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Stadtratsblog #36: 15.12.2022

Zum letzten Mal Stadtrat in der Sporthalle an der Jägerkaserne. Ab Januar tagen wir wieder im Großen Saal des Rathauses. Damit enden fast drei Jahre Stadtratsarbeit im Corona-Modus. Die letzte Sitzung am Untermarkt fand im Februar 2020 statt. Ich freue mich auf die Enge des Saals. Da können wir uns viel besser in die Augen schauen.

Die Weihnachtsedition des Stadtrates 2022 beginnt mit aktuellen Informationen von Oberbürgermeister Octavian Ursu zur Landeskrone. Es gab einen Vor-Ort-Termin mit den Landkreisbehörden. Dabei ging es um die Zufahrt für Gäste und Besucher, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Bei Gesprächen mit der Naturschutzbehörde waren die Bäume Thema. Sie schränken die Aussicht ein. Stadt und Kreis wollen bei den nächsten Terminen die 30 Jahre alten Regeln überprüfen und gegebenenfalls anpassen, damit eine Betreibung des Burghotels wirtschaftlich möglich ist.

Im März wurde auf Initiative der Linken die Stadtverwaltung beauftragt zu recherchieren, welche Einrichtungen und Unternehmen an einem Defibrilatoren-Netz in Görlitz mitwirken könnten.  Die Ergebnisse einer Befragung und einer Veranstaltung durch die Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH sind gemischt, berichtet Bürgermeister Benedikt Hummel. Es gibt aber Einrichtungen, die sich als Defi-Standort beteiligen würden. Im nächsten Schritt brauchen wir ein individuelles Konzept für Görlitz. Welche konkreten Standorte sind möglich und sinnvoll? Wie sorgen wir für eine 24/7-Zugänglichkeit? Und wie verbessern wir die Zivilcourage, wenn es um die Lebensrettung geht? Spannende Fragen, die zu lösen sind.

In der Fragestunde für Einwohner hören wir einem jahrelangen „Montags-Spaziergänger“ zu, so seine Eigenvorstellung. Leider verwechselt er die Fragestunde mit einer Quasselbude für abstruse Ansichten. Sein Exkurs über die angebliche Diktatur, in der wir leben, wird vom OB zu spät unterbrochen. Die demokratischen Spielregeln müssen eingehalten werden. Auch von Frank Liske, dauerbeleidigter Organisator der Kreisläufe. Er kritisiert ernsthaft, dass der Christkindelmarkt einfach so aufgebaut wurde wie immer – ohne Rücksprache mit den Spaziergängern. Es ist erstaunlich, wie schnell sich Vernunftbegabte in ihre eigene Welt verabschieden und den Schlüssel zur Realität wegwerfen. Erbärmlich ist Liskes kaum versteckte ausländerfeindliche Beleidigung des OB. Herr Ursu hatte gegenüber Medienvertretern erklärt, dass er die Auffassung von Teilnehmern der Montagsdemo, Deutschland sei eine Diktatur, für „extrem naiv“ hält. Liske fragte rhetorisch im Stadtrat, ob Octavian Ursu die deutsche Bedeutung des Wortes „naiv“ nicht kenne und ob das mit seinen Sprachkenntnissen zu tun habe. Eine Frechheit sondergleichen. Zumal Autohändler Liske den Begriff mit „dumm“ übersetzt, was reichlich naiv ist.

Nach ihrem „Auftritt“ verlassen die beiden besorgten Spaziergänger den Ort der Demokratie übrigens sofort.

Es folgt eine Fragestunde für Stadträte.

Meine Kollegin Dr. Jana Krauß freut sich über den Stimmungswechsel des Oberbürgermeisters beim Thema „Lehrermangel im Kreis Görlitz entgegensteuern“. Als unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne eine Vorlage eingebracht hatte, um in einer gemeinsamen regionalen Anstrengung das Thema anzugehen, hielt sich der OB für nicht zuständig. Ebenso wie seine CDU. Auf Kreisebene nun gibt es just von der CDU/FDP-Fraktion, der Ursu angehört, eine Initiative für Lehrerausbildung in der Oberlausitz. Obwohl auch dafür der Kreis formal nicht zuständig ist. Vielleicht setzt auch auf städtischer Ebene ein Umdenken ein.

Karsten Günther-Töpert (BfG) möchte wissen, wie es beim Flächennutzungsplan weitergeht. Viele Leute hätten Anmerkungen zur Fortschreibung gemacht aber keine Rückmeldungen bekommen. Das, so die Verwaltung, liegt am Verfahren. Es sieht keinen Dialog vor. Müssten wir im Stadtrat beschließen. Da ein solches Votum nicht erfolgte, geht es streng nach Vorschrift. Die Stellungnahmen werden derzeit strukturiert und eingearbeitet. Danach folgt eine weitere Beteiligungsrunde für die Öffentlichkeit. Mit Spannung erwartet werden vor allem ausgewiesene Gebiete für Wohnbebauung und Gewerbe.

Jana Lübeck (Die Linke) fragt nach dem Zeitplan für den Haushalt 23/24. Die Antwort ist vorhersehbar: Solange Freistaat und Kreis keinen Etat haben und wir noch nicht einmal die Höhe der Kreisumlage kennen, ist keine seriöse Haushaltsplanung möglich.

Peter Stahn (AfD) erkundigt sich, was nach dem Besuch der Fraktionen im „Speisesaal“ des Gymnasiums Anne Augustum konkret in die Wege geleitet wurde. Bürgermeister Hummel kündigt die Vorstellung eines Projektes an, das in einem der nächsten Technischen Ausschüsse gemeinsam mit Lehrern, Schülern und Eltern besprochen werden soll.

Ich frage die Verwaltung, ob sie mit der Arbeit des Winterdienstes am ersten Schneewochenende zufrieden war.  Hintergrund: Wir bezahlen seit dieser Saison ungefähr das Doppelte. Unter anderem weil Vorhaltekosten in die Leistungen mit aufgenommen wurden. Damit kann der Dienstleister „gezwungen“ werden, die Fahrzeuge für blitzschnelle Einsätze aufgerüstet zu lassen. Amtsleiter Torsten Tschage jedenfalls ist zufrieden: Die Fahrzeuge waren am Wochenende ab 5 Uhr und am Montag ab 3 Uhr im Einsatz.

Mein Kollege Danilo Kuscher bedankt sich bei den Kolleginnen aus dem Stadtratsbüro für ihren nimmermüden Einsatz. Einen wichtigen Hinweis gibt er auch: Damit wir zu allen Themen schnell aussagefähig sind, sollten Präsentationen aus Sitzungen im Ratsinformationssystem abgelegt werden. Sonst passiert es uns wie aktuell: In der letzten Sitzung präsentierte Finanzchefin Birgit Peschel-Martin Zahlen zu den Kita-Gebühren, die vorher nicht im Ausschuss zu sehen waren. Im Nachgang kursieren falsche Angaben. Die SZ schreibt z.B. mehrfach, dass der Beschluss, die Kita-Gebühren einzufrieren, die Stadt eine Million Euro kostet. Dass das nicht so ist, wissen wir alle (die Million ist die gesamte angenommene Kostensteigerung, die von den Eltern ohnehin nur zu einem Teil aufgefangen werden kann). Da uns die Präsentation nicht vorliegt, können wir Fragen nach der genauen Summe aber nicht beantworten. Da steht man als Stadtrat sprichwörtlich dumm da. Vielleicht wird es 2023 besser. Das Rathaus wird den Vorschlag prüfen.

Es folgen die Beschlüsse des Tages.

 

Der Stadtrat der Großen Kreisstadt Görlitz verleiht Ehrenbürgerrecht an Shlomo Graber

Da es einige Jahrzehnte keine solche Ehrung gab, seien einige ausführliche Worte gestattet. Warum soll Shlomo Graber Ehrenbürger werden? Im Vortrag zum Beschluss heißt es: „Der heute 96-jährige Shlomo Graber wurde in einer jüdischen Familie in Majdan, einem Städtchen nahe Uschgorod in der Ukraine geboren. Er wuchs im Nordosten Ungarns auf. Als im März 1944 die deutsche Wehrmacht Ungarn besetzte, wurde er mit seiner Familie Opfer der sofort einsetzenden Judenverfolgung.

An der Rampe von Auschwitz-Birkenau wurde die Familie für immer getrennt. Er und sein Vater überstanden die Selektion und wurden in das Arbeitslager „Fünfteichen“, einem Nebenlager des KZ Groß-Rosen in Niederschlesien verlegt und von dort kurze Zeit später in das KZ Görlitz gebracht. Von seiner Familie wurden 77 Angehörige ermordet.

Shlomo Graber erlebte in Görlitz zusammen mit seinem Vater das schlimmste Jahr seines Lebens. Beide waren mehrfach dem Tod nahe, überlebten aber wie durch ein Wunder diese schreckliche Zeit. Vater und Sohn mussten in der WUMAG Zwangsarbeit leisten. Beide waren in der Schweißabteilung eingesetzt. Im Februar 1945 wurde das KZ evakuiert. Der Todesmarsch bei eisiger Kälte führte über Kunnerwitz, Friedersdorf und Sohland nach Rennersdorf. Im März 1945 wurde der Rückmarsch angeordnet. Etwa 1.000 der ursprünglich 1.500 Häftlinge verloren auf dem Todesmarsch ihr Leben. Am 8. Mai 1945 erlebte Shlomo Graber den Tag der Befreiung von diesen unmenschlichen Qualen in Görlitz.

Shlomo Graber war nach 1989 mehrfach in Görlitz. Im Jahr 2005 begleitete er die Jugendlichen des Gymnasiums Joliot Curie bei der Nachstellung des Todesmarsches. Dieses Projekt wurde anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus von diesem Gymnasium unter der Leitung der Geschichtslehrerin Frau Bloß durchgeführt. Auf Initiative des Aktionskreises für Görlitz, des Förderkreises Synagoge e.V. und mehrerer Einzelpersonen war Shlomo Graber zehn Jahre später wieder in Görlitz, wo er mit seinem Verleger sein Buch bei einer Lesung vorstellte und in der Synagoge sowie der Hochschule Zittau/Görlitz über seine Leidenszeit berichtete.

Uns bleibt der Dank an ihn, der diese Kraft und diesen Mut hat, der Vergangenes aufzuarbeiten hilft, der authentisch das berichten kann, was heute gelegentlich verleugnet oder verdrängt wird. Das aber darf nie geschehen. Deshalb schlagen der Aktionskreis für Görlitz, Jochen Rudolph und Prof. Rolf Karbaum vor, Shlomo Graber das Ehrenbürgerrecht der Stadt Görlitz, der Stadt, in der er Furchtbares durchleiden musste und dennoch die Treue hält, zu verleihen.“

In einer beeindruckenden Vorstellung bringt uns Joachim Rudolph die Person Shlomo Graber nahe. „Geehrt wird ein Mann, der Mahner gegen das Vergessen ist, ein Brückenbauer, der die Achtsamkeit füreinander und Mitmenschlichkeit lehrt.“ Wer mehr über die Geschichte von Shlomo Graber lesen möchte, dem werden die Bücher „Denn Liebe ist stärker als der Hass“ und „Der Junge, der nicht hassen wollte“ empfohlen.

Der Stadtrat stimmt dem Vorschlag einstimmig zu. Ein gutes Signal.

Der Stadtrat beschließt den Maßnahmenplan für den European Energy Award 2022/23

Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt. Görlitz ist von Beginn an beim European Energy Award dabei (2004). Wer am Ortseingang aufmerksam ist, sieht entsprechende Schilder, die davon künden. Das Verfahren unterstützt die Verwaltung bei der systematischen Erfassung, Bewertung und Prüfung ihrer Energie- und Klimaschutzmaßnahmen. Neu: Die Stadtverwaltung übernimmt künftig die Organisation der Europäischen Mobilitätswoche. Bislang erfolgte das ehrenamtlich. Bis auf die AfD stimmen alle Fraktionen zu.

Entschädigungssatzung wird verändert

Aktuell bekommen Mitglieder der Bürgerräte keine finanzielle Entschädigung. Auch der Kleingartenbeirat war von der alten Satzung nicht erfasst. Das wurde durch den Beschluss repariert. Die engagierten Bürger erhalten künftig 20 Euro je Sitzung. Das ersetzt nicht den wirklichen Aufwand, soll aber die Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Danke an alle Görlitzerinnen und Görlitzer, die sich ehrenamtlich engagieren.

Mit der Satzungsänderung werden auch weitere Details angepasst, etwa bei der Entschädigung von Wahlhelfern und Friedensrichterinnen. Veränderungen für Stadträte wurden nicht beschlossen. 2023 wird auf Landesebene ein Gesetz erwartet, das wohl erstmals eine Mindestentschädigung festlegt. Eventuell müssen wir dann unsere Regeln anpassen.

Veränderung der Straßenreinigungssatzung

Eine engagierte Diskussion führen wir zur Straßenreinigung. Die Leistungen müssen im nächsten Jahr ausgeschrieben werden. Ab 2024 gibt es einen neuen Zyklus. Die Verwaltung prognostiziert höhere Kosten als bisher (ein Anstieg um 30% wird geschätzt). Um einzusparen, schlägt das Rathaus kosmetische Eingriffe vor. Statt dreimal pro Woche sollten einige zentrale Straßen nur noch monatlich gereinigt werden: An der Frauenkirche, Postplatz und Platz der Friedlichen Revolution (jeweils ohne Fußgängerbereich, der weiterhin manuell gereinigt wird) sowie Berliner Straße zwischen Bahnhofstraße und Schulstraße. Unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne ist gegen diese Veränderung. Die prognostizierte Einsparung von 7.000 Euro im Jahr rechtfertigt es nicht, die Reinigung in diesem Bereich einzuschränken. Die Fraktion Bürger für Görlitz unterstützt unsere Position. Nach einer Auszeit wird der Beschluss durch den OB entsprechend verändert und mehrheitlich angenommen.

Ganz zufrieden sind wir nicht. Denn es gibt einmal mehr zeitlichen Druck, der eine intensive Beschäftigung mit dem Thema verhindert. Wenn wir nach Einsparungen suchen, muss alles auf den Tisch. Ist ein Fünfjahresturnus sinnvoll? Kommen wir besser, wenn wir mehrere Lose ausschreiben und nicht eine große Leistung? Können wir perspektivisch die Straßenreinigung auch selbst übernehmen, wie zum Beispiel in Zittau? Wie senken wir den hohen Verwaltungskostenanteil (35%)? Da die Verwaltung spätestens im Februar die Leistungen europaweit ausschreiben will, bleibt für intensive Überlegungen kaum Zeit. Ich hoffe, dass wir uns im Technischen Ausschuss im Januar nochmal damit beschäftigen. Ein Kompromiss wäre, die neuen Leistungen nur für zwei Jahre auszuschreiben und in dieser Zeit intensiv alle Optionen für die Zukunft zu beleuchten.

Wir gründen eine Lausitz Festival GmbH

Seit 2019 organisiert die Görlitzer Kulturservice GmbH das dreiwöchige Lausitz Festival. Ein kultureller Leuchtturm im Strukturwandel. Großzügig finanziert vom Bund, den Ländern Sachsen und Brandenburg sowie Stiftungen. Um das Festival langfristig in der Lausitz durchzuführen, wird die Lausitz Festival GmbH gegründet. Sie hat zwei Mütter. Die Stadt Cottbus und die Kulturservice GmbH beteiligen sich jeweils zu 50 Prozent an der Gesellschaft. Damit ist eine durchgängige Arbeit möglich. Bislang erfolgte das auf Projektbasis, was auch mit befristeten Arbeitsverträgen verbunden war.

Maria Schulz, Chefin des Kulturservice stellt uns das Lausitz Festival und die Pläne ausführlich vor. Man merkt, wie sehr sie dafür brennt und wie stolz sie darauf ist, dass eine solch international angesehene Veranstaltungsreihe von Görlitz aus organisiert wird. Mittlerweile wirkt das Festival in 50 Lausitzer Orten und 70 Spielstätten. In der neuen GmbH sollen 25 Stellen in Görlitz und Cottbus geschaffen werden. Dazu kommen Saisonkräfte. Die Arbeit der Lausitz Festival GmbH unterstützen ein Aufsichtsrat und ein künstlerischer Beirat.

Meridian des Ehrenamtes wird verliehen

Jedes Jahr zeichnet der Oberbürgermeister Menschen und Organisationen aus, die durch ihr ehrenamtliches Engagement das Leben in Görlitz verbessern. Wie erfolgt eigentlich die Auswahl? Zunächst schlagen Görlitzerinnen und Görlitzer ihre Kandidaten vor. In diesem Jahr gab es 15 Einsendungen. Daraus wählt der Stadtrat fünf Preisträger aus. Es gibt die ungeschriebene Regel, dass jede Fraktion einen Vorschlag unterstützt. Die Diskussion darüber läuft hinter verschlossenen Türen im Verwaltungsausschuss. Geeinigt haben sich die im Stadtrat vertretenen Fraktionen auf folgende Preisträger:

  • Görlitzer BC Squirrels, ein sozial engagierter Verein, der mehr kann als Basketbälle werfen
  • Dagmar Pfeiffer, Unterstützerin geflüchteter Menschen
  • Detlef Lübeck, der Europamarathonmann
  • Constanze Herrmann, ein Vierteljahrhundert engagiert im Gemeindekirchenrat der evangelischen Versöhnungskirchengemeinde Görlitz
  • Reiner Mönnich, Kegelurgestein aus Hagenwerder

Herzlichen Glückwunsch an alle. Der Meridian des Ehrenamtes wird im Rahmen des Altstadtfestes 2023 überreicht.

Es folgen drei Beschlüsse zu Bauprojekten, für die wir in die städtische Kasse greifen müssen 

Los geht’s mit dem weit fortgeschrittenen Neubau der Freiwilligen Feuerwehr Innenstadt auf der Cottbuser Straße. Die Kostenschätzungen waren von Beginn an zu niedrig. Bereits vor zwei Jahren mussten wir nachsteuern. Mehr als zwei Millionen Euro waren nötig. Die sollten über ein Aktiengeschäft mit den Stadtwerken Görlitz fließen. Aber: Zu kompliziert und aufwendig. Deshalb fassten wir im Juni 2021 einen neuen Beschluss: Das Geld sollte nun über eine Ausschüttung der Stadtwerke kommen. Leider hat sich die Lage seitdem komplett verändert. Die Stadtwerke sind nicht mehr in der Lage dazu. Somit bleibt uns nur noch der Griff in die eigene Kasse. Die ist zum Glück gut gefüllt mit den Steuermillionen von Birkenstock. Allerdings fehlt uns ein aktueller Überblick, was solche Manöver für Auswirkungen haben. Denn die Birkenstock-Millionen führen dazu, dass wir im nächsten Jahr keine Zuweisungen vom Freistaat Sachsen erhalten. Da der Bau aber bereits weit fortgeschritten ist, bleibt gar keine andere Wahl als zuzustimmen. Wir entnehmen 2,3 Millionen Euro aus unserer Rücklage. Abgelehnt werden eher symbolische Einsparvorschläge der Verwaltung in Höhe von rund 6.000 Euro. Das Rathaus wollte u.a. auf Stiefeltrockner und eine zweite Stiefelwaschanlage verzichten. Dinge, die die ehrenamtliche Arbeit der Feuerwehrleute komfortabler machen.

Auch bei der Gedenkstätte für Ulf Großmann wackelt die Finanzierung. Für den langjährigen Bürgermeister soll an der Altstadtbrücke ein Kunstwerk entstehen. Dazu gab es im Juli 2021 eine Kostenberechnung des Rathaus: Insgesamt sollten Kunstwerk nebst Bauarbeiten rund 72.000 Euro kosten. Für die Stadt ein Nullsummenspiel, so hieß es damals. Denn die gesamte Summe würde über Fördermittel und Spenden finanziert, unter anderem durch Familie Großmann selbst. Nun erfahren wir, dass der Gedenkort 114.000 Euro kosten wird. Und uns 25.000 Euro fehlen. Wir sollen beschließen, das Geld aus der Rücklage zu nehmen. Natürlich ist das eine überschaubare Summe. Ärgerlich ist das Verfahren. Seit mehreren Wochen laufen die Arbeiten an der Hotherstraße. Erst jetzt wird der Stadtrat hinzugezogen. Aber was soll das Gremium machen? Ablehnen? Und dann? Fragt meine Fraktionskollegin Jana Krauß den OB. Dann würde es einen Baustopp geben. Da das keine Lösung ist, stimmen wir zu. In der Hoffnung, dass es sich um einen letzten Ausrutscher handelt. Denn solche „alternativlosen“ Entscheidungen mussten wir in dieser Legislatur zu oft treffen.

Die Sanierung des Förderschulzentrums Königshufen steht ebenfalls auf der Agenda. Auch hier müssen wir Geld von der hohen Kante nehmen. In diesem Fall geht es um eine fehlende Förderzusage aus Dresden. Wir müssen mit den Planungen loslegen, sonst kommt der Zeitplan durcheinander. Mit allem, was dranhängt. Unter anderem eine angemietete Ausweichschule in Weinhübel (Teile der DPFA-Schule). Wir finanzieren die Planungen im Umfang von rund 400.000 Euro also erstmal aus der städtischen Kasse. In der Hoffnung, dass der Förderbescheid noch kommt und wir für den vorzeitigen Maßnahmebeginn nicht bestraft werden. Die Gesamtsanierung der Förderschule Königshufen ist mit 7 Millionen Euro veranschlagt. Der Zeitplan sieht vor, dass die Schülerinnen und Schüler im Oktober 2023 nach Weinhübel umziehen und zum Schuljahresbeginn 2025 in die modernisierte Einrichtung zurückkehren.

Mit großer Mehrheit, teilweise einstimmig, werden die drei Finanz-Vorlagen angenommen. Wir stimmen – trotz Kritik – allen drei Anträgen zu.

 

Auf dem Weg zur Klimaneutralen Stadt

Für uns kommt das Beste zum Schluss: Unser Antrag „Klimaneutrale Stadt“ wird behandelt. Meine Kollegin Jana Krauß stellt ihn vor.

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, innerhalb der nächsten drei Monate den Stadtrat über das Ziel einer kommunalen Klimaneutralität abstimmen zu lassen. Hierzu ist eine entsprechende Vorlage durch den Oberbürgermeister einzubringen.
  2. In der Beschlussvorlage sollen wesentliche klimapolitische Ziele für Görlitz formuliert sein.

Begründung:

Der Oberbürgermeister hat zu Beginn seiner Amtszeit das Ziel ausgerufen, Görlitz bis 2030 zur klimaneutralen Stadt zu entwickeln. Allerdings folgte kein Handlungsauftrag an die Verwaltung in Form eines Beschlusses. Dies halten wir für zwingend nötig. Zumal der Oberbürgermeister nur so Gewissheit bekommt, ob sein ausgerufenes Ziel eine Mehrheit im Stadtrat hat.

Ein solcher Beschluss kann sich als Zeichen kommunaler Handlungsbereitschaft positiv auf die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen in der Bürgerschaft auswirken. Möglichst konkret formulierte Ziele fördern das Verständnis der notwendigen Maßnahmen. Sie sollen im Prozessverlauf weiter konkretisiert werden. Der Aufwand für die Verwaltung ist überschaubar, da bereits seit zwei Jahren ein Leitfaden zu diesem Thema vorliegt.

In der Diskussion erklären Bürger für Görlitz und CDU ihre Unterstützung für diesen Antrag. Auch OB Ursu zeigt sich offen. Derweil demaskiert sich der AfD-Fraktionschef Lutz Jankus. Mit maximaler Faktenferne fabuliert der Volljurist über Klimafragen. So habe die angebliche Erderwärmung nur mit den faulen Wissenschaftlern zu tun, die nicht in weit entlegenen Gegenden arbeiten wollen. Deshalb, so Jankus, befinden sich alle Messstationen in urbanen Räumen, was natürlich die erfassten Temperaturen ansteigen lässt. Die Simplifizierung des Abendlandes. (Faktencheck)

Um es wohlwollend zu formulieren: Lutz Jankus gelingt es in vorzüglicher Weise, den Faden der zwei Montagsspaziergänger weiterzuspinnen. Die „inhaltlichen“ Aussagen seines Fraktionsvorsitzenden sind selbst Torsten Koschinka zu viel. Der AfD-Stadtrat erklärt der Öffentlichkeit, dass er diesem „Skeptizismus“ nicht folge und auf Fakten vertraue. Dass er dennoch dem Antrag nicht zustimmt, da in Görlitz das Klima nicht gerettet werden kann, zeigt zwar Corpsgeist aber auch eine recht eingeschränkte Sicht. Klimafragen sind Wirtschaftsfragen. Die grüne Post geht längst ab und zwar rund um den Globus.

Bis auf die AfD stimmen alle unserem Antrag zu. Herzlichen Dank für die Unterstützung an die Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen BfG, CDU und Linke im Stadtrat.

Das war der letzte „Subjektive“ aus dem Görlitzer Stadtrat 2022. Ich bedanke mich für eure Lesekondition und das Feedback. Bin immer wieder erstaunt, in welch entfernten Regionen die Görlitzer Stadtratsarbeit regelmäßig verfolgt wird. Jetzt wünsche ich uns allen eine bezaubernde Weihnachtszeit und freue mich auf ein ereignisreiches Jahr 2023.

Autor: Mike Altmann

Stadtratsblog #31: 2.6.2022

Auf dem morgendlichen Weg ins Büro atme ich tief ein: So riecht ein Festtag der Demokratie. Bei allen Diskussionen und Emotionen freue ich mich auf den Stadtrat. Wer wird Nachfolger von Bürgermeister Michael Wieler? Das ist zu diesem Zeitpunkt völlig offen. Wenige Stunden später sieht das anders aus. Unser klarer Favorit Tom Lehnert zieht per E-Mail seine Kandidatur zurück. In der Begründung stehen Dinge, die bestimmten politischen Kreisen in unserer Stadt einen Spiegel vorhalten. Kreisen, denen es von vornherein nicht um die Auswahl des am besten fachlich und menschlich geeigneten Kandidaten ging. Deren Ziel ausschließlich in einem merkwürdigen Machtanspruch bestand.

Michael Wieler hat nach verdienstvollen 14 Jahren Amtszeit dem Vertrauen in die Demokratie einen Bärendienst erwiesen. Erinnern wir uns: Bevor die Stellenausschreibung für den Beigeordneten überhaupt veröffentlich wurde, präsentierte er in seiner Funktion als Vorsitzender der Bürger für Görlitz e.V. Benedikt Hummel als Wunschnachfolger. Medial war zu vernehmen, dass dies auch mit der CDU abgestimmt sei. Folge: Durch diese Festlegung konnte ein besser geeigneter Bewerber nur mit Hilfe der Stimmen der AfD Bürgermeister werden. Dieses Kalkül ist durchtrieben. Zumal der blaue Dolch am Ende gezogen wurde. Bewerber Tom Lehnert über Anrufe und Textnachrichten diffamieren, uns vorwerfen, mit der AfD zu stimmen (es gab keine Absprachen) – genau das waren die Winkelzüge, die wir in den Tagen vor der Wahl erleben durften. Ich habe volles Verständnis, dass Tom Lehnert die Notbremse gezogen hat. Aus Rücksicht auf sich, seine Familie und ja – auch auf das Amt.

Die Vorfreude auf den Stadtrat ist dahin. Wir verständigen uns als Fraktion. Die Devise ist klar: Der am besten geeignete Kandidat wird gewählt. Wer das von den drei verbliebenen Bewerbern sein wird, entscheiden wir nach deren Vorstellung. Mit diesem Plan geht es in die Sondersitzung um 14.15 Uhr. Sie ist nötig geworden, weil das Auswahlverfahren mangelhaft war. Es gab keine Beauftragung des Verwaltungsausschusses als Vorauswahlgremium. Ein Bewerber schaltete das Gericht ein. Die Links-Fraktion die Rechtsaufsicht. Um das Verfahren zu heilen, wurde die Sondersitzung anberaumt, zu der alle neun Bewerber eingeladen wurden. Somit hat pro Forma jeder die Möglichkeit bekommen, sich vorzustellen. Wer das als „Schauspiel“ bezeichnet, hat nicht ganz unrecht. Am Ende nehmen auch nur drei Männer diese Chance wahr.

Bevor sich die Kandidaten in nichtöffentlicher Sitzung vorstellen, klärt der Stadtrat das Prozedere. Aufgrund der neuen Situation mit dem provozierten Rückzug eines geeigneten Bewerbers beantrage ich für meine Fraktion, die Wahl auf die Sitzung am 23. Juni zu verschieben. Das lehnt die Mehrheit aus CDU, BfG und AfD ab. Anschließend erfrage ich, ob Bürgermeister Wieler befangen ist. Dann dürfte er an den Beratungen zur Wahl nicht teilnehmen. Meine Begründung: Herr Wieler war in seiner Funktion als Vorsitzender der BfG bereits in diesem Prozess tätig, als er Benedikt Hummel als Wunschnachfolger vor Pressevertretern ausgerufen hatte. Die Juristin des Rathauses sieht das anders, es entspinnt sich ein kurzer Austausch. Michael Wieler verlässt freiwillig seinen Platz während der Sondersitzung. Damit wir uns wohler fühlen, sagt er in Richtung unserer Fraktion. Auf mein Wohlbefinden hat Wieler keinen Einfluss, es geht um ein sauberes Verfahren. Wird im Nachgang eine Befangenheit festgestellt, ist womöglich die Wahl ungültig.

Es folgt ein nichtöffentlicher Teil, in dem sich drei Kandidaten vorstellen und Fragen beantworten. Im Rennen sind neben Benedikt Hummel noch Ulf Hüttig (Rechtsanwalt) und Peer Purschke (Justiziar in der Stadtverwaltung). Einzelheiten bleiben hinter den verschlossenen Türen.

Als die Öffentlichkeit wieder zugelassen ist, beschließen wir einstimmig, dass sich alle drei Kandidaten in der nun folgenden regulären Stadtratssitzung vorstellen. Keine große Überraschung, denn es war ohnehin geregelt, dass mindestens drei Bewerber in die letzte Runde kommen.

Wen wählen wir? Diese Frage bewegt unsere Fraktion in einer kurzen Sitzungspause. Wir beschließen, bei unserem eingeschlagenen Weg zu bleiben. Keine Fundamentalopposition, auch wenn das Verfahren etwas riecht. Es soll der Beste unter den verbliebenen Kandidaten werden. Wer das ist, muss die letzte Vorstellungsrunde klären. Wir bekommen erneut die Herren Hüttig, Hummel und Purschke präsentiert. Mein Eindruck festigt sich: Es kann nur Benedikt Hummel sein. Er macht einen guten Eindruck, reagiert offen und ehrlich auf kritische Fragen. Mit der Fraktion stimmen wir uns ad hoc in einem Chat ab. Es herrscht große Einigkeit – aber kein Enthusiasmus. Die Wahl erfolgt geheim, so dass man auch nicht mit 100% Sicherheit weiß, wer wen gewählt hat. Das Ergebnis ist eindeutig: Benedikt Hummel bekommt 24 Stimmen, Peer Purschke 10 und Ulf Hüttig geht leer aus (was nicht verdient ist, aber man hat nur eine Stimme). Der neue Beigeordnete heißt Benedikt Hummel. Ich gratuliere ihm und wünsche uns eine gute Zusammenarbeit.

Bei allem Gram bin ich stolz auf unsere Fraktion, die sich treu geblieben ist. Der oder die Beste soll es werden, hieß von Beginn an unsere Devise. Wir haben uns intensiv mit den Bewerbungen beschäftigt, mit fünf Kandidaten persönlich gesprochen, uns an der Vorauswahl im Verwaltungsausschuss beteiligt und schließlich aus all den Eindrücken Tom Lehnert als unseren Favoriten gekürt. Man kann uns viel vorwerfen – vor allem zu emotionale Reaktionen. Aber wir haben das ernst genommen, diese Bestenauswahl für unser Görlitz. Im Gegensatz zu CDU und BfG, die das Auswahlverfahren für sich als beendet erklärten, bevor es überhaupt begann.

 

Show must go on: In der Stadtratssitzung folgt die Fragestunde für Einwohner. Ein Anwohner der Lunitz beschwert sich über das Tanzglockenspiel. Es stört die Ruhe, liegt es doch nur knapp zehn Meter neben dem Schlafzimmerfenster. Der Bürger ist verärgert, weil die Verwaltung aus seiner Sicht nicht intensiv genug eine Lösung herbeiführt und es keinen Vor-Ort-Termin gab. Bürgermeister Michael Wieler erläutert, dass sich das Rathaus damit beschäftigt habe. Das Glockenspiel lässt sich nur mechanisch abstellen. Dies könne von den Anwohnern nach 20 Uhr übernommen werden. Das Thema ist tricky und ein Beispiel für nötige Abwägungen. Wir wollen Freiräume für Kinder und Jugendliche und gleichzeitig die Anwohner vor Lärm schützen. Ich bin gespannt, wie die Lösung aussieht. Und ob Michael Wieler die Einladung ins Schlafzimmer in der Lunitz annimmt, wo er sich davon überzeugen soll, dass das harmlos wirkende Tanzglockenspiel die Wände erzittern lässt.

Eine weitere Frage dreht sich um Tempo 30 in der Stadt. Herr Wieler erzählt etwas Positives: Demnächst gibt es eine Beschlussvorlage der Verwaltung für weitere Tempo 30-Zonen in der Innenstadt. Nachdem ich die Bitte einer Bewohnerin der Gartenstraße im Technischen Ausschuss vorgebracht hatte, gab es dort eine Offenheit der Stadträte. Dies motoviert Herrn Wieler, Tempo 30 wieder ins Spiel zu bringen. Der bis 2019 aktive Stadtrat hatte solcherlei Vorschläge in unschöner Regelmäßigkeit abgelehnt.

 

Es folgt die Fragestunde für Stadträte. Mein Kollege Andreas Kolley möchte wissen, warum die Strandbar am Nordoststrand des Berzdorfer Sees auf absehbare Zeit keinen Wasseranschluss bekommt. Der zuständige Amtsleiter Torsten Tschage begründet das damit, dass die Strandbar eine mobile Anlage ist, die nur in der Sommersaison betrieben wird. Sie muss ohnehin wieder abgebaut werden, bis entschieden ist, wer in der nächsten Saison als Gastroanbieter an den Strand darf. Es braucht laut Tschage einen dauerhaften Abnehmer, sonst drohen die Trinkwasserleitungen zu verkeimen. Außerdem fehlt ein Bebauungsplan. Diese Antwort befriedigt uns nicht. Wir werden zwei Dinge tun: Erstens soll die Entscheidung über die Betreibung in der nächsten Saison so rechtzeitig fallen, dass im Fall eines Zuschlags die Strandbar nicht ab– und wieder aufgebaut werden muss. Zweitens wollen wir uns im Technischen Ausschuss intensiver mit der Wasserfrage beschäftigen und über mögliche Alternativen beraten.

Kollege Danilo Kuscher erkundigt sich, wie es mit der Digitalisierung und dem Personalkonzept vorangeht. Leider bekommen wir hierzu – wie immer eigentlich – nur ausweichende Antworten von OB Ursu. Die Beschaffung von Laptops und Co. aus dem Digitalpakt für Schulen hat jedenfalls nichts mit der Digitalisierung der Verwaltung oder gar einer Smart City zu tun. Wir kommen nicht zu Potte bei diesen Themen. Auch ein Personalkonzept ist nicht in Sicht. Herr Ursu verspricht ein paar Angaben in Vorbereitung des nächsten Haushalts. Unbefriedigend. Es fehlt vorausschauendes und strategisches Agieren des Oberbürgermeisters.

 

Anschließend fassen wir einige Beschlüsse:

Vergabe Neubau Feuerwehrgebäude Innenstadt – Tief- und Straßenbau

Der Zuschlag zur Beauftragung wird auf das Angebot des Unternehmens STL Bau Löbau GmbH & Co. KG mit dem Bruttoangebotspreis von 628.791,05 EUR erteilt.

 

Beschaffung von interaktiven Displays für die Schulen der Stadt Görlitz im Rahmen des Digitalpaktes

Hier brauchte es einen Termin von Schulleitern, Verwaltung und Stadträten, um sich zu einigen. Das Rathaus wollte zunächst aus Kostengründen interaktive Displays ohne integrierte Rechner beschaffen. Von den Schulen wurden aber gute Argumente aus ihrer Arbeitspraxis angebracht, die uns davon überzeugt haben, die Variante mit integrierten PCs zu beschaffen. Das Geld dafür ist auch durch die Förderung des Freistaates vorhanden. Was haben wir gelernt: Es ist grundsätzlich gut als Stadtrat, alle Beteiligten zu hören und sich nicht ausschließlich auf das Urteil der Verwaltung zu verlassen. Selbst wenn es nach bestem Wissen und Gewissen gefällt wurde.

 

Der Seniorenbeirat muss neu gewählt werden. Das hängt mit den vielen Wechseln in der AfD zusammen. Ursprünglich sollte nur ein Blauer gegen einen anderen ausgetauscht werden (sie haben bislang zwei von vier Sitzen im Seniorenbeirat). Wir haben gesagt, dass wir der AfD diesen zweiten Sitz nicht kampflos überlassen. Ich habe mich als Kandidat zur Verfügung gestellt. Da die AfD-Trümmertruppe mit zwischenzeitlich nur 7 von 12 Stadträten anwesend ist, gelingt der Schachzug auch. Die AfD verliert einen Sitz an Motor/Grüne. Ich freue mich auf die Aufgabe. Der Name passt ja schon mal. Weiterhin gewählt wurden Dieter Gleisberg (CDU), Prof. Joachim Schulze (BfG-Fraktion), Peter Stahn (AfD).

 

Verkauf einer Fläche im Gewerbegebiet Hagenwerder

SKAN kann weiter wachsen. Der Stadtrat beschließt den Verkauf einer Teilfläche in einer Größe von ca. 23.480 m² an die SKAN Deutschland GmbH. Der Kaufpreis beträgt 194.000,00 EUR. Das Unternehmen ist bereits seit 2013 im Gewerbegebiet ansässig. Ursprünglich wurden 30 Arbeitsplätze geplant. Mittlerweile ist SKAN auf über 230 Mitarbeiter angewachsen. Das Unternehmen stößt nun an seine Grenzen. Damit der Weltmarktführer von Isolatorlösungen für Biopharmakunden wachsen kann, erfolgt ein Flächenverkauf der Stadt.

 

Zeitliche Verlängerung des Sanierungsgebietes „Gründerzeitviertel“

Die Laufzeit für das Sanierungsgebiet „Gründerzeitviertel“ wird bis Ende 2027 verlängert. Es umfasst die Innenstadt West von der Teichstraße bis zur Brautwiesenstraße. Die Sanierungsziele sind noch nicht erreicht, speziell was die Revitalisierung von ehemaligen Gewerbeflächen betrifft. Durch die Verlängerung des Sanierungsgebietes stehen weiterhin steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten und Fördermittel zur Verfügung, die dringend nötige Investitionen unterstützen sollen.

 

Befragung der Händler auf dem Wochenmarkt

Im März hatten wir die Vertreterin der Marktgilde zu Gast im Stadtrat. Ihr Bericht ließ bei uns die Alarmglocken schrillen. Dass das Markttreiben mit dem neuen Betreiber nicht üppiger geworden ist, sieht man ohnehin. Wir wollen die Verwaltung mit einer Befragung der Markthändler beauftragen. Wie ist die Stimmung? Welche Verbesserungsvorschläge gibt es? Welche Wünsche haben die Händler für die Neugestaltung des Platzes? Und wohin wollen sie als Ausweichstandort, wenn der „Eli“ saniert wird? Der Oberbürgermeister schlägt einen Zwischenschritt vor, da es nach seiner Ansicht bereits einen hohen Wissensstand zu diesen Fragen gibt. Wir sollen uns mit den Fachabteilungen in den Ausschüssen dazu austauschen und danach entscheiden, ob wir die Befragung benötigen. Diesem Vorschlag stimmen wir zu und beenden die Sitzung mit einem guten Kompromiss.

 

Autor: Mike Altmann

Stadtratsblog#16: 25.2.2021

Die Tagesordnung der Stadtratssitzung liest sich unspektakulär. Kein Kaufhaus, keine Oberschule, kein Nostromo. Die Knallerthemen fehlen. Und doch wird es eine bemerkenswerte Veranstaltung, die uns sehr viele Stellen aufzeigt, in denen es in Görlitz schon recht stark müffelt. Wo die Säge klemmt. Wir „Herausforderungen“ haben.

Haushalt hinter verschlossenen Türen

Die Aufregung beginnt für unsere Fünfer-Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne bereits weit vorher. Auslöser ist eine Sitzung des Verwaltungsausschusses am 17. Februar. Im nichtöffentlichen Teil informiert OB Ursu über die Eckdaten des Haushaltes 2021/22 und erste Einsparvorschläge der Verwaltung. Wir fragen uns, warum eine solch wichtige Information nicht öffentlich im Stadtrat vorgetragen wird, wie es die Sächsische Gemeindeordnung vorsieht? Eine entsprechende Bitte von uns lehnt der Oberbürgermeister ab. Daraufhin wollen wir im Stadtrat einen Antrag stellen, der uns von der Verschwiegenheit entbindet. Geht aus formalen Gründen nicht, erklärt uns das freundliche Rechtsamt fünf Minuten vor der Sitzung. Es fehlt ein passender Tagesordnungspunkt. Außerdem sei es völlig unüblich, so früh die Öffentlichkeit zu informieren. Zunächst würden Verwaltung und Stadtratsfraktionen hinter verschlossenen Türen gemeinsam Eckpunkte erarbeiten, erklärt uns der OB später in der Fragestunde. Nach unserer Auffassung untergräbt dieses Vorgehen die Beteiligung der Öffentlichkeit. Der Oberbürgermeister hat einen Haushaltsentwurf vorzulegen, inkl. Finanzplan bis 2025 und Investitionsplan. Das wird öffentlich ausgelegt, die Bürgerschaft gibt Anmerkungen und macht Vorschläge. Und erst dann beginnen die eigentlichen Haushaltsverhandlungen. Wenn das vorher schon alles weitestgehend „ausgehandelt“ ist, hat die Bürgerschaft wenig Chancen, das Konsenspaket nochmal zu öffnen. Wir werden auch weiterhin versuchen, das vom Gesetzgeber gewollte Öffentlichkeitsprinzip durchzusetzen.

 

Nun zur eigentlichen Sitzung: Eine nicht ganz unwichtige Vorlage muss bereits zum zweiten Mal runtergenommen werden. Der Vergabebeschluss für den Bau der Blockhausbrücke. Es gibt Schwierigkeiten mit dem Vergabeverfahren. Dadurch drohen weitere Zeitverzögerungen.

Weiteres Leuchtturmprojekt?

Es folgen Informationen zum sogenannten „Experimentierhaus“. Dieses hatte vor einem Jahr die CDU angeregt. Der OB sollte prüfen, ob man nach dem Vorbild von IQ-LANDIA Liberec und Technorama Winterthur einen ähnlichen Anziehungspunkt zum Lernen, Forschen und Staunen in Görlitz hinbekommen kann. Die konzeptionelle Arbeit wurde von der Hochschule Zittau/Görlitz übernommen. Vielen Dank für die große Kooperationsbereitschaft, denn auch schon bei Herrn Ursus Projekt „Filmakademie“ leistet im Wesentlichen die Hochschule die inhaltliche Arbeit.  Vorgestellt wird eine erste Konzeption von der Prorektorin Forschung Prof. Sophia Keil, die ein schönes Eingangsstatement gibt: „Unsere Zukunft liegt in den Händen der Kinder und die Zukunft der Kinder liegt in unseren Händen.“ (Das merken wir uns für später.) Einbetten soll sich das Experimentierhaus in einen Oberlausitzer Zukunftslernort mit zentralen und dezentralen Werkstätten für 13- bis 20-Jährige. Ins Gesamtkonzept fließt jetzt das „Experimentierhaus“ ein. 2023 könnte man in die Umsetzungs- und Bauplanung einsteigen. Der Hochschule schwebt ein futuristischer Neubau am Hochschulcampus an der Neiße vor, der Signalfunktion hat. Inhaltlich sollen die MINT-Fächer ein Schwerpunkt sein, es aber auch Angebote entlang der Hochschul-Studienfächer und der Filmakademie geben. Der Knackpunkt wird die Finanzierung. Wenn eine fundierte Planung mit Inhalten, Marktanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnung sowie Erschließung von Finanzierungsquellen vorliegt, kann man sich intensiv damit auseinandersetzen. Ich verstehe jeden, der mit einem weiteren Leuchtturmprojekt fremdelt, während wir in Görlitz den Neubau einer dringend benötigten Oberschule nicht hinbekommen. Aber bleiben wir einfach optimistisch.

Nostromo vor der Rettung

Dass hin und wieder Wunder geschehen, eröffnet uns Bürgermeister Michael Wieler bei seinem Bericht zur Situation auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofes. Dort gab es ja die traurige Nachricht, dass dem Nostromo gekündigt wurde. Nachdem das Thema in den sozialen Medien durch den Schall & Rauch e.V. als Nostromo-Betreiber bekannt gemacht wurde, hat sich nun ein „Gönner“ gemeldet. Es liegt eine schriftliche Bereitschaftserklärung vor, das Gelände zu kaufen, der Stadt ein Vorkaufsrecht einzuräumen und dem Nostromo einen Nutzungsvertrag anzubieten. Das ist eine wunderbare Nachricht, die hoffentlich zu einem Happy End in dieser Angelegenheit führt. Das Nostromo-Team und seine vielen Unterstützer haben unter Beweis gestellt, dass es hilft, die Öffentlichkeit einzubeziehen.

Ebenfalls positiv: Herr Wieler hat nunmehr auch mit potenziellen Partnern über seine Idee gesprochen, auf dem Schlachthofgelände ein „Zivilschutzzentrum“ zu entwickeln (nachdem diese aus der Zeitung davon erfuhren). Landkreis und DRK haben demnach ihr Interesse erklärt. Auch hier steht und fällt aber alles mit der Finanzierung.

Gift für Tourismus

Die Europastadt GörlitzZgorzelec GmbH ist in Görlitz für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Stadtmarketing zuständig. Die Geschäftsführerin Andrea Behr berichtet uns über die aktuelle Lage. Die Gästezahlen sind durch Corona 2020 um 40% eingebrochen. 2021 wird es nicht viel anders aussehen. Dadurch ist Görlitz auf den Stand von 2012 zurückgeworfen worden (Sachsen gar 2010). Das schlägt ins Kontor. Die EGZ hat errechnet, dass jeder Übernachtungsgast rund 130 Euro in der Stadt lässt. Tagesgäste im Schnitt 24 Euro. Fasst man alles zusammen, bescherten Touristen den Görlitzer Gewerbetreibenden 102 Millionen Euro Umsatz im Rekordjahr 2019.

Gewerbeflächen fast ausgebucht

Wirtschaftlich macht uns Andrea Behr Mut. Es gibt anhaltend viele Nachfragen von ansässigen Firmen, die sich erweitern wollen und von Unternehmen, die auf Standortsuche sind. 45 Ansiedlungsgespräche laufen derzeit. Wir brauchen Geduld, denn es vergehen nicht selten drei bis vier Jahre von der Anfrage bis zum Produktionsstart, wie z.B. bei Yellow Tec, wo es im vierten Quartal losgehen soll. Auch mit dem Zoll ist man seit vier Jahren im Gespräch. Jetzt schlägt die Bundesbehörde zu und siedelt sich im fast schon dem Tode geweihten Gewerbegebiet Nord-Ost in Klingewalde an. Stichwort Gewerbegebiete: Görlitz gehen die Flächen aus, fast alle Zipfel sind verkauft, auch in Schlauroth wird es bald voll sein. Heißt für uns: Neue Gewerbegebiete entwickeln gemeinsam mit anderen Kommunen, denn der Stadt Görlitz fehlen einfach Flächen. In jedem Fall braucht es dafür Geld im Haushalt, denn ohne Eigenmittel lässt nichts ausrichten.

Unstrukturierter Strukturwandel

Das Geld fehlt auch noch für einen „Nachhaltigkeitsmanager“. Eine Position, die das Ziel „Klimaneutrale Stadt“ koordiniert. Ein Förderantrag wurde jüngst abgelehnt, nun ist die EGZ auf der Suche nach weiteren Finanzquellen. Eine der heißesten Quellen ist der gut gefüllte Fördertopf für den „Strukturwandel“. In anderen Kommunen der Region gibt es bereits Koordinatoren, die nur dafür zuständig sind. In Görlitz hat die EGZ die größte Expertise und gute Kontakte, aber es fehlt bislang jede Struktur in der Stadtverwaltung. Wir erfahren, dass seit wenigen Tagen ein Koordinierungskreis für den Strukturwandel eingerichtet wurde. Das ist fast schon fahrlässiger Umgang mit Fördergeldern. Spätestens mit Veröffentlichung der begleitenden Förderprogramme zum Kohleausstieg hätte dieses Thema Chefsache sein müssen. Nun hoffen wir, dass nach dem sehr späten Start mit Volldampf gearbeitet wird. Der OB ist offenbar noch nicht warmgeworden mit dem Thema. „Wir ordnen die Anträge, die da sind“, ist seine Antwort auf meine Frage nach einer strategischen Koordination.

Unklarheit zur See GmbH

Ebenso unbefriedigend ist die Antwort von Herrn Ursu auf die Frage meines Kollegen Andreas Kolley. Nachdem Frau Behr das Thema Entwicklung des Berzdorfer Sees nur streift, möchte er vom OB wissen, ob er denn wie beschlossen im März seine angekündigte See GmbH vorstellt.  Antwort: „Wir arbeiten daran. Wenn alles klappt, bekommt es der Stadtrat im März vorgestellt. Wenn nicht, dann später.“ Es geht hier um einen gefassten Beschluss mit klarer Terminsetzung 1. Quartal. Der OB scheint das nicht sonderlich ernst zu nehmen.

Stress auf dem Wochenmarkt

In der Bürgerfragestunde brennt auch der Baum. Ein Imbissanbieter vom Wochenmarkt beklagt sich über die neuen Betreiber (Deutsche Marktgilde). Die Standmiete wurde von 35 Euro auf 60 Euro erhöht (die Stadt hat darauf keinen Einfluss). Bei schlechterem Service als unter Francois Fritz. So muss das Wasser jetzt von zuhause in Eimern mitgebracht werden. Der Gang zur Toilette ist auch eine kleine Weltreise und führt bis ins City Center. Echauffiert wird sich darüber im Stadtrat ausgerechnet von der AfD, die überhaupt erst Unruhe in die Wochenmarkt-Betreibung gebracht hat. Hoffentlich geht nach 20 Jahren Frieden nicht wieder der Dauerzoff auf dem Markt los.

Bürgermeister findet Containerlernen okay

Dann geht es um die Frage der Familienfreundlichkeit. Ein junger Vater schätzt ein, dass der unter Siegfried Deinege eingeschlagene Weg der familienfreundlichen Stadt verlassen wird. Aus seiner Sicht ist die geplante zeitliche Verschiebung des geplanten Neubaus einer Oberschule auf dem Schlachthofgelände (Richtung Rauschwalder Straße) nun die „Krönung“. Bereits jetzt seien die Schulen überlastet, müssen Kinder in Containern lernen. Er fragt nach den Prioritäten: „Wir kommen unseren Pflichtaufgaben nicht nach und bauen stattdessen eine Stadthalle?“ Erwartungsgemäß beschwichtigt OB Ursu. Man wolle weiterhin die Oberschule, der Bau werde nur etwas nach hinten geschoben. Wie viele Jahre sind eigentlich „etwas“? Bürgermeister Michael Wieler wiederum geht auf das Thema Container ein, die er als gar nicht so schlimm empfindet. „Die Container haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch. Ich will das nicht schönreden, aber man kann hier guten Gewissens von einem soliden Raumangebot sprechen.“

Ich frage an anderer Stelle bei Herrn Wieler nach, wie er denn zu einem solchen Sinneswandel kommt. Noch vor einigen Monaten wurden Container für die Zeit der Sanierung der Grundschule in Königshufen von Herrn Wieler und dem Schul- und Sportamt abgelehnt. Aus der Elternvertretung wurde mir das Zitat übermittelt: „Im Winter sehr kalt, im Sommer sehr heiß, der Boden ewig dreckig. Das ist unzumutbar für Schüler und Lehrer.“ Herr Wieler kann sich nicht erinnern, dass er jemals eine solche Äußerung gemacht habe. Dafür habe ich Verständnis, sein Wortanteil in jeder Sitzung ist sehr hoch. Da haben wir was gemeinsam – auch ich erinnere mich deshalb nicht an jedes Wort.

Im März will die Verwaltung jedenfalls beantragen, den Neubau der Oberschule offiziell zu verschieben. Thorsten Ahrens (Linke) regt eine digitale Bürgerversammlung dazu an, mit Lehrern, Eltern und Schülern der Görlitzer Oberschulen. Yvonne Reich (BfG) schlägt einen Vor-Ort-Termin vor, um sich die Bedingungen in Unterrichts-Containern anzuschauen.

Stöcker-Kaufhaus acht Jahre planlos

Zurück zur Bürgerfragestunde. Da ging es einmal mehr um die Planungen fürs Kaufhaus. Architekt Frank Vater vermisst einen konkreten Bebauungsplan, auf dessen Grundlage man auch mal Argumente austauschen kann. Wir erfahren, dass es keinen solchen B-Plan gibt, da Investor Stöcker bis heute keine konkreten Inhalte zugearbeitet hat, die in einen solchen Plan einfließen könnten. Ist es also das Görlitzer Rathaus, das das Kaufhaus-Projekt ausbremst? Herr Stöcker ist seit 2013 im Besitz des Kaufhauses und hat seitdem keine relevante Planung vorgelegt. Dass er dennoch schon einen Abrissantrag für die Häuser Postplatz 5/6 stellt, ist rechtlich möglich, gibt aber zu denken.

14 Ladesäulen und kein Konzept

Danilo Kuscher (Motor) erkundigt sich in der Fragestunde für Stadträte, wie es mit dem Mobilitäts- und Verkehrskonzept weitergeht, das uns seit vielen Monaten versprochen wird und ob sich Görlitz bemüht, mehr als die derzeit geplanten 14 Ladesäulen für E-Autos hinzubekommen. OB Ursu kündigt für April eine Bürgerversammlung an, in der Elemente aus dem Verkehrskonzept beredet werden können. Das Thema E-Mobilität bekommen wir demnächst im Technischen Ausschuss vorgestellt, aber Bürgermeister Wieler lässt schon durchblicken, dass er die Stadt hier nicht in einer verantwortlichen Rolle sieht. Das liege in unternehmerischer Verantwortung. Mag sein, aber wenn ich mit verschränkten Armen hinterm Schreibtisch sitze, wird sich das Thema nicht allein durch die Wirtschaft lösen. Wo sind die Strategien, die abgestimmten Pläne, die spürbare Lust auf Zukunft?

Kein Wasser für die Strandbar

Motor-Kollege Kolley meldet sich ein weiteres Mal zum Berzdorfer See. Nachdem mit erheblichem Verzug die Gewerbetreibenden in Deutsch Ossig ans Wasser angeschlossen sind, würden wir auch gern am Nordost-Strand einen Anschluss herstellen (z.B. für die Strandbar). Das ist aber nicht möglich, weil die Rohre nur bis zur Toilette am Rande des Nord-Ost-Strandes führen. Richtung Stadt gibt es keine Wasser- und Abwasserleitung. Na, sowas aber auch… Blöd nur, dass es ab Juli neue Richtlinien für Gastronomen gibt, die den Verkauf von Speisen und Getränken in Einweggeschirr untersagen. Ich hätte es prima gefunden, wenn Herr Ursu oder Wieler zumindest erklärt hätten, dass sie sich des Themas annehmen und nach Lösungen suchen.

Trauriger Umgang mit Engagierten

Diese dezente Unlust an Kommunikation und Hilfsbereitschaft bekommt auch Gabi Kretschmer (CDU) zu spüren. Sie ist rührige Unterstützerin des Projektes „Deutsch-Polnische Kinder-Stadt“. In diesem Sommer fällt der Termin mit den Festivitäten „950 Jahre Görlitz“ zusammen. Damit fürchtet Gabi Kretschmer, dass die Ausrichtung im Stadthallengarten nicht möglich ist. Entsprechende Briefe ans Rathaus blieben allesamt unbeantwortet. „Die liegen bei mir“, sagt Bürgermeister Wieler und begründet, dass er noch nicht soweit mit den Planungen sei, um sagen zu können, was geht und was nicht. Das kann passieren. Aber hatte der Bürgermeister keine Zeit für ein Telefonat, eine kurze E-Mail, ein Randgespräch während einer Sitzung, um einer Stadträtin und engagierten Görlitzern zumindest diese Zwischeninfo zu übermitteln? Wie traurig.

Zum Ende der Fragestunde ist es bereits 19 Uhr. Nach einer kurzen Pause geht’s mit den Beschlüssen los, von denen ich einige vorstelle.

Badebetrieb am Berzi gesichert

Wir beschließen die vorzeitige Freigabe von 200.000 Euro für die Badesaison 2021 am Berzdorfer See. Davon werden u.a. Ordnung und Sicherheit bezahlt aber auch die Badeaufsicht. Leider wird mit der Begründung „Corona“ weiterhin die Entwicklung gehemmt. Die Widmung der Straße nach Deutsch Ossig ist nicht in Sicht und damit auch kein Baurecht für Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende. Positive Info: Wahrscheinlich bekommen wir noch im März Informationen zur alternativen Verbindungsstraße nach Deutsch Ossig, die unterhalb der Bahnstrecke verlaufen soll. Dadurch könnten wir den Verkehr von der Promenade entfernen – die Strandstraße stünde somit den Kindern und Familien, den Sportlern und Spaziergängern zur Verfügung. Wir sind gespannt. Bis dahin müssen sich wohl alle mit der Situation der letzten Jahre arrangieren.

Stadtwerke retten Feuerwehr

Mixed Emotions gibt es beim Thema „Neubau eines Feuerwehrhauses Innenstadt“. Wir freuen uns natürlich, dass nun endlich die Kameradinnen und Kameraden der Ortswehren Stadtmitte und Klingewalde/Königshufen ein modernes Domizil bekommen. Es entsteht auf der Cottbuser Straße zwischen Hammer-Markt und der alten Oberschule und reicht bis an die Weiße Mauer. Damit endet ein zwölfjähriger Kampf positiv. Nicht so lustig sind die Kosten und wie sie zustande kamen. In Kurzfassung: Im Brandschutzbedarfsplan 2016 wurde eine Variante mit sechs Stellplätzen (danach richtet sich die Größe) auf 2,4 Mio Euro beziffert. Beim Grundsatzbeschluss zum Bau im Jahr Mai 2019 wurde das Vorhaben bereits mit 2,9 Mio taxiert. Im Haushalt wurden aber lediglich 2,3 Mio eingeplant. Der Neubau kostet nun 4,9 Mio Euro. Einige Kostensteigerungen liegen am größeren Raumbedarf (wegen der erfreulicherweise gestiegenen Anzahl an freiwilligen Feuerwehrleuten) und einer Waschhalle, die neu hinzukam. Es bleibt aber beim unschönen Gefühl, dass von Beginn an in Kauf genommen wurde, dass das geplante Geld nicht reichen wird.

Weil nun rund zwei Millionen Euro im Stadtsäckel fehlen, springen die Stadtwerke Görlitz ein. Sie kaufen Aktienpakete vom 24,9%-Gesellschafter Görlitz zurück, wodurch die Stadt zwei Millionen für die Feuerwehr bekommt. Der zweite Gesellschafter Veolia hält 74,9% der Aktien. Um das Verhältnis zu wahren, muss die SWG auch von Veolia Aktien zurückkaufen – hier im Wert von sechs Millionen Euro. Insgesamt wird durch diese Nothilfe den Stadtwerken also acht Millionen Euro Liquidität entzogen. Aktuell noch nicht dramatisch, erklärt SWG-Vorstand Matthias Block. Aber es ist dennoch schmerzhaft.  Der Aktienrückkauf beeinträchtigt das Geschäft der SWG möglicherweise bei künftigen Kreditaufnahmen. Die Eigenkapitalquote sinkt von 42,6% auf 38,6%. Alarmierend wird es bei unter 35%. Dann würde das operative Geschäft leiden, auch die Gewinnausschüttung wird dann geringer ausfallen. Ob das Modell mit dem Aktienrückkauf rechnerisch überhaupt aufgeht, muss ein Wirtschaftsgutachten ermitteln. Denn maximal zehn Prozent des Gesamtwertes der Aktiengesellschaft können zurückgekauft werden. Der Wert soll nun genau bestimmt werden, erst dann gibt es Sicherheit. Die Stadtverwaltung sieht aber keine Gefahr und verzichtet auf die Anregung von meiner Fraktionskollegin Dr. Jana Krauß, den Beschluss unter einen Finanzierungsvorbehalt zu stellen. Danilo Kuscher und ich kritisieren die unseriöse Haushaltsplanung der Vorjahre, wofür wir Unverständnis ernten. Bürgermeister Wieler erklärt, das sei die Haushaltslogik. Wenn zu knapp geplant werde, liegt das an den Ratsfraktionen, die ihre Projekte unterbringen wollen. (Genau dieses Vorgehen möchte die Verwaltung weiterhin praktizieren – oder warum werden die neuen Haushalts-Eckdaten hinter verschlossenen Türen verhandelt?)

Freuen wir uns aber nun mit den Feuerwehrleuten und wünschen dem Bau gutes Gelingen. So sehen es am Ende alle Stadträte, die geschlossen zustimmen. Ebenso einstimmig wird die Errichtung eines Davidsterns in seiner ursprünglichen Größe auf der Synagoge beschlossen. Die nötigen 70.000 Euro soll der Oberbürgermeister über Förderer oder Sponsoren beschaffen.

Zwischenlösung für Stadtrundfahrten

Ein heiß diskutiertes Thema in der letzten Saison: Wohin mit den Stadtrundfahrten? Nachdem sich die Anbieter am Obermarkt im Wildwuchs vermehrten, musste eingegriffen werden. Leider bevorzugte OB Ursu zunächst einen Alleingang und machte das Kuddelmuddel noch schlimmer. Vorgesehen waren zusätzliche Abfahrtstellen am Untermarkt und Klosterplatz. Auf der abschüssigen Fleischerstraße sollten die Pferdekutschen stehen. Motor Görlitz/Bündnisgrüne forderte daraufhin die Untersuchung von Alternativen. So kam das Thema überhaupt erst in den Stadtrat. Weil die Verwaltung bei ihrer Vorlage blieb und sich die anderen Fraktionen (noch) nicht für unseren „großen Wurf“ erwärmen konnten, alle Anbieter zentral am ehemaligen Busbahnhof Demianiplatz abfahren zu lassen, musste ein Kompromiss her. Diesen fanden wir gemeinsam mit CDU und BfG. Für eine Saison gibt es nun folgende Abfahrtstellen am Obermarkt: Dreifaltigkeitskirche, vor dem Napoleonhaus (wo bislang die Kutschen standen) und vor der Staatsanwaltschaft. Außerdem kommen E-Mobile auf die benachbarte Fleischerstraße und Kutschen an den Kaisertrutz. Diskussionen gab es auch zu den Gebühren. Die Verwaltung wollte die gewerbliche Nutzung der öffentlichen Flächen quasi verschenken. 100 Euro im Monat sollte es maximal kosten. Wir orientierten uns an den Kosten, die andere Gewerbetreibende für die Sondernutzung zahlen müssen und schlugen zunächst einen Euro pro Tag je Quadratmeter Fläche vor. Wegen der schwierigen Lage derzeit gibt es diese Saison einen Einstiegspreis von 70 Cent je Quadratmeter. Kutschen zahlen 14 Cent. Damit kostet der Platz vor der Dreifaltigkeitskirche im Monat gut 1.400 Euro. Klingt viel? Erinnern wir uns an den Händler vom Wochenmarkt. Er zahlt für 25 Markttage 1.500 Euro. Auch jeder Gastronom blecht für Stühle und Tische im öffentlichen Raum. Bislang wurden übrigens gar keine Gebühren erhoben.

Für unsere Fraktion betont Jana Krauß, dass es sich nur um eine Zwischenlösung handelt. Es muss im Sommer wieder auf die Tagesordnung. Es wäre prima, wenn es dann zu einer gemeinsamen Klausur von Verwaltung und Fraktionen zu dem Thema kommt. Eine große Mehrheit befürwortet schließlich den Vorschlag von CDU, BfG und Motor/Grüne, der damit für diese Saison gilt.

Henne oder Ei?

Am Ende des öffentlichen Teils beschäftigen wir uns mit dem AfD-Antrag „Smartphone App für den Innenstadthandel“. Der OB soll beauftragt werden, mit Händlern und Händlervereinen eine AG „Smartphone App für den Innenstadthandel“ zu gründen. Mit dem Ziel, eine solche App konzeptionell zu entwickeln. Unsere Fraktion erkennt die Bemühungen an, den lokalen Einzelhandel zu unterstützen. Allerdings lehnen wir den Antrag ab. Die dezidierte Beauftragung, eine Smartphone App zu entwickeln, würde eine browserbasierte Anwendung ausschließen, die heutzutage deutlich verbreiteter ist. Neben dieser inhaltlichen Unstimmigkeit ist der Antrag abzulehnen, weil es nicht Aufgabe des Oberbürgermeisters ist, einen Arbeitskreis mit Gewerbetreibenden zu bilden, um ein Produkt zu entwickeln, für das es am Markt bereits Anbieter gibt. Auch auf regionaler Ebene findet der Görlitzer Einzelhandel leistungsstarke Partner, die eine Online-Plattform entwickeln und programmieren können. Die eigentlich zu behandelnde Thematik ist ein Digitalisierungskonzept, auf dessen Grundlage ein zeitgemäßer städtischer Internetauftritt entsteht. Unter diesem großen Dach sollen sich Anwendungen wie ein Onlinehandelshaus, Ticketverkäufe, Hotelbuchungen, Gaststättenreservierungen u. ä. finden. Hierfür sind entsprechende gedankliche Vorarbeiten nötig. Einen Antrag dazu hat unsere Fraktion bereits im September 2020 gestellt und auf Wunsch des OB vertagt, um zunächst eine Information zum bisherigen Arbeitsstand in Sachen Digitalisierung von der Verwaltung zu bekommen. Dies ist am 23. Februar erfolgt. Aus den Informationen haben wir entnommen, dass Görlitz in der Tat eine Strategie für digitale Anwendungen benötigt. Entsprechend werden wir unseren Antrag im März wieder einbringen.

Mit diesem Blick nach vorn, bedanke ich mich für die grenzenlose Geduld und ausdauernde Aufmerksamkeit, liebe Leserin, lieber Leser. Bleibt gesund und fröhlich.

Text: Mike Altmann