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Stadtratsblog#20: 27.5.2021

Eine kurze Tagesordnung verspricht einen frühen Feierabend. Am Ende ein Trugschluss. Doch beginnen wir von vorn.

Zunächst nimmt OB Ursu eine Vorlage zum Helenenbad von der Tagesordnung. Wir sollten 30.000 Euro für die Subventionierung der Kinder-Badelandschaft beschließen. Da es noch keinen Haushalt gibt, wäre das ein Vorgriff auf den Etat 21/22. Das ist für eine solche freiwillige Aufgabe eigentlich nicht möglich. Deshalb wurde der Punkt vermutlich runtergenommen. Offiziell heißt es in der Sitzung: Der Betreiberverein AUR kann vorfinanzieren und hofft auf eine positive Entscheidung bei den Haushaltsverhandlungen.

Dann gibt es Blumen und einen Theatergutschein. Meine Kollegin Kristina Seifert wird vom OB zum Geburtstag gratuliert. Happy Birthday, liebe Tina. Auf der Nebenbank frotzelt Torsten Ahrens (Die Linke), dass sie den Gutschein schnell einlösen soll – solange es das GHT noch gibt.

 

Informationen des OB

Octavian Ursu informiert uns über einen Besuch mit MP Kretschmer beim Helmholtz-Institut in Rossendorf. Thema war der Bundeswettbewerb um zwei Großforschungsinstitute, die in den Kohlerevieren angesiedelt werden sollen. Görlitz ist als Standort interessant, einige Bewerber waren bei Herrn Ursu zum Gespräch. Der OB hofft, dass eine Forschungseinrichtung oder ein Teil davon an die Neiße kommt.

Dauerbrenner in der Lokalzeitung: Roberto Petrucci, die Spettmanns und Görlitzer Schrottimmobilien. Mehrere Gebäude wurden zuletzt von den Spettmanns im Namen des ominösen Römers ersteigert. Darunter die Bahnhofstraße 54. Als am 19. Mai der Verteilungstermin anstand, fehlte der Nachweis für die Überweisung der Kaufsumme. Es folgten wilde Spekulationen, wonach im Falle eines Betrugs die Stadt Görlitz auf den Kosten für Sicherungsmaßnahmen sitzenbleibt. Im Stadtrat klingt es eher nach Happy End: Der Betrag sei am 18. Mai an die Landesjustizkasse überwiesen worden. Die Summe soll nun an die Gläubiger gezahlt werden. Damit wären die Forderungen der Stadt Görlitz komplett ausgeglichen. Selbst wenn nicht gezahlt worden wäre: Die Stadt hätte dennoch Zugriff auf das Objekt behalten, erläutert uns ein Mitarbeiter. Paragraf 130 des Zwangsversteigerungsgesetzes regelt, in welcher Reihenfolge nach einem Zuschlag Eintragungen in einem Grundbuch erfolgen.

 

Fragestunde für Bürger

Die Bürgerfragestunde verliert an Anziehungskraft. Ende April gab es gar keine Frage. Jetzt ist es eine. Zwei Anwohner der Jahnstraße möchten wissen, ob man das Radfahren entgegen der Einbahnstraße an der Ecke Jahnstraße/Hohe Straße prüfen kann. Es sei sehr gefährlich für alle Seiten. Sie zweifeln generell an, dass solche Regeln gut für die Sicherheit seien. Bürgermeister Michael Wieler sagt, dass das keine Görlitzer Erfindung ist. Bundesweit wird Radverkehr gefördert, auch indem Radler einen Vorrang bekommen und Einbahnstraßen in beiden Richtungen nutzen können. Diese Lösungen wurden bislang positiv durch eine Verkehrskommission bewertet. Er sagt zu, den konkreten Hinweisen nachzugehen.

 

Fragestunde für Stadträte

Für die geplanten Baugrundstücke an der Ladenstraße in Weinhübel wird es komplizierter als gedacht. Wir erfahren, dass die Landestalsperrenverwaltung (LTV) Einwände erhoben hat. Es wird erwartet, dass künftig deutlich mehr Wassermengen bei Hochwasser auftreten. Am konkreten Standort wären es 80 Zentimeter bei einem sogenannten HQ100-Ereignis. (Das ist ein ziemlich hohes Hochwasser.) Es werden nun Maßnahmen diskutiert, um dennoch die Pläne umsetzen zu können. Kommwohnen als Eigentümerin hält daran fest, dass dort gebaut werden soll. Bis Jahresende veröffentlicht die LTV die neuen Modelle. Bis dahin wird es wohl keine Baugenehmigungen geben.

Der traurige Zustand der Stadtmauer an der Altstadtbrücke wird sich erstmal nicht verändern. Es gibt keine Fördermittel und im Haushalt klafft bereits ein riesiges Loch.

Zum Schlachthofgelände gibt es keine Neuigkeiten. Das Verkehrswertgutachten ist noch nicht fertig. Erst auf dessen Grundlage gibt es konkrete Verhandlungen zwischen dem Besitzer und dem bislang anonymen Kaufinteressenten. Für das Nostromo besteht derzeit keine akute Gefahr, so Bürgermeister Wieler.

Die Bürgerbeteiligung zum Verkehrskonzept wird wohl kleiner ausfallen als erhofft. Da es bislang keine Fördermittel für ein ausgewachsenes Format gibt, soll es „normale“ Beteiligungsveranstaltungen geben. Darüber „will man sich in der zweiten Jahreshälfte Gedanken machen.“

Ein Verkauf der Waage auf dem Untermarkt steht nicht zur Debatte. Bürgermeister Wieler erteilt einer solche Anfrage eine Absage – selbst wenn die Haushaltslage angespannt ist. Die Historie des Hauses sei zu wichtig. Das Rathaus möchte für das Gebäude eine Perspektive entwickeln, die langfristig trägt.

Wir haben auch ein paar Fragen. Jana Krauß möchte, dass der OB in öffentlicher Sitzung erklärt, warum die beschlossenen drei Millionen Euro für den Neubau der Oberschule nicht im aktuellen Haushaltsentwurf stehen. Der Beschluss vom April lautete: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, drei Millionen Euro für die Umsetzung ‚Bau einer neuen Oberschule‘ in das Haushaltsjahr 2023/24 einzustellen.“ Warum die Millionen nicht im Etat stehen, begründet der OB so: „Jetzt behandeln wir den Doppelhaushalt 21/22. Um es im Haushalt 21/22 sichtbar zu machen, hätte man einen Antrag stellen müssen auf Einstellung der Gelder in die mittelfristige Planung. Sie können das in der Haushaltsverhandlung nochmals tun. Sie kennen aber meine Position. Es würde uns nicht viel weiterbringen. Die Zahlen im Haushalt sehen auch nicht gut aus. Das würde die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts nicht verbessern, wenn wir das ZUSÄTZLICH aufnehmen. Überlegen Sie deshalb gut, ob Sie das machen wollen.” Eine verräterische Aussage. Sie macht klar, dass der OB einen mehrheitlich gefassten Beschluss mit einem billigen Auslegungstrick kassiert hat. Was unsere Fraktion davon hält, steht in einer Stellungnahme (https://fraktion-motor-gruene.de/wo-sind-die-oberschul-millionen/)

Andreas Kolley erkundigt sich neuerlich, wann wir endlich die Strandpromenade widmen wollen, um den Anrainern in Deutsch Ossig Baurecht zu ermöglichen. Zuvor sollte es einen Testbetrieb mit Parkscheinautomaten geben. Corona verhinderte das. Bürgermeister Wieler verweist darauf, dass im Technischen Ausschuss eine Variante vorgestellt wurde, wie die Strandpromenade künftig gestaltet werden soll. (Hier stehen wir mal wieder vor einem Dilemma. Da solche Informationen in letzter Zeit in nichtöffentlichen Sitzungen gegeben werden, darf ich nichts darüber erzählen. Transparenz?) Die Verwaltung möchte sich nun im Komplex mit den Fragen Parken und Widmung beschäftigen. Im übernächsten Technischen Ausschuss sollen wir informiert werden. Ich hoffe öffentlich.

Ich bringe eine Frage von Bürgern ein, die sich nach dem Fortgang der Arbeiten auf dem Senckenberg-Campus (Bahnhofstraße/Jakobstraße) erkundigt haben. Es sei lange nichts vorangegangen, heißt es. Die Verwaltung kann dazu keine Informationen geben, da es sich um eine sächsische Baustelle handelt. Eine Antwort wird nachgereicht.

Große Begeisterung gab es in der vergangenen Woche für das Kunstwerk an der Schenckendorff-Sporthalle. Es zeigt die Görlitzer Fußballstars Dixie Dörner und Michael Ballack bei der Arbeit. Da es Fragen gibt, ob man nicht weitere Görlitzer Sportler verewigen kann, gibt es Erläuterungen vom Rathaus. Beim Dörner-Ballack-Bild handelt es sich um temporäres, gestiftetes Kunstwerk. Anlass ist die Aufnahme der beiden Fußballer in die Hall of Fame. Das Wandbild hat inklusive Anbringung 10.000 Euro gekostet (da gestiftet keine Belastung für die Stadtkasse). Es wird in dieser Qualität etwa ein Jahr halten. CDU-Mann Matthias Urban, von dem heute nochmals die Rede sein wird, regt eine Arbeitsgruppe an, die verdiente Sportler auswählt. (Im Fraktions-Chat meldet Kollege Andreas Kolley Ansprüche auf ein eigenes Bild an. Er sei ein passabler Billard-Spieler, schreibt er. Er braucht nur einen passenden Ort. Danilo Kuscher schlägt direkt den Dicken Turm vor. Brüller.)

Wir kommen zu den Beschlüssen:

Spende für Davidstern

Wir nehmen dankbar eine Spende in Höhe von 70.000 Euro an. Sie ist offiziell „anonym“. Herzlichen Dank an alle, die ehrlichen Herzens Geld gespendet haben.

Görlitz tritt Gleichstellungscharta bei

Um es vorwegzunehmen: Dieses Abstimmungsergebnis ist ob der Zusammensetzung des Görlitzer Rates eine Sensation. Mit 18:17 Stimmen entscheidet sich der Stadtrat für den Beitritt von Görlitz zur „Europäischen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene“. Es ist ein Sieg der guten Argumente. Die Gleichstellungsbeauftragte Katja Knauthe kämpft wie eine Löwin und fragt die Skeptiker in den Reihen von CDU und AfD: „Welche Nachteile gehen davon aus?“ Auch der OB und die frisch gekürte Familienbeauftragte Ines Mory unterstützen das Vorhaben. Worum es geht, erklärt Geburtstagsfrau Kristina Seifert in einem Statement: „1.700 Kommunen in 35 Ländern sind der Charta seit 2006 beigetreten. Warum sollten wir das nicht tun? Weil wir nicht sicherstellen wollen, dass es gleichen Lohn bei gleicher Arbeit gibt? Weil wir keinen Handlungsrahmen für die Schaffung von mehr Gleichheit auf kommunaler Ebene benötigen? Weil es bei uns keine geschlechtsbezogenen Entgeltunterschiede gibt und wir in Politik und Wirtschaft ausreichend durch Frauen repräsentiert sind? Oder vielleicht existiert hier kein starres, in Familie, Medien, Arbeitswelt und Bildung herrschendes Stereotypdenken, welches die Ungleichheiten verstärkt?  Das sind nur wenige Beispiele für Bereiche, in denen wir Handlungsbedarf sehen. Als Kommune stehen wir den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten und können daher unmittelbar Maßnahmen ergreifen, die zu einer Verbesserung der Gleichstellung von Frauen und Männern führen. Wir würden von der Charta profitieren, die Aktions-Pläne ermöglichen uns eine Verbesserung des Ist-Zustandes sowie eine Beteiligung an einem Evaluationsprozess, um unsere Fortschritte zu beurteilen.“

Erwartungsgemäß gibt es sehr viel Gegenwind von rechts. Der Fraktionsvorsitzende der AfD fühlt sich an seinen Polit-Unterricht bei der NVA erinnert und möchte den Görlitzern Angst einjagen. „Diese Charta ist gefährlich.“ Aha. Sehr ausführlich begründet danach CDU-Stadtrat Urban seine Ablehnung. Es sei einfach zu viel zu tun, als dass wir uns jetzt mit einem Aktionsplan für Gleichstellung beschäftigen können. Zu wenig Personal. Zu wenig Geld. Sanierung und Bau von Schulen und Feuerwehr, die Anschaffung neuer Straßenbahnen, die Kosten für den ÖPNV insgesamt, das Ziel einer klimaneutralen Kommune bis 2030 – all das wird aufgeführt, um den Beschluss zu verhindern. Dass der Israel-Palästina-Konflikt und die unklare Situation der Deutschen Fußballnationalmannschaft vor der EM nicht ebenfalls angesprochen wurden, enttäuscht mich etwas. Am Ende ist es Urbans CDU-Fraktion, die die Abstimmung entscheidet. Einzelne Mitglieder haben eine eigene Meinung zum Thema. Und so kommt es zum sehr überraschenden Beitritt von Görlitz zur Charta. 18 x Ja, 17 x Nein, 2 Enthaltungen.

Neue Beiträge für Kita & Co.

Solche Beschlüsse fasst niemand gern. Die Elternbeiträge für Krippe, Kita und Hort müssen erhöht werden. Finanziert wird die Kinderbetreuung grundsätzlich durch den Freistaat Sachsen, die Stadt Görlitz und die Eltern. Zur prozentualen Beteiligung der Eltern gibt es eine rechtliche Vorgabe des Freistaates:

– Krippe (inkl. Kindertagespflege): mind. 15 bis 23 Prozent

– Kindergarten: mind. 15 bis 30 Prozent

– Kinder im letzten Kindergartenjahr und Hortkinder: max. 30 Prozent

Weil der alte Stadtrat 2019 (aus wahltaktischen Gründen?) keine Anpassung der Beiträge beschloss und die Kosten in den letzten Jahren explodiert sind, ist Görlitz bei den Krippen bereits unter die Mindestbeteiligung gerutscht (2019 lag der Elternanteil nur noch bei 14.9 Prozent). Hinzu kommt die Haushaltslage. Dementsprechend lautet das vorgegebene Ziel der Verwaltung: Eine Million Euro zusätzliche Einnahmen sollen erzielt werden. Dafür werden die Elternbeiträge neu festgesetzt. Grundlage ist die bereits 2017 beschlossene prozentuale Beteiligung an den Betriebskosten (20% Krippe/27% Kita/27% Hort). Dieser Ansatz wurde am Tag vor der Stadtratssitzung von einer Mehrheit im Verwaltungsausschuss auf 19/30/30 verändert (Beobachter vermuten, dass es eine Mehrheit aus CDU und AfD war – aber auch hier handelte es sich um eine nichtöffentliche Sitzung). Die Fraktion „Bürger für Görlitz“ bringt einen Alternativvorschlag ein: 17/28/30. Das deckt sich stark mit der Intention unserer Fraktion, die Beiträge für Krippenplätze nicht ganz so stark zu erhöhen. Jana Krauß erklärt in ihrem Beitrag: „Eine Erhöhung bei den Krippenplätzen trifft besonders diejenigen, die dabei sind, eine Familie zu gründen. Das sind die jungen Eltern, die wir gern hierbehalten wollen. Sie haben ohnehin durch Corona einen schweren Stand. Es ist klug, dass im Beschluss Prozente angegeben werden. Damit haben wir die Möglichkeit, jedes Jahr auf Grundlage einer Betriebskosten-Abrechnung nötige Anpassungen vorzunehmen. Damit gibt es keine so großen Sprünge mehr.“ Gleichzeitig holen wir das Thema aus der politisch aufgeheizten Haushalts-Diskussion heraus. Die ist auch diesmal zu verfolgen. Der Stadtrat verhakt sich. Linke wollen gar keine Kita-Beiträge, AfD eiert rum. Die CDU möchte den Beschluss des Verwaltungsausschusses umsetzen und das Maximum herausholen. Am Ende gibt es weder für den Vorschlag aus dem VA (20/30/30) noch für den der BfG (17/28/30) eine Mehrheit. OB Ursu ruft eine Pause aus und wirbt um einen Kompromiss. Dieser sieht so aus: Krippe 18%, Kita 29%, Hort 30%. Ein bisschen wie auf dem Basar, nicht wirklich eine Sternstunde aufgeräumter Stadtratsarbeit – aber eben ein Abbild gelebter Willensbildung in einer öffentlichen Sitzung. Eine große Mehrheit stimmt dem Kompromissvorschlag zu. Nächster Schritt: Die Satzung der Elternbeiträge wird im Juli mit den neuen Beiträgen beschlossen. Danach tritt sie zum 1.1.2022 in Kraft. Was heißt das in Zahlen? Wie viel kostet die monatliche Betreuung und wie hoch ist der Anstieg?

Krippe (9h): 231,85 €, Erhöhung um 40,46 €

Kiga (9h): 155,64 €, Erhöhung um 36,39 €

Hort (6h): 86,94 €, Erhöhung um 17,18 €

Die Absenkungssätze für Alleinerziehende und Geschwister bleiben bestehen. Wichtig zu wissen: Für Eltern mit wenig Geld springt das Sozialamt ein und übernimmt die Gebühr bzw. Teile davon. Dennoch ist es ein harter Beschluss, da er die Kosten auf einen Schlag enorm anhebt. Insofern macht es Sinn, regelmäßig die Gebühren an die Betriebskosten anzupassen.

Umrüstung Parkscheinautomaten auf GPRS

Dieser Beschlussantrag steht sinnbildlich für den Umgang des Rathauses mit Zukunftsthemen, aber auch mit seinem Stadtrat. Wir sollen 68.000 Euro vorzeitig freigeben, um unsere Parkscheinautomaten mit einem neuen GPRS-Modul auszustatten. Zur Begründung heißt es: Ein Großteil der derzeit 75 im Einsatz befindlichen Parkscheinautomaten wurde im Jahr 2002 beschafft. Die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung liegen bei etwa 700.000 € pro Jahr. Alle Parkscheinautomaten sind über Mobilfunknetz mit einem Steuerrechner vernetzt. Hierfür wird

das Datenübertragungsverfahren Circuit Switched Data (CSD) genutzt, welches zum Jahresende 2020 von den Mobilfunkprovidern aufgekündigt wurde. Damit kann der Parkscheinautomat nicht mehr mit dem Zentralrechner kommunizieren. Ist er voll oder defekt, merkt es niemand. Deshalb hat man zuletzt bereits Mitarbeiter der Stadtverwaltung für Kontrollfahrten eingesetzt. Abhilfe schaffen sollen Ersatzteile, mit denen die Automaten auf das Datenübertragungsverfahren General Packet Radio Service (GPRS) umgerüstet werden. Auch ein ganz alter Standard, der aber ausreicht und noch einige Jahre seinen Dienst tun soll, laut Netzbetreibern.

Über 900 Euro pro Ersatzmodul?  Unser Technik-Spezialist Danilo Kuscher fragt nach, ob man das nicht günstiger lösen kann. Im Internet finden sich Platinen zum Einbau für knapp 15 Euro. Geht nicht, sagt die Verwaltung. Es handelt sich um spezielle Ersatzteile für Parkscheinautomaten. Anderes könne man nicht verbauen. Kann es eine Kooperation mit den Stadtwerken geben? Die SWG betreiben ein eigenes Netz (LoRaWAN), das sich eignet, um Maschinen auszulesen und mit dem man auch Sensoren für eine Parkraumsteuerung einführen könnte. Wieder eine negative Auskunft von der Verwaltung: LoRaWAN decke nicht alle Gebiete ab, in denen Parkscheinautomaten stehen. Dann wird Druck aufgebaut. Es seien nur noch sehr wenige Ersatzteile verfügbar, erklärt uns die Verwaltung. Es geht um wenige Tage und Wochen, sonst gehen wir leer aus. (Ich hoffe, dass der zuständige Verwaltungsmitarbeiter nicht auf diesen Trick hereinfällt, wenn er seinen nächsten Urlaub bucht.) Alles nicht so richtig überzeugend. Zumal der Technische Ausschuss, als zuständiges Gremium für TECHNISCHE Lösungen gar nicht beteiligt wurde. Und obwohl die Thematik seit Mitte letzten Jahres im Rathaus bekannt war, gab es dazu keine Infos in den Ausschüssen. Nun, kurz dem angeblichen Ausverkauf aller Ersatzteile, wird mal wieder Druck gemacht. Kein feiner Umgang mit dem Stadtrat, aber leider fast schon Alltag. Danilo Kuscher stellt den Antrag, den Beschluss in die Ausschüsse zurückzuverweisen. Das hat keine Chance. Die große Mehrheit des Stadtrates möchte die 68.000 Euro in die alten Automaten sofort investieren. Geld, das für die bevorstehende Neuanschaffung von Parkgeräten fehlen wird.

Geld für Ortschaften und Stadtteile

Keine großen Diskussionen gibt es beim folgenden Beschluss. Aus dem Pauschalengesetz 2021 (was es nicht alles gibt) verteilen wir 70.000 Euro. 30.400 Euro werden für die Errichtung des Bürgerhauses Schlauroth verwendet. Dort sind die Baukosten gestiegen und der Eigenanteil an der Förderung erhöht sich entsprechend. Insgesamt 26.400 Euro teilen sich die Ortschaften Hagenwerder, Kunnerwitz und Ludwigsdorf auf (entsprechned Einwohnerzahl). Die städtischen Beteiligungsräume bekommen insgesamt 13.200 Euro. Das kommt obendrauf zu den Pro-Kopf-Zuweisungen, die die Bürgerräte verantworten.

Finanzielle Sicherheit für GVB

Das Beste zum Schluss: Die Görlitzer Verkehrsbetriebe werden auf finanziell sichere Füße gestellt. Es erfolgte eine Neuberechnung der „Sollkostenprognose“. Das ist vereinfacht gesagt eine Kalkulation bis 2028, die angibt, wieviel Geld die GVB benötigt, um den Nahverkehr in Görlitz zu betreiben. Davon gehen die Einnahmen der GVB ab. Das Delta schließt die Stadt. Für 2021 sind 3,1 Millionen Euro im Haushalt darzustellen. Noch bei der Gründung der Gesellschaft ging die Stadt davon aus, dass man mit rund 1,8 Millionen Euro pro Jahr auskommt. Hat ja beim Vorgänger VGG auch gereicht. Nur: Die VGG gehörte zum Veolia-Konzern. Viele Tätigkeiten, die die VGG im Rahmen dieser Struktur auslagern konnte, muss die GVB mit eigenem Personal selbst leisten. Hinzu kam ein Kaputtsparen der Infrastruktur. Es war dem Stadtrat offensichtlich nicht wichtig, in Gleisanlagen, Fahrzeuge, Haltestellen und Automaten zu investieren. Die Folgen sind überall sichtbar. Wer mehr als zehn Jahre einen Investitionsstau verursacht, darf sich über die hohen Folgekosten nicht beschweren.

Wir sehen unseren Nahverkehr auf einem guten Weg. Die Beschaffung neuer Niederflur-Stadtbahnwagen ist angeschoben, der Auftritt des Unternehmens positiv, ab August gibt es wieder die geliebte 4-Fahrten-Karte und mit etwas Glück wird ein großer Förderantrag für nötige Investitionen genehmigt, der den ÖPNV in Görlitz spürbar verbessern wird. Unser Dank geht an den kürzlich ausgeschiedenen Geschäftsführer Andreas Trillmich und das gesamte Team, die (nicht nur wegen Corona) unter sehr schwierigen Bedingungen einen erstklassigen Job gemacht haben. Bei fünf Enthaltungen der AfD wird der Beschluss einstimmig angenommen.

So endet diese Stadtratssitzung sehr positiv. Mit dem frühen Feierabend wird es freilich nichts. Die gelebte Demokratie fordert zeitlichen Tribut. Nach knapp fünf Stunden treten um 21 Uhr die Stadträte ihren Heimweg an.

 

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#16: 25.2.2021

Die Tagesordnung der Stadtratssitzung liest sich unspektakulär. Kein Kaufhaus, keine Oberschule, kein Nostromo. Die Knallerthemen fehlen. Und doch wird es eine bemerkenswerte Veranstaltung, die uns sehr viele Stellen aufzeigt, in denen es in Görlitz schon recht stark müffelt. Wo die Säge klemmt. Wir „Herausforderungen“ haben.

Haushalt hinter verschlossenen Türen

Die Aufregung beginnt für unsere Fünfer-Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne bereits weit vorher. Auslöser ist eine Sitzung des Verwaltungsausschusses am 17. Februar. Im nichtöffentlichen Teil informiert OB Ursu über die Eckdaten des Haushaltes 2021/22 und erste Einsparvorschläge der Verwaltung. Wir fragen uns, warum eine solch wichtige Information nicht öffentlich im Stadtrat vorgetragen wird, wie es die Sächsische Gemeindeordnung vorsieht? Eine entsprechende Bitte von uns lehnt der Oberbürgermeister ab. Daraufhin wollen wir im Stadtrat einen Antrag stellen, der uns von der Verschwiegenheit entbindet. Geht aus formalen Gründen nicht, erklärt uns das freundliche Rechtsamt fünf Minuten vor der Sitzung. Es fehlt ein passender Tagesordnungspunkt. Außerdem sei es völlig unüblich, so früh die Öffentlichkeit zu informieren. Zunächst würden Verwaltung und Stadtratsfraktionen hinter verschlossenen Türen gemeinsam Eckpunkte erarbeiten, erklärt uns der OB später in der Fragestunde. Nach unserer Auffassung untergräbt dieses Vorgehen die Beteiligung der Öffentlichkeit. Der Oberbürgermeister hat einen Haushaltsentwurf vorzulegen, inkl. Finanzplan bis 2025 und Investitionsplan. Das wird öffentlich ausgelegt, die Bürgerschaft gibt Anmerkungen und macht Vorschläge. Und erst dann beginnen die eigentlichen Haushaltsverhandlungen. Wenn das vorher schon alles weitestgehend „ausgehandelt“ ist, hat die Bürgerschaft wenig Chancen, das Konsenspaket nochmal zu öffnen. Wir werden auch weiterhin versuchen, das vom Gesetzgeber gewollte Öffentlichkeitsprinzip durchzusetzen.

 

Nun zur eigentlichen Sitzung: Eine nicht ganz unwichtige Vorlage muss bereits zum zweiten Mal runtergenommen werden. Der Vergabebeschluss für den Bau der Blockhausbrücke. Es gibt Schwierigkeiten mit dem Vergabeverfahren. Dadurch drohen weitere Zeitverzögerungen.

Weiteres Leuchtturmprojekt?

Es folgen Informationen zum sogenannten „Experimentierhaus“. Dieses hatte vor einem Jahr die CDU angeregt. Der OB sollte prüfen, ob man nach dem Vorbild von IQ-LANDIA Liberec und Technorama Winterthur einen ähnlichen Anziehungspunkt zum Lernen, Forschen und Staunen in Görlitz hinbekommen kann. Die konzeptionelle Arbeit wurde von der Hochschule Zittau/Görlitz übernommen. Vielen Dank für die große Kooperationsbereitschaft, denn auch schon bei Herrn Ursus Projekt „Filmakademie“ leistet im Wesentlichen die Hochschule die inhaltliche Arbeit.  Vorgestellt wird eine erste Konzeption von der Prorektorin Forschung Prof. Sophia Keil, die ein schönes Eingangsstatement gibt: „Unsere Zukunft liegt in den Händen der Kinder und die Zukunft der Kinder liegt in unseren Händen.“ (Das merken wir uns für später.) Einbetten soll sich das Experimentierhaus in einen Oberlausitzer Zukunftslernort mit zentralen und dezentralen Werkstätten für 13- bis 20-Jährige. Ins Gesamtkonzept fließt jetzt das „Experimentierhaus“ ein. 2023 könnte man in die Umsetzungs- und Bauplanung einsteigen. Der Hochschule schwebt ein futuristischer Neubau am Hochschulcampus an der Neiße vor, der Signalfunktion hat. Inhaltlich sollen die MINT-Fächer ein Schwerpunkt sein, es aber auch Angebote entlang der Hochschul-Studienfächer und der Filmakademie geben. Der Knackpunkt wird die Finanzierung. Wenn eine fundierte Planung mit Inhalten, Marktanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung sowie Erschließung von Finanzierungsquellen vorliegt, kann man sich intensiv damit auseinandersetzen. Ich verstehe jeden, der mit einem weiteren Leuchtturmprojekt fremdelt, während wir in Görlitz den Neubau einer dringend benötigten Oberschule nicht hinbekommen. Aber bleiben wir einfach optimistisch.

Nostromo vor der Rettung

Dass hin und wieder Wunder geschehen, eröffnet uns Bürgermeister Michael Wieler bei seinem Bericht zur Situation auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofes. Dort gab es ja die traurige Nachricht, dass dem Nostromo gekündigt wurde. Nachdem das Thema in den sozialen Medien durch den Schall & Rauch e.V. als Nostromo-Betreiber bekannt gemacht wurde, hat sich nun ein „Gönner“ gemeldet. Es liegt eine schriftliche Bereitschaftserklärung vor, das Gelände zu kaufen, der Stadt ein Vorkaufsrecht einzuräumen und dem Nostromo einen Nutzungsvertrag anzubieten. Das ist eine wunderbare Nachricht, die hoffentlich zu einem Happy End in dieser Angelegenheit führt. Das Nostromo-Team und seine vielen Unterstützer haben unter Beweis gestellt, dass es hilft, die Öffentlichkeit einzubeziehen.

Ebenfalls positiv: Herr Wieler hat nunmehr auch mit potenziellen Partnern über seine Idee gesprochen, auf dem Schlachthofgelände ein „Zivilschutzzentrum“ zu entwickeln (nachdem diese aus der Zeitung davon erfuhren). Landkreis und DRK haben demnach ihr Interesse erklärt. Auch hier steht und fällt aber alles mit der Finanzierung.

Gift für Tourismus

Die Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH ist in Görlitz für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Stadtmarketing zuständig. Die Geschäftsführerin Andrea Behr berichtet uns über die aktuelle Lage. Die Gästezahlen sind durch Corona 2020 um 40% eingebrochen. 2021 wird es nicht viel anders aussehen. Dadurch ist Görlitz auf den Stand von 2012 zurückgeworfen worden (Sachsen gar 2010). Das schlägt ins Kontor. Die EGZ hat errechnet, dass jeder Übernachtungsgast rund 130 Euro in der Stadt lässt. Tagesgäste im Schnitt 24 Euro. Fasst man alles zusammen, bescherten Touristen den Görlitzer Gewerbetreibenden 102 Millionen Euro Umsatz im Rekordjahr 2019.

Gewerbeflächen fast ausgebucht

Wirtschaftlich macht uns Andrea Behr Mut. Es gibt anhaltend viele Nachfragen von ansässigen Firmen, die sich erweitern wollen und von Unternehmen, die auf Standortsuche sind. 45 Ansiedlungsgespräche laufen derzeit. Wir brauchen Geduld, denn es vergehen nicht selten drei bis vier Jahre von der Anfrage bis zum Produktionsstart, wie z.B. bei Yellow Tec, wo es im vierten Quartal losgehen soll. Auch mit dem Zoll ist man seit vier Jahren im Gespräch. Jetzt schlägt die Bundesbehörde zu und siedelt sich im fast schon dem Tode geweihten Gewerbegebiet Nord-Ost in Klingewalde an. Stichwort Gewerbegebiete: Görlitz gehen die Flächen aus, fast alle Zipfel sind verkauft, auch in Schlauroth wird es bald voll sein. Heißt für uns: Neue Gewerbegebiete entwickeln gemeinsam mit anderen Kommunen, denn der Stadt Görlitz fehlen einfach Flächen. In jedem Fall braucht es dafür Geld im Haushalt, denn ohne Eigenmittel lässt nichts ausrichten.

Unstrukturierter Strukturwandel

Das Geld fehlt auch noch für einen „Nachhaltigkeitsmanager“. Eine Position, die das Ziel „Klimaneutrale Stadt“ koordiniert. Ein Förderantrag wurde jüngst abgelehnt, nun ist die EGZ auf der Suche nach weiteren Finanzquellen. Eine der heißesten Quellen ist der gut gefüllte Fördertopf für den „Strukturwandel“. In anderen Kommunen der Region gibt es bereits Koordinatoren, die nur dafür zuständig sind. In Görlitz hat die EGZ die größte Expertise und gute Kontakte, aber es fehlt bislang jede Struktur in der Stadtverwaltung. Wir erfahren, dass seit wenigen Tagen ein Koordinierungskreis für den Strukturwandel eingerichtet wurde. Das ist fast schon fahrlässiger Umgang mit Fördergeldern. Spätestens mit Veröffentlichung der begleitenden Förderprogramme zum Kohleausstieg hätte dieses Thema Chefsache sein müssen. Nun hoffen wir, dass nach dem sehr späten Start mit Volldampf gearbeitet wird. Der OB ist offenbar noch nicht warmgeworden mit dem Thema. „Wir ordnen die Anträge, die da sind“, ist seine Antwort auf meine Frage nach einer strategischen Koordination.

Unklarheit zur See GmbH

Ebenso unbefriedigend ist die Antwort von Herrn Ursu auf die Frage meines Kollegen Andreas Kolley. Nachdem Frau Behr das Thema Entwicklung des Berzdorfer Sees nur streift, möchte er vom OB wissen, ob er denn wie beschlossen im März seine angekündigte See GmbH vorstellt.  Antwort: „Wir arbeiten daran. Wenn alles klappt, bekommt es der Stadtrat im März vorgestellt. Wenn nicht, dann später.“ Es geht hier um einen gefassten Beschluss mit klarer Terminsetzung 1. Quartal. Der OB scheint das nicht sonderlich ernst zu nehmen.

Stress auf dem Wochenmarkt

In der Bürgerfragestunde brennt auch der Baum. Ein Imbissanbieter vom Wochenmarkt beklagt sich über die neuen Betreiber (Deutsche Marktgilde). Die Standmiete wurde von 35 Euro auf 60 Euro erhöht (die Stadt hat darauf keinen Einfluss). Bei schlechterem Service als unter Francois Fritz. So muss das Wasser jetzt von zuhause in Eimern mitgebracht werden. Der Gang zur Toilette ist auch eine kleine Weltreise und führt bis ins City Center. Echauffiert wird sich darüber im Stadtrat ausgerechnet von der AfD, die überhaupt erst Unruhe in die Wochenmarkt-Betreibung gebracht hat. Hoffentlich geht nach 20 Jahren Frieden nicht wieder der Dauerzoff auf dem Markt los.

Bürgermeister findet Containerlernen okay

Dann geht es um die Frage der Familienfreundlichkeit. Ein junger Vater schätzt ein, dass der unter Siegfried Deinege eingeschlagene Weg der familienfreundlichen Stadt verlassen wird. Aus seiner Sicht ist die geplante zeitliche Verschiebung des geplanten Neubaus einer Oberschule auf dem Schlachthofgelände (Richtung Rauschwalder Straße) nun die „Krönung“. Bereits jetzt seien die Schulen überlastet, müssen Kinder in Containern lernen. Er fragt nach den Prioritäten: „Wir kommen unseren Pflichtaufgaben nicht nach und bauen stattdessen eine Stadthalle?“ Erwartungsgemäß beschwichtigt OB Ursu. Man wolle weiterhin die Oberschule, der Bau werde nur etwas nach hinten geschoben. Wie viele Jahre sind eigentlich „etwas“? Bürgermeister Michael Wieler wiederum geht auf das Thema Container ein, die er als gar nicht so schlimm empfindet. „Die Container haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch. Ich will das nicht schönreden, aber man kann hier guten Gewissens von einem soliden Raumangebot sprechen.“

Ich frage an anderer Stelle bei Herrn Wieler nach, wie er denn zu einem solchen Sinneswandel kommt. Noch vor einigen Monaten wurden Container für die Zeit der Sanierung der Grundschule in Königshufen von Herrn Wieler und dem Schul- und Sportamt abgelehnt. Aus der Elternvertretung wurde mir das Zitat übermittelt: „Im Winter sehr kalt, im Sommer sehr heiß, der Boden ewig dreckig. Das ist unzumutbar für Schüler und Lehrer.“ Herr Wieler kann sich nicht erinnern, dass er jemals eine solche Äußerung gemacht habe. Dafür habe ich Verständnis, sein Wortanteil in jeder Sitzung ist sehr hoch. Da haben wir was gemeinsam – auch ich erinnere mich deshalb nicht an jedes Wort.

Im März will die Verwaltung jedenfalls beantragen, den Neubau der Oberschule offiziell zu verschieben. Thorsten Ahrens (Linke) regt eine digitale Bürgerversammlung dazu an, mit Lehrern, Eltern und Schülern der Görlitzer Oberschulen. Yvonne Reich (BfG) schlägt einen Vor-Ort-Termin vor, um sich die Bedingungen in Unterrichts-Containern anzuschauen.

Stöcker-Kaufhaus acht Jahre planlos

Zurück zur Bürgerfragestunde. Da ging es einmal mehr um die Planungen fürs Kaufhaus. Architekt Frank Vater vermisst einen konkreten Bebauungsplan, auf dessen Grundlage man auch mal Argumente austauschen kann. Wir erfahren, dass es keinen solchen B-Plan gibt, da Investor Stöcker bis heute keine konkreten Inhalte zugearbeitet hat, die in einen solchen Plan einfließen könnten. Ist es also das Görlitzer Rathaus, das das Kaufhaus-Projekt ausbremst? Herr Stöcker ist seit 2013 im Besitz des Kaufhauses und hat seitdem keine relevante Planung vorgelegt. Dass er dennoch schon einen Abrissantrag für die Häuser Postplatz 5/6 stellt, ist rechtlich möglich, gibt aber zu denken.

14 Ladesäulen und kein Konzept

Danilo Kuscher (Motor) erkundigt sich in der Fragestunde für Stadträte, wie es mit dem Mobilitäts- und Verkehrskonzept weitergeht, das uns seit vielen Monaten versprochen wird und ob sich Görlitz bemüht, mehr als die derzeit geplanten 14 Ladesäulen für E-Autos hinzubekommen. OB Ursu kündigt für April eine Bürgerversammlung an, in der Elemente aus dem Verkehrskonzept beredet werden können. Das Thema E-Mobilität bekommen wir demnächst im Technischen Ausschuss vorgestellt, aber Bürgermeister Wieler lässt schon durchblicken, dass er die Stadt hier nicht in einer verantwortlichen Rolle sieht. Das liege in unternehmerischer Verantwortung. Mag sein, aber wenn ich mit verschränkten Armen hinterm Schreibtisch sitze, wird sich das Thema nicht allein durch die Wirtschaft lösen. Wo sind die Strategien, die abgestimmten Pläne, die spürbare Lust auf Zukunft?

Kein Wasser für die Strandbar

Motor-Kollege Kolley meldet sich ein weiteres Mal zum Berzdorfer See. Nachdem mit erheblichem Verzug die Gewerbetreibenden in Deutsch Ossig ans Wasser angeschlossen sind, würden wir auch gern am Nordost-Strand einen Anschluss herstellen (z.B. für die Strandbar). Das ist aber nicht möglich, weil die Rohre nur bis zur Toilette am Rande des Nord-Ost-Strandes führen. Richtung Stadt gibt es keine Wasser- und Abwasserleitung. Na, sowas aber auch… Blöd nur, dass es ab Juli neue Richtlinien für Gastronomen gibt, die den Verkauf von Speisen und Getränken in Einweggeschirr untersagen. Ich hätte es prima gefunden, wenn Herr Ursu oder Wieler zumindest erklärt hätten, dass sie sich des Themas annehmen und nach Lösungen suchen.

Trauriger Umgang mit Engagierten

Diese dezente Unlust an Kommunikation und Hilfsbereitschaft bekommt auch Gabi Kretschmer (CDU) zu spüren. Sie ist rührige Unterstützerin des Projektes „Deutsch-Polnische Kinder-Stadt“. In diesem Sommer fällt der Termin mit den Festivitäten „950 Jahre Görlitz“ zusammen. Damit fürchtet Gabi Kretschmer, dass die Ausrichtung im Stadthallengarten nicht möglich ist. Entsprechende Briefe ans Rathaus blieben allesamt unbeantwortet. „Die liegen bei mir“, sagt Bürgermeister Wieler und begründet, dass er noch nicht soweit mit den Planungen sei, um sagen zu können, was geht und was nicht. Das kann passieren. Aber hatte der Bürgermeister keine Zeit für ein Telefonat, eine kurze E-Mail, ein Randgespräch während einer Sitzung, um einer Stadträtin und engagierten Görlitzern zumindest diese Zwischeninfo zu übermitteln? Wie traurig.

Zum Ende der Fragestunde ist es bereits 19 Uhr. Nach einer kurzen Pause geht’s mit den Beschlüssen los, von denen ich einige vorstelle.

Badebetrieb am Berzi gesichert

Wir beschließen die vorzeitige Freigabe von 200.000 Euro für die Badesaison 2021 am Berzdorfer See. Davon werden u.a. Ordnung und Sicherheit bezahlt aber auch die Badeaufsicht. Leider wird mit der Begründung „Corona“ weiterhin die Entwicklung gehemmt. Die Widmung der Straße nach Deutsch Ossig ist nicht in Sicht und damit auch kein Baurecht für Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende. Positive Info: Wahrscheinlich bekommen wir noch im März Informationen zur alternativen Verbindungsstraße nach Deutsch Ossig, die unterhalb der Bahnstrecke verlaufen soll. Dadurch könnten wir den Verkehr von der Promenade entfernen – die Strandstraße stünde somit den Kindern und Familien, den Sportlern und Spaziergängern zur Verfügung. Wir sind gespannt. Bis dahin müssen sich wohl alle mit der Situation der letzten Jahre arrangieren.

Stadtwerke retten Feuerwehr

Mixed Emotions gibt es beim Thema „Neubau eines Feuerwehrhauses Innenstadt“. Wir freuen uns natürlich, dass nun endlich die Kameradinnen und Kameraden der Ortswehren Stadtmitte und Klingewalde/Königshufen ein modernes Domizil bekommen. Es entsteht auf der Cottbuser Straße zwischen Hammer-Markt und der alten Oberschule und reicht bis an die Weiße Mauer. Damit endet ein zwölfjähriger Kampf positiv. Nicht so lustig sind die Kosten und wie sie zustande kamen. In Kurzfassung: Im Brandschutzbedarfsplan 2016 wurde eine Variante mit sechs Stellplätzen (danach richtet sich die Größe) auf 2,4 Mio Euro beziffert. Beim Grundsatzbeschluss zum Bau im Jahr Mai 2019 wurde das Vorhaben bereits mit 2,9 Mio taxiert. Im Haushalt wurden aber lediglich 2,3 Mio eingeplant. Der Neubau kostet nun 4,9 Mio Euro. Einige Kostensteigerungen liegen am größeren Raumbedarf (wegen der erfreulicherweise gestiegenen Anzahl an freiwilligen Feuerwehrleuten) und einer Waschhalle, die neu hinzukam. Es bleibt aber beim unschönen Gefühl, dass von Beginn an in Kauf genommen wurde, dass das geplante Geld nicht reichen wird.

Weil nun rund zwei Millionen Euro im Stadtsäckel fehlen, springen die Stadtwerke Görlitz ein. Sie kaufen Aktienpakete vom 24,9%-Gesellschafter Görlitz zurück, wodurch die Stadt zwei Millionen für die Feuerwehr bekommt. Der zweite Gesellschafter Veolia hält 74,9% der Aktien. Um das Verhältnis zu wahren, muss die SWG auch von Veolia Aktien zurückkaufen – hier im Wert von sechs Millionen Euro. Insgesamt wird durch diese Nothilfe den Stadtwerken also acht Millionen Euro Liquidität entzogen. Aktuell noch nicht dramatisch, erklärt SWG-Vorstand Matthias Block. Aber es ist dennoch schmerzhaft.  Der Aktienrückkauf beeinträchtigt das Geschäft der SWG möglicherweise bei künftigen Kreditaufnahmen. Die Eigenkapitalquote sinkt von 42,6% auf 38,6%. Alarmierend wird es bei unter 35%. Dann würde das operative Geschäft leiden, auch die Gewinnausschüttung wird dann geringer ausfallen. Ob das Modell mit dem Aktienrückkauf rechnerisch überhaupt aufgeht, muss ein Wirtschaftsgutachten ermitteln. Denn maximal zehn Prozent des Gesamtwertes der Aktiengesellschaft können zurückgekauft werden. Der Wert soll nun genau bestimmt werden, erst dann gibt es Sicherheit. Die Stadtverwaltung sieht aber keine Gefahr und verzichtet auf die Anregung von meiner Fraktionskollegin Dr. Jana Krauß, den Beschluss unter einen Finanzierungsvorbehalt zu stellen. Danilo Kuscher und ich kritisieren die unseriöse Haushaltsplanung der Vorjahre, wofür wir Unverständnis ernten. Bürgermeister Wieler erklärt, das sei die Haushaltslogik. Wenn zu knapp geplant werde, liegt das an den Ratsfraktionen, die ihre Projekte unterbringen wollen. (Genau dieses Vorgehen möchte die Verwaltung weiterhin praktizieren – oder warum werden die neuen Haushalts-Eckdaten hinter verschlossenen Türen verhandelt?)

Freuen wir uns aber nun mit den Feuerwehrleuten und wünschen dem Bau gutes Gelingen. So sehen es am Ende alle Stadträte, die geschlossen zustimmen. Ebenso einstimmig wird die Errichtung eines Davidsterns in seiner ursprünglichen Größe auf der Synagoge beschlossen. Die nötigen 70.000 Euro soll der Oberbürgermeister über Förderer oder Sponsoren beschaffen.

Zwischenlösung für Stadtrundfahrten

Ein heiß diskutiertes Thema in der letzten Saison: Wohin mit den Stadtrundfahrten? Nachdem sich die Anbieter am Obermarkt im Wildwuchs vermehrten, musste eingegriffen werden. Leider bevorzugte OB Ursu zunächst einen Alleingang und machte das Kuddelmuddel noch schlimmer. Vorgesehen waren zusätzliche Abfahrtstellen am Untermarkt und Klosterplatz. Auf der abschüssigen Fleischerstraße sollten die Pferdekutschen stehen. Motor Görlitz/Bündnisgrüne forderte daraufhin die Untersuchung von Alternativen. So kam das Thema überhaupt erst in den Stadtrat. Weil die Verwaltung bei ihrer Vorlage blieb und sich die anderen Fraktionen (noch) nicht für unseren „großen Wurf“ erwärmen konnten, alle Anbieter zentral am ehemaligen Busbahnhof Demianiplatz abfahren zu lassen, musste ein Kompromiss her. Diesen fanden wir gemeinsam mit CDU und BfG. Für eine Saison gibt es nun folgende Abfahrtstellen am Obermarkt: Dreifaltigkeitskirche, vor dem Napoleonhaus (wo bislang die Kutschen standen) und vor der Staatsanwaltschaft. Außerdem kommen E-Mobile auf die benachbarte Fleischerstraße und Kutschen an den Kaisertrutz. Diskussionen gab es auch zu den Gebühren. Die Verwaltung wollte die gewerbliche Nutzung der öffentlichen Flächen quasi verschenken. 100 Euro im Monat sollte es maximal kosten. Wir orientierten uns an den Kosten, die andere Gewerbetreibende für die Sondernutzung zahlen müssen und schlugen zunächst einen Euro pro Tag je Quadratmeter Fläche vor. Wegen der schwierigen Lage derzeit gibt es diese Saison einen Einstiegspreis von 70 Cent je Quadratmeter. Kutschen zahlen 14 Cent. Damit kostet der Platz vor der Dreifaltigkeitskirche im Monat gut 1.400 Euro. Klingt viel? Erinnern wir uns an den Händler vom Wochenmarkt. Er zahlt für 25 Markttage 1.500 Euro. Auch jeder Gastronom blecht für Stühle und Tische im öffentlichen Raum. Bislang wurden übrigens gar keine Gebühren erhoben.

Für unsere Fraktion betont Jana Krauß, dass es sich nur um eine Zwischenlösung handelt. Es muss im Sommer wieder auf die Tagesordnung. Es wäre prima, wenn es dann zu einer gemeinsamen Klausur von Verwaltung und Fraktionen zu dem Thema kommt. Eine große Mehrheit befürwortet schließlich den Vorschlag von CDU, BfG und Motor/Grüne, der damit für diese Saison gilt.

Henne oder Ei?

Am Ende des öffentlichen Teils beschäftigen wir uns mit dem AfD-Antrag „Smartphone App für den Innenstadthandel“. Der OB soll beauftragt werden, mit Händlern und Händlervereinen eine AG „Smartphone App für den Innenstadthandel“ zu gründen. Mit dem Ziel, eine solche App konzeptionell zu entwickeln. Unsere Fraktion erkennt die Bemühungen an, den lokalen Einzelhandel zu unterstützen. Allerdings lehnen wir den Antrag ab. Die dezidierte Beauftragung, eine Smartphone App zu entwickeln, würde eine browserbasierte Anwendung ausschließen, die heutzutage deutlich verbreiteter ist. Neben dieser inhaltlichen Unstimmigkeit ist der Antrag abzulehnen, weil es nicht Aufgabe des Oberbürgermeisters ist, einen Arbeitskreis mit Gewerbetreibenden zu bilden, um ein Produkt zu entwickeln, für das es am Markt bereits Anbieter gibt. Auch auf regionaler Ebene findet der Görlitzer Einzelhandel leistungsstarke Partner, die eine Online-Plattform entwickeln und programmieren können. Die eigentlich zu behandelnde Thematik ist ein Digitalisierungskonzept, auf dessen Grundlage ein zeitgemäßer städtischer Internetauftritt entsteht. Unter diesem großen Dach sollen sich Anwendungen wie ein Onlinehandelshaus, Ticketverkäufe, Hotelbuchungen, Gaststättenreservierungen u. ä. finden. Hierfür sind entsprechende gedankliche Vorarbeiten nötig. Einen Antrag dazu hat unsere Fraktion bereits im September 2020 gestellt und auf Wunsch des OB vertagt, um zunächst eine Information zum bisherigen Arbeitsstand in Sachen Digitalisierung von der Verwaltung zu bekommen. Dies ist am 23. Februar erfolgt. Aus den Informationen haben wir entnommen, dass Görlitz in der Tat eine Strategie für digitale Anwendungen benötigt. Entsprechend werden wir unseren Antrag im März wieder einbringen.

Mit diesem Blick nach vorn, bedanke ich mich für die grenzenlose Geduld und ausdauernde Aufmerksamkeit, liebe Leserin, lieber Leser. Bleibt gesund und fröhlich.

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#13: 26.11.2020

2020 neigt sich dem Ende. Viele Themen müssen noch abgearbeitet werden – die Tagesordnung ist entsprechend proper. In unserer Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne wollen wir dem Alltagstrott offensiv begegnen. Eine Maßnahme: Wir verzichten auf Gewohnheit und tauschen Plätze. Ich darf diesmal ganz hinten in unserer 5er-Reihe sitzen. Neue Nachbarn, neue Perspektiven und nicht mehr so weit zum Mikrofon, das wegen der Abstandsregelungen hinter den Sitzreihen steht.

Filmakademie

Die Sitzung beginnt mit einer positiven Information zur Filmakademie. Dahinter verbirgt sich ein Projekt, das sich der Aus- und Weiterbildung für Berufe widmet, die beim Film gefragt sind. Den aktuellen Stand stellt uns Prof. Sophia Keil von der Hochschule Zittau/Görlitz vor. Angestoßen von OB Octavian Ursu konnten mittlerweile zahlreiche Mitstreiter aus der Filmszene gewonnen werden, es gibt offensichtlich großen Bedarf, ausgebildete Leute für die Branche zu qualifizieren. Zum Sommersemester 2021 soll ein erster Kurs starten, wenn die Finanzierung bis dahin steht. „Produktionsassistenz“ heißt der Pilot, Laufzeit sechs Monate, 20 Teilnehmer. Die erworbenen „Credits“ können für ein späteres berufsbegleitendes Studium eingesetzt werden. Weitere Kurse sollen folgen, dann auch im handwerklichen Bereich für Bild, Licht, Ton und Ausstattung. Perspektivisch kann sich die Hochschule dafür ein sogenanntes AN-Institut vorstellen. Gute Sache, passt hervorragend zu Görlitz als Filmstadt.

Helenenbad

Im Juli hatte unsere Fraktion beantragt, dass dem Stadtrat verschiedene Varianten für den Weiterbetrieb des Helenenbades vorgestellt werden. Erinnern wir uns: Der bisherige Betreiber AUR hatte sein Ende signalisiert, Kommwohnen sollte als städtische Gesellschaft den Betrieb übernehmen – so war es den Medien zu entnehmen. Ein richtiger Zeitpunkt, um generell zu überlegen, wofür wir das Areal langfristig nutzen wollen. Die Verwaltung stellte drei Alternativen vor. Wird das Helenenbad so weitergeführt wie bisher, also als Mehrzweckfläche mit Kinderbadelandschaft, braucht es wohl einen Zuschuss von ca. 100.000 Euro pro Jahr. Präsentiert wurden auch voraussichtliche Kosten für eine Revitalisierung als Schwimmbad. Zwischen 2,8 und 3,7 Millionen Euro würde eine Neuerrichtung kosten. Hinzu kämen allein für den technischen Betrieb ca. 200.000 Euro plus Personal. Illusorisch, wenn man die Krise und deren Auswirkungen auf die Finanzen von Görlitz in den kommenden Jahren realistisch betrachtet . Aber was sind die Alternativen?

Dafür liegen erste Pläne von Kommwohnen und der Chancenwerkstatt, einer gemeinnützigen UG mit Sitz in Markersdorf vor. Kommwohnen hat allerdings bereits signalisiert, dass ein wirtschaftlicher Betrieb nicht möglich sei. Man würde auch perspektivisch die Kinderbadelandschaft an den Berzdorfer See verlagern wollen. Überhaupt wäre es besser, so Dr. Wieler, man fände einen gemeinnützigen Träger, schon wegen der Übernahme des Eigentums im Helenenbad. Wie von Zauberhand liegt uns ein Konzept der Chancenwerkstatt gUG vor. Erhalt des jetzigen Angebotes, Sportflächen, stärkere Nutzung für Open Airs, ein Bed & Bike-Angebot, Schullandheim im Grünen als Zeltlager. Angestrebt wird eine enge Zusammenarbeit mit dem Jobcenter, damit junge Arbeitslose über Qualifizierungsmodelle im Helenenbad praktisch tätig werden können.

Herzlichen Dank an alle Beteiligten, die an der Erarbeitung der Varianten beteiligt waren. Die Verwaltung favorisiert das Modell der Chancenwerkstatt. Damit werden sich nun die Ausschüsse beschäftigen. Anschließend hoffe ich, dass sich die Fraktionen darauf einigen, die Öffentlichkeit für Ideen und praktische Umsetzung einzubeziehen. Fazit: Für den Antrag ernteten wir zunächst Kritik. Was wir damit denn wollen, wo doch Kommwohnen einspringt und selbst gute Ideen hat. Nun erkennen wir, dass die Betreibung durch das städtische Wohnungsunternehmen nicht so einfach ist. Schon deshalb hat sich der Prüfauftrag gelohnt. Wir sollten uns jetzt auch nicht in Zeitnot bringen lassen, selbst wenn es bis zur geplanten Saisoneröffnung im Mai noch keine praktikable Lösung für den Betrieb des Helenenbades gibt.

Corona

Danach berichtet Dr. Eric Hempel vom Klinikum über die aktuelle Corona-Lage. Er zeigt bedrückende Bilder. Fast alle Intensivbetten sind in der kompletten Region belegt. Man kann nur fassungslos sein, ob der dennoch anhaltenden Leugnungen diverser Kreise.

Synagoge

Infos gibt es zur Synagoge. Die Anbringung eines Davidsterns ist schwieriger als gedacht. Im Vergleich zum Originalbau hat das Dach nun eine Haube als Entlüftungsanlage. Ob und wie man einen Stern dort anbringen kann, muss nun eine Statikerin berechnen.

Kaufhaus/Postplatz 5 und 6

Von vielen mit Spannung erwartet: Informationen zum Kaufhaus. Darum hatten wir im Ältestenrat wie alle anderen Fraktionen gebeten. Der OB fasst sich extrem kurz und erzählt eigentlich nur, was bereits auf Facebook und in der Presse stand. Man sei in Gesprächen, die Stadt verstehe sich als Moderator zwischen Investor Stöcker und dem Landesamt für Denkmalpflege in Dresden und man wolle alles tun, um das Kaufhausprojekt zu ermöglichen. Dr. Wieler ergänzt, dass der Stadtrat beim Auslegungsbeschluss und Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan entscheidet. In Sachen Denkmalschutz sei nur eine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem zuständigen Landesamt möglich. Damit ist klar: Ob die Häuser Postplatz 5/6 zugunsten eines größeren Parkhauses und der Lieferwege abgerissen werden,  entscheidet sich in Dresden.

Unsere Fraktion wird sich kein Urteil erlauben, solange nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen. Meine Kollegin Dr. Jana Krauß wünscht sich in einem Redebeitrag ein Ende der Mutmaßungen. Die Verwaltung soll in Ruhe den weiteren Prozess steuern.

Unser Job im Stadtrat ist die Begleitung, auch um sicherzugehen, dass keine Verfahrensfehler passieren. Deshalb mache ich in der Sitzung auf einen möglichen Widerspruch aufmerksam:

Auszug aus einem SZ-Beitrag vom 26.11.2020:

Die beiden Villen am Postplatz sind in dem Satzungsbeschluss des Stadtrates bislang nicht enthalten. „Gleichwohl kann ein um die beiden Grundstücke erweiterter Grundriss im weiteren Prozess mitbehandelt werden“, erklärt Wieler gegenüber SZ und verweist auf den Stadtrat, der am Ende den Bebauungsplan beschließen muss.

Protokoll Stadtratssitzung 30.8.18 – Vorlage STR/0460/14-19 – Aufstellungsbeschluss für den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 40 „Umbau Kaufhaus Görlitz“:

„Herr Deinege erklärt zur Vorlage, dass im Beschlussantrag auf die Anlage 4 verwiesen wird. In der Anlage 4 ist ein Geltungsbereich nach Flurstücknummern aufgeführt, mit dem Hinweis auf mögliche Erweiterungen, welche die Flurstücke 848 und 849 enthalten (das sind beiden Postplatzhäuser, Anm. d.R.). Er schlägt vor, diese beiden Flurstücke in der Anlage 4 zu streichen, da bei einer Erweiterung ohnehin eine neue Planung erfolgen müsste. Im Beschlusstext soll auf die Anlage 3 verwiesen werden, welche einen Lageplan mit dem Geltungsbereich beinhaltet. Dort sind die beiden Flurstücke nicht enthalten.“

Was ist richtig? Nach unserem Verständnis bedarf es für die Änderung des Geltungsbereiches eines Änderungsbeschlusses durch den Stadtrat.  Dies könne mit dem Auslegungsbeschluss erfolgen, meint Michael Wieler. Ich denke, hier wird eine genauere rechtliche Bewertung nötig sein, um Fehler auszuschließen.

Fragen und Antworten

In der Bürgerfragestunde erkundigt man sich nach dem fürs Jahresende avisierten Verkehrskonzept. Das Rathaus hofft, dass der dafür notwendige Beteiligungsprozess mit Hilfe von Projektgeldern für die „Klimaneutrale Stadt“ umgesetzt werden kann. In jedem Fall verzögert sich das Konzept.

Das gilt auch für die Fortschreibung des Brandschutzbedarfsplans. Im Dezember soll es einen Grundsatzbeschluss zum künftigen Standort der Berufsfeuerwehr geben, so Bürgermeister Wieler in der Fragestunde für Stadträte. Davon seien weitere Fragen abhängig. Statt 2020 soll der Plan 2021 vorliegen.

Gute Nachrichten gibt es für Schüler: Nächste Woche werden 375 mobile Endgeräte an die Schulen geliefert. Sie sollen den Online-Unterricht unterstützen, insbesondere natürlich in bedürftigen Familien.

Ganz schlecht sieht es indes für den Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanal (SAEK) aus, der seit 20 Jahren eine Institution in Görlitz ist. Der Landesmedienrat will die Verträge nicht verlängern, es droht das Aus. Bürgermeister Wieler hat dazu Gespräche mit dem zuständigen Landesmedienrat geführt. Er sagt, es sei seit 20 Jahren nicht ausgeschrieben worden, das müsse nun nachgeholt werden. Außerdem erklärt Wieler, das Geld soll nicht gestrichen werden, die Angebote dürften sich mehr in Richtung Erwachsenenbildung verändern. Ich hoffe auf eine Fortsetzung von Medienkompetenz-Angeboten, gerade in unserer Region ein wichtiges Thema. Die Erfahrung des SAEK sollte man dabei nicht einfach über Bord werfen.

Danilo Kuscher aus unserer Fraktion Motor/Grüne erkundigt sich nach dem Fahrplan für den Haushalt 2021/22. Antwort: Vermutlich nicht vor Mai/Juni, da man ohne Landeshaushalt schlecht planen kann.

Dann geht es an die Beschlussfassungen, von denen ich nur einige Themen aufgreife:

Neue Chefin im Klinikum

Ines Hofmann wird auf Vorschlag des Aufsichtsrates einstimmig zur neuen Geschäftsführerin des Städtischen Klinikums gewählt. Im März tritt sie ihre neue Aufgabe an. Frau Hofmann ist seit rund zehn Jahren Personalleiterin im Klinikum. Alles Gute für diese verantwortungsvolle Aufgabe und herzlichen Dank an Ulrike Holtzsch, die auf eigenen Wunsch aus dem Klinikum ausscheidet.

Hilfe für GVB

Unsere Verkehrsbetriebe GVB erhalten einen Ausgleich für die Corona-Folgen. Insgesamt wird der Etat 2020 um rund 460.000 Euro erhöht. Mindestens 70 Prozent der Verluste übernimmt der Freistaat. Ob er sich auch noch am Rest beteiligt, ist zu klären. In jedem Fall lassen wir unsere Tochtergesellschaft nicht im Regen stehen. Der Stadtrat stimmt der Vorlage zu. Da die Finanzierung der GVB auch unabhängig von Corona ein Thema ist, bitte ich den OB , dass Geschäftsführer Andreas Trillmich schnellstmöglich im Stadtrat auftritt und wir uns aus erster Hand informieren können. Noch am Rande der Sitzung erfolgt eine überfraktionelle Abstimmung – alle sind einverstanden, dass Herr Trillmich bereits in die Dezember-Sitzung eingeladen wird. Der OB wird das entsprechend organisieren. Gutes Zeichen für die Zusammenarbeit im Rat über Fraktionsgrenzen hinweg.

Neue Schlichterin

Izabela Pagin wird als Friedensrichterin für die Dauer von fünf Jahren für die Schiedsstelle 3 gewählt. Gutes Gelingen und ein herzlicher Dank an Hans-Peter Prange, der dieses Ehrenamt bislang bekleidete.

Kulturentwicklungsplan

Was lange währt: Ein rund zweijähriger Prozess geht mit der Verabschiedung des fortgeschriebenen Kulturentwicklungsplans (KEP) zu Ende. Es wird sicherlich in Kürze veröffentlicht. Jana Krauß und Danilo Kuscher aus unserer Fraktion haben selbst daran mitgewirkt. Jana bedankt sich in einem kurzen Statement bei allen Beteiligten. Insbesondere ist uns wichtig, dass Basiskultur und freie Kulturschaffende nunmehr in einem eigenen Kapitel vorkommen. Ich ziehe den Hut vor Bürgermeister Wieler, der den ganzen Prozess mit breiter Einbindung der Kulturschaffenden und der Stadtgesellschaft gewuppt hat und sich für neue Ansätze öffnete.

Kicherer des Tages

Der Platz vor C&A (Platz der Friedlichen Revolution) gehört nun offiziell zum „schützenswerten historischen Stadtkern“. Das ist natürlich inhaltlich Unfug, da genau an dieser Stelle der Bruch mit der Historie unübersehbar ist. Weil aber der Stadtrat im September mehrheitlich einem Antrag der CDU für ein Plakatierungsverbot auf Postplatz und Plaza de la Revolución folgte, muss nun die entsprechende Sondernutzungssatzung verändert werden, die ein Plakatierungsverbot eben nur für einen schützenswerten historischen Stadtkern vorsieht. Unsere Fraktion hatte bereits den CDU-Antrag abgelehnt und bleibt auch beim „Vollzugbeschluss“ dabei.

Neue Gewänder für Florian

Die Feuerwehrleute brauchen neue Schutzkleidung. Die erst 2015 angeschafften Stücke sind durch eine Kontrolle gefallen. Eine Schicht der mehrlagigen Schutzmembran ist defekt. Mein Kollege Andreas Kolley erkundigt sich, wie oft Kontrollen und Nachbeschaffungen erfolgen.  Uwe Restetzki, Leiter der Feuerwehr erklärt, dass es regelmäßige Kontrollen gibt und dabei zuletzt überraschend bei einer großen Anzahl von Schutzkleidung der schlechte Zustand bemerkt wurde. Bis 2023 werden nun stufenweise 200 Stück Schutzkleidung neu angeschafft. Gesamtkosten 160.000 Euro. Das ist nur möglich mit einem Vorgriff auf den noch nicht mal vorberatenen Haushalt, für den der Spielraum immer kleiner wird. Der Stadtrat bewilligt dennoch einstimmig diese wichtige Anschaffung.

Verkauf Grundstücke an Kommwohnen

Eine lange und leidenschaftliche Debatte gibt es zum beabsichtigten Verkauf von vier Grundstücken an Kommwohnen. Es handelt sich um Areale an der Lunitz, am Nordring, der Erich-Weinert-Straße und in Kunnerwitz. Parkplätze für die Mieter und neue Eigenheimstandorte sollen entstehen. Freiwillig verkauft die Stadt nicht. Es ist die Not, die diese Maßnahme erfordert. Es fehlen ca. 2,8 Millionen Euro Eigenmittel für den Kitaneubau in der Südstadt und die Sanierung der Grundschule Königshufen. Dafür hatte der Stadtrat bereits im September alle Kleingärten an Kommwohnen verkauft. Bis zu 6 Millionen Euro sollte das bringen, wurde uns in den ersten Vorberatungen erzählt. Bei näherer Betrachtung musste die Verwaltung eingestehen, dass diese Schätzung grob fehlerhaft war. Am Ende blieben 1,4 Millionen übrig. Deshalb nun weitere Not-Verkäufe. Schließlich drängt die Zeit. Die neue Kita an der Arndtstraße muss schnell gebaut werden – denn sie ist der Ersatz für den asbestbelasteten Kindergarten Fichtestraße. Und auch die Grundschule Königshufen braucht dringend ihre Sanierung. Eine Rückverweisung in die Ausschüsse wird abgelehnt, der Beschluss zum Verkauf mit großer Mehrheit und Zähneknirschen gefasst. Jana Krauß wünscht sich, dass Stadtrat und Verwaltung daraus Lehren ziehen: Solch wichtige Beschlüsse dürfen nicht mehr unter Zeitdruck gefasst werden. Der Stadtrat ist permanent in einer Situation nur reagieren zu können. Das müsse aufhören, spätestens in der nächsten Haushaltsperiode. Nachtrag: Vielleicht hilft es ja schon, wenn wir den Haushalt wie ein vorsichtiger Kaufmann aufstellen. Denn das Grundproblem für die Notverkäufe bestand darin, dass der Kitaneubau nur mit drei Millionen Euro im Haushalt veranschlagt wurde, obwohl schon damals klar war, dass das nie und nimmer reicht. Solche Planungen hängen auch damit zusammen, dass es viele Wünsche der Fraktionen gibt. Völlig nachvollziehbar – aber am Ende fällt uns das auf die Füße.  Nicht immer werden wir Kommwohnen als „Melk-Kuh“ nutzen können. Für die aktuelle Notsituation aber gibt es keine greifbare Alternative.

Zwischenmenschliches Vorkommnis: Andreas Kolley besorgt der Seniorenbeauftragten Karin Mohr einen Schokoriegel.

Danach werden Vorlagen der Fraktionen behandelt. Unseren Antrag zum vereinfachten Parken für Gewerbetreibende ziehen wir zurück, da die für den 11.11. geplante Vorberatung im Wirtschaftsausschuss nicht stattfand. Auf ein Neues im Dezember.

Die AfD will den geschlossenen Behindertentreff Heilige-Grab-Straße retten. Der Betreiber Volkssolidarität hat ihn aus wirtschaftlichen Gründen in die Pomologische Gartenstraße verlegt. Alle bisherigen Nutzer wurden dazu befragt und haben sich für diese Lösung ausgesprochen, erklärt Bürgermeister Wieler. Auch der Behindertenbeirat hat sich ausführlich damit beschäftigt und unterstützt die Auffassung der Verwaltung. Deshalb gibt es keinen Grund zuzustimmen. Am Ende bekommt die Vorlage nicht mal alle Stimmen der blauen Herrenriege.

Auch der zweite Vorschlag der AfD kommt nicht durch. Sie wollen, dass die Verwaltung den Übergang für Fußgänger an der Promenadenstraße auf Höhe Netto-Markt auf Verbesserungen untersucht. Da diese Inhalte bereits in einer Ausschusssitzung ausführlich vorgestellt wurden, stimmt der Stadtrat mit großer Mehrheit gegen den Antrag.

Ein von BfG vorgeschlagener Kleingartenbeirat wandert auf Wunsch der Verwaltung zurück in die Ausschüsse. Da geht es um Feinheiten, welchen Status der Beirat bekommt, wie er sich zusammensetzt, etc.

Dann wird es progressiv, zum Teil entgleisen Bürgermeister Wieler vor freudigem Erstaunen die Gesichtszüge. Los geht es mit zwei Anträgen der CDU. Wir beschließen, dass Görlitz die Musterresolution „2030 – Agenda für Nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten“ unterzeichnet, sich als „SDG Leuchtturmkommune in Sachsen“ aufstellt und mit Unterstützung der „Servicestelle Kommunen in der Einen Welt“ (SKEW) von ENGAGEMENT GLOBAL eine Nachhaltigkeitsstrategie entlang der Sustainable Development Goals (SDG) entwickelt. Es soll auch geprüft werden, ob man dafür eine Personalstelle „Nachhaltigkeitsmanagement“ gefördert bekommt. Das frische Blut wirkt – die Vorlagen kommen von Matthias Schöneich, der vor einem knappen halben Jahr erst für das Urgestein Thomas Leder für die CDU in den Rat nachrückte. Mein Highlight des Tages bringt aber CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg. Er übersetzt die schwer verdauliche Beschlusslage für die Kernzielgruppe: „Die Nachhaltigkeitsstrategie ist für uns Bewahrung der Schöpfung.“ Egal, wie man es verkauft, am Ende zählt das gute Ergebnis.

Und wir kommen aus dem Grinsen gar nicht mehr raus. Nächste Vorlage, gemeinsam eingebracht von CDU/BfG, widmet sich der Umgestaltung des Obermarktes. Da geht es ums Prüfen: Wie kann man den Platz grüner gestalten, wie mehr Aufenthaltsqualität erreichen? Die Verwaltung hatte vorab in einer verbreiteten Stellungnahme den Prüfauftrag kritisch hinterfragt. Schließlich habe es in den letzten Jahren keine erkennbaren Mehrheiten für weniger Autos in der Innenstadt gegeben. Darauf reagieren die Einreicher und ergänzen ihre Vorlage um einen Punkt: „Der Stadtrat erneuert seine Zustimmung zum fachlichen Ziel aus dem INSEK-Fachkonzept (…) einer „Rückgewinnung verkehrlich überformter Bereiche der Innenstadt für Verweilfunktionen, indem ruhender und fließender Kfz-Verkehr verlagert werden – insbesondere im Bereich Obermarkt.“ Ja ist denn heut‘ schon Weihnachten, wird es in vielen grünen Stuben geklungen haben, als dieser Beschluss mit nur einer Enthaltung gefasst wird.

Der schöne Sitzungstag geht weiter mit einem einstimmigen Beschluss für unseren Antrag, zur Neuordnung der Stellflächen für Stadtrundfahrten. Den vom Rathaus im Oktober präsentierten Vorschlag, künftig beide Seiten des Obermarktes, Fleischerstraße, Klosterplatz und auch Untermarkt dafür zu nutzen, fanden wir nicht prickelnd. Unser Ziel ist es, die historische Altstadt (Obermarkt/Untermarkt) von wartenden Bussen und ähnlichen Gefährten für Stadtrundfahrten zu befreien. Deshalb sollen der ehemalige Busbahnhof und weitere alternative Plätze auf Eignung untersucht werden.

Den Abschluss macht ein Antrag der Fraktion Die Linke. Sie möchte, dass der Stadtrat quartalsweise schriftlich über den Haushalt informiert wird, insbesondere wenn es wesentliche Änderungen gibt. Das macht Sinn, wenn man immer auf dem aktuellen Stand ist. Der OB findet das aber alles zu bürokratisch und nicht wirklich umsetzbar. Thorsten Ahrens von den Linken nimmt die Konsensstimmung des Abends auf und zieht die Vorlage vorerst zurück. Der OB wiederum sichert zu, regelmäßig zu berichten. Schauen wir mal, wie gut das funktioniert.

Eine voradventliche Veranstaltung mit hohem Harmoniespiegel endet nach rund sechs Stunden. Mir wird schon richtig heidschibumbeidschi ums Herz, wenn ich daran denke, dass es eine Woche vor Weihnachten noch eine Sitzung gibt. Aber wer weiß: Vielleicht tagen wir dann nur per Videokonferenz. Der Freistaat will wohl ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen, das Online-Ratssitzungen in Pandemiezeiten ermöglicht.

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#11: 24.9.2020

Einige Stadtratskollegen aus den Fraktionen von CDU und BfG haben bereits aktuell und subjektiv berichtet – dafür herzlichen Dank. Da so gut vorgearbeitet wurde, versuche ich die Erzählung zur Sitzung thematisch zu bündeln.

 

Corona

Die Auswirkungen sind weiter zu spüren. Es gibt keinen Neujahrsempfang des OB 2021. Die feierliche Eröffnung der sanierten Synagoge am 6. Dezember findet nur in ganz kleinem Rahmen statt. (Die Stadt flüstert, dass angeblich gar Granden wie der Schweizer Schriftsteller und Journalist Michael Guggenheimer wieder ausgeladen werden mussten.) Die Weihnachtsmärkte Postplatz und in der Altstadt sollen mit Hygiene-Konzept stattfinden. Wie sich Corona auf die Finanzen der Stadt und seiner Gesellschaften auswirkt, soll im November im Stadtrat vorgestellt werden. Bereits beschlossen wurde eine Liquiditätshilfe für den Zweckverband Neiße-Bad. Durch die wochenlange Schließung klafft ein Loch von rund 200.000 Euro im Etat. Knapp die Hälfte davon wird durch eine Liquiditätshilfe der Stadt kurzfristig übernommen. Das Geld kann Görlitz wiederum aufbringen, da deutlich weniger Zuschüsse für Schul- und Vereinsschwimmen bezahlt werden mussten. Linke Tasche – rechte Tasche.

 

Verkehrssituation

Auch diesmal wieder an verschiedenen Punkten thematisiert: die Verkehrssituation in der Stadt. In der Bürgerfragestunde kritisiert eine Görlitzerin die Situation für Behinderte. Es fehle an Behindertenparkplätzen, abgesenkten Bordsteinen und barrierefreien Bussen und Bahnen. Ein Anwohner bemängelt die Neugestaltung des Fußgänger-Übergangs an der verlängerten Blumenstraße/Kahlbaumallee. Vor allem kleine Kinder seien nur schwer für Autofahrer zu erkennen. Er wünscht sich bereits vor dem Fußgängerüberweg Hinweise auf die Gefahrenstelle. Ebenfalls in der Bürgerfragestunde angesprochen wird die Situation auf dem Obermarkt, wo sich mittlerweile die Stadtführungs-Busse stapeln. Von den Fraktionen gibt es in der Sitzung Anträge zum Verkehr. CDU und BfG wünschen eine neuerliche Prüfung des gefährlichen Dauerbrenners für Fußgänger Obermarkt/Platz des 17. Juni/Kaisertrutz. Die Linke will weitere gefährliche Ecken in den Prüfauftrag mitaufnehmen lassen, wie Bahnhof-Südausgang und Jägerkaserne/Grüner Graben. Das möchte aber CDU-Chef Dieter Gleisberg nicht: „Die Linken sollen mal eigene Anträge schreiben und nicht unsere aufblähen.“ Da traut sich unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne gar nicht mehr anzuregen, den Übergang am Tierpark mit unter die Lupe zu nehmen. Schreiben wir einen schönen eigenen Antrag. Insgesamt ist festzustellen, dass sowohl der ruhende als auch der fließende Verkehr riesige Baustellen sind. Es braucht dringend ein Verkehrskonzept. Die Verwaltung arbeitet daran – wir sind gespannt.

 

Von Kitas und Kleingärten

Wenn der Topf aber nun ein Loch hat, lieber Octavian, lieber Octavian… Wo im Kinderlied der lieben Liese Stroh zum Stopfen vorgeschlagen wird, greift Görlitz auf seine Kleingärten zurück. Doch von vorn: Weil die Kita Arndtstraße von Asbest befallen ist, läuft deren Betrieb nur noch mit Ausnahmegenehmigung bis Ende 2022. Bis dahin muss Ersatz her. Deshalb wurden im Doppelhaushalt 2019/20 drei Millionen Euro für einen Kita-Neubau auf dem Gelände der ehemaligen Schwimmhalle Fichtestraße eingeplant. Zwei Millionen davon waren Fördermittel des Landkreises. Nun kommt heraus: Die Verwaltung wusste bereits bei der Erstellung des Haushaltes, dass die drei Millionen vorn und hinten nicht reichen werden. Sagte Bürgermeister Michael Wieler frank und frei. Nun, da die Planungen durch sind, steht fest: Die Kita wird fünf Millionen Euro kosten. Die fehlenden zwei Millionen muss die Stadt aufbringen, hat sie aber nicht, da der Topf löchrig ist. Statt Stroh nimmt die Stadt nun ihre Kleingärten. Sie werden an die städtische Wohnungsbaugesellschaft Kommwohnen verkauft. Da dürften bis zu sechs Millionen Euro zusammenkommen. Die sind weitestgehend verplant. Neben der Kita wird auch der Bau der Freiwilligen Feuerwehr auf der Cottbuser Straße rund eine Million teurer. Weitere Millionen werden nötig für die Sanierungen der Schulen am Windmühlenweg in Königshufen und den Stadthallenbau (dazu weiter unten). Der Deal mit den Gärten ist einfach zu erklären: Kommwohnen bekommt 4.800 Kleingärten, verteilt über die gesamte Stadt. Die bleiben unangetastet, die 10.000 Kleingärtner brauchen also keine Angst zu haben. Da aber bereits jetzt 10 Prozent der Gärten leer stehen, könnte Kommwohnen zukünftig ungenutzte Parzellen für den Bau von Einfamilienhäusern vermarkten. Dadurch soll sich der Kauf refinanzieren. Meine Frage, welche Auswirkungen der Verkauf der Flächen auf die Möglichkeiten der Stadtplanung und Stadtentwicklung haben, beantwortete Bürgermeister Wieler sehr kurz: „Keine.“ Schwer zu glauben.

Fakt ist: Man kann dem Vorschlag nur zustimmen, auch wegen der positiven Haltung des Niederschlesischen Kleingartenvereins als Pächter der Flächen. Ohne den Verkauf der Kleingärten an Kommwohnen kein Kita-Neubau. Was aber schwer im Magen liegt: Mit welchen intransparenten Winkelzügen wurde in der Vergangenheit der städtische Haushalt aufgestellt? Wo liegen die Prioritäten, wenn nicht bei Kitas und Schulen? Wie kann im Haushalt nicht ausreichend Deckung sein für diese Bauprojekte, wenn der zuständige Bürgermeister bereits weiß, dass die geplante Summe nicht reicht? So sei halt Kommunalpolitik, bekommen wir bei solcherlei Fragen zu hören. Von Bürgermeistern und langjährigen Stadträten, die die Verantwortung dafür tragen. Erstaunlich ist auch die vorgebrachte Ahnungslosigkeit von Spitzenkräften unserer Verwaltung. Weil Dr. Wieler als Begründung für den sehr teuer werdenden Kita-Bau die Steigerungen des Baukostenindexes anführt, möchte ich von ihm wissen, um wieviel dieser Index denn in den letzten drei Jahren angestiegen sei. Das kann oder will er nicht beantworten.

Kritisch hinterfragen muss man freilich an dieser Stelle auch die Politik der Sächsischen Staatsregierung. Seit 2005 ist die Förderung für neue Kitaplätze gleichgeblieben. Lieber Michael Kretschmer: Es reicht nicht, junge Familien als wichtige Zielgruppe in Wahlprogrammen zu benennen. Man muss die kommunalen Partner und freien Träger auch so finanziell ausstatten, dass diese die Grundlagen für ein familienfreundliches Sachsen bauen können, ohne sich zu verschulden.

 

Stadthalle wird wohl teurer

Wer beim Stadthallenprojekt nicht in den Jubelkanon einstimmt, sondern sich erdreistet, Nachfragen zu stellen und sich den kritischen Gesamtblick auf Stadt und Finanzen bewahrt, ist im Stadtrat nah an Aussätzigkeit. Der nette Octavian Ursu will mir das Wort verbieten, weil ich mir in einer Diskussion erlaube, mehr als dreimal ans Mikro zu treten. „Warum wollen sie denn überhaupt noch etwas sagen, wenn sie sich enthalten wollen?“ Merkwürdige Art von Demokratieverständnis. Nur wer dafür ist, darf mitreden? Und darum ging es diesmal:

Die Sanierung der Stadthalle erfolgt auf Grundlage der Planungen von 2012. Darin – so stellten wir nun fest – wurden erhebliche Ausstattungen gestrichen. Aus Kostengründen wurde die Halle also schon 2012 zur Mogelpackung. Keine Tische und Stühle für ein Haus, das Konferenzen ausrichten will? Keine Ton- und Lichttechnik in einer Stadthalle, die für „alle“ nutzbar sein soll? Diese Positionen wurden nun in einer aktualisierten Planung wieder aufgenommen. Dazu weitere Wünsche, um eine möglichst moderne Veranstaltungshalle mit entsprechendem Anbau zu errichten. Komplett nachvollziehbar, denn wenn die Stadthalle 2025 öffnet, muss sie so modern und attraktiv sein, dass sie sich gut vermarkten lässt und möglichst wenig Zuschuss aus dem Stadtsäckel benötigt. Insofern hätte man dem Beschluss auch zustimmen können – wäre nicht der vermaledeite Blick auf die finanziellen Möglichkeiten der Stadt. Die Umsetzung aller Positionen aus der aktuellen Planung würde Mehrkosten von über sechs Millionen Euro verursachen. Der Gesamtbau kostete dann bereits 40,9 Millionen. Im Haushalt sind langfristig „nur“ 40 Millionen eingeplant (Förderung 36 Mio, 4 Mio Eigenmittel). Jeder Euro mehr muss nach jetzigem Stand ebenfalls von der Stadt selbst bezahlt werden. Die Verwaltung stellt deshalb einige Positionen unter Finanzierungsvorbehalt. Wie Licht- und Tontechnik. Déjà-vu 2012? Anderes soll erst untersucht werden. Wie die Frage, ob die Stadthalle klimatisiert werden müsse und wenn ja in welchem Umfang.  Dabei steht bereits im Planungspapier von 2012, dass die Temperaturen im Sommer im großen Saal bei weit über 30 Grad liegen. Die Stadthalle als Tropenhaus? Näheres wissen wir Ende des Jahres, wenn solcherlei Untersuchungsergebnisse vorliegen. Dadurch wird sich freilich das ganze Projekt verzögern. Der Zeitplan hängt bereits jetzt um ein halbes Jahr. Spannend wird, auf welcher Grundlage die Städtische Kulturservice GmbH als künftige Betreiberin bis Jahresende ihr Betriebskonzept aufstellt. Mit oder ohne Licht- und Tontechnik? Meine Frage, ob der Kulturservice denn nicht zwei Varianten vorlegen kann, aus denen die Auswirkungen für den Betriebszuschuss hervorgehen, wird wieder von Dr. Wieler beantwortet. Das sei nicht nötig. Die anwesenden KollegInnen des Kulturservice kommen nicht zu Wort. Einige Kollegen Stadträte drängen ohnehin auf schnelle Abstimmung. CDU-Chef Gleisberg grummelt, dass ihm die „ständigen Grundsatzdiskussionen“ missfallen. Lieber Dieter: Ist halt kein Pillepallebau, die Finanzierung grundsätzlich ungeklärt, insofern musst du weiterhin damit leben. Der Stadtrat beschließt letztlich einstimmig die geänderte Planung bei acht Enthaltungen (Motor/Grüne, Linke sowie Stefan Bley von BfG).

Ob die Mehrheit im Stadtrat überhaupt Interesse an einer ehrlichen Finanzplanung hat? Es gibt z.B. keine „eingepreisten“ Bausteigerungen, die während des Ausführungszeitraums 2022 bis 2025 definitiv kommen (worauf die Kämmerin eindringlich in ihrer Stellungnahme hinwies). Und auch beim „Drumherum“ – wenig Bock auf Zahlen, Daten, Fakten. Da bringen CDU und BfG einen niedlichen Antrag ein, die Stadtverwaltung möge bitte die Planungen zur verkehrlichen Anbindung auf Aktualität prüfen, damit Straße und Stadthalle parallel fertig werden. (Ich dachte, sowas wäre selbstverständlich.)  Die Fraktion Die Linke will konkretere Pläne inkl. Aussagen zu den Kosten für Straßen, Parkhäuser, etc. Die Mehrheit aus AfD, CDU und BfG lehnt das ab (auch auf Betreiben des Bürgermeisters Michael Wieler).

 

Bürgerbeteiligung

Görlitz ist zurecht stolz auf sein Konzept zur Bürgerbeteiligung. Die Bürgerräte mit ihren Stadtteilbudgets sind vorbildlich. Bürgerbeteiligung umfasst aber deutlich mehr. Deshalb fordern wir den OB in einem Antrag auf, eine Liste von Vorhaben vorzulegen, bei denen die Bürger mitreden können. Das nennt sich vorhabenbezogene Bürgerbeteiligung. Hat der Stadtrat bereits 2016 und 2017 beschlossen. Nur die Umsetzung wurde nicht kontrolliert. Es gab bislang keine einzige vorlegte Liste mit Vorhaben, an denen die Bürger im Vorfeld beteiligt werden. Mit großer Mehrheit beschließt der Rat, dass dies geheilt wird. Bis Jahresende kommt eine erste Liste in die zuständigen Ausschüsse. Unser ursprüngliches Ansinnen, auch die Struktur in der Verwaltung darauf auszurichten, dass eine dauerhafte Bürgerbeteiligung „mitgedacht“ wird, kassiert der OB. Das greift in seinen Zuständigkeitsbereich ein. Wir sind frohen Mutes, dass er die richtigen Entscheidungen trifft.

Zu diesem Thema sagt meine bündnisgrüne Fraktionskollegin Dr. Jana Krauß u.a. „Für uns ist Bürgerbeteiligung ein zentrales Anliegen. Warum? Bürgerbeteiligung wird gern so betrachtet, dass die Verwaltung Bürgerinnen und Bürger an ihren Entscheidungen teilhaben lässt. Bürgerbeteiligung lässt sich jedoch auch aus umgekehrter Richtung betrachten, nämlich als Teilhabe der Verwaltung am Wissen der Bürgerinnen und Bürger. In genau diesem Verhältnis sehen wir die in unserer Bürgerbeteiligungssatzung verankerte vorhabenbezogene Bürgerbeteiligung. Diese sieht vor, dass die Verwaltung gemeinsam mit dem Stadtrat eine Liste an Vorhaben bzw. Projekten erstellt, für die das Interesse oder die Betroffenheit einer Vielzahl von Einwohnerinnen und Einwohnern unterstellt werden kann. Die stadtteilbezogene Bürgerbeteiligung, namentlich die Stadteil- oder Bürgerräte, sind in den letzten Jahren wertvoller Bestandteil des Gestaltungsraums in Görlitz geworden. Mit unserer Vorlage möchten wir den Oberbürgermeister sowie die Verwaltung nun dazu ermuntern, sich auch der vorhabenbezogenen Bürgerbeteiligung anzunehmen. Wir erwarten – und das sage ich ganz ausdrücklich – keine ellenlange Liste an Vorhaben, die letztlich zu Überlastung und damit zu Frustrationen auf beiden Seiten führen könnte. Diese Form der Bürgerbeteiligung benötigt Übung, Know-how und Mut, vor allem der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Wir möchten, dass es gelingt. Also lassen Sie uns damit beginnen, Schritt für Schritt – mit einer ersten, kurzen, aber wohldurchdachten Vorhabenliste.“ Herzlichen Dank an die Mehrheit des Stadtrates, die der Vorlage in geänderter Form zugestimmt hat.

 

Digitalisierung

Wer „Stadt der Zukunft“ werden will, muss bei den Top Trends wie Digitalisierung vorausschauend agieren und vor allem aktiv sein. Da unsere Fraktion die bisherigen Maßnahmen der Verwaltung nicht als strategisches Digitalisierungskonzept identifizieren konnte, stellen wir einen entsprechenden Antrag. Dieser wurde im Vorfeld mit zahlreichen Fachleuten vorbesprochen. Vielleicht war er etwas zu komplex. Das liegt aber leider in der Natur der Sache. Einfach wird der Strukturwandel nicht. Vor der Sitzung bemühte sich OB Ursu bei uns darum, dass wir den Antrag vertagen. Zuvor möchte er alle Stadträte in einer Informationsveranstaltung auf einen einheitlichen Wissensstand bringen. Da die Ermittlung der Ausgangslage für die Erarbeitung einer Strategie ohnehin nötig ist, haben wir dem Vorschlag zugestimmt. Mein Kollege Andreas Kolley sagt zu den generellen Intentionen des Antrags: „Wir wollen das Thema Digitalisierung noch stärker vorantreiben und die potenziellen Akteure, die digitale Angebote für unsere Stadt entwickeln, umsetzen und vermarkten können an einen Tisch holen, vernetzen und die Kräfte bündeln. Hierbei spielen nicht nur die gesetzlichen Pflichtaufgaben eine Rolle, sondern eben auch die vielen freien Angebote aus Wirtschaft, Kultur, Bildung sowie der lokalen Partner, Kooperationen und Netzwerke.“

 

Ein Stern für die Synagoge

Mit großer Freude haben wir dem Antrag zugestimmt, dass die sanierte Synagoge wieder ein Davidstern krönen soll. Ohne dabei die Erinnerung an ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte in Görlitz zu verdecken. Kristina Seifert (B90/Grüne) aus unserer Fraktion findet dafür gute Worte: „Im Jahr 2020 ist das Denkmal jüdischen Lebens in seiner vollen Pracht wiederhergestellt. Was sich nicht wiederherstellen lässt, ist die jüdische Gemeinde, die in Görlitz noch vor hundert Jahren viel zum wirtschaftlichen und kulturellen Leben beitrug. Während der NS-Herrschaft wurden alle hier lebenden Juden – bis auf zwei – vertrieben oder umgebracht. Daran beständig zu erinnern und das Bewusstsein dafür zu erhalten, welche Gräuel Menschen einander antun können, auch hier in Görlitz, ist eine bleibende Aufgabe. Die Synagoge ist in ihrer nun wiederhergestellten Pracht Teil der Görlitzer Geschichte. Genauso ist das Schicksal der jüdischen Gemeinde Teil unserer Stadtgeschichte. Daher setzen wir uns dafür ein, dass das Gelände der Synagoge und vielleicht auch das Wäldchen in direkter Nachbarschaft zur Synagoge zu einem Ort der Gedenk- und Erinnerungskultur entwickelt wird.“

 

Berzi GmbH

Die Stadtverwaltung möchte gern die Geschäfte am Berzdorfer See bündeln und dafür eine Betriebsgesellschaft gründen. Ob eine solche Berzi GmbH die stockende Entwicklung verbessert? Der Stadtrat hat OB Ursu zunächst mal einstimmig beauftragt, bis zum 1. Quartal 2021 entsprechende Planungen vorzustellen. Sprich: Was soll Zweck der GmbH sein, welche Aufgaben bekommt sie, wie soll sie sich strukturieren? Ich rege an, dass parallel alternative Varianten zu einer weiteren GmbH geprüft werden mögen. Das hätte den Vorteil, dass wir in einem halben Jahr nicht wieder von vorn anfangen, falls die GmbH-Prüfung nicht den erhofften großen Wurf bringt. OB Ursu erklärt, dies sei der Verwaltung innerhalb der Zeit nicht möglich. Ein kleiner Satz, der tief blicken lässt. Eine Verwaltung, die nicht in der Lage ist, innerhalb eines halben Jahres die Planungen für eine Betriebsgesellschaft nebst möglichen Alternativen vorzulegen, ist in ihrer Leistungsfähigkeit extrem eingeschränkt. Bei den Aufgaben, die vor uns liegen im Zuge des Strukturwandels, ist das alarmierend.

Wir bleiben am See und kehren noch einmal zurück zum Anfang der Sitzung. Kollege Kolley möchte wissen, warum trotz anderslautender Aussagen im Juli noch immer Wasser und Abwasser am Berzdorfer See in Deutsch Ossig nicht angeschlossen sind. OB Ursu zeigt sich verwundert: Er habe sogar eine Dankes-Mail bekommen. Auch Bürgermeister Wieler reagiert sehr unfreundlich (um es höflich auszudrücken). Leider ist es nicht das erste Mal, dass wir live Informationen bekommen, die spanisch klingen. Deshalb wird mittlerweile in laufenden Sitzungen ein Faktencheck durchgeführt. Antwort von zwei Gewerbetreibenden in Deutsch Ossig: Es liegt kein Wasser an, aber zumindest die Stadtwerke waren schon da. Diese Art von Informationspolitik der Verwaltungsspitze ist nicht in Ordnung. Sie untergräbt das Vertrauen. Ich hatte bereits im Technischen Ausschuss im Frühjahr nachgefragt, ob der Wasseranschluss noch in dieser Saison erfolge. Im Juli werde das umgesetzt, so die Antwort des zuständigen Amtes. Es kann immer zu unvorhergesehenen Verzögerungen kommen, da hilft Offenheit. Aber sich für etwas zu feiern, was gar nicht den Tatsachen entspricht, das ist schon ein dicker Mops.

 

Geschmackspolizei

Zum Schluss noch ein Stück geschmackvolle Kommunalpolitik. Die CDU findet den Postplatz und den Platz der Friedlichen Revolution so schön, dass sie nicht durch Plakate verschandelt werden sollen. Dementsprechend wird die Verbotszone für Plakatierungen von der Kernaltstadt ausgeweitet. Meine Frage, wieviel echtes und wieviel museales Leben man wolle, wurde nicht beantwortet. „Es ist eben eine Geschmacksfrage“, sagt CDU-Stadtrat Gloge. Da hat er Recht. Das ist freilich eine sehr subjektive und schwache Grundlage, um einen solchen Beschluss zu fassen. Ohne sich vorher mit Betroffenen aus Wirtschaft, Handel und Kultur unterhalten zu haben.  Ich bin nun aber optimistisch, dass die CDU demnächst einen autofreien Postplatz beantragen wird. Denn fraglos beeinträchtigen die Karossen und die zahllosen Verkehrsschilder den Blick auf diesen schönen Platz mehr als plakative Hinweise auf eine Theateraufführung oder den Lichterglanz der benachbarten Händler.

 

Text: Mike Altmann

Stadtratsblog#8: 28.5.2020

Es ist ein angenehmes Gefühl auf dem Weg zur Sporthalle an der Jägerkaserne. Es riecht nach Neuanfang. Die tags zuvor bekannt gegebene Trennung der Bündnisfraktion ist eine Befreiung für beide Seiten. Jetzt können die Bürger für Görlitz und unser Team Motor Görlitz/Bündnisgrüne in ihrem eigenen Tempo arbeiten. Inhaltlich gibt es viele Gemeinsamkeiten, die werden gepflegt. Und so manche Ehepartner wurden ja erst nach einer Scheidung zu besten Freunden. Die Mai-Sitzung läuft aber noch als Bündnisfraktion, weil wir uns offiziell erst zum Monatsende trennen.

Die Sitzung beginnt mit einer Überraschung. Thomas Leder (CDU) beendet nach 30 Jahren im Stadtrat seine kommunalpolitische Arbeit. Die Mai-Sitzung ist seine letzte. Die CDU-Fraktion ist offensichtlich nicht eingeweiht, nur der OB hatte die Information vorab bekommen. Damit bleibt sich Thomas Leder treu, denn er war nie ein Teamplayer, wie CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg launig kommentiert. Überraschung also gelungen. Der Sitzungssaal erhebt sich und applaudiert für 30 Jahre Durchhalten. Ich ziehe meinen Hut – bei allen inhaltlichen Unterschieden, so lange muss man dieses Ehrenamt erstmal ausfüllen. Der Nachfolger wird ein Neuling. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Matthias Schöneich. Einer der vielen guten und frischen Kandidaten, die die CDU aufgestellt hatte – von denen es aber niemand in den Rat schaffte.

Nach dem Einstieg in die Tagesordnung berichtet der OB über die aktuelle Corona-Lage. Es ist glücklicherweise ruhig, in Görlitz gibt es seit über zwei Wochen keine Infektionsfälle. Unschön ist dagegen die Situation auf den Straßen ob der Grenzstaus. Hier hat Octavian Ursu gute Nachrichten: Nach mehrfachen Bemühungen geht Warschau auf die deutsche Seite zu und schafft Entlastung. Der Grenzübergang Hagenwerder wird von Freitag bis Samstag 22 Uhr zusätzlich geöffnet. Das freut auch meine Mitstreiter von Motor/Grünen, mit denen ich nach dem Himmelfahrts-Verkehrschaos an OB Ursu geschrieben hatte, um eine Wiederholung dieser Zustände zu verhindern.

Freude auch darüber, dass der OB (endlich) über die Corona-bedingten Auswirkungen auf den Haushalt berichten lässt. Die Kämmerin Birgit Peschel-Martin prognostiziert aktuell Ausfälle von 5,2 Millionen Euro bei der Gewerbesteuer, 2 Millionen Verlust bei der Einkommenssteuer aber auch 300.000 Euro mehr an Umsatzsteuer. Macht unterm Strich ein Minus von 7 Millionen Euro. Die Stadt geht davon aus, dass man aus dem Hilfsprogramm des Freistaates Sachsen etwa 4 Millionen Euro bekommt. Zusätzlich wird eine Rücklage von rund 1,5 Millionen Euro aufgelöst. Und der Bund plant ebenfalls ein Programm für Kommunen. Mit etwas Glück könnten somit die Steuerausfälle für 2020 ausgeglichen werden. Das wäre wünschenswert, damit wir Spielraum haben für Zukunftsinvestitionen. Allerdings sind das nur aktuelle Prognosen, sie betreffen lediglich 2020 und es sind nur Aussagen zu Steuerausfällen. Welche weiteren Baustellen uns Corona noch einbringt, zum Beispiel durch Verluste bei den Beteiligungen, den städtischen Unternehmen und Einrichtungen – dazu will sich der OB erst in einer nächsten Sitzung äußern.

Vom Berzdorfer See gibt es zunächst gute Nachrichten: Die Rettungsschwimmer-Kampagne in Polen war erfolgreich. Mit Anzeigen und Radiospots hat Görlitz geworben. Bürgermeister Wieler berichtet, dass es zwölf heiße Kandidaten gibt. Es wird eine Kooperation mit der polnischen Wasserwacht angestrebt, mit der man ein Modellprojekt in dieser Saison durchführen möchte. Unterstützt vom DRK, das den Einsatz operativ plant und führt. Ab 15. Juni soll die Badesaison eröffnet werden. Zunächst mit Corona-Regeln, also auch Mindestabständen. Diese Vielfalt an Regelungsbedarf hat die Stadtverwaltung veranlasst, bei der Bewirtschaftung eine Rolle rückwärts zu machen. Ursprünglich sollte 2020 ein Park-Konzept mit Parkautomaten ausprobiert werden. Nun kündigt Dr. Wieler an, dass man wie in den Vorjahren einen Sicherheitsdienst einsetzt, der an der Einfahrt kassiert und am Strand für Ordnung sorgt. 2021 soll dann erst das neue Konzept erprobt werden. Meine besorgte Frage, ob damit die Widmung der Strandpromande auch 2021 nicht erfolgt, was zur Folge hätte, dass es keine bauliche Entwicklung gibt und auch die Reste Deutsch Ossigs weiter verfallen, kommentiert der Bürgermeister knapp: Das sei Sache des Stadtrates. (Ich hoffe sehr, dass CDU und AfD die Entwicklung nicht ein weiteres Jahr blockieren. Für Baurecht braucht es eine gewidmete, also öffentliche Straße als Zuwegung. Die ursprünglich beschlossene Widmung wurde mit Mehrheit von CDU und AfD im April wieder kassiert.)

In der Fragestunde für Stadträte geht es quer durch den städtischen Gemüsegarten. Wir erfahren:

Für die 950-Jahr-Feier im nächsten Jahr gibt es 94 Projektvorschläge aus der Bürgerschaft. „Wir sind Görlitz“ ist das Motto unter dem sich die Görlitzerinnen und Görlitzer bei der Gestaltung des Stadtjubiläums einbringen können. Dass trotz Corona knapp 100 Vorschläge für den Projektwettbewerb beim Aktionskreis für Görlitz e.V. eingingen, ist ein tolles Ergebnis der engagierten Vereinsarbeit.

Auf dem neuen Oberschul-Campus soll zusätzlich „Produktives Lernen“ integriert werden. Ich applaudiere innerlich – genau richtig, um junge Leute in der Berufsorientierung zu stärken und frühzeitig praktische Erfahrungen zu ermöglichen. Dafür müsste allerdings die Planung leicht verändert werden, wofür es wiederum die Zustimmung des Kultusministeriums braucht. Die Fertigstellung dürfte sich entsprechend verzögern. Aber es gibt ja einen guten Grund.

Nicht sehr ergiebig sind die Antworten auf Fragen aus unserer Gruppe Motor/Bündnisgrüne. Jana Krauß erkundigt sich zum Wochenmarkt. Aus der Presse war zu entnehmen, dass die Pacht aufgrund der Corona-Krise nicht mehr zu leisten wäre. Ob Verwaltung und Pächter dazu im Austausch seien, wurde nicht konkret beantwortet. Der OB versicherte lediglich, „dass der Markt nicht in Gefahr“ sei.

Danilo Kuscher erkundigte sich nach konkreten Projekten, die mit Hilfe von Strukturfördermitteln umgesetzt werden könnten. Der OB verweist auf die ausstehenden Bundesgesetze, die noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Erst dann sei der Rahmen klar, was überhaupt gefördert werde, meint Herr Ursu. (Hoffentlich hat er nur gepokert und es liegt längst etwas in der Schublade, sonst wird die Zeit knapp.)

Eine zweite Frage vom Motoristen Kuscher drehte sich um die beabsichtigte Ansiedlung eines Wettbüros im ehemaligen Lolos in der Theaterpassage. Die SZ hatte berichtet, dass die Stadt Görlitz eine Genehmigung erteilen wollte, das zuständige Land aber abgelehnt hat, weil es keinen Mindestabstand von 250 Meter zur nächsten Schule gibt. Warum die Stadt denn überhaupt eine Genehmigung für ein Wettbüro in dieser innenstädtischen Lage gegeben habe, war nun die spannende Frage. Bürgermeister Wieler gibt sich unwissend, will auch den Bericht nicht gelesen haben. (Ist eine tägliche Presseschau nicht wichtig für einen Bürgermeister?)

Nach Anfragen von Bewohnern der Nikolaivorstadt möchte ich wissen, ob man Anwohnerparken in diesem Viertel einrichten könne. Nein, sagt die Verwaltung. Es gebe ohnehin zu wenig Parkplätze und die dürfe man nicht ausschließlich Anwohnern zur Verfügung stellen. Ob das vermehrte Parken in der Nikolaivorstadt möglicherweise damit zu tun habe, dass die Autofahrer die Gebühren für den neuen Parkplatz an der Sporthalle Jägerkaserne sparen wollen, bejaht Herr Wieler. (Wieviel Sinn macht ein gebührenpflichtiger Parkplatz, wenn man ringsum gratis stehen kann?) Eine ausführliche schriftliche Antwort kommt noch. Ich habe Witterung aufgenommen und bleibe dran.

In der Beschlussfassung geht es dann zunächst um die Hauptsatzung. Das ist quasi die kommunale Verfassung. Es gibt viele Änderungsanträge von LINKE und AfD. Der Großteil wird abgelehnt. Bedenkliche Ausnahme: Es gibt ab sofort keine Integrationsbeauftragte mehr. Brauchen wir nicht, sagt die AfD. Bis auf zwei Enthaltungen stimmt die komplette CDU-Fraktion dieser Geisteshaltung zu. Ist schon „neue Normalität“ im Görlitzer Stadtrat. Am Ende geht die Hauptsatzung mit großer Mehrheit durch.

Danach beschließt der Stadtrat, dass in die Ausstattung der Feuerwehr kräftig investiert wird. Von Atemschutztechnik über Fahrzeuge und ein Rettungsboot bis zu einer neuen Küche für die Feuerwache. Die nötigen 900.000 Euro waren ursprünglich für den Neubau der Feuerwehr Innenstadt geplant. Der verzögert sich. Deshalb wurde umgeschichtet. Für 2022 wird dann das Geld für das Feuerwehrhaus wieder im Haushalt geplant. Bedeutet: Ein Batzen Kohle für Investitionen ist verplant.

Bereits zum Neujahrsempfang hatte OB Ursu das Projekt „Filmakademie“ als eines von sieben Zukunftsprojekten vorgestellt. Nun sollen wir in einem Grundsatzbeschluss grünes Licht für die Idee geben. Es geht darum, dass sich in Görlitz eine Akademie ansiedelt, die eine filmspezifische Weiterbildung für handwerkliche, aber auch kaufmännische Berufe anbietet. Das erhöht die Chancen, Dienstleister für Bühnenbau, Ausstattung, Requisite, Kostüm, Filmcatering und Lichttechnik anzusiedeln. Der OB geht auf drei Vorschläge unserer Fünfer-Gruppe ein: Der ursprüngliche Arbeitstitel „Sächsische Fimakademie“ verliert das eingrenzende „sächsisch“. Das zugrundeliegende Konzept wird noch weiterentwickelt. Und das Projekt soll in die Entwicklungsstrategie „Lausitz 2050“ mit einfließen, um die Chancen auf Strukturfördergelder (siehe oben) zu verbessern. Die Konsensfindung mit dem OB war an dieser Stelle sehr angenehm.

Hoch her geht es zum Abschluss bei der Frage, ob der neugestaltete Teil „An der Frauenkirche“ zukünftig „Platz der friedlichen Revolution“ heißen soll. Nach einer intensiven Debatte zieht der OB die Vorlage zurück, um eine Kampfabstimmung zu vermeiden. Das wäre tatsächlich ein schlechtes Signal. Persönlich empfinde ich politisch motivierte Benennungen seit Fahnenapppellzeiten als schwierig. Ich wünsche mir auch zeitgemäße Erinnerungskultur, die über ein Straßenschild hinausgeht. Insofern habe ich große Sympathie für den Vorschlag von Stefan Bley, einem sehr liebgewonnenen Kollegen aus der Bündnisfraktion. Er wünscht sich ein Kunstwerk an dieser Stelle, dass die Wendezeit in den öffentlichen Raum holt. Und schlägt vor, dass die Bürger gefragt werden, ob sie denn überhaupt einen neuen Namen an dieser Stelle wünschen. Wir haben nun mindestens einen Monat Zeit, um über diese Ideen nachzudenken.

Euch allen eine schöne Pfingstzeit.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion, bestehend aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)

Stadtratsblog #1: 7.11.2019

Die ersten drei Sitzungen nach der Kommunalwahl haben die meisten „neuen“ Stadträte genutzt, um sich erstmal einzuleben. Ging mir genauso. Jetzt ist die Scheu vorüber und ich fühle mich in der Lage, meinen ganz persönlichen Senf dazuzugeben. Hier also Folge 1 des Stadtrats-Blogs.

Mit neuer Sitzordnung startet der Stadtrat am 7. November. Nicht mehr wie in der Schule hintereinander, sondern im Carré. Sehr angenehm, lobt Motor-Stadtrat Andreas Kolley den Oberbürgermeister Octavian Ursu: „Man kann sich so viel besser in die Augen schauen.“ Hierarchisch geprägte Zeitgenossen, die ohne Oben und Unten, Vorn und Hinten ihre Orientierung verlieren, melden direkt Bedenken an.  AfD-Mann Jens Jäschke fürchtet gar um Leib und Leben und möchte die Breite der Fluchtwege wissen. Motor bleibt dabei: Wir unterstützen diese offene Form der Zusammenarbeit. Verbessern kann man noch einiges, aber der Weg ist richtig.

Die Sitzung selbst wird durch einen Wahlmarathon dominiert. Über 20 Gremien wollen besetzt werden. Aufsichtsräte, Gesellschaftsversammlungen, Zweckverbände. Die Bündnisfraktion, zu der Motor Görlitz gehört, hatte sich im Vorfeld mit CDU und Linken abgestimmt, welche Personen für diese wichtigen Aufgaben die Besten wären. Fast alle gemeinsamen Kandidatinnen und Kandidaten werden gewählt.

Die neu eingerichtete halbe Stunde für Bürgerfragen wird diesmal noch nicht komplett ausgeschöpft. Für Motor Görlitz bleibt es weiterhin unglücklich, die Bürgerfragestunde zu Beginn der Tagesordnung aufzurufen, wo im Normalfall die Görlitzer noch arbeiten, die Kinder abholen oder ihre Einkäufe erledigen. In der Fragestunde für Stadträte werden von der Bündnisfraktion einige spannende Punkte angesprochen, teilweise auf Anregung von Bürgern:

Frage von Motoristin und Bündnisgrüne-Stadträtin Jana Krauß: Im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes vergibt Sachsen Fördergelder in Höhe von 17,2 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um die erste Zuwendung aus dem Bundesprogramm „Zukunft Revier“. Die Fördergelder fließen in Sofortmaßnahmen, die dazu beitragen sollen, den bevorstehenden Strukturwandel zu bewältigen. Bautzen hat sechs Projekte eingereicht, auch aus Weißwasser ist bekannt, dass zahlreiche Projekte eingereicht wurden. Welche Projekte hat Görlitz angemeldet? Antwort der Verwaltung: Es wurden drei Projekte eingereicht, die bereits in der Schublade lagen (aufgrund der engen Zeitschiene gab es keine Möglichkeit, neue Projekte zu entwickeln): der Parkplatzbau oberhalb der „Insel der Sinne“ am Berzdorfer See, komplexe Umbauten im und am Tierpark (Zaunanlage, Empfangsgebäude, Parkplatz) sowie das Bürgerhaus Schlauroth.

Kristina Seifert (Bündnis90/Die Grünen) interessiert sich fürs Thema Anwohnerparken: Die Situation für Anwohner ist in einigen Stadtteilen schwierig. Konkret geht es um die Bahnhofstraße, zwischen Konsulstraße und Jakobstraße. Da rundherum fürs Parken bezahlt werden muss (Parkhaus, Jakobstraße) weichen die Autofahrer natürlich auf die freien Parkplätze aus. Selbst eine Autovermietung stellt wohl dort ihre Fahrzeuge ab, wenn der eigene Parkplatz voll ist. Frage: Ist Anwohnerparken dort möglich und wie läuft das Beantragungs-Verfahren? Antwort der Verwaltung: Aufgrund der Hinweise wird die Situation vor Ort geprüft. Anschließend entscheiden die zuständigen Ämter (insbesondere Straßenverkehrsamt), ob Anwohnerparken ausgewiesen wird.

Ich möchte wissen, wann der Rundweg um den Berzdorfer See durchgehend asphaltiert wird. Insbesondere Skater und andere Sportler, aber auch Rolli-Fahrer wünschen sich das. Hier macht Bürgermeister Wieler keine Hoffnung auf schnelle Änderung. Es gibt naturschutzrechtliche Gründe, die dagegen sprechen. Außerdem ist das Areal an der Rutschung P von der LMBV nicht freigegeben.

Andreas Kolley fragt, ob die Sicherheit an der B99 auf Höhe Einfahrt zum See verbessert werden kann. Ihm geht es um die Querung der Straße vom Radweg auf der Neißeseite aus. Speziell mit Kindern sei es dort aufgrund des Autoverkehrs sehr gefährlich. Ein hohes Unfallrisiko sieht Kolley auch auf der Jakobstraße durch die Radfahrer, die auf dem schmalen Schutzstreifen entgegen des fließenden Verkehrs fahren. „Dass man auf der Seite Autos parken lässt, die die Straße noch enger machen, leuchtet mir nicht ein. Zumal man als Autofahrer beim Ausparken die Radfahrer nicht sehen kann.“ Antwort der Verwaltung: Es werden allerlei Gründe von Dr. Wieler genannt, warum an beiden Situationen nichts zu ändern sei. Die B99 ist eine Bundesstraße, die Zuständigkeit liegt nicht bei der Stadt. Das Thema wird aber zumindest mit in die Verwaltung genommen. Die Jakobstraße wurde nach langer Diskussion so gestaltet, wie sie jetzt ist. Der alte Stadtrat sei verantwortlich dafür, so Bürgermeister Dr. Wieler. Und bislang sei nichts passiert. Diese Aussage ärgert Andreas Kolley: Er werde seinen Kindern ausrichten, dass sich nichts ändert, bis ein schlimmer Unfall passiert.

An allen Fragen bleiben wir dran, zumal es Informationen zu Jakobstraße gibt, die zumindest zweifeln lassen, ob die jetzige Situation tatsächlich auf alleiniges Betreiben des Stadtrates entstand.

(Der Autor Mike Altmann gehörte bis Juni 2020 zur Bündnisfraktion aus BfG, Bündnisgrüne, Motor und SPD.)