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Der Stadtrat steuert auf die Ferienpause zu – die Tagesordnung ist sommerlich luftig. Am Ende werden wir fast alle Beschlüsse einstimmig fassen. Dennoch gibt es Aha-Erlebnisse und Aufreger.

Zunächst informiert uns Oberbürgermeister Octavian Ursu über interessante Dinge. Er entscheidet sich diesmal für ein Potpourri der interkommunalen Zusammenarbeit. Wir erfahren, dass er sich mit Nieskys Oberbürgermeisterin Kathrin Uhlemann in Sachen Eisenbahntestring TETIS getroffen hat und das Vorhaben unterstützt. (Es ist allerdings sehr weit von einer Umsetzung entfernt, da es derzeit niemanden gibt, der die Investitionen bezahlen will.) Mit Ostritz wird es konkreter: Wir beschließen im weiteren Verlauf der Sitzung die Erweiterung des Gewerbegebietes auf dem alten Kraftwerksgelände Hagenwerder. Auch den Zittauer OB Thomas Zenker traf Ursu und berichtet von einer intensiveren Zusammenarbeit bei Ausstellungen aber auch bei der Unterstützung der Hochschule. In Kürze soll es auch Gespräche mit Löbau geben. Überregional war der OB ebenfalls unterwegs und hat sich mit dem polnischen Botschafter getroffen, um über grenzüberschreitende Projekte mit Zgorzelec zu berichten.

In der Fragestunde für Einwohner kritisiert Kurt Bernert die vielen Zigarettenstummel vor Görlitzer Lokalen und in Gullis. Er fragt, ob die Verwaltung die Gastronomen dazu bringen kann, Aschenbecher vor ihren Häusern aufzustellen. Die Rathausspitze sagt zu, dass die EGZ in ihrer nächsten Gastro-Runde das Thema anspricht. Der Wunsch von Kurt Bernert (und anderen) nach mehr 30er Zonen in Görlitz wird möglicherweise noch schneller erfüllt: Im nächsten Stadtrat gibt es dazu eine Vorlage der Verwaltung.

Mehr Fragen gibt es nicht aus der Bürgerschaft. Nun kommen die Stadträte an die Reihe.

Andreas Kolley (Motor Görlitz) fragt, wie es mit dem Mobilitätskonzept weitergeht. Vor zweieinhalb Monaten fand ein Workshop mit Bürgerinnen und Bürgern statt. Wie werden die Ergebnisse kommuniziert und wann entscheiden wir? Bürgermeister Michael Wieler berichtet, dass sich das Verfahren etwas verzögert hat. Den Teilnehmern wurde zugesagt, dass sie ein Protokoll inkl. Schlussfolgerungen erhalten, das allerdings noch nicht fertig ist. Da nun die Sommermonate anstehen, gehe ich davon aus, dass es erst im Herbst weitergeht mit der Arbeit am Verkehrs- und Mobilitätskonzept. Tempo 30 ist gut und schön, aber nicht bei einem so wichtigen Thema. Da darf mehr Geschwindigkeit rein.

Mirko Schulze (Die Linke) fragt, ob es zum Rollsplit auf der Bahnhofstraße keine Alternative gab. Das kann niemand aus der Verwaltung beantworten. Der zuständige Fachmann ist nicht da. Das gilt auch für die Beantwortung der zweiten Frage: Warum kann man seit einiger Zeit auf dem Parkplatz Hugo-Keller-Straße nicht mit Karte zahlen?

Andreas Zimmermann (CDU) erkundigt sich, ob es nicht doch eine Chance gibt, die Kraftwerksstraße durchs Industriegebiet Hagenwerder für den öffentlichen Verkehr freizugeben (um damit Tauchritz zu entlasten). Das verneint Dr. Wieler. Das zuständiges Landesamt hat erklärt, dass dafür ein umfangreiches Gutachten nötig wäre. Bezahlen müsste es Görlitz. Damit sind die Fronten klar.

Peter Stahn von der AfD möchte wissen, ob an den Gerüchten etwas dran sei, dass der Ausbau des alten Kondensatorenwerks für das CASUS-Institut auf Eis gelegt wurde. Das kann der OB nicht bestätigen.

Ich frage nach zur Situation des Nostromo. Tags zuvor gab es eine Gerichtsverhandlung zur Räumungsklage des Schlachthof-Besitzers Gausepohl. Damit droht das Ende des Clubs nach mehr als 20 Jahren. Genau das sollte doch eigentlich durch die Verhandlungen der Stadtspitze verhindert werden. Ich frage nach, warum man über Grundstückskäufe verhandelt, ohne dass der Rechtsstreit zumindest ruhend gestellt wurde? Warum der Eigentümer mit Samthandschuhen angefasst wird, obwohl er das Grundstück mitten in der Stadt seit mehr als zwei Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt (ohne das Nostromo-Team wäre der Zustand wohl deutlich schlechter)? Außerdem möchte ich wissen, ob in den Verhandlungen berücksichtigt wurde, dass ein Freundeskreis bereit ist, Teile des Grundstückes für 200.000 Euro zu erwerben, um das Nostromo zu erhalten.

Der OB und sein Beigeordneter geben sich zurückhaltend. Im öffentlichen Teil der Sitzung erklären sie, dass es weiterhin Gespräche gibt und die Klage eine Sache zwischen Herrn Gausepohl und dem Schall und Rauch e.V. als Betreiber des Nostromo sei. Außerdem wäre meine Ansicht falsch, dass das Grundstück vernachlässigt wurde. Dr. Wieler erinnert daran, dass Herr Gausepohl in vergangenen Jahren offen für Initiativen auf seinem Gelände war und diese teilweise auch finanziell unterstützte. Außerdem habe er auch selbst Ideen eingebracht, denen aber aus Stadtentwicklungssicht nicht zugestimmt wurde.

Zur Situation des Nostromo sagt der OB: „Die Diskussion ging los bei der Vorlage zum Katastrophenschutzzentrum. Das Nostromo war nur im Vortrag erwähnt. Da hätte man darüber reden können. Das war aber nicht mehr möglich, weil die Diskussion in eine völlig andere Richtung gelaufen ist. Das hat der Sache nicht gut getan. Es ist müßig, jetzt weiter darüber zu sprechen. Wir sollten nach vorne schauen. Es ist ein Grundstück, das wir brauchen in der Stadt.“

Ich hoffe nicht, dass die Betroffenen nun den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen. So nach dem Motto: Wärt ihr mal leise und brav geblieben.“ Erinnern wir uns: Im Dezember 2020 sollte der Stadtrat eine Machbarkeitsstudie für ein Katastrophenschutzzentrum auf dem alten Schlachthofgelände in Auftrag geben. In der Vorlage, verfasst von Bürgermeister Michael Wieler, stand folgender Satz: „Rückzubauen ist in jedem Falle das momentan durch das Nostromo genutzte Gebäude, auf dessen Grundfläche der Kopfbau der Berufsfeuerwehr mit den für den ersten Abmarsch erforderlichen Stellplätzen entstehen könnte.“ Öffentlich, für jeden einsehbar, auch für die Leute vom Nostromo. Was hätten sie anderes tun sollen, als darauf ebenfalls öffentlich aufmerksam zu machen und zu protestieren. Lesen konnte die Vorlage auch Herr Gausepohl, der Eigentümer. Nur wenige Tage später, am 28.12.2020, flatterte dem Schall und Rauch e.V. die Kündigung ins Haus. Angeblich wegen des Protestes. Eine merkwürdige Verkehrung von Ursache und Wirkung, der sich städtische Vertreter nicht anschließen sollten. Derzeit bleibt uns nichts anderes als die Daumen zu drücken, dass bis zur Urteilsverkündung am 6.7. die Räumungsklage noch abgewendet werden kann.

Seinem Ruf gerecht wird Stadtrat Jens Jeschke (AfD-Mitglied, fraktionslos). Er möchte wissen, warum eine ausrangierte Drehleiter der Berufsfeuerwehr der Ukraine geschenkt wird und nicht unsere Nachbargemeinden damit unterstützt werden. Die Neiddebatte geht ins Leere. Denn die ausrangierte Drehleiter darf gar nicht mehr innerhalb der EU benutzt werden. Für die Ukraine kann das voll funktionstüchtige Gerät aber noch wertvolle Dienste leisten.

Aufbruch ins neue digitale Zeitalter: Wir bekommen für die Beschlusskontrolle keine Excel-Tabellen mehr. Stattdessen ist der Bearbeitungsstand demnächst über ein Modul im Ratsinformationssystem abrufbar. Das entlastet die Mitarbeiter, die die ewig langen Tabellen erstellen mussten. Der OB berichtet, dass nach Auskunft der beauftragten Firma Görlitz absoluter Vorreiter auf diesem Gebiet ist. Eine gute Nachricht und Ansporn, auch auf anderen Feldern bei der Digitalisierung aufzuholen.

Dann fassen wir Beschlüsse:

Änderung der Friedhofssatzung
Es erfolgt eine Aktualisierung aus rechtlichen Gründen, veraltete Paragrafen wurden überarbeitet.

 

Gebührensatzung zur Friedhofssatzung
Sterben wird teurer. Das überrascht vermutlich niemanden bei den allgemeinen Preissteigerungen. Friedhofschefin Evelyn Mühle erläutert uns die Kalkulation für die nächsten fünf Jahre. Sie braucht von der Stadt künftig rund 20.000 Euro mehr pro Jahr (entspricht ca. 20 Prozent). Wie hoch die Gebühren für die Bürger steigen, lässt sich nicht pauschal sagen. Das hängt vom jeweiligen „Paket“ ab. Im Vergleich mit anderen Städten nimmt Görlitz einen Mittelplatz ein.

 

Benutzungs- und Entgeltordnung für Schulen und Sportstätten
Aus zwei Satzungen wurde eine gemacht. Das ist vernünftig. Auch hier mussten die Gebühren neu kalkuliert werden. Grundlage sind die Gebäude und Anlagen. Sie sind seit der letzten Kalkulation 2005 zumeist im Wert gesunken. Damit werden von vielen Vereinen auch weniger Gebühren erhoben. Aber nicht alle profitieren. So zahlen die Leichtathleten im Stadion der Freundschaft deutlich mehr, weil durch die Sanierung dessen Wert gestiegen ist. In Summe ist es aber verkraftbar, vor allem wenn es auf die einzelnen Athleten heruntergerechnet wird. Neu: Ab Januar müssen Vereine 19% Mehrwertsteuer bezahlen. Das kommt als Kostenblock dazu (ein Irrsinn, was uns hier aufgebürdet wird vom Bund – aber das ist wieder ein anderes Thema). Ich bedanke mich als Mitglied des Sportausschusses in einem kurzen Redebeitrag beim Amtsleiter Alexander Eichler für seine Ausarbeitungen zum Zustand unserer Sportstätten, die allen Fraktionen als internes Material vorliegt. Mein Wunsch für den nächsten Haushalt: Wir müssen überfraktionell mehr Geld für den Werterhalt einplanen. Es kann nicht sein, dass es in unsere Sporthallen einregnet.

 

Dann lösen wir zwei Sanierungsgebiete auf.
In der Nikolaivorstadt und der Historischen Altstadt wurden die Sanierungsziele erreicht. Wir alle sehen jeden Tag staunend, wie schön unsere gute Stube geworden ist. Dank des Engagements vieler Bauherren, der Stadt und von Fördermittelgebern. Zur Sanierung in der Nikolaivorstadt heißt es z.B. in einem Vortrag der Stadtverwaltung: „In 25 Jahren Sanierungstätigkeit wurden rund 17 Millionen Euro Städtebaufördermittel im Gebiet eingesetzt. Dieser Anreiz löste ein vielfach höheres Gesamtinvestitionsvolumen im privaten Bereich aus. Bei den Gebäuden ist ein Sanierungsstand von rund 95 Prozent zu verzeichnen. Die Nikolaivorstadt hat sich zu einem bevorzugten Wohnstandort entwickelt. Ablesbar ist das an der gestiegenen Bevölkerungszahl auf 1.179 Einwohner, das bedeutet einen Zuwachs von rund 52 Prozent. Mit einem Durchschnittalter von 42 Jahren zählt die Nikolaivorstadt mit zu den jüngsten Stadtteilen.“ Ebenfalls imposant sind die Ergebnisse nach 30 Jahren Sanierungsgebiet „Historische Altstadt“: „44 Plätze und Straßen wurden nach historischem Vorbild saniert. Stadtmauern und Stützmauern wurden instandgesetzt, ebenso wie alle Grünanlagen innerhalb der Stadtbefestigung (Ochsenbastei, Nikolaizwinger). Nahezu alle historischen Gebäude wurden saniert (darunter 197 Privatgebäude). Heute ist die Historischen Altstadt das zweitjüngste Wohngebiet der Stadt und hat wieder 2.600 Bewohner.“

Um die erreichten Sanierungsziele zu sichern, wird für ausgewählte Bereiche ein Bebauungsplan aufgestellt.

 

Anpassung der Finanzierung des Bürgerhauses im OT Schlauroth
Das Bürgerhaus in Schlauroth ist – wie fast alle Baumaßnahmen – teurer geworden als geplant. Wir schichten 62.000 Euro um und nehmen 12.000 Euro aus den Rücklagen. Das ist ein Paradigmenwechsel. Bislang sollten die Rücklagen (mit 64 Millionen Euro gut gefüllt aufgrund der Gewerbesteuersonderzahlung von Birkenstock) nicht angetastet werden, um für die Folgejahre, wo es wenig bis gar keine Landeszuschüsse gibt, gewappnet zu sein. Meine Kollegin Jana Krauß (Bündnisgrüne) fragt nach: Was hat das für Folgen? Unsere Finanzchefin Birgit Peschel-Martin erklärt, dass es künftig weitere solche Vorlagen geben wird, da angefangene Baumaßnahmen deutlich teurer werden. Ohne Griff in die Rücklagen lassen sie sich nicht zu Ende bringen. Glück im Unglück aus ihrer Sicht: „Wir können in die Kasse greifen, andere Kommunen nicht.“ Freilich nicht ohne Auswirkungen auf die Folgejahre.

 

Verkauf von Teilflächen im Gewerbegebiet Hagenwerder
Wir verkaufen insgesamt 7.200 m² an die hedue GmbH, Mönchengladbach. Der Kaufpreis beträgt vorläufig 79.200 Euro, wird jedoch noch genau ermittelt durch den Verkehrswert. Das Unternehmen stellt vorrangig Messgeräte her. In Görlitz soll eine Gewerbehalle mit Lager, Büro und Werkstatt entstehen. Elf Arbeitsplätze will hedue schaffen. Für Irritationen sorgten Pressemeldungen, dass die hedue GmbH auch in Zittau ein Grundstück erwerben möchte. Werden wir hier gegeneinander ausgespielt? Bürgermeister Wieler hat keinen Zweifel, dass das Unternehmen nach Görlitz möchte. Das sei auch nochmals in einem Gespräch bestätigt worden. Wir werden sehen, wie das ausgeht. Ein großes Risiko gibt es nicht. Falls die hedue Gmbh auf dem Grundstück nicht innerhalb einer festzulegenden Zeit baut, geht es zurück an die Stadt. Es handelt sich auch nicht um ein „Filetstück“.

 

Entwicklung des „Gewerbe- und Industriegebiets Ostritz-Görlitz“
Nach vielen Jahren Vorlauf geht es nun endlich los: Wir entwickeln gemeinsam mit Ostritz das ehemalige Kraftwerksgelände in Richtung Süden weiter. In einem ersten Schritt wird der bestehende Bebauungsplan verändert. Das zusätzliche Gelände umfasst zwischen 80 bis 100 Hektar Bruttofläche. Wieviel davon tatsächlich für Ansiedlungen genutzt werden kann, wird sich in der bald folgenden Planung zeigen. Nach einer Veröffentlichung zu diesem Thema in der SZ wird diskutiert, ob das denn sinnvoll sei, weitere Industrie- und Gewerbebetriebe in der Nähe des Sees anzusiedeln. Und ob die Stadt noch mehr Schwerlastverkehr verträgt, da es keine Ortsumfahrung nach Hagenwerder gibt. Fangen wir mit Letzterem an: Wenn die Stadt Görlitz einen gestiegenen Bedarf nachweist, könnte in das Thema Südumfahrung neue Bewegung kommen. Die Vereinbarkeit von Wirtschaft und Erholung ist gegeben. Schon heute arbeiten in der Nähe des Sees viele Betriebe. Mir ist nicht bekannt, dass sie Touristen oder Ausflügler stören würden. Was man nicht vergessen darf: Die Nähe des Berzdorfer Sees könnte ein wichtiges Argument für die Ansiedlung von Unternehmen sein.

 

LEADER-Entwicklungsstrategie 2023 – 2027

Etwas überraschend gibt es hier emotionale Diskussionen. Dabei ist alles recht einfach: Görlitz ist Teil der regionalen LEADER-Familie. Über LEADER fördert die EU Projekte im ländlichen Raum. Dazu zählen die Görlitzer Ortsteile Hagenwerder/Tauchritz, Kunnerwitz/Klein Neundorf, Schlauroth und Ludwigsdorf/Ober Neundorf. Von LEADER-Geldern profitierte etwa das Bürgerhaus Schlauroth. Bis Ende Juni müssen wir die Entwicklungsstrategie bestätigen, sonst ist die Stadt raus aus dem Programm. Dazu besteht Einigkeit. Bis Andreas Zimmermann, CDU-Stadtrat und Ortsvorsteher von Hagenwerder/Tauchritz nachfragt, wer die Stadt im LEADER-Programm vertritt. Die Antwort von Bürgermeister Wieler überrascht: Stadtrat Karsten Günther-Töpert wurde als Ortsvorsteher von Ludwigsdorf/Ober-Neundorf angesprochen und würde diese Funktion übernehmen. Das führt zu großem Hallo bei der AfD. Günther-Töpert sei parteiisch, was sich in Diskussionen auf Facebook zeige, sagt Sebastian Wippel. Es geht eine Weile hin und her. Der OB bietet an, dass sich die Ortsvorsteher zu der Personalie abstimmen und einen Vorschlag unterbreiten. Das begrüße ich am Saal-Mikro. Die Art und Weise der Benennung des städtischen Vertreters war zumindest unsensibel. An der Integrität von Karsten Günther-Töpert gibt es für unsere Fraktion aber keine Zweifel.  Meiner Bitte, dass wir trotz dieser Personaldiskussion der regionalen LEADER-Strategie möglichst breit zustimmen und damit ein starkes Signal ins Umland senden, wird entsprochen. Am Ende beschließen wir die Vorlage einstimmig. Und auf einen Vertreter von Görlitz werden wir uns sicherlich auch einigen.

 

Benennung Elisabethplatz
Die CDU-Fraktion möchte, dass der zur Elisabethstraße gehörende Platz einen eigenen Namen bekommt. Im Volksmund heißt er schon immer Elisabethplatz. Das soll nun auch offiziell werden. An den beiden flankierenden Straßenseiten ändert sich nichts. Das bleibt die Elisabethstraße. Mein Kollege Andreas Kolley signalisiert unsere Unterstützung für den Antrag und hofft, dass mit derselben Energie wie bei den vielfältigen Straßenbenennungen auch andere Themen bearbeitet werden. Denken wir an Bildung, den Berzdorfer See oder die Jugendbeteiligung. Die Vorlage wird als einzige nicht einstimmig beschlossen. 18 Ja-Stimmen, 6-mal Nein und 4 Enthaltungen gibt es. Die Benennung des Platzes erfolgt nicht sofort, sondern erst nach der Sanierung des oberen Teils.

Es endet der öffentliche Teil. Was die Stadtgesellschaft nicht sieht: Wir tagen hinter verschlossenen Türen weitere zwei Stunden. Worum es da ging, ist derzeit noch geheim. In den nächsten Wochen kann ich euch mehr darüber berichten. Es bleibt spannend für Görlitz.

 

Foto: Blick ins Nostromo. Im Club stecken mehrere hunderttausend Euro an Arbeitsleistung und Material vom Schall und Rauch e.V.

 

Letzte Sitzung im Krisenjahr 2020. Mit Stollen vom Jesus-Bäcker und vielen guten Wünschen Nachdem die Ansteckungszahlen im Kreis Görlitz unaufhaltsam klettern, gibt es von der Fraktion Bürger für Görlitz kurzfristig den Versuch, die Sitzung abzusagen und im Januar digital nachzuholen. Aufgrund einiger wichtiger Themen entscheidet sich unsere Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne gegen eine komplette Absage. Wir schlagen als Kompromiss eine Verkleinerung des Rates auf die Hälfte vor. Damit wir die Risikogruppen schützen. Dafür bedarf es aber der Zustimmung aller Fraktionen. Die AfD lehnt ab. Also sind wir gezwungen mit voller Kapelle anzutreten, bis auf unseren Rekonvaleszenten Andreas Kolley.

Was funktioniert, ist das Eindampfen der Tagesordnung. Wir nehmen unseren Antrag von der Tagesordnung, der den schönen Titel trägt „Ausnahmegenehmigungen für das Parken von Gewerbetreibenden in Zonen mit Bewohnerparken“. Grund: Die Verwaltung hat uns kurz vor der Sitzung mitgeteilt, dass sie bereits an einem Antragsformular für die Erteilung von entsprechenden Ausnahmegenehmigungen arbeitet. Es soll in Kürze auf der Homepage der Stadt Görlitz veröffentlicht und kann dann auch von Gewerbetreibenden genutzt werden. Damit ist das Ziel des Antrages erreicht. Die Görlitzer Gewerbetreibenden haben nun wie ihre Kollegen in vielen anderen Städten Deutschlands endlich die Möglichkeit, auf einfachem Weg ein Antragsformular zu finden. Am Ende trifft natürlich die Stadtverwaltung die Entscheidung und diese wird nur in besonderen Härtefällen positiv ausfallen, da die Gesetzeslage nur wenig Spielraum gibt. Danke an die Verwaltung für die schlussendlich unkomplizierte Lösung.

Die Verwaltung nimmt zwei Vorlagen von der Tagesordnung – allerdings nicht ausschließlich  wegen Corona. Die Satzungsänderungen zur Bürgerschaftlichen Beteiligung etwa waren sehr umstritten. In der Vorlage fehlen zudem die Hinweise aus dem Ausschuss Kultur, Bildung, Soziales und Migration. Aus unserer Sicht hätte der Antrag deshalb ohnehin nicht behandelt werden dürfen, da wichtige Informationen zur Entscheidungsfindung nicht zur Verfügung standen: https://fraktion-motor-gruene.de/wie-wichtig-ist-ob-ursu-buergerbeteiligung/ Auf ein Neues 2021. Dann leider ohne die langjährige Koordinatorin für Bürgerbeteiligung im Rathaus. Silke Baenisch verlässt beruflich die Stadtverwaltung. Ein weiterer schwerer Verlust, für den nicht erkennbar nach Ersatz gesucht wird. Unsere Fraktion wünscht Frau Baenisch alles Gute, wir bedanken uns für die hervorragende Zusammenarbeit.

Als zweite Vorlage zieht die Verwaltung den Antrag zurück, mit dem der Startschuss für die Entwicklung des ehemaligen Schlachthofgeländes zu einem Zivilschutzzentrum inklusive Neubaus der Berufsfeuerwehr erfolgt wäre. Der Stadtrat sollte eine entsprechende Machbarkeitsstudie bewilligen. Da im Vortrag zu diesem Beschluss die Zukunft des Clubs Nostromo auf dem Schlachthofgelände offen in Frage gestellt wurde, regte sich Widerstand in der freien Szene. Dies und weitere offene Fragen führten im Technischen Ausschuss zwei Tage vor dem Stadtrat dazu, dass die große Mehrheit empfahl, diesen Beschlussantrag zurückzuverweisen. Damit ist die Kuh nicht vom Eis aber ein deutliches Zeichen, dass die Stadtgesellschaft einen etablierten Ort der Basiskultur nicht kampflos aufzugeben gedenkt. Spätestens im Frühjahr wird das Thema wohl wieder aufgerufen. Mit Blick auf die Finanzlage der Stadt ist es schwer vorstellbar, jetzt ein weiteres Riesenprojekt in Angriff zu nehmen. Doch dazu gleich mehr.

Im Zusammenhang mit dem Nostromo meldet sich Gerd Weise (CDU) mit einer persönlichen Erklärung zu Wort. Er bittet um Entschuldigung, dass er das Nostromo im Februar in einer Stadtratssitzung als „dunklen Diskoklub“ bezeichnet habe. Da ich Gerd diesbezüglich kritisiert habe und ihm dabei das Zitat „dunkles Diskoloch“ zuschrieb, möchte ich die Gelegenheit nutzen und Teile seiner persönlichen Erklärung veröffentlichen, um das Gesagte richtigzustellen: „Ich sagte nicht, wie ich falsch und irreführend zitiert werde‚ ‚dunkles DiskoLOCH‘, sondern – und das können Sie im öffentlich zugänglichen Protokoll der Stadtratssitzung vom 27.02.2020 lesen, ‚dunkler Diskoclub‘ – aber auch das kann falsch verstanden werden. Es war von mir nicht so gemeint, aber leider so ausgesprochen. Der Kontext meiner unglücklichen Formulierung war die ärgerliche und nicht nachvollziehbare Absage der Stadtverwaltung, eine helle, gewärmte Turnhalle für eine sehr wichtige Krisensitzung der Elternschaft im Februar nutzen zu dürfen. Als Kontrast mussten die Eltern notgedrungen in eine zu dem Zweck improvisierte, ‚dunkle‘, kühle Halle ohne ausreichende Sitzmöglichkeit ausweichen. Ich wollte keine Kritik an den Räumlichkeiten des Nostromos üben, sondern die unverständliche Haltung der Verwaltung kritisieren und verfehlte mich im Vergleich. Dem Nostromo gebührt ausdrücklich der Dank für die spontane Gastfreundschaft im Februar 2020, die das bürgerliche Engagement am Leben erhielt. Deshalb verzeihen Sie mir bitte die unglückliche Formulierung. Niemals möchte ich das geleistete Bürgerschaftliche Engagement diskreditieren. Vielen Dank.“ Danke für die Entschuldigung, lieber Gerd. Dazu gehört auch Größe.

Und damit zum Thema des Tages. Als Information war uns angekündigt worden: „Eckwerte zum Entwurf Haushalt 2021/22“. Zu unserer Überraschung versucht Oberbürgermeister Ursu ausgerechnet dieses wichtige Thema der Öffentlichkeit vorzuenthalten und bietet wegen der Corona-Situation an, die Information nur in schriftlicher Form zur Verfügung zu stellen. Ohne den fachlichen Vortrag der Görlitzer Finanzchefin Birgit Peschel-Martin sind viele der Zahlen aber nicht verständlich. Deshalb spricht sich meine Kollegin Kristina Seifert auch gegen das Ansinnen des OB aus. Damit muss der Vortrag stattfinden. Und das ist auch gut so, wie sich zeigt.

Quintessenz: Görlitz hat schwere finanzielle Zeiten vor sich. Durch Corona sinken die Steuereinnahmen. Gleichzeitig steigen coronabedingte Ausgaben. Der Freistaat ändert sein Finanzausgleichsgesetz zulasten der kreisangehörigen größeren Städte (Plauen, Zwickau, Görlitz) und die Kreisumlage steigt. Das führt in Summe dazu, dass für 2021 derzeit ein Defizit von rund 10,6 Millionen Euro in Aussicht steht. 2022 wären es gar 11,8 Millionen. Bereinigt um das pandemiebedingte Defizit (dafür besteht Hoffnung auf Ausgleich durch Bund und Land) müssen wir nach jetzigem Stand in beiden Jahren 5-6 Millionen Euro einsparen im Vergleich zum bestehenden Planansatz. Bedeutet: Bereits jetzt sind nicht alle geplanten Projekte finanzierbar. Neue können nicht hinzukommen. Es wird eine Prioritätensetzung brauchen in den kommenden Monaten. Der OB verbreitet Hoffnung in der Weihnachtszeit. Es sei noch nicht alles entschieden, die Zahlen könnten noch besser werden und er hoffe darauf, dass Görlitz Kredite aufnehmen darf, um Eigenmittel für Investitionsvorhaben aufbringen zu können. Viel Konjunktiv… Gut wäre es, sich schnell ehrlich zu machen und nicht  nur im Stadtrat, sondern in der gesamten Stadtgesellschaft zu diskutieren: Was ist uns besonders wichtig und worauf können wir notfalls noch warten oder gänzlich verzichten, wenn es nicht bezahlbar ist. Es stellt sich ein Unwohlsein ein bei den zahlreichen Beschlüssen der letzten Monate, in denen wir bereits auf den Haushalt 21/22 vorgegriffen haben. Uns wurde jeweils von der Verwaltung erklärt: Macht euch keine Sorgen, die Verluste werden ausgeglichen, wir kommen mit einem blauen Auge durch die Krise. Wusste man wirklich nicht früher, was auf uns zukommt?

 

Anschließend informiert der OB zu verschiedenen Punkten:

Zu Silvester hat die Verwaltung überall dort Böller-Verbote ausgesprochen, wo es möglich ist – also rund um die Altstadtbrücke. Er appelliert an alle, auf Feuerwerk zu verzichten. Es geht um die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems und unser solidarisches Miteinander. Richtig.

Aufgrund der Corona-Lage wird der Stadtrat fast den kompletten Januar pausieren. Es soll auch keine Ausschusssitzungen geben. Erst zum Monatsende wieder, wenn der Stadtrat ansteht. Ich hoffe, dass die Verwaltung den Januar nutzt, um die technischen Voraussetzungen für Videokonferenzen zu schaffen. Diese Tagungsmöglichkeit ist durch den Landtag am Mittwoch beschlossen worden. Das sollten wir nutzen – schließlich will Görlitz Stadt der Zukunft werden.

Gute Nachrichten gibt es vom ZVON. Der regionale Verkehrsverbund unterstützt unsere Görlitzer Verkehrsbetriebe bei der Anschaffung von Stadtbahnwagen finanziell.

Gar nicht gut sieht es dagegen in Sachen „alternative Stellplätze für Stadtrundfahrten“ aus. Die Verwaltung teilt uns mit, dass sowohl der ehemalige Busbahnhof am Kaisertrutz als auch der Postplatz nicht geeignet wären. Man bleibt der Einfachheit halber beim eigenen Vorschlag, das bestehende Kuddelmuddel 2021 auf Obermarkt, Fleischerstraße, Untermarkt und Klosterplatz zu verteilen. Mit einer entsprechenden Vorlage dürfen wir uns im Januar beschäftigen und unsere Änderungsvorschläge einbringen.

Anschließend verabschieden wir Helmut Goltz. Er hat das 65. Lebensjahr erreicht und darf deshalb als Stadtrat zurücktreten. Das nimmt er wahr. Herzlichen Dank an Helmut für seine vielen Jahre im Ehrenamt. Ihm folgt Heiko Romsdorf, ein neues Gesicht in der CDU, tätig als Polizeihauptkommissar bei der Bundespolizei.

 

Folgende Beschlüsse fassen wir:

Über die bereits im November gewählte Geschäftsführerin des Klinikum Görlitz wird nochmals abgestimmt. Ein Stadtrat hatte seine Befangenheit nicht erklärt, darum eine Wiederholung. Einstimmig bestätigt der Stadtrat Ines Hofmann.

Aufgrund der Corona-Situation beschließen wir einen ÖPNV-Notfallbetrieb. Dieser gilt ab 19.12. bis zur Wiederaufnahme des Schulbetriebs.

Für eine Neuordnung der Tarife der Stadtwerke im Bereich Trinkwasser/Abwasser für 2021-2023 erfolgt eine breite Zustimmung.

Der Wochenmarkt wird ab Februar von der Deutschen Marktgilde betrieben. Der Stadtrat stimmt der Vergabe der Konzession zu. Es gab insgesamt drei Bewerber, darunter auch den langjährigen Betreiber. Die Marktgilde konnte aber als einzige Bieterin vollständige Unterlagen vorlegen und war somit ohne Konkurrenz bei der Entscheidung. In den kommenden drei Jahren kann die Marktgilde sich nun beweisen. An dieser Stelle bedanke ich mich bei Francois Fritz und seiner Mannschaft. Auch wenn es immer Verbesserungen geben kann: Er hat es geschafft, für Frieden und Stabilität auf dem Eli zu sorgen, nachdem der Wochenmarkt über viele Jahre ein Fall für die Gerichte war.

Gesprächsbedarf gibt es bei der Vorlage „Änderung des Geltungsbereiches für den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 40 – Umbau Kaufhaus Görlitz“. Eigentlich eine Formalie. Investor Winfried Stöcker möchte zwei Grundstücke (Postplatz 5/6) in die Planung einbeziehen. Das ist jederzeit möglich und bedeutet nicht, dass man damit etwa einem Abriss von denkmalgeschützten Gebäuden zustimmen würde. Unsere Fraktion ist dem Kaufhaus gegenüber nicht negativ eingestellt. Uns ist jedoch wichtig, dass das Verfahren sauber läuft. Darum gibt es Fragen von Dr. Jana Krauß und Danilo Kuscher zur Beteiligung der Öffentlichkeit. Im Aufstellungsbeschluss von 2018 ist explizit eine „frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 1 Baugesetzbuch“ enthalten. Gab es diese? Nein, sagt Bürgermeister Wieler. Und es wird auch nach Hinzunahme der beiden Grundstücke in den B-Plan keine solche Beteiligung geben. Herr Wieler vertritt die Ansicht, dass das erst nach der Auslegung des Bebauungsplans erfolgt, da es derzeit gar keinen ausgereiften Plan gebe, mit dem man sich beschäftigen könnte. Wie passt das aber mit einem Dokument zusammen, dass Danilo Kuscher im Ratsinformationssystem gefunden hat? Es stammt aus dem Herbst 2018 und dokumentiert just eine „frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit“ mit dem Kaufhaus-Projekt. Der zuständige Amtsleiter Hartmut Wilke kann sich das in der Sitzung nicht erklären und empfiehlt aufgrund dieser offenen Frage, den Beschluss zu vertagen. Dagegen spricht sich sein Vorgesetzter Michael Wieler aus, wie auch die Mehrheit des Stadtrates. AfD, Bürger für Görlitz und CDU beschließen danach und mitten in der spannenden Diskussion ein Ende der Debatte. Nicht das erste Mal, dass die Mehrheit im Rat genutzt wird, um den sachlichen Austausch zu unterbinden. So kommt es, dass drei Leute aus unserer Fraktion gegen die Vorlage stimmen und ich mich enthalte – obgleich wir mit dem formalen Akt eigentlich keine Probleme hatten. Wenn aber der Eindruck entsteht, es wird etwas unter den Tisch gekehrt, werden wir hellhörig. Die große Mehrheit stimmt letztlich der Erweiterung des B-Planes zu, bei 5 Gegenstimmen und drei Enthaltungen. Wir werden die offen gebliebenen Fragen zur Beteiligung der Öffentlichkeit weiter untersuchen.

Die öffentliche Sitzung endet mit einer Neuwahl von Ausschüssen. Damit vollzieht die AfD den Rauswurf von Jens Jäschke. Er ist nun in keinem Ausschuss mehr vertreten. Ein gutes Ende des kommunalpolitischen Jahres 2020.

Ich bedanke mich bei euch allen für das Feedback im vergangenen Jahr, bei der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit, beim gesamten Stadtrat für die zumeist konstruktive Atmosphäre und bei den Mädels und Jungs von der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne: Es macht große Freude mit euch zusammenarbeiten zu dürfen. Frohe Festtage euch allen und bis zum Januar 2021.

Text: Mike Altmann