sei versichert: Wir haben lediglich die fachlichen Hinweise aus dem Amt für Stadtfinanzen aufgegriffen.

Dieses Argument kann ich aber nicht mehr in der regulären Diskussion anbringen. Denn der schon mehrfach erwähnte Andreas Zimmermann beantragt ein Ende der Diskussion und Abstimmung. Das ist geübte Praxis im Stadtrat. Vor zwei Jahren erlebten wir das gleiche Szenario. Ebenfalls bei einem Stadthallenthema. Ich versuche den Antrag auf Ende der Debatte abzuwehren und den zuvor aufgekommenen Streit zwischen Teilen der Linken und der CDU einzufangen: „Ich möchte Sie herzlich einladen, die Debatte fortzuführen. Ich finde, es ist eine interessante und vielschichtige Diskussion. Wir werden auch die Gemüter wieder runterkühlen. Vielleicht hilft es zum weiteren Gelingen, wenn man feststellt, dass es kein Antrag ist, um die Stadthalle zu verhindern. Im Gegenteil: Wir nehmen einen Hinweis des Amtes für Stadtfinanzen auf und haben ihn in Antragsform gegossen. Wer entsprechende Stellungnahmen liest, wird das sehr leicht feststellen.“

Der Aufruf verhallt. Wie schon 2020 stimmen auch die Kollegen der Bürger für Görlitz gegen die Fortsetzung der inhaltlichen Auseinandersetzung. Bemerkenswert. Damit wird ohne weitere Debatte abgestimmt. Unserem Antrag, sich mit den finanziellen Auswirkungen eines Stadthallenbetriebes rechtzeitig zu beschäftigen, folgen acht Stadträte. 21 finden das unnötig. (An dieser Stelle erinnern wir uns an die erbitterte Diskussion um vergleichsweise geringe Summen für ESF-Projekte.)

In einer persönlichen Erklärung nehme ich nochmals Stellung: „Ich bin zum wiederholten Mal tief enttäuscht, wie hier mit der Debattenkultur umgegangen wird. In dem Moment, wo es unangenehm wird, wo man keine Antworten mehr hat, wird Ende der Debatte beantragt. Das ist kein gutes Miteinander. Ich stelle fest, dass weiterhin eine große Mehrheit des Stadtrates im Blindflug an die Stadthallensanierung und einen späteren Betrieb herangeht, ohne jegliche Kenntnis davon, wie man sich das zukünftig finanziell leisten wird.“

Für meine Verhältnisse ein Auftritt wie im Kuschelgehege. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Matthias Urban fühlt sich von den gestreichelten Argumenten dennoch getroffen und greift zur Argumentations-Bazooka: „Herr Altmann ich bin genauso enttäuscht von ihrer Debattenkultur. Ich kann nicht erkennen, dass Sie eine sachliche Diskussion im Stadtrat führen wollen. Wenn Sie tatsächlich um die Sache kämpfen wollen, dann gehören solche Debatten in den Ausschuss. An dieser Stelle Behauptungen aufzustellen, die nicht der Wahrheit entsprechen und andere Fraktionen zu beleidigen und zu verunglimpfen, das sind Dinge, die gehören sich nicht in einer öffentlichen Debatte. Deshalb war es gut von Andreas Zimmermann dem endlich ein Ende zu setzen. Gehen Sie mal in sich, überdenken Sie das Ganze, versuchen Sie es zu rekapitulieren und werden Sie mal wieder vernünftig.“

Epilog: Nach einer Nacht drüber schlafen kann ich keine Unvernunft feststellen. Aber durchaus Lust auf kollegiale Zusammenarbeit. Ja, ich gebe Matthias Urban Recht, den ich als glücksbringenden Schornsteinfeger ebenso schätze wie als ehrenamtlichen Feuerwehrmann. Ja, wir brauchen mehr ernsthafte Debatten in den Ausschüssen. Wenn das alle Fraktionen möchten, wird es uns auch gelingen. Denn da gilt es einen Fehler im System zu beheben: Anträge von Fraktionen werden in den Ausschüssen zumeist gar nicht vorbesprochen. Das liegt nicht an den einreichenden Fraktionen, sondern an Regeln, die altgediente Stadträte zu Friedenszeiten aufgestellt haben. Gemeinsame Ziele verbinden – packen wir es an, Kollegen.

 

Autor: Mike Altmann
Symbolfoto: Die RABRYKA – Mitmachort in der Görlitzer Innenstadt

Stadtratsblog #28: 3.3.2022

Am Anfang ist Schweigen. Der Stadtrat steht geschlossen auf. Eine Minute Stille für Frieden in der Ukraine.

Angesichts der Bilder von Leid und Zerstörung vor unserer Haustür kommen mir Diskussionen um kommunale Themen luxuriös vor. Ein Luxus der Demokratie. Ich gehe an diesem Tag bewusster in die Stadtratssitzung. Was für uns Normalität ist, die Mitbestimmung und das Recht auf freie Meinungsäußerung, ist für Menschen in vielen Teilen der Welt unerreichbar, teilweise lebensgefährlich.

Nach der Schweigeminute informiert uns OB Ursu über die Ukraine-Hilfe in Görlitz. Diese wird von vielen gesellschaftlichen Kreisen organisiert, zum Beispiel über das Büro der Bündnisgrünen aber auch von kirchlichen und wohltätigen Organisationen. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Katja Knauthe bemüht sich nach Kräften, aus dem Rathaus zu unterstützen. Der OB bespricht sich derweil mit den Freunden in Zgorzelec, welche Hilfe benötigt wird. Er geht davon aus, dass die Flüchtlinge eher große Städte und westdeutsche Regionen aufsuchen. Bislang gebe es kaum Ankünfte in Görlitz. Mir persönlich fehlt ein Signal des Oberbürgermeisters. Wir sind Europastadt. Niemand ist geografisch näher an diesem Krieg in Deutschland. Wer wenn nicht wir sollte deutliche Signale senden: „Wir wollen helfen. Wir nehmen Flüchtende auf.“ Natürlich gibt es rechtliche Regelungen, wie die „Zuteilung“ von Kriegsflüchtlingen abläuft. Görlitz kann mehr.

Danach geht es um das friedliche Miteinander von Ruhesuchenden und Feierlaunigen am Berzdorfer See. Dazu hat es Gespräche der Anrainergemeinden mit Veranstaltern und sowie Hoteliers gegeben. Ergebnis: Pro Saison sollen nur an vier Wochenenden Veranstaltungen bis 2 Uhr genehmigt werden, ansonsten ist spätestens Mitternacht Zapfenstreich. Die Lautstärkeregler müssen aber bereits nach 22 Uhr nach unten gehen. Damit die Hotels ihre Gäste frühzeitig auf mögliche Ruhestörungen hinweisen können, sollen geplante Veranstaltungen des Folgejahres bis Ende November feststehen. Ein gutes Miteinander am Berzdorfer See ist wichtig, entsprechend sind Gespräche wertvoll und werden hoffentlich zu einem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen am See führen.

 

In der Fragestunde für Bürger bleibt es überschaubar. Marcus Kossatz von den Görlitzer Bündnisgrünen fragt nach der ökologischen Sanierung der Stadthalle. Gerade durch die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine und auf dem Energiemarkt befürchtet er, dass die geplante Gasheizung enorme Betriebskosten verursachen wird, wenn wir aufgrund unterlassener energetischer Sanierung unnötige Wärmemengen aus dem Gebäude verlieren. Bürgermeister Michael Wieler erklärt, dass die Planungen und Berechnungen nach den gängigen Standards erfolgt sind und tut sich schwer damit, jetzt über Änderungen nachzudenken. Görlitz sei auch davon abhängig, was förderfähig ist. Kommt aber bereits beim Aussprechen des Satzes zur Erkenntnis, dass es eine neue Bundesregierung gibt. Und ja: Es ist schwer vorstellbar, dass eine nichtenergetische Sanierung, die eine umwelt- und kostenunfreundliche Gasheizungsanlage beinhaltet, zu Jubelstürmen in Berlin führt. Dementsprechend ist es sinnvoll, jetzt mit dem Fördermittelgeber ins Gespräch zu kommen. Das muss ohnehin geschehen. Denn – wie wir später auf Nachfrage erfahren – ist die Hoffnung auf einen Vorsteuerabzug nicht in Erfüllung gegangen. Das Finanzamt hat nicht zugestimmt. Damit fehlen nach der aktuellen Kostenprognose rund 5 Millionen Euro für die Sanierung. Görlitz hat dieses Geld nicht und möchte nun bei Bund und Freistaat um einen Nachschlag zu den bereits avisierten 36 Millionen Euro bitten. Aus unserer Sicht kann das nur funktionieren, wenn die Planungen nochmals angefasst werden. Ein Denkmal wie die Stadthalle energetisch zu sanieren – das hätte Vorbildcharakter und würde neue Möglichkeiten bei der Förderung bieten. Ob es dazu kommt? Zumindest baut Bürgermeister Wieler in Sachen ökologische Sanierung eine Brücke. Marcus Kossatz darf seine Fragen schriftlich einreichen, damit das Rathaus sich inhaltlich damit beschäftigen kann.

 

In der Fragestunde für Stadträte stehen die Bäume im Mittelpunkt. Es geht um Baumfällungen und die neue Baumschutzsatzung. Bürgermeister Wieler erläutert, dass sich nur ein Rathaus-Mitarbeiter um Bäume und Gehölze kümmert. Das hören wir bei vielen Themen und bereitet unserer Fraktion zunehmend Sorgen. Intakte Stellvertreterregelungen sind für einen funktionierenden Betrieb unerlässlich. Das gehört zu einem Personalkonzept, das im August 2019 beim Amtsantritt von OB Ursu versprochen wurde. Wir warten immer noch darauf. Doch zurück zur Baumschutzsatzung: Sie soll im Frühjahr von „Trägern öffentlicher Belange“ bewertet werden. Danach plant der OB die Satzung in einer bürgerschaftlichen Beteiligung in den Ortschafts- und Bürgerräten zu behandeln. Im Idealfall soll die Satzung noch vor der neuen Baumfällsaison im Oktober beschlossen werden. Das Thema liegt unserer Fraktion am Herzen. Jana Krauß von den Bündnisgrünen hatte einen eigenen Antrag für mehr Gehölzschutz zurückgezogen zugunsten der städtischen Satzung. Das war bereits im März 2021…

 

Es folgt ein Bericht der Görlitzer Kulturservicegesellschaft. Das städtische Unternehmen ist ganz gut durch die schwierigen Pandemiezeiten gekommen. Eine schwarze Null wird unter der Jahresbilanz 2021 stehen. Für die kommende Zeit hofft das Team um Maria Schulz und Benedikt Hummel auf eine Normalisierung, um wieder die gewohnten Veranstaltungen wie Altstadtfest und Christkindelmarkt anbieten zu können. Dafür drücken wir wohl alle die Daumen.

 

Einen Bericht bekommen wir auch zum Wochenmarkt. Rund ein Jahr ist die Deutsche Marktgilde als Pächter zuständig.  Katrin Schiel, zuständige Vertreterin für Görlitz, gibt uns einen Einblick. Es läuten direkt die Alarmglocken: Die Händler sind unzufrieden wegen der hohen Standgebühren (höher als in Dresden) und weiteren unattraktiven Bedingungen, wie dem langen Weg zur Toilette im City Center. Infolge der zweijährigen Corona-Krise haben viele Händler aufgegeben. Die verbleibenden Akteure streben auf Märkte mit hohem Potential und kehren Görlitz teilweise den Rücken. So konnten im vergangenen Jahr auch kaum langfristige Standverträge abgeschlossen werden. Nur ca. 10 Prozent von rund 70 „Stammhändlern“ haben einen festen Vertrag.

Die Vertreterin der Deutschen Marktgilde stellt uns verschiedene „Visionen“ vor, wie das Görlitzer Markttreiben besser werden soll. So könnte es an einem festen Wochentag einen Markt bis in die Abendstunden geben. Inklusive Bierausschank und Auftritten von Musikern. Leider hat die Marktgilde darüber weder mit Händlern gesprochen, noch möchte sie Geld für die Bezahlung der Künstler investieren. Frau Schiel hofft darauf, dass Nachwuchsmusiker ohne Gage auftreten. Da werden die Interessenten sicher Schlange stehen. Nennenswerte Marketingaktivitäten gibt es nicht von der Deutschen Marktgilde. Lediglich an einer Website wird gearbeitet, auf der sich die Händler in Zukunft präsentieren können.

Unsere Fraktion ist sich nach der Sitzung einig: Wir können nicht tatenlos zuschauen, wie unser Mark zusehends unattraktiver wird, sowohl für Händler als auch für Kunden. Es braucht mehr als einen jährlichen Bericht vor dem Stadtrat. Unsere Position ist klar: Die Marktgilde kannte die Rahmenbedingungen, als sie sich auf die Betreibung des Wochenmarktes bewarb. Sowohl was die Anzahl der Markttage angeht als auch die Höhe der Pacht und der Zustand des Geländes. Das Unternehmen hätte sich nicht bewerben müssen. Nach Zuschlagserteilung weniger Markttage und eine geringere Pacht zu fordern, ist unredlich. Insgesamt scheint mir, dass das wirtschaftliche Interesse der Marktgilde über allem steht. Die Preise für die Händler wurden im Vergleich zum ehemaligen Pächter Francois Fritz deutlich erhöht. Interessant in diesem Zusammenhang: Bis Mitte Juli 2021 gab es von der Stadt einen coronabedingten Nachlass von 37 Prozent bei der Pacht. Diese Kostenminderung wurde nicht an die Händler weitergereicht in Form von günstigeren Standgebühren. Nicht einmal anteilig.

Wie weiter? Die Marktgilde ist als Pächter noch zwei Jahre für den Wochenmarkt verantwortlich. Wir sollten diese Zeit nutzen und langfristig planen: Wie gestalten wir den oberen Elisabethplatz? In welchem Zeitraum erfolgt die Sanierung? Wohin weicht in der Bauphase der Wochenmarkt aus? Wie können wir Marktgilde und Händler dabei unterstützen, dass der Wochenmarkt attraktiv, vielfältig und gut besucht wird? Und: Wollen wir mit diesem Vertragspartner auch über die drei Jahre hinaus zusammenarbeiten? In einem ersten Schritt wäre es sinnvoll, sich ein Stimmungsbild der Händler einzuholen.

Wir kommen zu Beschlussfassungen:

Schwarze Null auf dem Friedhof
Der Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Friedhof für 2022 wird einstimmig angenommen. Größte Investition wird in diesem Jahr der Aufzug am Krematorium. Personell werden Neubesetzungen nötig, weil Kollegen in Rente gehen. Der Eigenbetrieb ist insgesamt in einer soliden Lage. Bis 2025 wird jeweils mit ausgeglichenen Betriebsergebnissen gerechnet. Herzlichen Dank an Evelyn Mühle und ihr Team für die nimmermüde Arbeit in den kräftezehrenden letzten beiden Jahren.

 

Widmung für Investitionen
Im Gewerbegebiet Klingewalde wird die Straße „Klingewalder Höhe“ gewidmet. Das ist Voraussetzung, damit die Bauarbeiten beginnen. Als erstes wird wohl der Zoll loslegen. Bei der zweiten Ansiedlung für das Projekt „Bauen 4.0“ fehlen noch Vertragsunterlagen der TU Dresden.

 

Altersschwache Server
Wegen einer IT-Havarie braucht die Stadtverwaltung neue Server- und Storage-Systeme. Die für 2023 geplanten 174.000 Euro müssen wir schon jetzt lockermachen. Dazu kommen weitere 100.000 Euro Havariekosten, die aus nicht verbrauchten Haushaltsmitteln genommen werden. Die Havarie trat im Oktober 2021 ein, ausgerechnet bei der Installation einer Netzersatzanlage, die ein Sterben von Servern nach Stromausfall verhindern soll. Bei der Installation mussten die Server erstmals seit Jahren heruntergefahren werden. Die altersschwachen Teile wachten nicht mehr auf. Beachtlich ist, wie lange die Umsetzung des Projektes „Netzersatzanlage“ dauerte. Beschlossen wurde der Bau im Juli 2020. 15 Monate für ein „Trafohäuschen“? Die Verwaltung verweist auf Lieferengpässe. Einige elektronische Bauteile seien bis zu zehn Monate nicht verfügbar gewesen. Das stimmt sicher. Erklärt aber nicht, warum es vom Baubeschluss bis zur Vergabe der Leistungen neun Monate dauerte.

 

Bahn bleibt Weinhübel vorerst erhalten
Dann unser Highlight: Der Bahnhalt in Weinhübel beschäftigt unsere Fraktion seit 2020. Nun endlich kommen wir zu einer Beschlussfassung, die mehrheitsfähig ist. In enger Abstimmung mit Bürgermeister Michael Wieler legen wir einen Antrag vor, dem der Stadtrat fast einstimmig folgt. Lediglich Andreas Zimmermann (CDU) votiert dagegen. Mit dem Beschluss erklären wir unseren politischen Willen: Ja zum Neubau eines Haltepunktes am Berzdorfer See auf Höhe Deutsch Ossig und Ja zum Erhalt des Haltepunktes Weinhübel. An beiden Stationen sollen künftig Züge anhalten. Nur wenn es aus nachvollziehbaren bahntechnischen Gründen nicht geht, geben wir dem Haltepunkt Deutsch Ossig den Vorzug. Bis es soweit ist, vergehen noch bis zu fünf Jahre. In dieser Zeit ändert sich am Status Quo für den Haltepunkt Weinhübel zunächst nichts.

Warum brauchte es das Votum?

Die Stadt muss den Bau einer Bahnstation am Berzdorfer See neu beantragen. Der letzte Beschluss des Stadtrates sah 2020 vor, Fördermittel für den Halt am Berzdorfer See und für den Abriss der Station in Weinhübel bei der Bahn zu beantragen. Der Rückbau ist nicht mehr nötig. Die Bahn hatte Ende 2021 mitgeteilt, dass der Haltepunkt Weinhübel mit seiner kompletten Infrastruktur erhalten bleiben kann.

Was haben wir von dem Beschluss?

  1. Grundsätzlich ist jede Station an einer Zugstrecke von Vorteil. Man kommt schneller und bequemer von A nach B. Über Umweltaspekte müssen wir nicht reden. Wer heute freiwillig einen Haltepunkt der Bahn aufgibt, lebt in einer anderen Zeit.
  2. Der Bedarf ist vorhanden, auch wirtschaftlich. Dazu liegen Schreiben der großen ansässigen Einrichtungen vor: Kühlhaus mit seiner touristischen Infrastruktur, Görlitzer Werkstätten mit über 300 Mitarbeitern, die Kinder, Eltern und Lehrer der DPFA-Regenbogengrundschule, aber auch von kleineren Betrieben und dem Bürgerrat Weinhübel gibt es solche Stellungnahmen. Die Nutzerzahlen haben sich seit dem ersten Beschluss zur Aufgabe der Station Weinhübel im Jahr 2011 mehr als verdoppelt – obwohl im selben Zeitraum die Einwohnerzahl Weinhübels deutlich geschrumpft ist und die letzte Zählung im Corona-Jahr 2020 stattfand.
  3. Finanziell ist es besser, die Bahnstation zu erhalten. Fällt sie weg, muss ein Busersatzangebot geschaffen werden. Während der Bahnbetrieb über Freistaat und ZVON finanziert werden, zahlt Görlitz eine zusätzliche Busstrecke allein.

Danke an den Stadtrat für die große Einmütigkeit. Das ist ein gutes Signal an die Bahn und den ZVON.

 

Defibrillatoren für Laien
Die Linken bringen ebenfalls einen Beschlussantrag ein. Sie möchten, dass die Verwaltung bis April ein Konzept zur Aufstellung von öffentlich zugänglichen Defibrillatoren erarbeitet und ab Juni mit der Umsetzung beginnt. Damit sollen bessere Hilfeleistungen bei plötzlich auftretendem Herzkreislaufstillstand möglich werden. Jana Krauß bedankt sich für unsere Fraktion für den Antrag. Dieses wichtige Thema muss stärker ins Bewusstsein der Stadtgesellschaft. Jana weiß aus leidvoller Erfahrung, wovon sie spricht. Möglicherweise würde ihr Mann noch leben, hätte es öffentlich zugängliche Defibrillatoren gegeben.

Die Stadtverwaltung sieht sich bei allem guten Willen aber außerstande, den Beschluss umzusetzen. Vor allem ist die Zeitschiene zu kurz, es braucht eine begleitende Kampagne und es fehlt an Geld im Haushalt. Die Rathausspitze schlägt einen Kompromiss vor. In einem ersten Schritt wird recherchiert, welche Einrichtungen und Unternehmen an einem leistungsfähigen Defi-Netz in Görlitz mitwirken könnten und sich auch an einer Kampagne beteiligen würden. Die Ergebnisse sollen im vierten Quartal vorgestellt werden. Danach sehen wir weiter. Guter Vorschlag sagt der Stadtrat und stimmt somit einem Antrag der Linken einstimmig zu. Kommt auch nicht alle Tage vor.

 

AfD-Wirt gibt auf
Zum Abschluss stimmen wir dem Austrittsgesuch von Sven Vetter (AfD) zu. Der Gastronom aus Kunnerwitz sieht sich wirtschaftlich nicht mehr in der Lage, seinem Ehrenamt nachzugehen. Ihm folgt als Nachrücker Gerald Rosal. Der Görlitzer Regionalgruppenleiter der rechtsextremen Partei hatte bei der Wahl 2019 lediglich 141 Stimmen – das dürfte absoluter Minusrekord für einen Stadtrat sein.

Rekordverdächtig ist auch die Sitzungsdauer. Diesmal aber auf angenehme Art. Pünktlich zum Sandmann ist Schluss.

 

Autor: Mike Altmann

Foto: Görlitzer Wochenmarkt, aufgenommen am 27.2.2021

Stadtratsblog#27: 27.1.2022

Selten wurde eine Stadtratssitzung so intensiv vorbereitet. Tags zuvor durfte ich vier Stunden im Technischen Ausschuss verbringen. Die Fraktion hatte am Montag bis Mitternacht zusammengesessen. Dazu kommen viele Stunden Akten lesen und Recherchieren. Das ist kein Jammern. Es macht Spaß. Vielleicht ließe sich aber Zeit sparen, wenn es ein vertrauensvolleres Miteinander zwischen Rathausspitze und Stadtrat gäbe. Gegenüber OB Ursu und Bürgermeister Wieler bringe ich in einer persönlichen Erklärung mein Missfallen zum Ausdruck. Uns wurde im Juni ein Schreiben der Landesdirektion vorenthalten, als wir über die Auflösung der Veolia-Stiftung debattierten. Aus dem Brief vom 14.6.2021 geht hervor, dass die Voraussetzungen für eine Auflösung der Veolia-Stiftung nicht vorliegen. Das Schreiben wurde den Stadträten in ihrer Sitzung eine Woche später vorenthalten. Die Mehrheit stimmte einer Auflösung der Stiftung zu. Das Schreiben der Landesdirektion wurde bewusst verschwiegen, um eine Mehrheit für die Auflösung der Veolia-Stiftung zu sichern. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Sächsische Gemeindeordnung und eine Missachtung des Stadtrates.

Wer das nachvollziehen möchte – hier die Chronologie:

Februar 2021: Die Verwaltung schlägt im Verwaltungsausschuss vor, die Veolia-Stiftung aufzulösen, um das Stammkapital von 1,5 Millionen Euro zum Stopfen der Haushaltslöcher zu verwenden.

4. Juni 2021: Die Sächsische Zeitung berichtet über die Idee. Bürgermeister Wieler wird in dem Beitrag zitiert. https://www.saechsische.de/goerlitz/goerlitzer-veolia-stiftung-soll-aufgeloest-werden-5456617-plus.html

17. Juni 2021: Ein Schreiben der Landesdirektion Sachsen (Stiftungsaufsicht) an den Stiftungsvorsitzenden Michael Wieler geht im Rathaus ein. Auslöser für das Schreiben ist der Artikel in der SZ. Eine Woche vor der entscheidenden Stadtratssitzung erklärt die Behörde, dass es keinen Grund für die Auflösung gibt.

21. Juni 2021: Michael Wieler antwortet per E-Mail der Stiftungsaufsicht. Aus der Mail geht hervor, dass der Oberbürgermeister Kenntnis vom Schreiben der Stiftungsaufsicht hat.

24. Juni 2021: Der Stadtrat tagt zum Haushalt. Die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne beantragt vergebens, die Veolia-Stiftung nicht aufzulösen. Sowohl Oberbürgermeister Ursu als auch Bürgermeister Wieler argumentieren, dass über die Genehmigung einer Auflösung die Stiftungsaufsicht entscheidet, verschweigt aber, dass es bereits eine Stellungnahme gibt.

Spätestens an dieser Stelle hätte der Stadtrat über das Schreiben der Aufsichtsbehörde informiert werden müssen. Es ist nicht entscheidend, wie OB oder Fachbürgermeister den Inhalt bewerten. Es ist auch nicht entscheidend, ob es etwas an der Abstimmung verändert hätte. Uns Stadträten sind alle wesentlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, die für eine Entscheidung wichtig sind. Wenn das nicht mehr funktioniert, können wir aufhören.

Auf die Erklärung gibt es zunächst keine Antwort. Erst als Jana Lübeck (Die Linke) nachfragt, äußert sich Bürgermeister Wieler: „Wir haben unterschiedliche Bewertungen. Für uns ist die inhaltliche Bewertung schon relevant. Die Stiftungsaufsicht hat uns nicht gefragt, was wir vorhaben, sondern auf einen Zeitungsartikel reagiert. Es sei mal dahingestellt, ob das das richtige offizielle Verfahren einer staatlichen Behörde gegenüber einer Kommune ist. Die Stiftungsaufsicht ist wie andere Fachbehörden, z.B. das Landesamt für Denkmalpflege, eine Behörde, die eine Auffassung zu vertreten hat. Das heißt aber nicht, dass das unumgänglich ist. Es gibt viele Dinge, die wir politisch erkämpfen müssen. Vor diesem Hintergrund haben wir gesagt: Gut, das war zu erwarten, heißt aber nicht, dass es (die Stiftungsauflösung) unmöglich ist.“ Ja Herr Wieler, das wäre der Weg gewesen. Uns das Schreiben zur Kenntnis geben und fachlich bewerten. Die Einordnung obliegt dem Stadtrat. Die kann er aber nur vornehmen, wenn die Informationen nicht vorselektiert werden. Ist simpel und einfach einzuhalten.

Soweit zu ärgerlichen Begleitumständen der ehrenamtlichen Stadtratsarbeit. Zurück zur Sitzung. Der Oberbürgermeister informiert über einige Dinge:

Der kürzlich verstorbene Dixie Dörner soll würdevoll geehrt werden. Aktuell plant der OB, ein Stück der Parsevalstraße am Stadion „Junge Welt“ in Dixie-Dörner-Straße umzubennen. Nach Gesprächen mit dem Kreissportbund soll es einen konkreten Vorschlag geben. Prima Sache. Gut wäre, wenn noch etwas Lebendiges hinzukäme. Ein Dixie-Dörner-Cup etwa, zu dem regelmäßig nach Görlitz eingeladen wird. Das ist aber nicht Aufgabe der Kommune. Ich bin mir sicher, dafür wird es Initiativen aus Sport und Wirtschaft geben.

In einem Treffen mit dem Kreiselternrat ging es um den Lehrermangel. Der ist bereits vorhanden und wird künftig noch größer. Konkrete Zahlen für die Schulen in Görlitz kennen wir nicht. Der OB will sich mit der Hochschule verständigen. Es gibt bereits viele Ideen, speziell für die Ausbildung von Lehrern im ländlichen Raum. Auch wenn die Stadt nicht zuständig ist, sondern das Landesamt für Schule und Bildung: Als OB sollte man immer einen aktuellen Überblick haben, ob und wo konkret ein Mangel droht. Nur so kann frühzeitig darauf reagiert werden. Das gilt auch für andere Berufsgruppen wie Ärzte.

In Sachen Kaufhaussanierung scheint es voranzugehen. Um Ostern und Pfingsten herum soll es eine Auslegung der Planung für die „Träger öffentlicher Belange“ geben. Danach kommen die Normalsterblichen zu ihrem Recht und dürfen die Planungen während einer öffentlichen Auslegung begutachten.

Blumen gibt es für die scheidende Geschäftsführerin der EGZ, Andrea Friederike Behr. Sie hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft seit 2017 geführt und ihren Vertrag auf eigenen Wunsch nicht verlängert. Sie wünscht sich vom Stadtrat, dass Wirtschaft, Tourismus und Marketing weiterhin wichtige Themen bleiben und die EGZ mit ihrer neuen Chefin Eva Wittig tatkräftig unterstützt wird. Das hoffe ich auch und bedanke mich sehr bei Andrea Behr für ihr engagiertes Netzwerken. Sie hat nach den Jahren der plakativen Wirtschaftsförderung dafür gesorgt, dass ein wesentliches Augenmerk auf den bereits ansässigen Unternehmen liegt. Die Fachkräftesicherung stand im Fokus, der Austausch untereinander wurde angekurbelt, neuen Ideen und Konzepten gegenüber war sie immer offen. Dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gingen, hatte wenig mit der EGZ oder Andrea Behr zu tun. Sondern mit einem strukturellen Stillstand in Görlitz, wenn wir uns nur die Entwicklung am Berzdorfer See vor Augen führen. Ich werde die sehr angenehme Zusammenarbeit in bester Erinnerung behalten. Vielen Dank und alles Gute für die Zukunft.

 

Fragestunde für Einwohner

Janet Conrad/Marcus Kossatz vom Stadtverband der Bündnisgrünen fragen nach konkreten Maßnahmen in Sachen ökologische Sanierung der Stadthalle. Bürgermeister Wieler antwortet, dass man alle gesetzlichen Vorgaben einhalte. Mehr Antworten gibt es schriftlich.

Raimund Kohli, Unternehmer und Familienvater, fragt uns, wann wir gedenken, die Kosten und langfristigen Belastungen im Zusammenhang mit der Stadthalle öffentlich zu diskutieren. Zitat: „Ich bin seit 25 Jahre Kaufmann, hier gibt es Grundsätze bzw. betriebswirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten. Die gelten auch für eine Stadt. Ich kann nicht mehr ausgeben, als ich habe. Nutze deine Ressourcen, entwickle sie. Plane mit Vorsicht und Weitsicht, kalkuliere mit einem berechenbaren Risiko. Und mit Verlaub: Wir reden hier über Steuergeld, also Geld was von jedem Einzelnen von uns kommt. Wir haben ein Recht, zu wissen, was damit passiert.“ Raimund Kohli hatte auch eine entsprechende Petition auf den Weg gebracht, die bis zur Stadtratssitzung von rund 300 Menschen unterzeichnet wurde. Er betont, dass er nicht gegen die Sanierung der Stadthalle ist, sondern für einen offenen und ehrlichen Diskurs zu dem Thema. Schlimm eigentlich, dass man begründen muss, kein „Stadthallengegner“ zu sein.

Der OB sagt: „Wir haben nicht vor, Dinge zu kürzen. Die Stadthalle wird frühestens 2026 eröffnen und dann etwa drei Jahre haben, sich zu bewähren. Niemand wird Ihnen sagen können, welche Gelder 2027 oder 2028 zur Verfügung stehen. Nach Ihrer Lesart hätten wir die Görlitzer Verkehrsbetriebe nie rekommunalisieren dürfen.“ – Da die GVB mehrfach im Zusammenhang mit der Stadthalle erwähnt wird, ein Wort dazu: Hier betreiben altgediente Stadträte und der OB Geschichtsklitterung. Die Verkehrsbetriebe wurden rekommunalisiert, weil es die absurde Hoffnung gab, damit Geld sparen zu können im Vergleich zur VGG (die zum Veolia-Konzern gehörte und damit ganz andere Synergieeffekte nutzen konnte). Bis zur Gründung der GVB hatte der Stadtrat ewig lange nichts in die Infrastruktur investiert. Weder in die Anlagen noch in die Fahrzeuge. Trotz dieses Wissens wurden die jährlichen Zuschüsse für die neue Gesellschaft gegen jede wirtschaftliche Berechnung viel zu niedrig angesetzt. Auch damals schon regierte das Prinzip Hoffnung. Dies heute als Beleg zu nehmen, dass auch die Stadthalle laufen wird, ist ein echter Witz.

 

Fragen von Stadträten

Yvonne Reich von BfG möchte wissen, ob am Berzdorfer See eine FKK-Badestelle geplant sei. Das verneint die Verwaltung. Frau Reich regt an, sich darüber bitte Gedanken zu machen.

Fraktionskollegin Jana Krauß erkundigt sich nach dem Stand der Arbeiten an der im April 2021 beschlossenen Übernachtungssteuer.  Kämmerin Birgit Peschel-Martin erklärt, dass in diesem Jahr nur die Grundlagen inkl. Satzung vorbereitet werden, damit die Steuer zum 1.1.2023 greift. Übersetzt heißt das für mich: Es ist noch nichts passiert. Hoffentlich wird nicht vergessen, die Akteure einzubeziehen. Also die Hotels, die die Steuer einnehmen sollen. Und den Tourismusverband, der mehrfach bereits eine Beteiligung angemahnt hat.

Ich frage, ob in Görlitz eine Vergabekonferenz vorstellbar ist. In Zittau gibt es diese seit sechs Jahren. Die Wirtschaftsförderung lädt alle ein, die Interesse an öffentlichen Aufträgen in Zittau und Umgebung haben. Es werden nicht nur geplante städtische Maßnahmen vorgestellt, sondern auch solche vom Landkreis und Versorgern wie den Stadtwerken. Damit verbessert man die Planungen in den Betrieben, speziell Bau und Handwerk. Nun könnte man meinen, was in Zittau sechs Jahre prima funktioniert, sollte rechtlich sicher sein. Nicxht so Bürgermeister Wieler. Man müsse vorsichtig sein, damit es zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommt. Es sei schon lange her, dass das in GR stattfand. Neben den rechtlichen Fragen gab es aus seiner Sicht kein großes Interesse der hiesigen Bau-Wirtschaft. Wenn das vorhanden wäre, könnte man darüber nachdenken. Er ist bereit, sich mit dem Zittauer OB Thomas Zenker auszutauschen. Erstaunlich, wie unterschiedlich die Bedenken in zwei Städten sind, die 35 Kilometer auseinander liegen und unter den selben gesetzlichen Regelungen arbeiten

Kollege Danilo Kuscher bringt einen Fragenkomplex zum Thema Hunde ein. Zunächst regt er an, bei künftigen Erhöhungen der Hundesteuer nicht nur den Bescheid zu versenden, sondern den Grund für die Erhöhung zu kommunizieren, ggf. mit einem begleitenden Anschreiben. Wissen möchte er, wie hoch die Einnahmen aus Verstößen gegen die Pflicht zum Entsorgen von Kot sind und ob es regelmäßige Kontrollen der mitgeführten Tüten gibt. Weiterhin fragt er, wie die Verwaltung den Einsatz von mobilen Hundekot-Saugern einschätzt und ob es künftig möglich ist, das Aufstellen weiterer Mülleimer im Stadtgebiet unter Beteiligung der jeweiligen Anwohner zu planen.
Michael Wieler zu Mülleimern: „Da arbeiten wir permanent mit den Bürgerräten daran. Es werden Behälter an geeignetere Orte umgesetzt. Die Entleerung jedes Mülleimers kostet pro Jahr 200 Euro. Problem ist, dass Kotbeutel in Gullis landen. Es gibt Kanalverstopfungen in einigen Straßen.“ Er hält es für nicht zutreffend, dass in der Innenstadt mehr Papierkörbe helfen. Auch einen Wurstsauger schätzt Wieler als nicht zielführend ein. Es gab vor einigen Jahren Überlegungen und Austausch mit Städten, die solche Gefährte einsetzten. Damalige Erkenntnis: Diese Städte hatten mehr Hundehaufen als vor dem Wurstsauger.
Oberbürgermeister Ursu ergänzt: Auch ein DNA-Register funktioniert aus Datenschutzgründen nicht. Die Kontrollen der mitgeführten Tüten durch das Ordnungsamt sind rechtlich schwierig. Man kann immer sagen: Ich habe meine Tüte gerade benutzt. Damit erklärt der OB, dass unsere Polizeiverordnung nicht durchsetzbar ist. Dort heißt es in §6 Abs 2.: „Zur Beseitigung sind in ausreichender Zahl geeignete Hilfsmittel wie z.B. Plastiktüten mitzuführen und auf Verlangen vorzuweisen.“

 

Ausgewählte Beschlüsse:

Wahlen zum Kleingartenbeirat

Der wurde auf Wunsch des Niederschlesischen Kleingartenvereins gegründet, auch um den Verkauf der Parzellen an Kommwohnen zu begleiten. Wir erinnern uns: Görlitz hatte kein Geld für den Bau der Freiwilligen Feuerwehr und der neuen Kita Fichtestraße und musste seine Kleingärten an die Wohnungsbaugesellschaft verkaufen. Im Beirat sitzen nun vier Stadträte, darunter meine Kollegin Jana Krauß und sechs sachkundige Bürger. Ich wünsche eine gute Ernte bei allen Beratungen.

Abfahrtstellen Stadtrundfahrten

Ein Jahr vergangen und leider nicht viel passiert. Nachdem es fast schon chaotische Zustände auf dem Obermarkt gab und immer neue Fahrzeuge hinzukamen, wurde für das Jahr 2021 ein Test mit neuen Abfahrtstellen und Sondernutzungsgebühren beschlossen. Klarer Wunsch aller Fraktionen vor zwölf Monaten: Es soll frühzeitig eine Bewertung und daraus abgeleitet eine langfristig tragfähige Lösung geben. Natürlich unter Beteiligung der Anbieter. Passiert ist nur Schritt 1: Der OB hat die Anbieter in den Wirtschaftsausschuss eingeladen. Dort wurde bilanziert. Daraus hat die Verwaltung einen neuen Vorschlag gemacht, statt wie vorgesehen die Profis an den Tisch zu holen. Das Ergebnis fällt entsprechend enttäuschend aus, wie mein Kollege Andreas Kolley feststellt. Die Verwaltung möchte die Abfahrtsstelle Obermarkt (an der Staatsanwaltschaft) an den Klosterplatz verlegen. Bis auf die CDU finden das alle Fraktionen nicht sinnvoll. Letztlich bleibt es beim Standort an der Staatsanwaltschaft. Auf Antrag von BfG und Motor/Grüne diskutieren wir auch über den Sinn von Abfahrtsstellen für Pferdedroschken am Kaisertrutz. Im letzten Jahr wollte kein Kutscher diesen Platz. Da wir uns dieses Jahr ohnehin mit einer durchdachten Neuregelung beschäftigen, schlagen wir vor, einen guten Ort für Pferd und Mensch zu suchen und bis dahin keinen Standort anzubieten. Die Pferdefreunde von CDU und Teilen der AfD sehen es anders. Die Droschkenplätze bleiben also am Kaisertrutz. Zu Straßenbahnen, Bussen, Autos, Radfahrern und staunenden Touristen gesellen sich nun womöglich noch zwei Kutschen. Augen auf, kann ich da nur sagen.

Die Preise für die Anbieter senken wir aufgrund der anhaltenden Pandemie und den damit verbundenen Einbußen. Busse zahlen künftig statt 70 nur 60 Cent pro m2 Stellefläche im Monat. E-Mobile bekommen einen Rabatt von 25% und die Kutschen zahlen nicht mehr 14 Cent, sondern nur noch einen „Groschen“ je m2 und Monat.

REWE-Markt rückt näher

Die unendliche Geschichte eines neuen REWE-Marktes im Waggonbaugelände Werk1 rückt näher. Wir beschließen die Auslegung eines veränderten Bebauungsplans. Einige Details haben sich geändert. Die Marktfläche wächst auf 2.300 m2. Es wird eine zusätzliche Erschließung für die Leute aus der Innenstadt West über das Grundstück Bautzener Straße 36 geben (das ist etwa auf Höhe Hilgerstraße/Leipziger Platz). Neben der bekannten Zufahrt auf den Parkplatz wird es auf der Christoph-Lüders-Straße noch eine zweite Ein- und Ausfahrt geben, etwa auf Höhe der Polizei. Der Plan wird nun nochmals ausgelegt. Mal sehen, ob vor Abschaffung des Bargelds im REWE Werk1 eingekauft werden kann.

Gesamtsanierung Stadthalle

Da es während der Debatte bisweilen in Vergessenheit gerät – folgendes soll beschlossen werden:

  1. Entwurfsplanung bestätigen als Grundlage für Bauantrag
  2. Freigabe von 2,5 Millionen Euro für Planungen und Erschließungsmaßnahmen VOR einem Förderbescheid.
  3. Einordnung der Baukosten von knapp 48 Millionen Euro in die Finanzplanung bis 2026 und Mittelvorgriff auf den Haushalt 23/24 von 1,6 Millionen Euro.

Der OB führt ein ins Thema und sagt:

„Wir (gemeint sind er und Bürgermeister Wieler, es ist keine Vorlage der Verwaltung) haben die Vorlage vorbereitet, weil wir der Meinung sind, dass wir vorankommen müssen mit der Planung, so dass wir irgendwann auch die Sanierung durchführen können. Nachdem wir mehrere Varianten überprüft haben, kamen wir zur Einschätzung: Je länger wir warten, umso teurer wird es. Unabhängig von der Vorlage entwickelt sich die Diskussion über Sinn und Unsinn der Stadthalle. Warum ist sie wichtig: Wir entwickeln uns in verschiedenen Hinsichten positiv, zum Beispiel als Stadt der Zukunftstechnologien und der Wissenschaft mit CASUS und Senckenberg und mit einem möglichen Großforschungszentrum in der Region. Wir haben eine wachsende Startup-Szene, etwa auf dem Siemens-Innovation-Campus und bei Grantiro auf der Steinstraße. Wir hoffen auch, dass wir mit der Sanierung des Kaufhauses vorankommen. Alle diese Einrichtungen brauchen einen Ort wie die Stadthalle. Es gibt auch viele Anfragen von außerhalb. Wir haben nun eine ganz präzise Planung mit Analyse der Möglichkeiten der Betreibung. Wir können keine Garantie geben, wie es dann 27/28 konkret aussieht.“ Sehe ich in diesem Moment Nebel aufsteigen? Vielleicht nur Einbildung.

Bevor wir Stadträte diskutieren dürfen, erleben wir eine kleine Inszenierung. Zunächst spricht Henning Wossidlo, Mitarbeiter des Kulturservice zu uns. Das ist der Experte aus Wiesbaden, der das Kurhaus in der Partnerstadt viele Jahre leitete und nun die Stadthallensanierung begleitet. Was soll er anderes machen, als die Stadthalle in schillerndsten Farben an die Zukunftswand zu malen. Und aus den 80-ern zu berichten, als gegen den Widerstand der Mehrheit der Bevölkerung (die lieber Kitas wollten) das Kurhaus Wiesbaden durchgesetzt wurde, das sich zweifellos zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt hat.

 Es folgt ein weiterer Motivationsvortrag. Diesmal von einem Vertreter der Hochschule Zittau/Görlitz. Prof. Dr. Falk Maiwald von der Fakultät Management- und Kulturwissenschaften hält einen allgemeinen Vortrag über den Nutzen von geförderten Kultureinrichtungen. Er nimmt keinen Bezug auf die Stadthalle, da er das Betriebskonzept gar nicht kennt, wie er auf Nachfrage von Mirko Schultze (Die Linke) erklärt. Solche Vorträge gehören in die Ausschüsse – wenn sie überhaupt nötig sind. Jeder, der sich mit der Stadthalle beschäftigt, kommt um kulturökonomische Auswirkungen nicht umhin. Nur leider gibt es dazu im uns vorliegenden Betriebskonzept keinerlei Ausführungen.

Dann darf der Stadtrat auch was sagen. Zunächst meldet sich meine Kollegin Jana Krauß mit einem Geschäftsordnungsantrag: Sie möchte, dass die fachliche Stellungnahme der Amtsleiterin für Finanzen öffentlich gemacht wird. „Es ist wichtig für die Diskussion und wir sehen keinen Grund, dieses Dokument geheimzuhalten. Wir haben eine Geschäftsordnung des Stadtrates. Diese sagt in §5 aus: Geheimhaltung ist nur aus Gründen des öffentlichen Wohls oder zum Schutz berechtigter Interessen Einzelner möglich. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall.“ Oberbürgermeister Ursu will diesen Antrag prüfen. Allerdings erst nach der Sitzung. Das führt dazu, dass wir in der Debatte nicht auf die alarmierenden Hinweise unserer Kämmerin eingehen. Die in ihrem Schreiben aufgeführten Risiken und Hinweise kommen in der gesamten Diskussion nicht zur Sprache. Octavian Ursus Begründung:  Stellungnahmen der Ämter sind generell nicht öffentlich. Das habe ich anders in Erinnerung. Als es um die Frage Gästetaxe oder Bettensteuer ging, wurden die Fachämter in öffentlicher Sitzung mit ihren Stellungnahmen pro Steuer in die Bütt geschickt. Scheinbar gilt die Geheimhaltung nur dann, wenn es in des Oberbürgermeisters Taktik passt. Das hat nichts mit einer neutralen Leitung des Stadtrates zu tun.

Es folgen Reden der Fraktionen. Auszugsweise einige Passagen, damit man sich besser hineinversetzen kann in die jeweilige Gefühlslage und die individuell erreichte thematische Tiefe. Ich erlaube mir, einige Anmerkungen anzufügen:

Prof. Joachim Schulze (Fraktion BfG)

Können wir uns das leisten? Wir wissen nicht, wie sich die Finanzen nach Inbetriebnahme der Stadthalle darstellt. Das ist von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig und von den Finanzierungen der Kommunen durch Bund und Land. Wir sind da nur ein ganz kleines Rädchen. (Anmerkung: Wir haben also gar keine Hausaufgaben? An unserem strukturellen Defizit von 5-6 Millionen jährlich sind nur Andere schuld?)

Wir wissen auch nicht, wie sich die Stadthalle macht am Markt und wie viele Zuschüsse sie auf lange Sicht braucht. Wir können lediglich optimale Ausgangspositionen schaffen. Sowas gehört zum Wesen von Politik und unternehmerischen Handeln. (Anmerkung: Es gehört eben nicht zum Wesen unternehmerischen Handelns, ein Risiko einzugehen, ohne die vorherige Beurteilung aller bekannten Daten und Fakten.) Wir wissen, was passiert, wenn wir nicht beherzt und mit Zukunftsoptimismus weitermachen – dann sähe es trübe aus.  Görlitz braucht diesen Ort der physischen Begegnung, ein Ort, der keiner Szene gehört und deren Interessen bedient, sondern eine Halle für Alle. Das müssen und das wollen wir uns leisten und das können wir auch.

Danilo Kuscher (Motor Görlitz/Bündnisgrüne):

Aus technischer Sicht bleiben keine Wünsche offen für eine moderne „Halle für Alle“. Eine sehr gute Entwurfsplanung. Aber warum gibt es in einer Vorlage zwei Themen? Wir wollen nur die Entwurfsplanung beschließen für die schnellstmögliche Erarbeitung des Bauantrags. Der weitere Text widerspricht einem bereits gefassten Beschluss von März 2020, der die Freigabe der Gelder unter den Vorbehalt stellt, dass es einen Fördermittelbescheid und einen Gesamtbeschluss für das Projekt Stadthalle gibt. Wir sehen nicht, warum wir die Planer nun benachteiligen, wenn wir auf die Bescheide warten. Wir können ohnehin erst bauen, wenn der Förderbescheid da ist. Bis dahin sollten wir die Zeit nutzen und uns damit beschäftigen, wie wir Sanierung und späteren Betrieb finanziell sichern.

Dieter Gleisberg (CDU):

Wir werden die Betriebskosten über die Kulturservicegesellschaft abdecken. 993.811 Euro Zuschuss jährlich nach heutigem Stand. Von der Betreibergesellschaft bekommen wir Miete zurück in Höhe von 896.400 Euro. Der reine Zuschuss wird sich also in Grenzen halten. (Anmerkung: Milchmädchenrechnung. Aus den Mieteinnahmen müssen Abschreibung, Instandhaltung etc. erbracht werden. Die jährliche Belastung wird bei rund 1.000.000 Euro liegen, wie Bürgermeister Wieler betonte. Ohne betriebswirtschaftliche Zahlen lässt sich zudem gar nicht beurteilen, wo wir finanziell landen könnten. Das weiß Dieter Gleisberg auch als erfolgreicher Unternehmer.)

Alles was wir uns vorgenommen haben, konnten wir auch im Haushalt darstellen. Ich weiß nicht, woher die Vermutung herkommt, dass wir es uns nicht leisten können. Es gibt keinen Grund, dem Vorschlag heute nicht zu folgen.

Jana Lübeck (Die Linke):

Ich kann die Zahlen aus dem Betriebskonzept nicht nachvollziehen. Ebenso nicht nachvollziehbar ist, dass die Stellungnahme der Finanzverwaltung nicht öffentlich ist. Dadurch kann ich meine Argumentation gar nicht glaubhaft führen, weil alle Begründungen nichtöffentlich sind.

Ich bin keine Person, die die Stadthalle ablehnt, sondern habe mich kritisch damit beschäftigt. Ich soll an etwas glauben. Ich möchte diesen Glauben gern mit Fakten unterlegen. 2,1 Millionen Euro für Planungsleistungen sollen wir beschließen, ohne Bescheid vom Finanzamt und Fördermittelgeber und ohne Betriebskonzept mit betriebswirtschaftlicher Untersetzung. Deshalb können wir der Vorlage nicht zustimmen.

Danke an Raimund Kohli für die Petition. Das sind genau die richtigen Fragen, die wir beantworten müssen.

Lutz Jankus (AfD):

Im Prinzip hat Prof. Schultze alles gesagt, was ich nur wiederholen kann. Diesmal sind wir einer Meinung. Ja: Wir sehen auch die Argumente von Motor/Grüne und Linke. Betriebswirtschaftlich können wir die Zahlen hier nicht öffentlich diskutieren. Es mag sein, dass wir für die Stadthalle zuschießen müssen. Mag sein, dass wir 1.000.000 Euro jährlich zahlen. Aber wenn wir durch Übernachtungen und Besuche in Gaststätten und Museen 1.100.000 Euro Einnahmen in die Stadt bekommen, dann haben wir schon gewonnen, denn das stärkt ja das Stadtsäckel. (Anmerkung: Hierzu müssten wir natürlich betrachten, wie hoch der Anteil an Veranstaltungen ist, die bereits heute stattfinden und in die Stadthalle wechseln. Das ergibt keine zusätzlichen Effekte. Oder geht Bärbel B. nur zum Friseur, wenn in der Stadthalle getanzt wird?)

Und deshalb stimmen wir zu, weil wir das Potenzial sehen. Wir gehen das frohen Mutes an. Wir wissen nicht, ob das alles so klappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Jetzt müssen wir ran, wie das altgediente Stadträte betont haben.

Ich melde mich schließlich auch zu Wort und bilanziere für unsere Fraktion:

Im Ergebnis kommen wir zum Schluss, dass wir der Vorlage aufgrund derzeit unkalkulierbarer Risiken und unklarer Finanzierung in ihrer Gesamtheit nicht zustimmen können und für den Änderungsantrag von Danilo Kuscher werben. Für den Gesamtbeschluss beantrage ich namentliche Abstimmung, da er weitreichende Auswirkungen auf künftige Leistungen der Stadt Görlitz haben kann. (Die komplette Rede ist hier zu finden.)

Es folgen nach einigen weiteren Diskussionen die Abstimmungen. Der Änderungsantrag (nur Entwurfsplanung bestätigen als Grundlage für den Bauantrag) wird mit 24 Nein-Stimmen abgelehnt. Nur Motor/Grüne und Linke stimmen dafür (7).

Baff bin ich über die Feigheit der Mehrheit der Stadträte von AfD, CDU, BfG. Die namentliche Abstimmung wird von ihnen abgelehnt. Das ist ein seltener Vorgang, da bei wichtigen Abstimmungen durchaus für die Nachwelt festgehalten werden sollte, wer sich wie positioniert hat. Gab es übrigens im Jahr 2012 mehrfach bei Stadthallen-Beschlüssen. Damals hatte der Stadtrat keine Probleme damit – erfahrene Kempen wie Dieter Gleisberg sehen das zehn Jahre später offenbar anders. Das soll jeder für sich selbst bewerten. Abstimmungsergebnis: 12 ja / 15 nein / 6 Enthaltungen. Angenehm: Matthias Schöneich (CDU) kritisiert seine eigenen Leute und meint: Man kann doch auch stolz darauf sein, für die Stadthalle zu stimmen. Recht hat er.

Es kommt also zum Gesamtbeschluss. Mit 25 Stimmen dafür, 7 dagegen und einer Enthaltung wird der Vorschlag von OB Ursu und Bürgermeister Wieler angenommen. Ich hoffe, dass diese riskante Strategie aufgeht. Niemand hat etwas davon, wenn wir mit der Stadthalle baden gehen. Deshalb wird es von unserer Seite auch keine Fundamentalopposition geben.

 

Allgemeinverfügung zur Nutzung des Berzdorfer Sees

Nach der heißen Debatte tut Abkühlung gut. Wir springen gedanklich in den Berzi. Es geht um die Stellungnahme der Stadt Görlitz zum Entwurf einer Allgemeinverfügung des Landkreises. Vereinfacht gesagt: Damit wird alles geregelt, was Mensch und Haustier auf dem See dürfen. Knackpunkt ist die Frage: Wo darf eigentlich gebadet werden? In der Allgemeinverfügung gibt es keine Einschränkungen. Die Görlitz-Verwaltung möchte es strenger regeln und schlägt vor: Baden ist nur an zugelassenen Badestellen erlaubt. Funfact: Zum Zeitpunkt des Beschlusses kennen wir gar nicht alle konkreten Badestellen. Ist der Rathausspitze egal – sie sieht ein zu großes Risiko, falls irgendwo am See beim Baden etwas passiert.

Es kommt zu einer recht interessanten Diskussion über Parteigrenzen hinweg. Mein Kollege Danilo Kuscher sagt: Der Entwurf des Landkreises ist super, alles ist geregelt. Auch Experten vom Kommunalen Schadensausgleich würden das Baden an Gewässern als „allgemeines Lebensrisiko“ ansehen. Entscheidend sei, ob es bauliche Anlagen gibt, die dem Besucher suggerieren, hier wäre eine Badestelle. Wie ein Steg oder ein aufgeschütteter Strand. Das leuchtet ein, oder? Das Baden an einem See mit einem Umfang von 16 Kilometern außerhalb von einer Handvoll Badestellen zu verbieten, ist weltfremd und kann auch überhaupt nicht kontrolliert werden.

Das sehen auch Mirko Schultze (Die Linke) und Torsten Koschinka (AfD) so. Die Stadt geht mit dieser Position weit über das hinaus, was zur Risikoabwehr nötig ist. Gegen diese Argumente hat Bürgermeister Wieler nichts Konkretes auf Lager. Er behauptet einfach, dass die Verwaltung Recht hat. Schließlich habe sie sich jahrelang damit beschäftigt. Davon lässt sich schließlich eine Mehrheit „überzeugen“ und folgt der engen Auslegung der Verwaltung. Wenn der Passus tatsächlich zur Regel wird, darf man künftig nicht vom Segelboot aus ins Wasser springen, da man sich außerhalb einer zugelassenen Badestelle befindet. Wer soll das bitte verstehen?

Wer tatsächlich bis hierher gelesen hat, bekommt eine Lesemutti ins Bienchenheft. Prima. Bis zur nächsten Stadtratssitzung habt ihr jede Menge Zeit zum Augenschonen. Wir tagen wegen der Winterferien erst wieder am 3. März.

 

Autor: Mike Altmann

Stadtratsblog#17: 25.3.2021

Seit einem Jahr tagt der Stadtrat in der Sporthalle an der Jägerkaserne. Ein trauriges Jubiläum. Der Ratssaal ist zwar nicht schön und bissel muffig – aber die Sporthalle würde ich gern wieder den Vereinen und Schulen überlassen. Würfe statt Worte. Tore statt Tagesordnung. Wir erheben uns zu Beginn der Sitzung für die Toten der Pandemie in Görlitz. Stille.

Danach wird es freudig. Mein Fraktionskumpel Danilo Kuscher darf ins Theater gehen. Er bekommt vom OB einen Gutschein. Happy Birthday, Großer.

Anschließend erklärt OB Ursu, dass der Tagesordnungspunkt zum Neubau der Oberschule abgesetzt wird. Der Verwaltungsausschuss hatte empfohlen, die vielen offenen Fragen zunächst in den Ausschüssen zu klären, bevor der Stadtrat darüber entscheidet. Es gibt dazu eine Sondersitzung des Ausschusses Kultur, Bildung, Soziales und Migration am Montag. Am Dienstag beschäftigt sich der Verwaltungsausschuss nochmals damit. Nach Ostern soll es eine Sondersitzung des Stadtrates geben. Wir wollen trotz der katastrophalen Haushaltslage den Neubau nicht aufgeben, denn die vier Görlitzer Oberschulen sind jetzt schon am Limit. Hoffentlich finden wir gemeinsam eine Lösung. Es hat für uns oberste Priorität.

Nach § 52 Sächsische Gemeindeordnung ist der OB verpflichtet, den Stadtrat über alle wichtigen Dinge zu informieren, die die Stadt betreffen. Dazu gehört nach unserer Auffassung zwingend die aktuelle Haushaltslage und deren künftige Entwicklung. Leider erfolgt auch in dieser Sitzung die Information nicht. Begründung: Der Verwaltungsausschuss berät zunächst nichtöffentlich über einzelne Punkte, bevor der Haushaltsentwurf für 2021/22 in die Öffentlichkeit kommt. Das sei so Usus. Mag ja sein, dass das nicht nur in Görlitz so läuft und man es in den letzten Jahren so praktiziert hat. Allerdings gibt die Gemeindeordnung klar vor, wie der Haushalt aufzustellen ist. Die Verwaltung erarbeitet einen Entwurf. Dieser wird öffentlich ausgelegt und die Bürgerschaft hat 14 Tage Zeit, ihre Einwendungen zu machen. Damit beschäftigt sich dann der Stadtrat und verhandelt die Haushaltssatzung öffentlich. Diese Öffentlichkeitsprinzip ist ein hohes Gut. Warum? Wenn sich die Fraktionen bereits vor der Auslegung des Haushaltes auf ihre Punkte einigen, ist der Drops gelutscht. Das Paket geschnürt. Die Bürgerschaft wird mit Einwendungen kaum Erfolg haben. Sie bekommt auch die Diskussionen nicht mit, welche Schwerpunkte die Fraktionen setzen. Was ja für eine demokratische Gesellschaft nicht ganz unwichtig ist. Diese Auffassung teilt der Oberbürgermeister nicht. Deshalb bleibt der Haushalt für die Öffentlichkeit vermutlich bis Mai oder Juni eine Black Box.

Corona

Unter dem Informationspunkt bekommen wir vom OB Einschätzungen zur Lage. Herr Ursu nimmt ein Umdenken wahr, sich von Inzidenzen zu lösen, sich mehr nach Auslastung der Krankenhäuser zu richten und mit Testungen mehr möglich zu machen. Er geht davon aus, dass das nach Ostern konkreter wird. Beim Landkreis setzt er sich für die Entwicklung einer App ein, um mit negativem Test mehr Freiheit zu bekommen. Ähnlich wie die Luca-App, die aber nicht genutzt werden kann, da das Gesundheitsamt des Landkreises keine kompatible Software nutzt. In Sachen Impfungen möchte OB Ursu das Klinikum und die größeren Betriebe einbeziehen. Voraussetzung ist freilich, dass ausreichend Impfstoff verfügbar ist.

Berzi GmbH

Im September 2020 wurde auf Wunsch von OB Ursu beschlossen, die Gründung einer Gesellschaft zu planen, die die Geschäfte am Berzdorfer See bündelt. Bis zum 1. Quartal 2021 sollte die Planung vorgestellt werden. Was soll Zweck der GmbH sein, welche Aufgaben bekommt sie, wie soll sie sich strukturieren? Nun, zum Ende des 1. Quartals bekommen wir die Information, dass es noch nicht viel zu berichten gibt. Man befinde sich noch in Verhandlungen. Sechs Monate sind also vergangen ohne vorzeigbares Ergebnis. Und wir haben weiterhin unklare Zuständigkeiten.

Kaufhaus/Postplatz 5 und 6

Dem Rathaus wurde eine Petition überreicht, die das Quorum von 300 Unterzeichnern erfüllt hat. Gefordert wird der Erhalt des Gebäudes Postplatz 6, die Erarbeitung alternativer Konzepte und die Einbeziehung der Görlitzerinnen und Görlitzer. Der Stadtrat kann sich allerdings nicht damit beschäftigen, erklärt die Verwaltung, da es sich um Privatbesitz und eine private Investition handelt. Danilo Kuscher aus unserer Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne merkt an, dass dann wohl auch der OB Neutralität zu wahren hat und sich nicht beim Landesamt für den Abriss denkmalgeschützter Gebäude (Postplatz 5/6) einzusetzen.

An dieser Stelle wird es spannend: Der OB berichtet, dass das Landesamt für Denkmalschutz dem Abrissantrag von Herrn Stöcker nicht zustimmt. Herr Ursu will nun die Landesdirektion anschreiben. Sie soll über den Dissens entscheiden. Der OB ist formell Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde von Görlitz und spricht sich für den Abriss aus. Als zuletzt die Landesdirektion eine solche Entscheidung zu treffen hatte, verschwand das Wilhelmstheater und Görlitz bekam den Profanbau City Center. Bei der Entscheidung der Landesdirektion handelt es sich um einen reinen Verwaltungsvorgang. Bedeutet: Der Stadtrat hat nichts zu melden. Die Bürgerschaft bleibt außen vor. Thorsten Ahrens (Die Linke) verweist darauf, dass über das Projekt Kaufhaus/Parkhaus offiziell nichts bekannt ist und fragt, wie man sich als OB  dennoch für den Abriss einsetzen kann. Von Bürgermeister Michael Wieler erfahren wir, dass der Verwaltung durchaus Details bekannt sind. Da Herr Stöcker sie aber nicht freigibt, um daraus einen Bebauungsplan zu erstellen, sind sie nicht öffentlich. Ich spüre Unbehagen. Vom Kaufhausprojekt bin ich überzeugt. Es wird dem Einzelhandel in Görlitz guttun und ein weiterer Anziehungspunkt sein. Ich lasse mich auch gern überzeugen, dass ein größeres Parkhaus Sinn macht, wenn damit an anderer Stelle die Innenstadt entlastet wird, etwa auf dem Obermarkt. Aber Leute: Das darf doch nicht hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden. Die Energie, die der OB jetzt in die Unterstützung eines Abrissantrages stellt, sollte er darauf verwenden, Herrn Stöcker zum Aufstellen eines Bebauungsplanes zu motivieren. Das würde das Verfahren beschleunigen. Alles andere sind Versuche, eine eigene Vorstellung von Recht und Ordnung durchzusetzen. Nach dem Motto: Wer bezahlt, bestimmt die Musik. Dagegen muss sich ein Oberbürgermeister wehren. Er hat das gesamte städtische Wohl im Auge zu behalten. Dazu gehören nach meiner Auffassung transparente Verfahren. Alles andere stört den Frieden in der Stadt. Oder gibt es ähnliche Sonderregelungen auch für andere Bauherren?

Kiesabbau Hagenwerder

Endlich: Nachdem bereits Anfang 2021 das Oberbergamt der Stadt mitgeteilt hat, dass der Kiesabbau am Ortseingang Hagenwerder genehmigt wurde, erfolgt dazu eine öffentliche Information. Im Kern wird der Werdegang wiedergegeben, den unsere Fraktion Anfang März recherchiert hatte. Ich frage nach, ob die Bürger von Hagenwerder 2019 über das Genehmigungsverfahren informiert wurden. Bürgermeister Wieler erklärt dazu, dass die Verwaltung davon ausgegangen sei, es folge eine öffentliche Beteiligung. Dass es für ein Abbaugebiet dieser Größe eine solche Beteiligung nicht gibt, war der Verwaltung nicht bekannt. Deshalb kamen die Bagger im März für die Menschen in Hagenwerder wie aus heiterem Himmel. Unsere Fraktion bleibt weiter am Ball und versucht die Betroffenen zu unterstützen. Auch in diesem Verfahren ist die Transparenz mangelhaft. Das Sächsische Oberbergamt verweigert der Stadtverwaltung Görlitz, die Genehmigung zum Abbau öffentlich zu verwenden. Unglaublich eigentlich, oder?

Wochenmarkt

Es folgt eine Vorstellung des neuen Marktbetreibers „Deutsche Marktgilde“. Inklusive Diskussion dauert es rund 90 Minuten. Das zeigt, wie emotional das Thema in Görlitz behandelt wird. Die Händler sind in Teilen unzufrieden mit dem neuen Betreiber. Sie kritisieren höhere Preise (teurer als in Dresden), fehlendes Wasser und Unklarheit, was künftig der Strom kosten wird. Die Marktgilde begründet die Preise mit den hohen Nebenkosten in Görlitz und dem Aufwand, der anfällt. So müssen sechs Stromkästen in Schuss gebracht werden. Als negativ empfindet der neue Betreiber auch die Tatsache, dass an sechs Tagen in der Woche geöffnet ist. Das sei ein absolutes Novum. Montag und Mittwoch sind wohl die schwächsten Tage. Es klingt ein wenig danach, als ob hier bereits eine Kürzung auf weniger Markttage anmoderiert wird. Wie auch andere Stadträte spricht sich meine Fraktionskollegin Kristina Seifert dafür aus, dass die Corona-bedingten Sonderkonditionen, die die Marktgilde erhält, den Händlern zugutekommen. Das lehnt der Marktbetreiber ab. Ebenso wie eine Versorgung mit Frischwasser. Dafür wären die hygienischen Anforderungen zu hoch. Ob es hygienischer ist, wenn sich die Händler ihr H2O in Behältern mitbringen und es den ganzen Tag in der Sonne steht, überlasse ich den Experten. Hoffen wir mal, dass es zu einem guten Miteinander von Händlern und Betreibern kommt. Ich kann verstehen, dass sich der Markt für die Gilde rechnen muss.  Auf der anderen Seite brauchen wir aber auch Preise und Bedingungen, die für die Händler annehmbar sind.

Beendigung von Stadtratstätigkeiten

Wie schon in der Presse nachzulesen war, möchten die AfD-Stadträte Thomas Seliger und Matthias Volprich keine Stadträte mehr sein. Sie führen dafür berufliche und persönliche Gründe an. Meine Kollegin Dr. Jana Krauß spricht für unsere Fraktion. Sie kritisiert den leichtfertigen Umgang mit Wählerstimmen und errungenem Mandat. Gleichzeitig äußert Jana Verständnis für die persönliche Belastung von Selbständigen, die der Stadtratsarbeit nachgehen. Das kann sie gut beurteilen, da sie ebenfalls selbständig ist. Weiter sagt Jana: „Was aber fehlt in den Begründungen der beiden Stadträte, ist die Anerkennung der Verantwortung. Wir erleben in unserer Fraktion, die aus fünf Leuten besteht, was es heißt zusammenzustehen. Ist es denn für eine 12er AfD-Fraktion unmöglich die eigenen Kollegen so zu entlasten, dass die Ausübung des Mandats weiterhin möglich ist?“

Ich bringe an anderer Stelle meine persönliche Sicht zum Verfahren ein. Es ist für mich keine gute Regelung, dass ein ehrenamtlich arbeitendes Kollegium entscheidet, ob jemand aus den eigenen Reihen gehen darf. An dieser Stelle sollte die Gemeindeordnung verändert werden. Ich fände es gut, wenn es klare Kriterien gibt und eine zuständige Stelle von Amts wegen entscheidet. Zur Sachfrage selbst habe ich eine klare Haltung: Wer gehen will, soll gehen. Unsere Fraktion enthält sich in beiden Fällen. Die Stadträte Seliger und Volprich werden von der Mehrheit des Rates „aus der Verantwortung entlassen“. Anschließend vereidigt der Stadtrat zwei Nachrücker, die nun für die AfD mitarbeiten. Damit könnte das Thema erledigt sein. Aber leider gab es einen Formfehler. Die betroffenen Stadträte Seliger und Volprich hatten sich nicht als befangen erklärt. Das ist aber vorgeschrieben in solchen Fällen. Wenn es um dich persönlich geht, hast du dich rauszuhalten und den Platz zu verlassen. Macht ja auch Sinn. Nach einigen hektischen Minuten erklärt der OB die gefassten Beschlüsse für rechtswidrig. Also sind die Herren Seliger und Volprich offiziell weiterhin Stadträte und müssen in der nächsten Sitzung nochmal „entlassen“ werden. Kann passieren, wir sind ja alle keine Profis.*

 

Fragestunde Bürger

Mandy Kraußen von der Glückssträhne und weitere Händler fordern ein Modellprojekt nach dem Vorbild Tübingens für Görlitz, damit hier mithilfe von Tests mehr Freiheiten möglich werden. Sie wünscht sich vom OB ein Konzept, damit man loslegen kann, sobald es möglich ist. OB Ursu bietet Unterstützung an, verweist aber auch darauf, dass man Görlitz nicht mit Tübingen vergleichen kann. Mal schauen, was in Zusammenarbeit mit dem Landkreis möglich ist. Fakt bleibt: Auch Modellprojekte sind erst durchführbar, wenn die Gesamtzahl an Infizierten möglichst niedrig ist. Es kommt auf die Disziplin von uns allen an.

 

Fragestunde für Stadträte:

Danilo Kuscher hakt für unsere Fraktion nach, warum der Haushalt nicht öffentlich debattiert wird. So wie es derzeit praktiziert wird, ist es schwer zu argumentieren, da ja Details zum Haushalt unter die Verschwiegenheit fallen. Kollege Ahrens von den Linken unterstützt das und bittet um eine Handreichung, aus der hervorgeht, welche Daten zum Haushaltsentwurf kommuniziert werden dürfen. Das sagt der OB zu. Wir sind gespannt auf das Papier.

Ich möchte wissen, wie weit das Personalentwicklungskonzept gediehen ist. Bei seiner Antrittsrede im August 2019 hatte Herr Ursu eine Aktualisierung angekündigt. Da wir im Rahmen der Haushaltsdiskussion möglicherweise auch über Personalanpassungen entscheiden, wäre ein solches Konzept eine wichtige Grundlage. Ob es denn bis dahin vorliegt? Der OB beantwortet im ersten Anlauf meine Frage nicht, sondern geht nochmals auf das Verfahren der Haushaltsdiskussion ein. Ich frage nach: Liegt das Personalentwicklungskonzept zur Haushaltsdiskussion vor? Man sei auf einem guten Weg, erfahre ich. Ist er gerade losgelaufen? Oder sieht er schon die Zielflagge? Keine Ahnung. Bei solchen Antworten kann man sich die Fragestunde auch sparen.

 

Bei den Beschlüssen gehe ich auf die aus unserer Fraktionssicht spannendsten Themen ein:

Gesamtsanierung Stadthalle

Unsere Haltung zur Stadthalle ist eindeutig. Es wäre prima, wenn ein solches Haus kommt und wir es uns leisten können. Daran bestehen erhebliche Zweifel. Nachdem zumindest die Sanierung lange Zeit als gesichert schien und wir uns eher über die Zuschüsse für den Betrieb sorgten, ist nun auch die Investition selbst in Gefahr. Darauf verweist die Amtsleiterin für Stadtfinanzen in der Vorlage. Es fehlt ab 2022 an Geld für weitere Planungen und den Bau, trotz Fördermitteln. Außerdem muss von einer weiteren Kostensteigerung ausgegangen werden, da die aktuellen Zahlen aus 2020 stammen und bis zur Fertigstellung 2025 der Baukostenindex steigen dürfte. Das führt aus Sicht der Finanzverantwortlichen im Rathaus zu erheblichen Risiken. Da die Stadthalle keine Pflichtaufgabe sei, können auch keine Kredite aufgenommen werden.

Düstere Aussichten. Dennoch ist die Mehrheit des Stadtrates nicht bereit, den Planungsprozess anzuhalten. Das Prinzip Hoffnung regiert. Vielleicht möchte man auch nur nicht „schuld“ sein, wenn die Sanierung scheitert. Unsere Fraktion nutzt die Debatte, um offene Fragen zu klären. Die Finanzierungslücke von derzeit rund 3 Millionen Euro möchte die Stadt dadurch schließen, dass sie sich die gezahlte Umsatzsteuer für Planung und Bau vom Finanzamt zurückholt. Ob diese Vorsteuerabzugsberechtigung erteilt wird, verhandelt das Rathaus aktuell mit den Finanzbehörden. Ich möchte wissen, ob die Verwaltung weiß, um was für eine Art Förderung es sich handelt. Brutto oder Netto? Aus dem Zuwendungsrecht kenne ich es so: Bei einer Bruttoförderung bekommt man die 36 Millionen Euro von Bund und Land und bestreitet davon seine Brutto-Ausgaben, also inklusive der Umsatzsteuer. Ist man vorsteuerabzugsberechtigt, muss man eigentliche eine Netto-Kalkulation einreichen und bekommt auf dieser Basis eine Netto-Förderung (die dann geringer ausfällt). Gänzlich neu wäre mir, dass der Finanzminister auf rund 6 Millionen Euro Umsatzsteuer verzichtet. Genau das scheint der Knackpunkt zu sein. Klar kann die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien sagen: Nehmt mein Geld, holt euch die Vorsteuer und verbaut auch diese. Nur wird Monika Grütters nicht die Finanzprüfung durchführen. Insofern ist dieser Punkt in der Betrachtung wesentlich. Denn ohne das Vorsteuermodell bricht die gesamte Finanzierung zusammen. Ich lasse mich gern eines Besseren belehren, wenn es tatsächlich zu einer Lex Görlitz kommt und Olaf Scholz zugunsten der Stadthalle auf ein paar Millionen verzichtet.

Meine Kollegin Jana Krauß fragt, ob die zu erwartenden Baukostensteigerungen denn bereits eingepreist sind (in Sachsen stieg der Baupreisindex in den letzten fünf Jahren um 20%). Das ist nicht der Fall. Allerdings weist Dr. Wieler darauf hin, dass wir heute nicht über die endgültigen Kosten abstimmen. Diese bekommen wir erst im nächsten Schritt mit der Entwurfsplanung. Ob darin dann steigende Baukosten einkalkuliert werden? Danilo Kuscher fragt, was denn angesichts der vielen offenen Fragen dagegenspricht, diesen Beschluss im Rahmen der Haushaltsverhandlungen zu führen. Immerhin geht es um zusätzlich 342.000 Euro, die wir mit der Erweiterung der Planungsaufträge ausgeben. Bürgermeister Wieler geht auf die Frage nicht ein. Der Stadtrat soll entscheiden, ob wir an dieser Stelle die Planung aussetzen. Thorsten Ahrens kritisiert, dass damit die inhaltliche Frage nicht beantwortet sei. Außerdem möchte er gern die Fördermittelzusagen von Bund und Land sehen. An dieser Stelle wird es erneut seltsam geheimnisvoll. OB Ursu erklärt, dass diese Schreiben nicht herausgegeben werden. Begründung: Datenschutz. Das größte Investitionsprojekt seit der Wende basiert also auf Fördermittel-Zusagen, die geheim bleiben müssen? Das lassen wir in den nächsten Tagen prüfen.

In einer Sitzungspause erklärt uns Bürgermeister Wieler seine Sicht auf die Vorsteuer. Es ist ein guter Austausch. Er versichert uns außerdem, dass wir an dieser Stelle des Verfahrens lediglich die weitere Planung beschließen. Obwohl uns die 342.000 Euro dafür schmerzen, wollen wir unseren guten Willen zeigen und enthalten uns bei der Abstimmung. Spätestens im Juli/August wird es dann zum Schwur kommen, wenn wir entscheiden müssen, ob wir auf Grundlage einer Entwurfsplanung und eines Betriebskonzeptes die finanzielle Kraft für das Stadthallenprojekt haben. Aus derzeitiger Perspektive hilft nur ein Wunder. Stand jetzt ist das Vorhaben nicht umsetzbar.

Konzept für eine Digitalisierungsstrategie

Wir machen uns auf den Weg. Das ist die frohe Botschaft kurz vor 22 Uhr. Unser Antrag wird mehrheitlich angenommen. Langfristig braucht Görlitz eine Strategie, wie die Digitale Transformation in die Stadtentwicklung eingebunden wird. Das ist ein Prozess, der gut vorbereitet sein will. Als Grundlage braucht es ein Konzept, wie man das angeht, wen man als Partner ins Boot holt, wie die Bürgerschaft einbezogen wird. Inhaltlicher Leitfaden soll die nationale „Smart City Charta“ sein. Zunächst erklären OB und ein zuständiger Mitarbeiter, die Verwaltung habe keine Ressourcen für ein solches Konzept und könne es leider nicht umsetzen. Das wäre ein Offenbarungseid für die „Stadt der Zukunft“. Ich schlage vor, sich bereits für diese erste (überschaubare) Aufgabe Partner zu holen. So gibt es bei den Stadtwerken eine Abteilung, die sich ausschließlich mit Zukunftsthemen beschäftigt. Die Hochschule ist fachlich und methodisch ebenfalls vorn dabei. Das überzeugt schließlich den OB. Er bittet darum, die angestrebte Zeitvorgabe bis Oktober 2021 und die konkrete Vorgabe an den Konzeptinhalt zu streichen, um mehr Freiheit zu haben. Darauf einigen wir uns. Ein wichtiger Schritt nach vorn.

Gehölzschutzsatzung

Jana Krauß bringt eine zweite Vorlage unserer Fraktion ein: „Satzung zum Schutz und zur Pflege des Gehölzbestandes der Stadt Görlitz“. Sie soll die Aufmerksamkeit auf den Baumschutz lenken. Eine zeitgemäße Satzung ist Klimaschutz und damit Bestandteil der Umsetzung des Görlitzer Ziels, bis 2030 klimaneutrale Stadt zu werden. Unser Entwurf beschreibt einen maximalen Schutz, ist aber kein Dogma, sondern lädt zur Diskussion ein. Neu aufnehmen wollen wir den Schutz von Baumarten, die bisher nicht erfasst sind, wie Obst- und Nadelbäume. Auch den Schutz von Bäumen mit einem Stammdurchmesser von weniger als einem Meter sowie von Großsträuchern und Hecken streben wir an. Uns ist bewusst, dass dies nicht überall auf Beifall stoßen wird. Aber es gehört für uns zu einer ehrlichen Politik, auch die umstrittenen Themen anzufassen, wenn wir davon überzeugt sind, dass sie wichtig für unsere Stadt sind.

Die Stadtverwaltung findet es prima, dass wir das Thema angehen. Im Rathaus selbst wird  auch an einer Baumschutzsatzung gearbeitet – wie wir erst nach Einreichung unseres Antrags erfuhren. Kein Problem, wir können gut mit der Verwaltung zusammenarbeiten. Erwartungsgemäß begegnet uns Skepsis von anderen Fraktionen, die die Vorgaben als zu streng empfinden. Warum sollte man denn Bäume mit Stammdurchmesser unter einem Meter schützen? An dieser Stelle habe ich den größten Erkenntnisgewinn der gesamten Sitzung, als Jana Krauß erklärt: Will man robuste Bäume, muss man die jungen Gewächse schützen. Für 80 Zentimeter Stammdurchmesser braucht ein Laubbaum zwischen 48 und 60 Jahren. Kann weg? Selbst ein Baum mit 30 Zentimeter Umfang hat ein Alter von 20 Jahren. Kann weg? Wir bleiben am Thema dran, ziehen unsere Vorlage aber zurück. Zu diesem Zeitpunkt wäre es schade, wenn sie abgelehnt wird. Wir sind froh, dass es einen Austausch mit der Verwaltung gibt und dass das Thema dort ernst genommen wird. Unsere Vorschläge bringen wir bei der Behandlung der Baumschutzsatzung der Verwaltung mit ein.

Was wurde sonst noch beschlossen (keine vollständige Aufzählung)?

Der Auftrag für den ersten Bauabschnitt des Ausbaus Rothenburger Straße wird vergeben an die Straßen- und Tiefbau GmbH See. Gebaut wird von der Kreuzung Schlesische Straße in Richtung Klingewalde.

Für die Abbrüche und das Herrichten der Geländeoberfläche im ehemaligen Schlachthofgelände beauftragen wir die Görlitzer Gleis- und Tiefbau GmbH. Mit den Arbeiten wird das Grundstück für künftige Nutzungen vorbereitet, etwa die geplante Oberschule. Die Maßnahmen im östlichen Bereich des Schlachthofes sind auch nötig, damit die Stadtwerke ihre Fernwärmetrasse für die Versorgung der Innenstadt West verlegen können.

Einstimmig beschließen wir, dass die Gastwirte bis Jahresende keine Gebühren zahlen müssen, wenn sie Tische und Stühle im Freien aufstellen. Das ist ein sehr kleiner Beitrag der Unterstützung in schwierigen Zeiten. Die Stadt verzichtet auf etwa 5.000 Euro.

Es gibt demnächst einen Kleingartenbeirat. Das hatten sich die Kleingärtner gewünscht, nachdem alle Parzellen von der Stadt an Kommwohnen verkauft werden mussten, um den Kita-Neubau Fichtestraße bezahlen zu können.

Nachdem Karin Mohr aus gesundheitlichen Gründen aus dem Seniorenbeirat ausscheiden musste, wird ihr Platz neu besetzt. Die von Motor Görlitz/Bündnisgrüne vorgeschlagene Kandidatin Ursula Geßner übernimmt. Vielen Dank und viel Erfolg.

Die Oberschule Rauschwalde nutzt seit 2015 drei Container, weil der Platz für die Schüler nicht ausreicht. Leider lassen Klimatisierung und Schallschutz zu wünschen übrig. Jetzt wird nachgebessert. Spätestens zum nächsten Schuljahr gibt es Klimaanlagen und Schallschutzwände. Verbesserungen auch in der Grundschule 1 (Schulstraße): Hier hallt es zu stark. Mit Baumaßnahmen wird das behoben. Die Lehrer halten schließlich keine Predigt.

Diskussionen gibt es wegen der vorzeitigen Freigabe von Haushaltsmitteln für die Veranstaltungen im Jubiläumsjahr „950 Jahre Görlitz„. Hier unterläuft unserem Geburtstagskind Danilo Kuscher ein Fehler. Im Eifer des Gefechts verpasst er, sich befangen zu melden. Wir holen die Beschlussfassung beim nächsten Mal nach. (Vorzeitige Freigabe deshalb, weil wir keinen beschlossenen Haushalt haben.)

Eifrig diskutiert wird um eine eher überschaubare Summe: 28.000 Euro sollen ebenfalls vorzeitig freigegeben werden für die Erstellung von Verkehrswertgutachten. Damit will das Rathaus die Preise für Grundstücksverkäufe an Kommwohnen und Gewerbeflächen in Klingewalde (Zoll, Bauen 4.0) ermitteln. Unstrittig. Dagegen gibt es Gesprächsbedarf für das gewünschte Gutachten im ehemaligen Kraftwerksgelände Hagenwerder. Um einschätzen zu können, ob und mit welchem Aufwand wir Flächen von der LEAG erwerben können, soll der aktuelle Wert ermittelt werden. Die AfD argumentiert, dass wir doch gar kein Geld haben, um uns Industrieflächen leisten zu können. Also sollten wir uns auch die Kohle für das Gutachten sparen. Kannste mal sehen. Bei einem Preis im niedrigen fünfstelligen Bereich gibt es große Bedenken. Bei sechsstelligen Planungskosten für eine Stadthalle, die ebenfalls finanziell auf tönernen Füßen steht, fordert dieselbe Fraktion, dass man jetzt nicht wackeln darf. Bemerkenswert.

Wirtschaftlich positive Nachricht: Das aus dem Waggonbau ausgegründete Unternehmen Bahn Service Görlitz GmbH kauft ein Grundstück im Gewerbegebiet Schlauroth. Bis zu 25 neue Arbeitsplätze sollen beim Bahnzulieferer entstehen. Rund 6,5 Millionen Euro werden investiert. Gutes Gelingen.

Zum Abschluss möchte die CDU-Fraktion den bestehenden beratenden Ausschuss Umwelt und Ordnung teilen. Umwelt/Klimaschutz/Nachhaltigkeit und Ordnung/Sicherheit/Prävention sollen die neuen Ausschüsse heißen. Es gibt Bedenken von unserer Fraktion aber auch von BfG. Die Idee, die beiden Ausschüsse alternierend tagen zu lassen, so dass man die Belastung nicht erhöht, klingt gut. Praktisch ist es aber so, dass ein Ausschuss nicht nur aller vier Monate tagen kann. Er wird einberufen, wenn es Vorlagen gibt, die der Ausschuss vorzuberaten hat. Unser Vorschlag, die Vorlage zurückzuziehen und generell über die Zuschneidung der Ausschüsse zu beraten, wird abgelehnt. Also Abstimmung. Knapper Erfolg für den CDU-Antrag. Um die beiden neuen Ausschüsse nun noch in der Hauptsatzung festzuschreiben, braucht es einen weiteren Beschluss und eine zwei Drittel Mehrheit. Wahnsinn, was man alles so lernt im Stadtrat.

 

*Nachtrag: Alle gefassten Beschlüsse wurden im Nachgang für ungültig erklärt. Grund ist die unübersichtliche Lage während der Entlassung der beiden AfD-Stadträte. Mitte April sollen im Rahmen einer Sondersitzung alle Vorlagen nochmals abgestimmt werden.

 

Text: Mike Altmann