Stadtratsblog#27: 27.1.2022

Selten wurde eine Stadtratssitzung so intensiv vorbereitet. Tags zuvor durfte ich vier Stunden im Technischen Ausschuss verbringen. Die Fraktion hatte am Montag bis Mitternacht zusammengesessen. Dazu kommen viele Stunden Akten lesen und Recherchieren. Das ist kein Jammern. Es macht Spaß. Vielleicht ließe sich aber Zeit sparen, wenn es ein vertrauensvolleres Miteinander zwischen Rathausspitze und Stadtrat gäbe. Gegenüber OB Ursu und Bürgermeister Wieler bringe ich in einer persönlichen Erklärung mein Missfallen zum Ausdruck. Uns wurde im Juni ein Schreiben der Landesdirektion vorenthalten, als wir über die Auflösung der Veolia-Stiftung debattierten. Aus dem Brief vom 14.6.2021 geht hervor, dass die Voraussetzungen für eine Auflösung der Veolia-Stiftung nicht vorliegen. Das Schreiben wurde den Stadträten in ihrer Sitzung eine Woche später vorenthalten. Die Mehrheit stimmte einer Auflösung der Stiftung zu. Das Schreiben der Landesdirektion wurde bewusst verschwiegen, um eine Mehrheit für die Auflösung der Veolia-Stiftung zu sichern. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Sächsische Gemeindeordnung und eine Missachtung des Stadtrates.

Wer das nachvollziehen möchte – hier die Chronologie:

Februar 2021: Die Verwaltung schlägt im Verwaltungsausschuss vor, die Veolia-Stiftung aufzulösen, um das Stammkapital von 1,5 Millionen Euro zum Stopfen der Haushaltslöcher zu verwenden.

4. Juni 2021: Die Sächsische Zeitung berichtet über die Idee. Bürgermeister Wieler wird in dem Beitrag zitiert. https://www.saechsische.de/goerlitz/goerlitzer-veolia-stiftung-soll-aufgeloest-werden-5456617-plus.html

17. Juni 2021: Ein Schreiben der Landesdirektion Sachsen (Stiftungsaufsicht) an den Stiftungsvorsitzenden Michael Wieler geht im Rathaus ein. Auslöser für das Schreiben ist der Artikel in der SZ. Eine Woche vor der entscheidenden Stadtratssitzung erklärt die Behörde, dass es keinen Grund für die Auflösung gibt.

21. Juni 2021: Michael Wieler antwortet per E-Mail der Stiftungsaufsicht. Aus der Mail geht hervor, dass der Oberbürgermeister Kenntnis vom Schreiben der Stiftungsaufsicht hat.

24. Juni 2021: Der Stadtrat tagt zum Haushalt. Die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne beantragt vergebens, die Veolia-Stiftung nicht aufzulösen. Sowohl Oberbürgermeister Ursu als auch Bürgermeister Wieler argumentieren, dass über die Genehmigung einer Auflösung die Stiftungsaufsicht entscheidet, verschweigt aber, dass es bereits eine Stellungnahme gibt.

Spätestens an dieser Stelle hätte der Stadtrat über das Schreiben der Aufsichtsbehörde informiert werden müssen. Es ist nicht entscheidend, wie OB oder Fachbürgermeister den Inhalt bewerten. Es ist auch nicht entscheidend, ob es etwas an der Abstimmung verändert hätte. Uns Stadträten sind alle wesentlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, die für eine Entscheidung wichtig sind. Wenn das nicht mehr funktioniert, können wir aufhören.

Auf die Erklärung gibt es zunächst keine Antwort. Erst als Jana Lübeck (Die Linke) nachfragt, äußert sich Bürgermeister Wieler: „Wir haben unterschiedliche Bewertungen. Für uns ist die inhaltliche Bewertung schon relevant. Die Stiftungsaufsicht hat uns nicht gefragt, was wir vorhaben, sondern auf einen Zeitungsartikel reagiert. Es sei mal dahingestellt, ob das das richtige offizielle Verfahren einer staatlichen Behörde gegenüber einer Kommune ist. Die Stiftungsaufsicht ist wie andere Fachbehörden, z.B. das Landesamt für Denkmalpflege, eine Behörde, die eine Auffassung zu vertreten hat. Das heißt aber nicht, dass das unumgänglich ist. Es gibt viele Dinge, die wir politisch erkämpfen müssen. Vor diesem Hintergrund haben wir gesagt: Gut, das war zu erwarten, heißt aber nicht, dass es (die Stiftungsauflösung) unmöglich ist.“ Ja Herr Wieler, das wäre der Weg gewesen. Uns das Schreiben zur Kenntnis geben und fachlich bewerten. Die Einordnung obliegt dem Stadtrat. Die kann er aber nur vornehmen, wenn die Informationen nicht vorselektiert werden. Ist simpel und einfach einzuhalten.

Soweit zu ärgerlichen Begleitumständen der ehrenamtlichen Stadtratsarbeit. Zurück zur Sitzung. Der Oberbürgermeister informiert über einige Dinge:

Der kürzlich verstorbene Dixie Dörner soll würdevoll geehrt werden. Aktuell plant der OB, ein Stück der Parsevalstraße am Stadion „Junge Welt“ in Dixie-Dörner-Straße umzubennen. Nach Gesprächen mit dem Kreissportbund soll es einen konkreten Vorschlag geben. Prima Sache. Gut wäre, wenn noch etwas Lebendiges hinzukäme. Ein Dixie-Dörner-Cup etwa, zu dem regelmäßig nach Görlitz eingeladen wird. Das ist aber nicht Aufgabe der Kommune. Ich bin mir sicher, dafür wird es Initiativen aus Sport und Wirtschaft geben.

In einem Treffen mit dem Kreiselternrat ging es um den Lehrermangel. Der ist bereits vorhanden und wird künftig noch größer. Konkrete Zahlen für die Schulen in Görlitz kennen wir nicht. Der OB will sich mit der Hochschule verständigen. Es gibt bereits viele Ideen, speziell für die Ausbildung von Lehrern im ländlichen Raum. Auch wenn die Stadt nicht zuständig ist, sondern das Landesamt für Schule und Bildung: Als OB sollte man immer einen aktuellen Überblick haben, ob und wo konkret ein Mangel droht. Nur so kann frühzeitig darauf reagiert werden. Das gilt auch für andere Berufsgruppen wie Ärzte.

In Sachen Kaufhaussanierung scheint es voranzugehen. Um Ostern und Pfingsten herum soll es eine Auslegung der Planung für die „Träger öffentlicher Belange“ geben. Danach kommen die Normalsterblichen zu ihrem Recht und dürfen die Planungen während einer öffentlichen Auslegung begutachten.

Blumen gibt es für die scheidende Geschäftsführerin der EGZ, Andrea Friederike Behr. Sie hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft seit 2017 geführt und ihren Vertrag auf eigenen Wunsch nicht verlängert. Sie wünscht sich vom Stadtrat, dass Wirtschaft, Tourismus und Marketing weiterhin wichtige Themen bleiben und die EGZ mit ihrer neuen Chefin Eva Wittig tatkräftig unterstützt wird. Das hoffe ich auch und bedanke mich sehr bei Andrea Behr für ihr engagiertes Netzwerken. Sie hat nach den Jahren der plakativen Wirtschaftsförderung dafür gesorgt, dass ein wesentliches Augenmerk auf den bereits ansässigen Unternehmen liegt. Die Fachkräftesicherung stand im Fokus, der Austausch untereinander wurde angekurbelt, neuen Ideen und Konzepten gegenüber war sie immer offen. Dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gingen, hatte wenig mit der EGZ oder Andrea Behr zu tun. Sondern mit einem strukturellen Stillstand in Görlitz, wenn wir uns nur die Entwicklung am Berzdorfer See vor Augen führen. Ich werde die sehr angenehme Zusammenarbeit in bester Erinnerung behalten. Vielen Dank und alles Gute für die Zukunft.

 

Fragestunde für Einwohner

Janet Conrad/Marcus Kossatz vom Stadtverband der Bündnisgrünen fragen nach konkreten Maßnahmen in Sachen ökologische Sanierung der Stadthalle. Bürgermeister Wieler antwortet, dass man alle gesetzlichen Vorgaben einhalte. Mehr Antworten gibt es schriftlich.

Raimund Kohli, Unternehmer und Familienvater, fragt uns, wann wir gedenken, die Kosten und langfristigen Belastungen im Zusammenhang mit der Stadthalle öffentlich zu diskutieren. Zitat: „Ich bin seit 25 Jahre Kaufmann, hier gibt es Grundsätze bzw. betriebswirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten. Die gelten auch für eine Stadt. Ich kann nicht mehr ausgeben, als ich habe. Nutze deine Ressourcen, entwickle sie. Plane mit Vorsicht und Weitsicht, kalkuliere mit einem berechenbaren Risiko. Und mit Verlaub: Wir reden hier über Steuergeld, also Geld was von jedem Einzelnen von uns kommt. Wir haben ein Recht, zu wissen, was damit passiert.“ Raimund Kohli hatte auch eine entsprechende Petition auf den Weg gebracht, die bis zur Stadtratssitzung von rund 300 Menschen unterzeichnet wurde. Er betont, dass er nicht gegen die Sanierung der Stadthalle ist, sondern für einen offenen und ehrlichen Diskurs zu dem Thema. Schlimm eigentlich, dass man begründen muss, kein „Stadthallengegner“ zu sein.

Der OB sagt: „Wir haben nicht vor, Dinge zu kürzen. Die Stadthalle wird frühestens 2026 eröffnen und dann etwa drei Jahre haben, sich zu bewähren. Niemand wird Ihnen sagen können, welche Gelder 2027 oder 2028 zur Verfügung stehen. Nach Ihrer Lesart hätten wir die Görlitzer Verkehrsbetriebe nie rekommunalisieren dürfen.“ – Da die GVB mehrfach im Zusammenhang mit der Stadthalle erwähnt wird, ein Wort dazu: Hier betreiben altgediente Stadträte und der OB Geschichtsklitterung. Die Verkehrsbetriebe wurden rekommunalisiert, weil es die absurde Hoffnung gab, damit Geld sparen zu können im Vergleich zur VGG (die zum Veolia-Konzern gehörte und damit ganz andere Synergieeffekte nutzen konnte). Bis zur Gründung der GVB hatte der Stadtrat ewig lange nichts in die Infrastruktur investiert. Weder in die Anlagen noch in die Fahrzeuge. Trotz dieses Wissens wurden die jährlichen Zuschüsse für die neue Gesellschaft gegen jede wirtschaftliche Berechnung viel zu niedrig angesetzt. Auch damals schon regierte das Prinzip Hoffnung. Dies heute als Beleg zu nehmen, dass auch die Stadthalle laufen wird, ist ein echter Witz.

 

Fragen von Stadträten

Yvonne Reich von BfG möchte wissen, ob am Berzdorfer See eine FKK-Badestelle geplant sei. Das verneint die Verwaltung. Frau Reich regt an, sich darüber bitte Gedanken zu machen.

Fraktionskollegin Jana Krauß erkundigt sich nach dem Stand der Arbeiten an der im April 2021 beschlossenen Übernachtungssteuer.  Kämmerin Birgit Peschel-Martin erklärt, dass in diesem Jahr nur die Grundlagen inkl. Satzung vorbereitet werden, damit die Steuer zum 1.1.2023 greift. Übersetzt heißt das für mich: Es ist noch nichts passiert. Hoffentlich wird nicht vergessen, die Akteure einzubeziehen. Also die Hotels, die die Steuer einnehmen sollen. Und den Tourismusverband, der mehrfach bereits eine Beteiligung angemahnt hat.

Ich frage, ob in Görlitz eine Vergabekonferenz vorstellbar ist. In Zittau gibt es diese seit sechs Jahren. Die Wirtschaftsförderung lädt alle ein, die Interesse an öffentlichen Aufträgen in Zittau und Umgebung haben. Es werden nicht nur geplante städtische Maßnahmen vorgestellt, sondern auch solche vom Landkreis und Versorgern wie den Stadtwerken. Damit verbessert man die Planungen in den Betrieben, speziell Bau und Handwerk. Nun könnte man meinen, was in Zittau sechs Jahre prima funktioniert, sollte rechtlich sicher sein. Nicxht so Bürgermeister Wieler. Man müsse vorsichtig sein, damit es zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommt. Es sei schon lange her, dass das in GR stattfand. Neben den rechtlichen Fragen gab es aus seiner Sicht kein großes Interesse der hiesigen Bau-Wirtschaft. Wenn das vorhanden wäre, könnte man darüber nachdenken. Er ist bereit, sich mit dem Zittauer OB Thomas Zenker auszutauschen. Erstaunlich, wie unterschiedlich die Bedenken in zwei Städten sind, die 35 Kilometer auseinander liegen und unter den selben gesetzlichen Regelungen arbeiten

Kollege Danilo Kuscher bringt einen Fragenkomplex zum Thema Hunde ein. Zunächst regt er an, bei künftigen Erhöhungen der Hundesteuer nicht nur den Bescheid zu versenden, sondern den Grund für die Erhöhung zu kommunizieren, ggf. mit einem begleitenden Anschreiben. Wissen möchte er, wie hoch die Einnahmen aus Verstößen gegen die Pflicht zum Entsorgen von Kot sind und ob es regelmäßige Kontrollen der mitgeführten Tüten gibt. Weiterhin fragt er, wie die Verwaltung den Einsatz von mobilen Hundekot-Saugern einschätzt und ob es künftig möglich ist, das Aufstellen weiterer Mülleimer im Stadtgebiet unter Beteiligung der jeweiligen Anwohner zu planen.
Michael Wieler zu Mülleimern: „Da arbeiten wir permanent mit den Bürgerräten daran. Es werden Behälter an geeignetere Orte umgesetzt. Die Entleerung jedes Mülleimers kostet pro Jahr 200 Euro. Problem ist, dass Kotbeutel in Gullis landen. Es gibt Kanalverstopfungen in einigen Straßen.“ Er hält es für nicht zutreffend, dass in der Innenstadt mehr Papierkörbe helfen. Auch einen Wurstsauger schätzt Wieler als nicht zielführend ein. Es gab vor einigen Jahren Überlegungen und Austausch mit Städten, die solche Gefährte einsetzten. Damalige Erkenntnis: Diese Städte hatten mehr Hundehaufen als vor dem Wurstsauger.
Oberbürgermeister Ursu ergänzt: Auch ein DNA-Register funktioniert aus Datenschutzgründen nicht. Die Kontrollen der mitgeführten Tüten durch das Ordnungsamt sind rechtlich schwierig. Man kann immer sagen: Ich habe meine Tüte gerade benutzt. Damit erklärt der OB, dass unsere Polizeiverordnung nicht durchsetzbar ist. Dort heißt es in §6 Abs 2.: „Zur Beseitigung sind in ausreichender Zahl geeignete Hilfsmittel wie z.B. Plastiktüten mitzuführen und auf Verlangen vorzuweisen.“

 

Ausgewählte Beschlüsse:

Wahlen zum Kleingartenbeirat

Der wurde auf Wunsch des Niederschlesischen Kleingartenvereins gegründet, auch um den Verkauf der Parzellen an Kommwohnen zu begleiten. Wir erinnern uns: Görlitz hatte kein Geld für den Bau der Freiwilligen Feuerwehr und der neuen Kita Fichtestraße und musste seine Kleingärten an die Wohnungsbaugesellschaft verkaufen. Im Beirat sitzen nun vier Stadträte, darunter meine Kollegin Jana Krauß und sechs sachkundige Bürger. Ich wünsche eine gute Ernte bei allen Beratungen.

Abfahrtstellen Stadtrundfahrten

Ein Jahr vergangen und leider nicht viel passiert. Nachdem es fast schon chaotische Zustände auf dem Obermarkt gab und immer neue Fahrzeuge hinzukamen, wurde für das Jahr 2021 ein Test mit neuen Abfahrtstellen und Sondernutzungsgebühren beschlossen. Klarer Wunsch aller Fraktionen vor zwölf Monaten: Es soll frühzeitig eine Bewertung und daraus abgeleitet eine langfristig tragfähige Lösung geben. Natürlich unter Beteiligung der Anbieter. Passiert ist nur Schritt 1: Der OB hat die Anbieter in den Wirtschaftsausschuss eingeladen. Dort wurde bilanziert. Daraus hat die Verwaltung einen neuen Vorschlag gemacht, statt wie vorgesehen die Profis an den Tisch zu holen. Das Ergebnis fällt entsprechend enttäuschend aus, wie mein Kollege Andreas Kolley feststellt. Die Verwaltung möchte die Abfahrtsstelle Obermarkt (an der Staatsanwaltschaft) an den Klosterplatz verlegen. Bis auf die CDU finden das alle Fraktionen nicht sinnvoll. Letztlich bleibt es beim Standort an der Staatsanwaltschaft. Auf Antrag von BfG und Motor/Grüne diskutieren wir auch über den Sinn von Abfahrtsstellen für Pferdedroschken am Kaisertrutz. Im letzten Jahr wollte kein Kutscher diesen Platz. Da wir uns dieses Jahr ohnehin mit einer durchdachten Neuregelung beschäftigen, schlagen wir vor, einen guten Ort für Pferd und Mensch zu suchen und bis dahin keinen Standort anzubieten. Die Pferdefreunde von CDU und Teilen der AfD sehen es anders. Die Droschkenplätze bleiben also am Kaisertrutz. Zu Straßenbahnen, Bussen, Autos, Radfahrern und staunenden Touristen gesellen sich nun womöglich noch zwei Kutschen. Augen auf, kann ich da nur sagen.

Die Preise für die Anbieter senken wir aufgrund der anhaltenden Pandemie und den damit verbundenen Einbußen. Busse zahlen künftig statt 70 nur 60 Cent pro m2 Stellefläche im Monat. E-Mobile bekommen einen Rabatt von 25% und die Kutschen zahlen nicht mehr 14 Cent, sondern nur noch einen „Groschen“ je m2 und Monat.

REWE-Markt rückt näher

Die unendliche Geschichte eines neuen REWE-Marktes im Waggonbaugelände Werk1 rückt näher. Wir beschließen die Auslegung eines veränderten Bebauungsplans. Einige Details haben sich geändert. Die Marktfläche wächst auf 2.300 m2. Es wird eine zusätzliche Erschließung für die Leute aus der Innenstadt West über das Grundstück Bautzener Straße 36 geben (das ist etwa auf Höhe Hilgerstraße/Leipziger Platz). Neben der bekannten Zufahrt auf den Parkplatz wird es auf der Christoph-Lüders-Straße noch eine zweite Ein- und Ausfahrt geben, etwa auf Höhe der Polizei. Der Plan wird nun nochmals ausgelegt. Mal sehen, ob vor Abschaffung des Bargelds im REWE Werk1 eingekauft werden kann.

Gesamtsanierung Stadthalle

Da es während der Debatte bisweilen in Vergessenheit gerät – folgendes soll beschlossen werden:

  1. Entwurfsplanung bestätigen als Grundlage für Bauantrag
  2. Freigabe von 2,5 Millionen Euro für Planungen und Erschließungsmaßnahmen VOR einem Förderbescheid.
  3. Einordnung der Baukosten von knapp 48 Millionen Euro in die Finanzplanung bis 2026 und Mittelvorgriff auf den Haushalt 23/24 von 1,6 Millionen Euro.

Der OB führt ein ins Thema und sagt:

„Wir (gemeint sind er und Bürgermeister Wieler, es ist keine Vorlage der Verwaltung) haben die Vorlage vorbereitet, weil wir der Meinung sind, dass wir vorankommen müssen mit der Planung, so dass wir irgendwann auch die Sanierung durchführen können. Nachdem wir mehrere Varianten überprüft haben, kamen wir zur Einschätzung: Je länger wir warten, umso teurer wird es. Unabhängig von der Vorlage entwickelt sich die Diskussion über Sinn und Unsinn der Stadthalle. Warum ist sie wichtig: Wir entwickeln uns in verschiedenen Hinsichten positiv, zum Beispiel als Stadt der Zukunftstechnologien und der Wissenschaft mit CASUS und Senckenberg und mit einem möglichen Großforschungszentrum in der Region. Wir haben eine wachsende Startup-Szene, etwa auf dem Siemens-Innovation-Campus und bei Grantiro auf der Steinstraße. Wir hoffen auch, dass wir mit der Sanierung des Kaufhauses vorankommen. Alle diese Einrichtungen brauchen einen Ort wie die Stadthalle. Es gibt auch viele Anfragen von außerhalb. Wir haben nun eine ganz präzise Planung mit Analyse der Möglichkeiten der Betreibung. Wir können keine Garantie geben, wie es dann 27/28 konkret aussieht.“ Sehe ich in diesem Moment Nebel aufsteigen? Vielleicht nur Einbildung.

Bevor wir Stadträte diskutieren dürfen, erleben wir eine kleine Inszenierung. Zunächst spricht Henning Wossidlo, Mitarbeiter des Kulturservice zu uns. Das ist der Experte aus Wiesbaden, der das Kurhaus in der Partnerstadt viele Jahre leitete und nun die Stadthallensanierung begleitet. Was soll er anderes machen, als die Stadthalle in schillerndsten Farben an die Zukunftswand zu malen. Und aus den 80-ern zu berichten, als gegen den Widerstand der Mehrheit der Bevölkerung (die lieber Kitas wollten) das Kurhaus Wiesbaden durchgesetzt wurde, das sich zweifellos zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt hat.

 Es folgt ein weiterer Motivationsvortrag. Diesmal von einem Vertreter der Hochschule Zittau/Görlitz. Prof. Dr. Falk Maiwald von der Fakultät Management- und Kulturwissenschaften hält einen allgemeinen Vortrag über den Nutzen von geförderten Kultureinrichtungen. Er nimmt keinen Bezug auf die Stadthalle, da er das Betriebskonzept gar nicht kennt, wie er auf Nachfrage von Mirko Schultze (Die Linke) erklärt. Solche Vorträge gehören in die Ausschüsse – wenn sie überhaupt nötig sind. Jeder, der sich mit der Stadthalle beschäftigt, kommt um kulturökonomische Auswirkungen nicht umhin. Nur leider gibt es dazu im uns vorliegenden Betriebskonzept keinerlei Ausführungen.

Dann darf der Stadtrat auch was sagen. Zunächst meldet sich meine Kollegin Jana Krauß mit einem Geschäftsordnungsantrag: Sie möchte, dass die fachliche Stellungnahme der Amtsleiterin für Finanzen öffentlich gemacht wird. „Es ist wichtig für die Diskussion und wir sehen keinen Grund, dieses Dokument geheimzuhalten. Wir haben eine Geschäftsordnung des Stadtrates. Diese sagt in §5 aus: Geheimhaltung ist nur aus Gründen des öffentlichen Wohls oder zum Schutz berechtigter Interessen Einzelner möglich. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall.“ Oberbürgermeister Ursu will diesen Antrag prüfen. Allerdings erst nach der Sitzung. Das führt dazu, dass wir in der Debatte nicht auf die alarmierenden Hinweise unserer Kämmerin eingehen. Die in ihrem Schreiben aufgeführten Risiken und Hinweise kommen in der gesamten Diskussion nicht zur Sprache. Octavian Ursus Begründung:  Stellungnahmen der Ämter sind generell nicht öffentlich. Das habe ich anders in Erinnerung. Als es um die Frage Gästetaxe oder Bettensteuer ging, wurden die Fachämter in öffentlicher Sitzung mit ihren Stellungnahmen pro Steuer in die Bütt geschickt. Scheinbar gilt die Geheimhaltung nur dann, wenn es in des Oberbürgermeisters Taktik passt. Das hat nichts mit einer neutralen Leitung des Stadtrates zu tun.

Es folgen Reden der Fraktionen. Auszugsweise einige Passagen, damit man sich besser hineinversetzen kann in die jeweilige Gefühlslage und die individuell erreichte thematische Tiefe. Ich erlaube mir, einige Anmerkungen anzufügen:

Prof. Joachim Schulze (Fraktion BfG)

Können wir uns das leisten? Wir wissen nicht, wie sich die Finanzen nach Inbetriebnahme der Stadthalle darstellt. Das ist von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig und von den Finanzierungen der Kommunen durch Bund und Land. Wir sind da nur ein ganz kleines Rädchen. (Anmerkung: Wir haben also gar keine Hausaufgaben? An unserem strukturellen Defizit von 5-6 Millionen jährlich sind nur Andere schuld?)

Wir wissen auch nicht, wie sich die Stadthalle macht am Markt und wie viele Zuschüsse sie auf lange Sicht braucht. Wir können lediglich optimale Ausgangspositionen schaffen. Sowas gehört zum Wesen von Politik und unternehmerischen Handeln. (Anmerkung: Es gehört eben nicht zum Wesen unternehmerischen Handelns, ein Risiko einzugehen, ohne die vorherige Beurteilung aller bekannten Daten und Fakten.) Wir wissen, was passiert, wenn wir nicht beherzt und mit Zukunftsoptimismus weitermachen – dann sähe es trübe aus.  Görlitz braucht diesen Ort der physischen Begegnung, ein Ort, der keiner Szene gehört und deren Interessen bedient, sondern eine Halle für Alle. Das müssen und das wollen wir uns leisten und das können wir auch.

Danilo Kuscher (Motor Görlitz/Bündnisgrüne):

Aus technischer Sicht bleiben keine Wünsche offen für eine moderne „Halle für Alle“. Eine sehr gute Entwurfsplanung. Aber warum gibt es in einer Vorlage zwei Themen? Wir wollen nur die Entwurfsplanung beschließen für die schnellstmögliche Erarbeitung des Bauantrags. Der weitere Text widerspricht einem bereits gefassten Beschluss von März 2020, der die Freigabe der Gelder unter den Vorbehalt stellt, dass es einen Fördermittelbescheid und einen Gesamtbeschluss für das Projekt Stadthalle gibt. Wir sehen nicht, warum wir die Planer nun benachteiligen, wenn wir auf die Bescheide warten. Wir können ohnehin erst bauen, wenn der Förderbescheid da ist. Bis dahin sollten wir die Zeit nutzen und uns damit beschäftigen, wie wir Sanierung und späteren Betrieb finanziell sichern.

Dieter Gleisberg (CDU):

Wir werden die Betriebskosten über die Kulturservicegesellschaft abdecken. 993.811 Euro Zuschuss jährlich nach heutigem Stand. Von der Betreibergesellschaft bekommen wir Miete zurück in Höhe von 896.400 Euro. Der reine Zuschuss wird sich also in Grenzen halten. (Anmerkung: Milchmädchenrechnung. Aus den Mieteinnahmen müssen Abschreibung, Instandhaltung etc. erbracht werden. Die jährliche Belastung wird bei rund 1.000.000 Euro liegen, wie Bürgermeister Wieler betonte. Ohne betriebswirtschaftliche Zahlen lässt sich zudem gar nicht beurteilen, wo wir finanziell landen könnten. Das weiß Dieter Gleisberg auch als erfolgreicher Unternehmer.)

Alles was wir uns vorgenommen haben, konnten wir auch im Haushalt darstellen. Ich weiß nicht, woher die Vermutung herkommt, dass wir es uns nicht leisten können. Es gibt keinen Grund, dem Vorschlag heute nicht zu folgen.

Jana Lübeck (Die Linke):

Ich kann die Zahlen aus dem Betriebskonzept nicht nachvollziehen. Ebenso nicht nachvollziehbar ist, dass die Stellungnahme der Finanzverwaltung nicht öffentlich ist. Dadurch kann ich meine Argumentation gar nicht glaubhaft führen, weil alle Begründungen nichtöffentlich sind.

Ich bin keine Person, die die Stadthalle ablehnt, sondern habe mich kritisch damit beschäftigt. Ich soll an etwas glauben. Ich möchte diesen Glauben gern mit Fakten unterlegen. 2,1 Millionen Euro für Planungsleistungen sollen wir beschließen, ohne Bescheid vom Finanzamt und Fördermittelgeber und ohne Betriebskonzept mit betriebswirtschaftlicher Untersetzung. Deshalb können wir der Vorlage nicht zustimmen.

Danke an Raimund Kohli für die Petition. Das sind genau die richtigen Fragen, die wir beantworten müssen.

Lutz Jankus (AfD):

Im Prinzip hat Prof. Schultze alles gesagt, was ich nur wiederholen kann. Diesmal sind wir einer Meinung. Ja: Wir sehen auch die Argumente von Motor/Grüne und Linke. Betriebswirtschaftlich können wir die Zahlen hier nicht öffentlich diskutieren. Es mag sein, dass wir für die Stadthalle zuschießen müssen. Mag sein, dass wir 1.000.000 Euro jährlich zahlen. Aber wenn wir durch Übernachtungen und Besuche in Gaststätten und Museen 1.100.000 Euro Einnahmen in die Stadt bekommen, dann haben wir schon gewonnen, denn das stärkt ja das Stadtsäckel. (Anmerkung: Hierzu müssten wir natürlich betrachten, wie hoch der Anteil an Veranstaltungen ist, die bereits heute stattfinden und in die Stadthalle wechseln. Das ergibt keine zusätzlichen Effekte. Oder geht Bärbel B. nur zum Friseur, wenn in der Stadthalle getanzt wird?)

Und deshalb stimmen wir zu, weil wir das Potenzial sehen. Wir gehen das frohen Mutes an. Wir wissen nicht, ob das alles so klappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Jetzt müssen wir ran, wie das altgediente Stadträte betont haben.

Ich melde mich schließlich auch zu Wort und bilanziere für unsere Fraktion:

Im Ergebnis kommen wir zum Schluss, dass wir der Vorlage aufgrund derzeit unkalkulierbarer Risiken und unklarer Finanzierung in ihrer Gesamtheit nicht zustimmen können und für den Änderungsantrag von Danilo Kuscher werben. Für den Gesamtbeschluss beantrage ich namentliche Abstimmung, da er weitreichende Auswirkungen auf künftige Leistungen der Stadt Görlitz haben kann. (Die komplette Rede ist hier zu finden.)

Es folgen nach einigen weiteren Diskussionen die Abstimmungen. Der Änderungsantrag (nur Entwurfsplanung bestätigen als Grundlage für den Bauantrag) wird mit 24 Nein-Stimmen abgelehnt. Nur Motor/Grüne und Linke stimmen dafür (7).

Baff bin ich über die Feigheit der Mehrheit der Stadträte von AfD, CDU, BfG. Die namentliche Abstimmung wird von ihnen abgelehnt. Das ist ein seltener Vorgang, da bei wichtigen Abstimmungen durchaus für die Nachwelt festgehalten werden sollte, wer sich wie positioniert hat. Gab es übrigens im Jahr 2012 mehrfach bei Stadthallen-Beschlüssen. Damals hatte der Stadtrat keine Probleme damit – erfahrene Kempen wie Dieter Gleisberg sehen das zehn Jahre später offenbar anders. Das soll jeder für sich selbst bewerten. Abstimmungsergebnis: 12 ja / 15 nein / 6 Enthaltungen. Angenehm: Matthias Schöneich (CDU) kritisiert seine eigenen Leute und meint: Man kann doch auch stolz darauf sein, für die Stadthalle zu stimmen. Recht hat er.

Es kommt also zum Gesamtbeschluss. Mit 25 Stimmen dafür, 7 dagegen und einer Enthaltung wird der Vorschlag von OB Ursu und Bürgermeister Wieler angenommen. Ich hoffe, dass diese riskante Strategie aufgeht. Niemand hat etwas davon, wenn wir mit der Stadthalle baden gehen. Deshalb wird es von unserer Seite auch keine Fundamentalopposition geben.

 

Allgemeinverfügung zur Nutzung des Berzdorfer Sees

Nach der heißen Debatte tut Abkühlung gut. Wir springen gedanklich in den Berzi. Es geht um die Stellungnahme der Stadt Görlitz zum Entwurf einer Allgemeinverfügung des Landkreises. Vereinfacht gesagt: Damit wird alles geregelt, was Mensch und Haustier auf dem See dürfen. Knackpunkt ist die Frage: Wo darf eigentlich gebadet werden? In der Allgemeinverfügung gibt es keine Einschränkungen. Die Görlitz-Verwaltung möchte es strenger regeln und schlägt vor: Baden ist nur an zugelassenen Badestellen erlaubt. Funfact: Zum Zeitpunkt des Beschlusses kennen wir gar nicht alle konkreten Badestellen. Ist der Rathausspitze egal – sie sieht ein zu großes Risiko, falls irgendwo am See beim Baden etwas passiert.

Es kommt zu einer recht interessanten Diskussion über Parteigrenzen hinweg. Mein Kollege Danilo Kuscher sagt: Der Entwurf des Landkreises ist super, alles ist geregelt. Auch Experten vom Kommunalen Schadensausgleich würden das Baden an Gewässern als „allgemeines Lebensrisiko“ ansehen. Entscheidend sei, ob es bauliche Anlagen gibt, die dem Besucher suggerieren, hier wäre eine Badestelle. Wie ein Steg oder ein aufgeschütteter Strand. Das leuchtet ein, oder? Das Baden an einem See mit einem Umfang von 16 Kilometern außerhalb von einer Handvoll Badestellen zu verbieten, ist weltfremd und kann auch überhaupt nicht kontrolliert werden.

Das sehen auch Mirko Schultze (Die Linke) und Torsten Koschinka (AfD) so. Die Stadt geht mit dieser Position weit über das hinaus, was zur Risikoabwehr nötig ist. Gegen diese Argumente hat Bürgermeister Wieler nichts Konkretes auf Lager. Er behauptet einfach, dass die Verwaltung Recht hat. Schließlich habe sie sich jahrelang damit beschäftigt. Davon lässt sich schließlich eine Mehrheit „überzeugen“ und folgt der engen Auslegung der Verwaltung. Wenn der Passus tatsächlich zur Regel wird, darf man künftig nicht vom Segelboot aus ins Wasser springen, da man sich außerhalb einer zugelassenen Badestelle befindet. Wer soll das bitte verstehen?

Wer tatsächlich bis hierher gelesen hat, bekommt eine Lesemutti ins Bienchenheft. Prima. Bis zur nächsten Stadtratssitzung habt ihr jede Menge Zeit zum Augenschonen. Wir tagen wegen der Winterferien erst wieder am 3. März.

 

Autor: Mike Altmann