Ist ein Oberbürgermeister wirklich nicht zuständig, ob es ausreichend Lehrerinnen und Lehrer in seiner Stadt gibt?

Am Donnerstag beschäftigt sich der Stadtrat auf Antrag der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne mit dem Lehrpersonal an Görlitzer Schulen. Der Oberbürgermeister wird aufgefordert bei den zuständigen Behörden eine mittel- und langfristige Prognose zu unbesetzten Lehrerstellen an allgemein- und berufsbildenden Schulen in der Stadt Görlitz abzufordern. Außerdem soll der OB gemeinsam mit dem Landkreis Görlitz (Schulamt) sowie den Städten und Gemeinden, die Schulträger im Kreis Görlitz sind, eine interkommunale Arbeitsgruppe initiieren. Ziel ist, eine gemeinsame Strategie für die Bekämpfung des Mangels an Lehrerinnen und Lehrern zu erarbeiten und umzusetzen.

In der Begründung des Antrags heißt es:

Ohne wirksame Maßnahmen verschlechtert sich die Bildung der Kinder und Jugendlichen dauerhaft. Görlitz besitzt in einigen Jahren bestenfalls einen modernen Bildungscampus und sanierte Schulen mit modernen Fachkabinetten. Der Unterricht wird wegen Lehrermangel dennoch ausfallen. Der Bildungsstandort verödet. Junge Familien mit Kindern werden sich abwenden.

Derzeit fehlt eine Datengrundlage. Es gibt keinen Überblick zur Entwicklung der Bedarfe an Lehrerinnen und Lehrern nach Schularten, Fächern oder konkreten Bildungseinrichtungen. Da aktuell viele Unterrichtsstunden ausfallen, ist davon auszugehen, dass der Bedarf bereits besteht und zunehmend wachsen wird. Für eine erfolgreiche Strategie bedarf es Klarheit bei den Zahlen. Hierfür ist das Landesamt für Schulen und Bildung (LASUB) zuständig, die politische Verantwortung für die Stadtentwicklung trägt freilich der Oberbürgermeister mit dem Stadtrat.

Eine Lösung des Problems von fehlendem Lehrpersonal wird sich nicht im Alleingang lösen lassen. Alle Kommunen im Kreis Görlitz sind betroffen. Dementsprechend benötigen wir regionale Lösungen. Görlitz ist als Kreisstadt mit den meisten Bildungseinrichtungen gefragt und sollte die Initiative ergreifen.

Wie hoch sind die Betriebskosten für mobile Luftreiniger in Klassenzimmern? Die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne wollte es genau wissen, nachdem der für Schulen zuständige Bürgermeister Dr. Michael Wieler (Bürger für Görlitz) erklärt hatte, dass die Geräte trotz Förderung unwirtschaftlich seien. Man müsse etwa täglich die Filter wechseln. Diese Aussage ist nicht korrekt. Beim Löbauer Hersteller ULT erkundigte sich die Fraktion nach der nötigen Wartung für das mobile Gerät „sasoo“, das sich für Klassenzimmer eignet und am Montag, 2. August 2021 im ARD-Morgenmagazin vorgestellt wurde. Ergebnis der Recherche: Von täglichem Filterwechsel kann nicht die Rede sein. Bei diesem Gerät sind der Vorfilter und die Aktivkohle einmal jährlich zu wechseln. Der wertvolle H14 Filter in der Regel alle zwei Jahre. Die jährlichen Betriebs- und Wartungskosten, inklusive Stromverbrauch und Arbeitszeit liegen für ein Gerät zwischen 140 und 240 Euro – je nach Betriebsstunden.

 


Das innovative Löbauer Unternehmen ULT und ihr mobiler Luftreiniger waren Thema im ARD-Morgenmagazin.

 

Die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne stellt fest: „Leider kommt es nicht zum ersten Mal vor, dass Dr. Michael Wieler dem Stadtrat keine korrekten Auskünfte gibt. Er ist der verantwortliche Bürgermeister für die Schulen in der Stadt. Nach unserem Verständnis wäre es seine Aufgabe, alles zu unternehmen, was einen geregelten Unterricht in Pandemiezeiten unterstützt. Das Argument hoher Betriebskosten zieht nicht. Dementsprechend wünschen wir uns, dass der Bürgermeister sich noch einmal intensiver mit dem Thema mobiler Luftreiniger beschäftigt – speziell für den Einsatz in den Grundschulen, da Kinder unter 12 Jahren keinen Impfschutz erhalten.“ Der Bund fördert mobile Geräte zur Luftreinigung mit 50 Prozent für den Einsatz in Räumen, die nicht gelüftet werden können. Grundlage ist wohl auch eine Empfehlung des Umweltbundesamtes vom Juni 2021. Hochwertige mobile Luftreiniger können demnach in Räumen, die nicht anderweitig zu lüften sind, die Virenlast um bis zu 90 Prozent reduzieren.

Außerdem fordert Motor Görlitz/Bündnisgrüne, dass sich Oberbürgermeister Octavian Ursu (CDU) in Dresden für eine Co-Finanzierung durch den Freistaat Sachsen einsetzt. Aussagen von Kultusminister Christian Piwarz (CDU), wonach die Anschaffung von Geräten kommunale Angelegenheit sei, ist nicht zufriedenstellend. Die Gesundheit von Kindern bzw. das Verhindern einer vierten Pandemiewelle darf nicht an den klammen kommunalen Kassen scheitern.

 

 

Foto: Zum Einsatz kommt der Luftreiniger „sasoo“ bereits in der Förderschule des Diakoniewerks Oberlausitz. Nachzulesen im Blog: https://www.sasoo-aircleaner.com/category/blog/

 

 

 

 

Das war eine schöne Überraschung: Nach monatelangem Ringen um den Neubau einer Oberschule auf dem ehemaligen Schlachthofgelände hat Oberbürgermeister Octavian Ursu in der gestrigen Stadtratssitzung einen Umsetzungsvorschlag eingebracht. Dieser geht weit über die von der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne geforderten drei Millionen Euro Eigenmittel für die Jahre 2023/24 hinaus. Ursu hat mit seinem Verwaltungsteam die Finanzplanung für den kompletten Bildungscampus inklusive Oberschule, einem Standort für das Produktive Lernen und Sporthalle auf dem alten Schlachthofgelände erarbeitet. Von 2023 bis 2027 sind insgesamt 30 Millionen Euro geplant. 60% sollen gefördert werden. Für die 40% Eigenmittel soll ein Kredit aufgenommen werden. Ursu begründete seine überraschende Entscheidung damit, dass die Oberschule nicht zum „politischen Spielball“ werden soll und nannte es eine „vertrauensbildende Maßnahme“. Dr. Jana Krauß, Fraktionsvorsitzende von Motor Görlitz/Bündnisgrüne sagte im Stadtrat:

„Wir freuen uns, dass die Oberschule doch noch in die Finanzplanung des neuen Haushalts aufgenommen wurde. Das ist ein wichtiges Zeichen. Damit können wir in die höheren Ebenen gehen und glaubhaft machen, dass wir die neue Oberschule brauchen und wollen – auch wenn es sich zunächst einmal um eine Planung mit virtuellem Geld handelt.“

Der Vorschlag zur Aufnahme des Bildungscampus in die mittelfristige Finanzplanung wurde einstimmig angenommen. Damit endet ein monatelanges politisches Ringen um Lösungen. Im Februar hatte das Rathaus angekündigt, den Neubau der Oberschule auf Eis zu legen. Der Stadtrat sollte gar seinen Grundsatzbeschluss zum Bau aufheben. Zunächst wurde damit argumentiert, dass es gar keinen Bedarf mehr gebe, da die Schülerzahlen nicht so stark steigen, wie prognostiziert. Außerdem habe die Stadt kein Geld für dieses Vorhaben. In einer Sondersitzung des Stadtrates am 15. April wurde dennoch beschlossen, drei Millionen Euro für den Neubau in die Finanzplanung 2023/24 aufzunehmen. Diesen Beschluss setzte Octavian Ursu zunächst nicht um. Die Oberschule fehlte im Haushalt 2021/22 (zu der auch eine mittelfristige Planung bis 2025 gehört). Diesen Vertrauensbruch konnte das Stadtoberhaupt nun heilen. „Es hat sich gezeigt, dass sich der Einsatz für eine neue Oberschule gelohnt hat“, so Jana Krauß. „Wir werden nun den Oberbürgermeister tatkräftig unterstützen, damit der zunächst virtuelle Bildungscampus in einigen Jahren lebendig und zum neuen Kraftzentrum der westlichen Innenstadt wird.“

 

Foto: Hier soll der neue Bildungscampus entstehen. 

Der Görlitzer Oberbürgermeister Ursu hat die am 15. April vom Stadtrat beschlossenen Investitionsgelder in Höhe von drei Millionen Euro für den Neubau der Oberschule nicht in den aktuellen Haushaltsentwurf eingearbeitet. Der Beschluss vom April lautete: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, drei Millionen Euro für die Umsetzung ‚Bau einer neuen Oberschule‘ in das Haushaltsjahr 2023/24 einzustellen.“ In der gestrigen Stadtratssitzung begründete der OB auf Nachfrage von Dr. Jana Krauß (Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne), warum er die Schulmillionen nicht in die Finanzplanung aufgenommen hat: “Jetzt behandeln wir den Doppelhaushalt 21/22. Um es im Haushalt 21/22 sichtbar zu machen, hätte man einen Antrag stellen müssen auf Einstellung der Gelder in die mittelfristige Planung. Sie können das in der Haushaltsverhandlung nochmals tun. Sie kennen aber meine Position. Es würde uns nicht viel weiterbringen. Die Zahlen im Haushalt sehen auch nicht gut aus. Das würde die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts nicht verbessern, wenn wir das zusätzlich aufnehmen. Überlegen Sie deshalb gut, ob Sie das machen wollen.”

Unklare Formulierung?

Rückblick: Der Tagesordnungspunkt zur Oberschule wurde auf Wunsch des OB in einer Sondersitzung Mitte April behandelt. Damalige Begründung: Er möchte wissen, wie sich der Stadtrat politisch zur neuen Oberschule verhält – dies habe Auswirkungen auf die Erstellung des Doppelhaushaltes 21/22. Dazu muss man wissen, dass der Haushalt 21/22 auch einen „Fünfjahrplan“ für Investitionen enthält. In der gesamten Diskussion am 15.4. wurde bei allen Pros und Contras mit dem Haushalt 2021/22 argumentiert, auch und gerade durch die Verwaltung. Es gibt keinen Zweifel, dass die Intention des Antrags darin bestand, die drei Millionen Euro im Investitionsplan für die Jahre 2023/24 einzustellen. Natürlich abgebildet im Doppelhaushalt 21/22. Bei unklar formulierten Beschluss wäre es Pflicht des Vorsitzenden des Stadtrates gewesen, also des OB, darauf hinzuweisen. Dies erfolgte nicht.

So knapp der Beschluss im April war: Eine Mehrheit war für die drei Millionen für die Oberschule. Das zählte für die Rathausspitze offenbar nicht. Sie entschied sich für einen Griff in die Trickkiste. Der möglicherweise nicht eindeutige Beschlusstext wurde sehr wörtlich genommen. Ausgeklammert wurde bei dieser Bewertung der eigentliche Willen der Stadtratsmehrheit, der sich aus der Diskussion ergeben hat. Das Ziel ist durchsichtig: Da die Position „Neubau einer Oberschule“ nun nicht im Haushaltsentwurf der Verwaltung enthalten ist, muss man als Fraktion eine Änderung beantragen, inklusive Deckungsvorschlag. Damit hebelt OB Ursu den am 15. April gefassten Beschluss faktisch aus, um seinen Haushaltsentwurf zu schönen.

Verstoß gegen Haushaltsgesetz?

Herr Ursu erklärt uns, er werde aufgrund des Beschlusstextes die drei Millionen für die Oberschule erst in den nächsten Haushalt in zwei Jahren einplanen. Damit verstößt er aus unserer Sicht gegen Gesetze. Grundlage für eine ordnungsgemäße Aufstellung des Haushaltes ist u.a. die Sächsische Kommunalhaushaltsverordnung. Im  § 9 „Investitionen und Finanzplan“ heißt es in Absatz 2: „In das dem Finanzplan zugrunde zu legende Investitionsprogramm sind die im Planungszeitraum vorgesehenen Investitionen (…) nach Jahresabschnitten aufzunehmen. Jeder Jahresabschnitt soll die fortzuführenden und die neuen Maßnahmen mit den auf das betreffende Jahr entfallenden Teilbeträgen wiedergeben.“ Auf Deutsch: Wenn der OB bereits jetzt weiß, dass 2023/24 drei Millionen Euro für eine neue Schule investiert werden sollen, dann muss er diese Summe auch zwingend in das Investitionsprogramm aufnehmen. Stand jetzt würde die Rechtsaufsicht getäuscht, da beschlossene Investitionsmittel von drei Millionen Euro in den Jahren 23/24 nicht angegeben werden.

Vertrauen ist erschüttert

Das eigentlich Traurige an der Situation: Der OB setzt einen ihm missliebigen Beschluss nicht ordentlich um. Das Vertrauen ist erschüttert. Worauf können wir uns noch verlassen? Müssen wir für die Formulierung der Anträge künftig einen Rechtsbeistand hinzuziehen? Oder notariell beglaubigen lassen, welche Intention bei Beschlussfassung gemeint ist? Der Oberbürgermeister mag ja die Meinung der Verwaltung gut vertreten, den Stadtrat vertritt er an dieser Stelle nicht. Damit kommt er seiner Pflicht nur einseitig nach.

Die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne hat sich mit der knappen Mehrheit des Stadtrates in einer Sondersitzung dafür ausgesprochen, im Görlitzer Investitionsplan drei Millionen Euro für den Neubau der Oberschule festzuschreiben. Außerdem wurden rund 200.000 Euro für weitere Planungen beschlossen, die im Doppelhaushalt 2021/22 stehen werden. Dazu erklärte die Fraktionsvorsitzende Dr. Jana Krauß:

 

Unser Minimalziel war bereits vor der Sitzung erreicht. Die Stadtverwaltung ist unserem Vorschlag gefolgt und hat Geld für weitere Planungen vorgesehen. Damit kann bis zur Leistungsphase 3 geplant werden, was wiederum Grundlage für einen Förderantrag ist. Mit einem guten Plan bleiben wir handlungsfähig. Wichtig war uns auch, dass der Grundsatzbeschluss vom März 2019 nicht aufgeweicht wird.

 

Drei Millionen Euro Eigenmittel

Intensiv hat sich die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne mit dem ursprünglichen Änderungsantrag der CDU beschäftigt, wonach in den Jahren 2023/24 drei Millionen Euro für den Bau der Oberschule im Investitionsplan festgeschrieben werden sollen. Wir haben uns im Ergebnis hinter den Änderungsantrag gestellt. Aus drei Gründen:

 

  1. Durch das Verankern von drei Millionen Euro in der Investitionsplanung zeigt der Stadtrat klar seine Prioritäten. Der Neubau der Oberschule steht ganz oben, da der Bedarf bereits seit 2019 besteht.

 

  1. Dass über die Investitionsplanung für die neue Oberschule vor den Haushaltsverhandlungen debattiert wurde, ist nicht dem Stadtrat anzulasten. Es war der Wunsch des Oberbürgermeisters, der das Thema unbedingt in einer Sondersitzung beraten wollte. 

 

  1. Wie sollen die drei Millionen Euro für die neue Oberschule finanziert werden? Der Stadtrat hat seinen politischen Willen erklärt. Die drei Millionen Euro für die Jahre 2023/24 sind gesetzt. Um dafür die nötige finanzielle Luft zu schaffen, sind Vorschläge aus Verwaltung und Stadtrat gefragt, wenn der Investitionsplan im Rahmen der Haushaltsverhandlungen beraten wird. Auf keinen Fall darf der Neubau der Oberschule zu Lasten von Sanierungen bestehender Schulen gehen. 

 

Dass die CDU sich wohl aus Loyalitätsgründen gegenüber ihrem Oberbürgermeister entschied, ihren Änderungsantrag zurückzuziehen, ist bedauerlich. Die vorgebrachten Argumente der Verwaltung waren nicht stichhaltig. Es wurde erklärt, dass die drei Millionen Euro nicht darstellbar seien. Damit wäre aber der gesamte Beschluss obsolet. Denn ohne Eigenmittel brauchen wir den OB nicht beauftragen, Fördermittel zu akquirieren. Wir sind optimistisch, dass die drei Millionen Euro im Rahmen der Haushaltsverhandlungen darstellbar sein werden. Insofern haben wir uns entschieden, für den Neubau der Oberschule und den CDU-Änderungsantrag zu stimmen, auch wenn dieser letztendlich von Stadtrat Wippel übernommen und verlesen wurde.

 

Schul-Ausschuss bilden

Aufgrund der großen Herausforderungen regen wir einen zeitweilig beratenden Ausschuss „Schulbau“ an. Neben dem Neubau der Oberschule gibt es finanzielle Probleme bei der Sanierung der Grundschule Königshufen. Es stehen weitere Sanierungen an Oberschulen an (Innenstadt, Melanchthonschule). Dafür wird eine Ausweichschule gebraucht. All diese Fragen sind so komplex, dass sie nicht nebenbei in Ausschüssen behandelt werden sollten. Diesen Weg ist der Stadtrat bei der Stadthalle gegangen. Wir sind uns sicher, dass das Thema Bildung einen ähnlichen Stellenwert genießt.

 

Foto: StockSnap auf Pixabay

Das Bild zeigt die Rauschwalder Straße in Görlitz. Zur Belebung der Innenstadt West und zur Entlastung der bestehenden Schulen wird seit 2019 der Neubau einer Oberschule geplant. Nun wendet sich die Rathausspitze von diesem Ziel ab. Als Beruhigungspille wird von „verschieben“ gesprochen. Über die Sächsische Zeitung werden die angeblichen Argumente verbreitet, die der Öffentlichkeit suggerieren sollen, dass man die Schule gar nicht mehr so dringend braucht und sie ohnehin viel zu teuer ist. Heute gab es Teil 2 der Kampagne (Aboartikel https://bit.ly/3r6USeR). Dazu unsere Sicht der Dinge.
Nachdem zunächst mit nicht so stark steigenden Schülerzahlen argumentiert wurde, treibt man nun die Investitionskosten beliebig nach oben. Mit großem Erstaunen lesen wir heute ein Zahlen-Potpourri, das nur eine Deutung zulassen soll: Zu teuer – diese Oberschule kann sich niemand leisten. Wir erfahren, dass die Oberschule zum Zeitpunkt des Grundsatzbeschlusses im Mai 2019 rund 13 Millionen Euro kosten sollte. Dies kennen wir bereits von anderen Projekten wie dem Kitaneubau Fichtestraße und dem Bau des Feuerwehrhauses Cottbuser Straße: Die Verwaltung setzt zunächst eine viel zu geringe Summe an, um es im Haushalt zu verankern. „Wird schon irgendwie gehen“ ist hier in den letzten Jahren die Devise gewesen. Schnell wird klar: Der Neubau der Schule auf dem Gelände des kontaminierten ehemaligen Schlachthofes wird teurer. Die reale Kostenschätzung für den Neubau einer Oberschule und die Sanierung der Turnhalle Cottbuser Straße lag noch im Herbst 2020 bei 22 Millionen Euro. Einen Sprung auf 32 Millionen Euro machte das Projekt ausschließlich dadurch, dass es künstlich teuer gerechnet wurde mit zusätzlichen „Modulen“, um einen erhöhten Fördersatz von 80-90% zu bekommen. Das liegt in der Fördermittellogik gewisser Programme begründet, die allerdings gar nicht mehr relevant sind. Insofern ist die Zahl 32 Millionen Euro auch aus den Köpfen zu streichen. Wie nun die Sächsische Zeitung gar auf 37 Millionen Euro kommt, ist nicht nachvollziehbar. Selbst der Baukostenindex steigt innerhalb weniger Wochen nicht so stark.
Noch im Herbst war zu erfahren, dass man nun das Projekt „Neubau Oberschule“ nochmal neu denken muss. Genau das möchten wir auch. Der Neubau war 2019 nötig. Seitdem sind die Schülerzahlen weiter gestiegen und werden es auch in den nächsten Jahren. Ein Verschieben des Neubaus ist ein schleichender Tod für die neue Schule. Es wäre ein verheerendes Signal an die jungen Familien in unserer Stadt.
Was wir jetzt brauchen ist Transparenz. Wir wollen eine saubere Planungsgrundlage und Offenheit zum Haushalt. Solange dieser als Geheimsache hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, ist keinerlei Diskussion möglich. Denn in Zeiten knapper Kassen muss abgewogen werden, Was brauchen wir, was kann verschoben werden, was muss leider vorerst gestrichen werden? Dies gehört in einen öffentlichen Diskurs, so wie es die Sächsische Gemeindeordnung vorschreibt.

Zwei Jahre nach dem Grundsatzbeschluss zum Bau der Schule im Stadtrat schlägt OB Octavian Ursu vor, die Pläne für den Neubau einer Görlitzer Oberschule vorerst auf Eis zu legen. Begründet wird das neben finanziellen Schwierigkeiten auch mit einem geringeren Anstieg der Schülerzahlen als vor zwei Jahren prognostiziert. Damit würde man keine neue Oberschule mehr benötigen, hieß es in der Sächsischen Zeitung: „Bewahrheiten sich die aktualisierten Prognosen der Stadt, würden in fünf Jahren 82 Klassen benötigt. Im Moment sind es 78. Für diese Steigerung aber würde sich eine neue Schule unter den jetzigen finanziellen Gegebenheiten nicht rechnen.“ Diese Kehrtwende der Rathausspitze hat unsere Fraktionsvorsitzende Dr. Jana Krauß entsprechend kommentiert:

„Aus mehreren Gründen sind wir gegen die von OB Ursu vorgeschlagene Verschiebung des Projekts „Neue Oberschule in der Görlitzer Innenstadt West“. Zunächst beruht die von der Verwaltung erstellte neue Bedarfsprognose auf der Betrachtung des Rückgangs der Geburtenzahlen in den Jahren 2018/2019 und 2019/2020. Das ist zum einen ein sehr kleiner Zeitraum (kleine Sprünge nach oben oder unten gab es zuletzt regelmäßig bei den Geburtenzahlen). Zum anderen  setzt diese Prognose voraus, dass kaum Kinder nach Görlitz zuziehen werden. Mit dieser Annahme würde vorauseilend akzeptiert, dass Görlitz in seinen Bemühungen um eine Erhöhung von Lebensqualität und Familienfreundlichkeit und die Schaffung neuer Arbeitsplätze zur Steigerung des Zuzugs junger Familien scheitert. Das ist nicht hinnehmbar. Weiterhin ist es bereits jetzt so, dass die Oberschulen in Görlitz voll ausgelastet sind, Schülerinnen und Schüler in Containern unterrichtet werden. Aus der neuen Prognose ergibt sich, dass selbst in den Jahren mit den größten Unterschieden zur Prognose von 2018 75 % einer neuen, zweizügigen Oberschule belegt wären. Unsere Schlussfolgerung aus der neuen Prognose lautet: Wir brauchen eine neue Oberschule, daran hat sich gegenüber März 2019, als der Stadtrat den Grundsatzbeschluss zum Bau einer Oberschule fasste, nichts geändert.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass angesichts der schwierigen Haushaltslage Prioritäten gesetzt werden müssen. Diese liegen für uns bei der Zukunftsfähigkeit unserer Stadt – eine hohe Qualität der Bildung von Kindern und Jugendlichen ist dafür essenziell.

Schulen können über Geld aus dem Strukturwandel gefördert werden. Für arme Kommunen beträgt die Förderquote bis zu 95 Prozent. Für eine solche Förderung muss ein Beitrag zum Strukturwandel geleistet werden. Warum denken wir Schule also nicht weiter als bisher? Als Bildungscampus, wo Jung und Alt gemeinsam lernen. Als Modellschule für digitale Anwendungen oder für innovative MINT-Ausbildung. Ähnliches forderte in der letzten Stadtratssitzung auch CDU-Stadtrat Gerd Weise. Im besten Fall wird daraus ein ganzheitliches Strukturwandelprojekt, mit dem wir nicht nur eine moderne Oberschule erhalten, sondern in der Innenstadt-West den Strukturwandel kreativ gestalten. Dafür braucht es die Verankerung des zu erwartenden Eigenanteils bereits im Doppelhaushalt 2021/22. Das werden wir in die Haushaltsverhandlungen einbringen.“

Warum wir eine neue Oberschule brauchen

So sieht es bereits heute an der Scultetus-Oberschule aus. Wir möchten nicht, dass noch mehr Kinder in Containern lernen müssen.

Basis unserer Überlegungen ist die Ausgangslage im März 2019, als der Grundsatzbeschluss für den Neubau gefasst wurde. Bereits damals fehlten Räume, mussten Kinder in Containern lernen. Hat sich an der Überlastung der bestehenden Oberschulen etwas verändert seit 2019? Oder wird es künftig noch voller?

Zur Ausgangslage: Am 7.3.2019 wurde einstimmig ein Grundsatzbeschluss für den Bau einer neuen Oberschule in der Innenstadt gefasst. In einer Anlage zur Beschlussvorlage stellt die Verwaltung klar, dass es zum Neubau keine Alternative gibt, wenn man die bestehenden Schulen nicht endgültig überlasten will. Zitat:

„Die Erweiterung der OS Rauschwalde um 2 Züge würde eine Zügigkeit von 4,5 Zügen (max. 756 Schüler!) zur Folge haben. Die Erweiterung von 2 Oberschulen um je 1 Zug hätte eine Zügigkeit von je einer Schule auf rd. 3,5 Züge zur Folge.

Zur Bewertung ist zu beachten, dass sich in den ersten Monaten des Jahres 2018 das Lehrerkollegium der Oberschule Innenstadt an die Stadt Görlitz als Schulträger gewandt hatte, wonach die Situation der Schule aufgrund der sozialen Lage, des hohen Migrantenanteils und der hohen Zügigkeit in der Schule nicht mehr zu vertreten war. Im Ergebnis aller Gespräche wurde mit dem Landesamt für Schule und Bildung (LASuB) festgelegt, dass die Oberschule Innenstadt künftig 3-zügig sein sollte und die Anzahl der DaZ-Klassen in der Schule nach Möglichkeit auf 2 zu reduzieren ist, um die Situation zu entspannen.

Ein wesentliches Argument ist aus Sicht der Schulverwaltung eben dieser Aspekt, die Zügigkeit der Schulen in Görlitz auf einem Niveau zu halten, welches wesentlich die gegebenen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Schüler- und Klassenzahlentwicklung, der sozialen Lage und der Leistungsfähigkeit der Kollegien berücksichtigt. Nach jetziger Einschätzung ist die aktuelle Schülerzahl der Oberschulen so hoch, dass keine weitere Erhöhung erfolgen sollte.“

Nun heißt es, dieser starke Anstieg der Schülerzahlen muss nach unten korrigiert werden und würde einen Neubau nicht rechtfertigen. Wir erinnern uns, dass im März 2019 dieselbe Verwaltung noch mit Blick auf die bereits damalige angespannte Lage an den vier Oberschulen dringend vor einer weiteren Erhöhung gewarnt hatte. Und deshalb keine Alternative zum Neubau sah. Gehen denn die Zahlen zurück? 2019 gab es 1.731 Oberschüler. Aktuell sind es 1.770. Selbst in der nach unten korrigierten Prognose bleiben wir konstant deutlich über den Zahlen von 2019. In der Spitze um über 100 Oberschüler. Das heißt: Der 2019 festgestellte Bedarf besteht auch weiterhin.

Von Räumen und Menschen

Es fehlten bereits damals 7 Räume. Sie wurden u.a. durch 5 Container ausgeglichen. Der damals prognostizierte weitere Anstieg an Raumbedarf mag nicht in dem Ausmaß erfolgen, wie 2019 vorhergesehen. Aber er steigt trotzdem und verschärft somit das seit 2019 bestehende Problem. Nach der aktualisierten Prognose werden mindestens vier weitere Räume fehlen. Somit lernen dann etwa 200 Schülerinnen und Schüler in 9 Containern statt in modernen Klassenräumen. Wir sollten aber nicht nur den rein mathematischen Faktor „Raumbedarf“ betrachten. Schon 2019 wurde mit dem Beschluss das Ziel verbunden,  „Problemschulen“  zu vermeiden (wenn man das Kind wie der Volksmund beim Namen nennt). Wie soll das gelingen, wenn man am Status Quo festhalten will – mit noch mehr Containerlernen? Sowohl menschlich als auch mathematisch besteht weiterhin dringender Bedarf an einer modernen Schule der Zukunft in der Innenstadt.

Die Stadtratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne bedauert, dass der geplante Neubau einer Oberschule in der westlichen Innenstadt aktuell nicht finanzierbar ist. „Nach unserer Einschätzung ist der Stadtverwaltung hier kein Vorwurf zu machen. Der Freistaat hat mit Görlitz Fördermitteltombola gespielt, es waren aber letztlich nur Nieten im Lostopf“, sagte Fraktionssprecher Mike Altmann (Motor Görlitz). Nach Darstellung von Bürgermeister Michael Wieler habe es in den letzten Jahren immer wieder neue Vorschläge aus Dresden gegeben, wie der Neubau finanziert werden könnte. Allerdings trug am Ende keiner der Vorschläge. Somit ging wertvolle Zeit verloren.

Angesichts der angespannten Haushaltslage durch die Corona-Folgen müsse sich Görlitz nun darauf konzentrieren, möglichst wenig Eigenmittel zahlen zu müssen, so Altmann: „Schulen können über Geld aus dem Strukturwandel gefördert werden. Für arme Kommunen beträgt die Förderquote bis zu 95 Prozent. Natürlich werden keine 0815-Schulen aus diesem Programm finanziert. Die Schule muss einen Beitrag zum Strukturwandel leisten. Denkbar sind eine Modellschule für digitale Anwendungen oder für innovative MINT-Ausbildung. Das sind nur zwei von vielen Optionen.“

Die Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne schlägt vor, dass der Schulneubau in eine Gesamtentwicklung der Innenstadt-West eingebettet wird. 2021 soll für die nötigen Vorbereitungen genutzt werden. Co-Fraktionsvorsitzende Dr. Jana Krauß (Bündnis90/Grüne): „Görlitz sollte insgesamt zu einer lernenden Stadt werden. Warum denken wir Schule nicht weiter als bisher? Als Bildungscampus, wo Jung und Alt gemeinsam lernen? Diese und weitere Fragen möchten wir 2021 mit den Görlitzern diskutieren. Im besten Fall wird daraus ein ganzheitliches Strukturwandelprojekt, mit dem wir nicht nur eine moderne Oberschule erhalten, sondern in der Innenstadt-West den Strukturwandel kreativ gestalten. Es gibt bereits zahlreiche gute Ideen, speziell für die Belebung des Schlachthofgeländes und benachbarter Areale wie dem ehemaligen Waggonbau Werk 1. Schulcampus, Familienzentrum, Kinderbetreuung, Quartiersmanagement, innovative Wohnformen, die Generationen zusammenbringen – all das sind Ansätze, die wir weiterentwickeln wollen. Damit die Innenstadt West modellhaft zu einem attraktiven Quartier wird, in dem Wohnen, Arbeiten, Bildung und Handel in einer völlig neuen Qualität möglich sind.“

Auf keinen Fall sollte es nun Schnellschüsse geben, „um irgendwie irgendeine Schule“ aus dem Boden zu stampfen, so Dr. Jana Krauß: „Der Strukturwandel bietet in den kommenden Jahren erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten. Entsprechend sollte er höchste Priorität genießen und gemeinsam mit den Görlitzern angepackt werden. Davon ist leider aktuell nicht viel zu spüren. Beteiligung ist auch in Zeiten von Corona möglich, wenn man will.“

 

Der Görlitzer Standort des Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanals (SAEK) ist in Gefahr. Die Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) hat angekündigt, dass die Verträge mit den Betreibern der SAEK nicht verlängert werden. Somit müsste der SAEK, wie alle anderen Standorte in Sachsen, zum 30. Juni 2021 aufgrund fehlender Finanzierung schließen. Die Stadtratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne unterstützt die Bemühungen zum Erhalt des SAEK-Standortes in Görlitz. Dazu erklärt der Fraktionsvorsitzende Mike Altmann:

1997 durfte ich mich am Aufbau des ersten SAEK-Standortes in Görlitz beteiligen, damals auf dem Wilhelmsplatz neben dem Gymnasium. In den vergangenen Jahren habe ich die Arbeit des SAEK intensiv verfolgt. Es ist eine Institution geworden in der Medienkompetenzbildung. Die nun beabsichtigte Zerschlagung des SAEK durch den Medienrat der Sächsischen Landesmedienanstalt, ist vielleicht aus Sicht der Juristen sinnvoll, die in diesem Gremium die Mehrheit stellen. Die Leute, die etwas von Medienpädagogik verstehen, sehen das komplett anders und haben einen offenen Brief des Medienpädagogik e.V. Leipzig unterzeichnet. Ich hoffe, dass sich die Fachkompetenz noch durchsetzt.

Warum braucht Görlitz den SAEK? Der SAEK ist ein Anker für die Vermittlung von Medienkompetenz in der gesamten Region. Zahlreiche Vereine, Initiativen und Schulen nutzen die Angebote. Man ist nicht nur stationär aktiv, sondern hat Angebote in der Fläche geschaffen. Auch die vom Medienrat angestrebte Neuausrichtung auf die erwachsene Zielgruppe ist hier bereits auf gutem Weg. Im Jahr 2019 nutzten allein im SAEK Görlitz knapp 2000, mehrheitlich erwachsene Menschen, rund 100 Angebote. Seit 1997 haben sich Strukturen, Kompetenzen und Netzwerke entwickelt, die man nicht einfach wegrationalisieren kann.

Wir unterstützen deshalb die Stadtverwaltung Görlitz, sich für den Erhalt des SAEK-Standortes einzusetzen. Gleichzeitig fordern wir die im Landtag vertretenen Parteien auf, ihren Einfluss geltend zu machen für eine zukunftsfähige Medienbildung im Landkreis Görlitz. Soweit uns bekannt ist, gibt es bislang kein Konzept, was dem SAEK folgen soll. Niemand hat etwas gegen eine Weiterentwicklung von bestehenden Strukturen und Angeboten. Ohne Plan sollte etwas Funktionierendes aber nicht zerstört werden.

Als gutes Zeichen sehen wir, dass sich die Versammlung der SLM auf eine Sondersitzung im Januar zu diesem Thema verständigt hat, bevor sie dem Medienrat eine Empfehlung ausspricht. Unsere Fraktion hofft ebenso wie der Medienpädagogik e.V. darauf, dass die erfolgreichen und etablierten Strukturen der SAEK nicht zerschlagen, sondern weiterentwickelt werden. Dies braucht Zeit, denn es sollte auf breiter gesellschaftlicher und politischer Basis diskutiert werden. Natürlich unter Einbindung von Expertinnen und Experten aus der Medienbildung. Bis zum Abschluss einer solchen Weiterentwicklung sollten die SAEK für eine Übergangszeit den jetzigen Betrieb fortsetzen dürfen und nicht wie geplant Ende Juni 2021 die Türen für immer abschließen müssen.

 

Offener Brief des Medienpädagogik e.V: https://medienpaedagogik-leipzig.de/wp-content/uploads/2020/11/Offener-Brief-an-SLM-mit-Unterzeichnern_Endversion.pdf

Foto: birnbaum media.lab / Paul Glaser